10 Punkte, die mir als Musikerin in einem Musikverein wichtig sind

  1. Konzerte mit interessanten, abwechslungsreichen Programmen, die in sich aber auch stimmig sind.
  2. Qualitativ gute Werke für Blasorchester die im Idealfall original für Blasorchester geschrieben und im Schwierigkeitsgrad angemessen sind.
  3. Die Motivation und der Anspruch von allen Mitmusikerinnen und -musikern, diese Werke so gut wie möglich spielen zu wollen und zu können.
  4. Eine straffe, zielgerichtete Probenarbeit, bei der der Dirigent viel zeigt und wenig sagt.
  5. Regelmäßige Registerproben, in denen intensiv am Zusammenspiel und der Intonation gearbeitet wird.
  6. Vollzählige Proben und pünktlicher Probenbeginn.
  7. Ein ausgeprägtes Wir-Gefühl und der Wille, gemeinsam tolle Musik zu machen und in allem stimmige Konzerte zu veranstalten.
  8. Eine gute Mitgliederbetreuung mit umfassender Informationspolitik.
  9. Kooperationsprojekte mit anderen Formationen und nicht alltägliche Kombinationen im Zusammenspiel mit dem Blasorchester, sowie gelegentliche Veranstaltungen mit Event-Charakter
  10. Ab und an Unterhaltungskonzerte die das Publikum begeistern und vom Hocker reißen, aber jenseits von eintönigem Pop-Song-Gedudel sind. Es darf auch gerne mal eine ordentlich gespielte Polka sein.

Hört sich alles nach wenig Spaß an? Ganz im Gegenteil. Wenn diese Voraussetzungen stimmen, fängt für mich der Spaß erst richtig an. Schon zu oft habe ich in verschiedenen Orchestern gehört „das reicht für uns“ oder „es ist schließlich nur ein Hobby“. Für mich eindeutig zu wenig.

Passiver Aktivmusiker

Ich muß immer an den „Passiven Aktivmusiker“ denken, der sich in meiner Umfrage zur Zukunft der Musikvereine geäußert hat. Und heute ist der Tag, an dem ich mich selbst auch mal outen muß: Ich würde ja liebend gerne im Musikverein musizieren. Aber wenn zu viele der oben genannten Punkte in einem Verein nicht erfüllt sind, macht es mir einfach keinen Spaß! Also, jetzt ist es raus, ich bin momentan selbst ein „passiver Aktivmusiker“. Auf jeden Fall was das Spielen im Musikverein betrifft. Ich suche mir da lieber Projekte und Projektorchester, in denen diese Punkte weitestgehend erfüllt werden. Ganz oft habe ich auch schon über einen „Alternativen Musikverein“ nachgedacht, in der alle Musikerinnen und Musiker die gleichen Ziele verfolgen und die gleiche Motivation haben: schlicht und einfach tolle Musik gemeinsam zu machen. Das klingt jedoch nach Utopia.

Probe als Ausgleich zum Alltag

Schade. Es hat doch was, wöchentlich in die Probe (oder auch in zwei) zu gehen und einfach mal beim Musizieren abschalten zu können. Sich von der Umwelt und dem Stress dahingehend zu erholen, dass man sich einfach auf die Noten konzentrieren muß und damit gar keine Chance hat, an was anderes zu denken – wie zum Beispiel an die Sorgen, die einen gerade so plagen. Aber wenn zu viele Faktoren für einen selbst nicht stimmen, hat es keinen Wert. Ich bin nicht so engstirnig, nur hochstehende Konzerte spielen zu wollen und daneben nur noch ein Wettbewerb oder ein Wertungsspiel gelten zu lassen. Auch für gute Unterhaltungsmusik bin ich zu haben. Und durchaus auch für traditionelle Blasmusik. Wobei ich diese mit Gleichgesinnten in einem kleineren Ensemble bevorzuge, in dem alle Lust auf Polka haben. Ein Großes Blasorchester muß schließlich nicht alle Genres abdecken, wie das viele immer noch glauben. Eine Spezialisierung macht durchaus Sinn. Entweder generell oder auch nur für einzelne Events / Projekte. Ein Blasorchester, das sich auf die Fahnen schreibt, ein tolles Unterhaltungsorchester werden zu wollen finde ich toll (wenn auch nicht meine bevorzugte Richtung). Oder eine Blaskapelle, die sich der Traditionellen Blasmusik verschreibt und sich auch am Jahreskonzert treu bleibt.

Probendisziplin

Übrigens: hat oben in der Liste jemand den Punkt vermisst „alle Musikerinnen und Musiker kommen top vorbereitet in die Probe“? Als so wahnsinnig wichtig sehe ich das nicht an um das extra zu erwähnen. Logisch schaut jeder seine schwierigen Stellen zu Hause an, man will sich ja nicht blamieren. Der Rest kommt von allein in den Proben.

Traditionen

Und dann bleibt auch noch die Sache mit den Traditionen. „Wir haben immer an Beerdigungen gespielt, also müssen wir das auch in Zukunft“. Sicher ein wichtiger Punkt. Wenn es aber aus beruflichen Gründen jedes Mal bei traditionellen Angelegenheiten an der Besetzung hapert, kann eine alte Tradition doch bestimmt auch einer guten, modernen Alternative weichen. Um beim Beispiel Beerdigung zu bleiben, kann eine Alternative ein jährlicher ökumenischer Gottesdienst für alle Verstorbenen aus dem Musikverein sein, der mit dem Musikverein begleitet wird. Oder eine musikalische Umrahmung in einem Seelenamt oder dem nächsten Sonntagsgottesdienst.

Führungspersönlichkeiten

Voraussetzung bei oben genannten Punkten sind Führungspersönlichkeiten bei Dirigent und Vorstandschaft. Menschen, die in der Lage sind, den Laden zusammen zu halten und den Verein auf ein gemeinsames Ziel einschwören können. Leider stehen wirklich richtig gute Führungspersönlichkeiten in Vereinen auch immer wieder in der Kritik. Wer Verantwortung übernimmt muß auch mit Gegenwehr rechnen. Schöner wäre es allerdings, wenn diese Vereinsmanager in ihrer Arbeit vollumfänglich unterstützt werden würden.

Literaturauswahl

Und zum Schluß möchte ich Euch noch etwas verraten, was mich bei Musikvereinen tödlich aufregt: Wenn die Literatur vom Dirigenten so ausgesucht wird, dass der Verein überhaupt keine Chance hat, die Werke gut zu spielen. Wenn wirklich jedes Werk eine Überforderung darstellt. Die Musiker werden damit „vorgeführt“ und das ist absolut unnötig, da es heutzutage in jedem Schwierigkeitsgrad tolle Musik für Blasorchester gibt! Wenn der „Kaiserwalzer“ für den Verein 3 Klassen zu schwierig ist, ist er schließlich auch keine Herausforderung, die es zu meistern gilt und ein gutes Lehrbeispiel schon gar nicht.

So, das war heute im Blasmusikblog mal wirklich harte Kost und eine geballte Ladung an Alexandra-Meinung. Ihr dürft gerne Eure Ansichten über unsere Musikvereinskultur hier im Blasmusikblog loswerden und Euch unten in den Kommentaren austoben!

 

 

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    6 thoughts on “10 Punkte, die mir als Musikerin in einem Musikverein wichtig sind

    • 30. Juli 2015 at 16:45
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      Hallo Alexandra Link,
      es ist sind interessante Punkte dabei. Allerdings bin ich in einigen Punkten anderer Meinung.
      1) Eine speziallisierung ist für die Meisten Blasorchester wohl nicht möglich. Auch große Blasorchester müssen sich finanzieren, da die öffentlichen Gelder immer weniger fließen, bzw. die meisten Dirigentenstellen mittlerweile gestrichen werden und die Vereine auch nach Finanzierungen umschauen müssen. Mit 2 oder 3 Konzerten im Jahr ist kein Geld zu verdienen. Im Gegenteil. Zumeist ist ein Konzert ein Zuschußgeschäft, wenn man die Notenkosten und ein eventuelles Probewochenende mit beinberechnet. Alleine die Notenkosten sind in den letzten Jahren ziemlich in die Höhe geschossen. Aber die Vielfalt macht ja die Blasmusik aus.
      2) Wenn ein verdientes Mitglied gestorben ist, sollte es auch eine Selbstverständlichkeit sein, auch eine Beerdigung zu umrahmen. Ebenso Ständchen. Oft bekommt man dafür auch eine großzügige Spende, wenn man einem Mitglied ein Ständchen spielt.
      3) ” im Idealfall original für Blasorchester geschrieben”. Es gibt auch sehr gute klassische Transkriptionen für Blasorchester oder auch Bearbeitungen aus Filmen oder Musical. Das Publikum möchte auch eine gesunde Mischung aus allem hören. Bei den meisten Blasorchestern ist es so, daß das Publikum bei einem rein symphonischen Programm weg bleibt. So traurig es klingt. Es gehört auch zur Tradition der Blasorchester Transkriptionen zu spielen, was auch gut so ist.

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      • 30. Juli 2015 at 17:06
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        Herzlichen Dank für den Beitrag, Gunnar Merkert!
        Der Blasmusikblog darf gerne ein Blog der Blasmusik-Diskussionen werden. Weitere Kommentare sind herzlich willkommen!

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    • 30. Juli 2015 at 17:36
      Permalink

      Ein schöner Beitrag mit interessanten Aspekten. Bei folgenden Punkten möchte ich meinen Senf dazugeben:

      “Ab und an Unterhaltungskonzerte die das Publikum vom Hocker reißen”: Ab und an ist aus meiner Sicht zu wenig – jeder “Hobbymusikverein” lebt vom Publikum und braucht das Publikum um den regulären Vereinsbetrieb auch finanzieren zu können. Aus meiner Sicht ist der Schlüssel zum Erfolg die richtige Mischung bei der Auswahl des Konzertprogramms – anspruchsvolles/herausforderndes für die Musiker und Musik die ins Ohr geht lassen sich super kombinieren und ergeben häufig sehr schöne Konzerte. Geschmückt mit verschiedenen Konzertmottos und besonderen Gestaltungselementen kann man das Publikum sehr schnell begeistern.

      Zum Thema “Begräbnisse”:
      Das ist in den meisten Vereinen ein Diskussionspunkt. Lösen lässt sich das nur, in dem Kirche und Musik gemeinsam Möglichkeiten zur musikalischen Umrahmung ausarbeiten. Es ist ja häufig nicht damit getan, dass das Begräbnis eines verstorbenen Musikkollegen umrahmt werden muss. Viele Vereine haben unterstützende Mitglieder und umrahmen als “Zuckerl” für die unterstützenden Mitglieder kostenlos. Wir haben es bei uns so gelöst: 1. Keine Begräbnisse mehr am Vormittag (haben wir so mit der Pfarre vereinbart), 2. Eine gute Gruppe aus “Pensionisten” bzw. Personen, die beruflich leicht wegkönnen, die Jahr für Jahr ca. 20 Begräbnisse musikalisch umrahmen. Ehrlich gesagt ist es aber nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch wir die Begräbnisse nicht mehr selbstständig musikalisch umrahmen können – ein Lösungsansatz für die Zukunft wäre dann eine vereinsübergreifende “Begräbnismannschaft”.

      Zum Thema “der Anspruch jedes Musikers die Werke möglichst perfekt wiederzugeben”:
      Mitspielen im Musikverein muss Spaß machen. Spaß macht es nur, wenn die Musiker freiwillig dabei sind und nicht zwanghaft zum Üben verdonnert werden. Der wichtigste Aspekt ist wohl, dass die Gemeinschaft passen muss und dass die Leute neben dem Musizieren auch so gut miteiandern auskommen und miteinander Spaß haben können. Der musikalische Erfolg stellt sich dann von selbst ein.

      Zum Thema “Führungspersönlichkeiten”:
      Ja, die stehen immer in der Kritik – egal ob im Verein oder im Beruf. Das ist aber Teil des “Anforderungsprofils” – wenn man sich auf einen derartige Position einlässt, muss einem das beim Amtsantritt bewusst sein (ich bin selbst Obmann im Musikverein). Eine der großen Fragen für die Zukunft ist für mich, wie man ehrenamtliche Führungspersönlichkeiten findet, die sich die Aufgabe “Musikverein” oder aber auch “Feuerwehr” tatsächlich noch antun – das ist nämlich richtig viel ehrenamtliche Arbeit, der finanzielle Aspekt kann dabei kein Thema sein. Eine gutes Rezept ist, die Zuständigkeiten so auf viele Schultern zu verteilen, dass die Last für einzelne Personen möglichst akzeptabel bleibt – trotzdem braucht es eine Person, die das letzte Wort hat und das ist geschäftsführend normalerweise der Obmann und musikalisch der Kapellmeister.

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      • 30. Juli 2015 at 17:44
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        Herzlichen Dank, Poxi, für den ausführlichen Kommentar!

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    • Pingback: Blasmusikblog Jahresrückblick 2015 – Blasmusik

    • 4. Januar 2016 at 18:22
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      Hallo Alexandra,

      ich stimme Dir in den meisten Punkten zu, aber bei den Führungspersönlichkeiten fehlt mir der Lösungsansatz. Vorstandsmitglieder werden vor allem aus zwei Gründen kritisiert:
      1. Sie arbeiten intransparent. Ergebnisse und Diskussionen einer Vorstandssitzung werden üblicherweise nicht an die Mitglieder weitergegeben. Das ist leicht zu beheben.
      2. Manche Mitglieder wollen gerne Veränderungen herbeiführen, haben aber keine Zeit, einen Vorstandsposten auszufüllen. In den meisten Musikvereinen herrscht nämlich keine Kultur, die es erlaubt, sich nur in “Teilzeit” oder nur für ein bestimmtes Thema zu engagieren. Deshalb bleibt nur das Kritisieren.

      Also müssen Führungspersönlichkeiten es den Mitgliedern leicht machen, Kritik in Engagement umzuwandeln, ohne gleich Vorstandsmitglied zu werden. Dazu müssen aber Führungspersönlichkeiten und Verein flexibler werden.

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