Frauen in der Blasmusik

Ein Gastbeitrag von Gudrun Müller und Gisela Heitzmann

Der Oberbadische Blasmusikverband “Breisgau” e. V. feiert in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Ich habe im Blasmusikblog darüber bereits berichtet: 125 Jahre OBV.

In der Festschrift zum Jubiläum habe ich folgenden Text über “Frauen in der Blasmusik” entdeckt und die beiden Autorinnen gebeten, ihn hier veröffentlichen zu dürfen.

 

Frauen in der Blasmusik

Frauen in der Blasmusik
Musik- und Feuerwehrkapelle Teningen. In der Mitte Gisela Heitzmann

Musikerinnen an allen Blasinstrumenten von der Piccoloflöte bis zur Tuba, Frauen als Dirigentin vor großen Orchestern, Frauen als Vorstände, all dies gibt es heute, doch dies war nicht immer so.

Als junges Mädchen empörte ich mich über einen Artikel, den ich in einer alten Blasmusikzeitung aus dem Jahr 1964 fand. Dort wurden junge Männer und Knaben aufgerufen, in die Musikvereine einzutreten um ein Instrument zu erlernen, keine Rede war da von Mädchen oder Frauen. Ich selbst hatte 1970 im Alter von 10 Jahren zusammen mit drei weiteren Mädchen mit dem Klarinettenunterricht begonnen. Bereits drei Jahre später wurden wir in das aktive Orchester aufgenommen.

Gudrun Müller
Gudrun Müller

Musikalisch konnten wir das
 Klarinettenregister recht 
schnell unterstützen, sahen 
uns aber mit vielen Vorbehal
ten seitens der Männer kon
frontiert. Es herrschte die 
einstimmige Meinung, dass 
die Mädchen spätestens mit 
der Heirat den Verein verlassen werden, existierte doch 
in den Köpfen der Männer 
immer noch die traditionelle
 Geschlechterrolle der Frau. Eigene Hobbys waren in dieser Rolle nicht vorgesehen.

Gegen einige Vorurteile hatten bestimmt nicht nur wir, sondern auch andere erste weibliche Mitglieder in Musikvereinen zu kämpfen. Die „Herren der Blasmusik“ befürchteten wohl ihre Vorherrschaft durch die Aufnahme von Musikerinnen zu verlieren, ebenso mussten sie den Umgangston in der bisherigen reinen Männerwelt der neuen Situation anpassen.

Wie falsch diese Herren uns einschätzten zeigt die Tatsache, dass zwei der ehemals vier Mädchen inzwischen seit 47 Jahren musizieren. Wir sind oder waren beide in dieser Zeit in der Vorstandschaft und Jugendausbildung tätig und haben unseren „Mann“ gestanden. Heute kann sich keiner der Herren mehr an die Vorbehalte von damals erinnern.

Frauen in der Blasmusik

Es dauerte allerdings einige Jahre bis die ersten Frauen in den Vorstandschaften der Vereine oder auf Verbandsebene tätig wurden: 1992 wurde mit Waltraud Iselin die erste Frau als Bezirksvorsitzende in das Verbandspräsidium des Oberbadischen Blasmusikverbands OBV gewählt. Heute besteht das Präsidium zu einem Drittel aus Frauen. Frauen als Vorsitzende der Vereine oder Frauen als Dirigentinnen sind heute allerdings immer noch in der Minderheit.

Fraueninstrumente – Männerinstrumente

Kamen am Anfang nur Holzblasinstrumente wie Flöte und Klarinette für die Mädchen in Frage, hat sich dieses Bild mittlerweile gewandelt. Eine Auswertung der Daten im OBV zeigt zwar, dass Frauen und Mädchen noch immer überwiegend Holzblasinstrumente spielen, hier sind allerdings Saxophon, Oboe und Fagott hinzugekommen. Das beliebteste Blechblasinstrument bei den Frauen ist das Waldhorn, gefolgt von der Trompete. Im tiefen Blech, insbesondere an der Tuba, sind die weiblichen Spielerinnen jedoch ebenso selten zu finden wie die männlichen Kollegen an der Flöte.

Die größte Frauenblasmusik der Welt

2011 fand ein besonderes Ereignis statt: In der Verbandszeitschrift „Blasmusik“ wurden Teilnehmerinnen für einen Weltrekordversuch „Größte Frauenblasmusik der Welt“ gesucht. Sofort war uns klar, hier müssen wir und natürlich viele befreundete Musikerinnen dabei sein. Nachdem ein Bus mit Busfahrerin gechartert war, waren die Plätze auch bald vergeben und so starteten 50 Musikerinnen zwischen 13 und 55 Jahren aus unserem Verbandsgebiet an einem sonnigen Samstag nach Lenggenwil in die Schweiz. Insgesamt kamen 1346 Frauen zusammen und spielten gemeinsam den Marsch „Gruß aus Lenggenwil“, dirigiert von Anne Britt Hermansen. Nach dem Erklingen der „Südböhmischen Polka“ stand fest, der Weltrekord war geschafft.

Die Atmosphäre mit so vielen Musikerinnen gemeinsam zu musizieren war überwältigend. Doch die größte Überraschung kam noch. Wir hatten uns unter dem Namen „Breisgauperlen“ angemeldet und erhielten als größte teilnehmende Gruppe ein sehr hohes Preisgeld. Als Dankeschön intonierten wir spontan den Marsch „Hoch Badnerland“ und siehe da, es waren noch mehr Musikerinnen aus Baden angereist, die sich uns sofort anschlossen.

Sofort kam die Idee auf, dass dies keine einmalige Aktion sein sollte, wir Frauen wollten gemeinsam musizieren. Dies gestaltete sich jedoch sehr schwierig, da wie oben ausgeführt, die Instrumentenverteilung unter uns Frauen nicht optimal ist, hinzu kommen die Termine im jeweiligen Verein, der Beruf und die Familie. Trotzdem wurden in der Folgezeit zwei Konzerte absolviert, allerdings mit geringer Mithilfe von Männern.

Die heutige Situation

Frauen in der BlasmusikNach der Mitgliederstatistik des Oberbadischen Blasmusikverbandes zum 1.1.2016 liegt der Anteil der weiblichen Mitglieder bei 47 %. Auch wenn wir Frauen nicht gerne über das Alter reden, hier noch ein paar anonyme Fakten (Stand 1.1.2016):

Der älteste aktive Musiker ist 97 Jahre alt, insgesamt sind 16 Musiker über 80 Jahre alt. Bei den Frauen ist die älteste Musikerin immerhin 67 Jahre alt, insgesamt sind 4 Frauen über 60 Jahre. Die längste aktive Zeit bei den Frauen beträgt 48 Jahre, bei den Männern gibt es einen Musiker mit 79 Jahren. Nur 5 Frauen sind über 45 Jahre aktiv, bei den Männern sind es 184, davon sind 34 bereits über 60 Jahre aktiv.

Ein passendes Schlusswort haben wir in einem Kommentar zum Beitrag Frauen in der Blasmusik auf www.musikerblog.at von Astrid Graf, Gründerin und Dirigentin des Frauenblasorchesters Berlin, gefunden:

„Bleibt dran! Es wird sich mit der Zeit ändern und Ihr (Frauen) seid die Vorreiterinnen in Sachen Blasmusik, Frauen können alle Instrumente spielen…. auch die Tuba und das Schlagzeug! Lasst Eure Töchter diese Instrumente lernen und baut Nachwuchs auf.“

Gudrun Müller und Gisela Heitzmann

Ein herzliches Dankeschön an Gudrun und Gisela, dass ich diesen Beitrag hier veröffentlichen darf! Gudrun Müller ist Kassiererin im Oberbadischen Blasmusikverband “Breisgau” e. V.. Gisela Heitzmann kennen viele von Euch als Verkaufsmitarbeiterin im Verlag De Haske-Hal Leonard. Beide spielen seit Jahrzehnten in der Musik- und Feuerwehrkapelle Teningen.

Zu diesem Beitrag passt eine kleine Geschichte, die ich am vergangenen Wochenende in Elzach beim Musikfest gehört habe: Zwei reifere Damen wollten gerne in das Seniorenorchester ihres Blasmusikverbandes eintreten und dort mitspielen. Sie wurden abgewiesen, weil man im Orchester keine Frauen haben will. Nun musizieren diese Damen eben im Seniorenorchester des Nachbarverbands. Wenn ich so etwas höre, weiß ich nicht ob ich lachen oder weinen soll…..

 

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Was Musikerinnen so gebrauchen können:

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    2 thoughts on “Frauen in der Blasmusik

    • 29. Mai 2017 at 20:26
      Permalink

      Zehn Jahre vor der eingangs erwähnten Ausschreibung, in der ausschließlich männliche Nachwuchsmusiker gesucht wurden, gab es schon eine rühmliche Ausnahme, übrigens ebenfalls in einem Blasorchester des BDB. In der Festschrift (eigentlich ein kleines Festbuch) der Stadtmusik Waldkirch zum 150jährigen Jubiläum 1986 ist ein Foto von einem Ständchen aus dem Jahr 1954 zu finden, bei dem bereits eine Flötistin mitspielt.

      Reply
      • 30. Mai 2017 at 8:05
        Permalink

        Danke für Deinen Hinweis, Joachim!

        Reply

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