Liegt die Verantwortung für reines Intonieren ausschliesslich bei den Dirigentinnen und Dirigenten?

Ein Gastbeitrag von Band-Coach Hans-Peter Blaser

Die Musikerinnen und Musiker würden die Frage dieses Blog-Beitrags möglicherweise bejahen. Einige der Dirigenten werden wahrscheinlich einwenden, die Verantwortung liege bei den Bläsern, denn diese müssten Ihr Instrument zum Stimmen bringen.

Wie bei allen Aspekten des Orchestermusizierens handelt es sich auch bei der Realisation einer reinen Intonation um Teamwork. Die Dirigentinnen und Dirigenten kontrollieren während der Proben die Ausführung aller Aspekte des Musizierens, also auch die Intonation. Sie weisen die Musikerinnen und Musiker auf Unstimmigkeiten hin und vermitteln Tipps, wie diese korrigiert werden können.

Ihre Arbeit kann aber nur von Erfolg gekrönt werden, wenn die Musiker in der Lage sind, die entsprechenden Korrekturen selbständig vorzunehmen. Voraussetzungen dafür sind eine gute Kondition in Verbindung mit guter Ansatz- und Atemtechnik. Die Musiker sind erst dann in der Lage, die Intonation zu gestalten, wenn sie ihre Instrumente gut kennen und beherrschen. Dafür ist eine gute Kondition nötig. Eine gute Atem- und Ansatztechnik kann erst dann genutzt werden, wenn die Musiker fit sind und über eine gute Kondition verfügen.

Bewusstsein und Kenntnisse

MindsetNeben den technischen Voraussetzungen ist auch ein gewisses Mass an Kenntnissen notwendig, um rein intonieren zu können. Viele der Musiker gehen von der Überzeugung aus, dass die richtige Griffwahl auch die gewünschte Tonhöhe ergibt, was leider nicht der Fall ist. Weil jeder Ton, je nachdem, welche Funktion (Grundton, Terz, Quint, usw.) er innerhalb eines Akkordes inne hat entweder zentriert, hoch oder tief intoniert werden muss. Die richtige Griffwahl schafft günstige Voraussetzungen für das reine Intonieren. Das Feintuning erfolgt in jedem Fall über den Ansatz.

Als Vorbereitung sollten die Musiker beim individuellen Üben trainieren, die Intonation aller Töne flexibel zu gestalten. Die Abweichung von der zentrierten Intonation (termperierte Stimmung) betragen im Maximum +/- 16 Cent (kleine Terz, grosse Sexte). Die Anforderungen an eine flexible Gestaltung der Intonation sollten in jeder Lage des Tonumfangs eines Instrumentes erfüllt werden können.

Gratis! – Übungen zum individuellen Intonationstraining

Beispiel individuelles IntotrainingDamit die Musiker diese Anforderungen trainieren und sich so optimal auf Proben und Konzerte vorbereiten können, habe ich Übungen für diesen Zweck gestaltet. Diese können Sie gratis erhalten. Tragen Sie dazu Ihre Mailadresse bitte in folgendes Formularfeld ein.

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Bedeutung der Klangbalance

Ein ausgewogener und transparenter Klang eines Blasorchesters ermöglicht erst die Wahrnehmung aller Elemente einer Komposition. Die Klangbalance hat aber auch einen großen Einfluss auf die Intonation. Dies hängt mit der Obertonstruktur der einzelnen Akkordtöne zu tun. Einige dieser Obertöne verstärken sich gegenseitig, andere bilden Dissonanzen. Das lässt sich sehr gut anhand der Obertonstruktur der Akkordtöne des C-Dur-Dreiklangs erkennen.

Aufgrund dieser Obertonstrukturen wird bei Dreiklängen in der Regel der Grundton etwas stärker gespielt und die Terz etwas zurück genommen. Bei Vierklängen und anderen dissonanten Akkorden werden die Akkordtöne, welche in der Obertonreihe weiter vom betreffenden Grundton entfernt liegen, etwas leiser gespielt.

Obertonstruktur des C-Dur-Dreiklangs

Legende:

Grün hinterlegt: Sehr nahe beim Grundton C liegt der 3. Partialton (2. Oberton) G. Über der Terz E des Dreiklangs gibt es den Oberton Gis. Erklingt dieser zu stark, so kann die Dissonanz zu G erahnt werden, und der Akkord klingt unsauber, selbst wenn alle Akkordtöne richtig intoniert werden.

Rot hinterlegt: Der siebte Partialton des Grundtons C ist ein B, das etwas zu tief ist. Über den beiden anderen Akkordtönen gibt es den Oberton H. Tritt dieser zu stark in Erscheinung, so wird die Intonation des Dreiklangs getrübt.

Blau hinterlegt: Hier gibt es drei verschiedene Versionen der Töne F und Fis. Der 11. Partialton über C ist das Alphorn-Fa, ein Ton der zwischen F und Fis liegt. Der 9. Partialton über E ist ein Fis, und der 7. Partialton über G ist ein zu tiefes F (Natur-Septime). Diese Konstellation erfordert ebenfalls eine optimale Klangbalance.

Das Ziel der Gestaltung der Klangbalance besteht darin, die Obertonstruktur des Akkordgrundtones zu stärken.

In den Einzelstimmen der Musikerinnen und Musiker stehen Angaben zur Gesamtdynamik des Musikstückes. Die Komponisten schreiben sehr selten differenzierte Anweisungen in die Partituren, welche die Eigenheiten der Instrumente berücksichtigen. Das wäre besonders bei Blasmusikausgaben auch schwierig zu realisieren, da die Komponisten die Zusammensetzung der jeweiligen Besetzungen gar nicht kennen. Es ist also Aufgabe der Dirigentinnen und Dirigenten die Klangbalance zu gestalten, einzelne Stimmen und Instrumentengruppen zurück zu nehmen, und die Lautstärke anderer Instrumentalisten anzuheben. Ziel ist immer ein ausgewogener Orchesterklang und eine reine Intonation.

Instrumentenkenntnisse

Ensembles und Orchester setzen sich mehrheitlich aus Instrumenten unterschiedlicher Gattungen und Familien zusammen. Jedes dieser Instrumente hat sein eigenes Intonationsverhalten. Leider gibt es keine Instrumente, welche vollkommen rein stimmen. Aufgrund akustischer Gegebenheiten wird es auch in Zukunft kaum möglich sein, derartige Instrumente zu bauen. Deshalb bleibt es immer Aufgabe der einzelnen Ensemblemitglieder, sich mit dem Thema Intonation auseinanderzusetzen und gemeinsam einen Weg zu einer reinen Intonation zu finden. (BC 2: Theorieteil zum Intonationstrining)

Für den Dirigenten sind eingehende Kenntnisse der einzelnen Instrumente, ihrer guten und schwachen Lagen, der häufigsten Intonationsprobleme und der sich darbietenden Korrekturmöglichkeiten, sowie der verschiedenen Stimmungssysteme unabdingbar. Auf Grund dieser Vorkenntnisse können Intonationsprobleme bereits beim Partiturstudium erahnt und Korrekturmöglichkeiten im Voraus geplant werden.

Die Musiker sollten das Intonationsverhalten und die unterschiedlichen Korrekturmöglichkeiten ihres Instrumentes sehr genau kennen. Dieses Wissen und Können versetzt sie in die Lage, die nötigen Anpassungen jederzeit vornehmen zu können.

Ausführliche Erklärung der Eigenheiten der unterschiedlichen Blasinstrumente finden Sie in:

Aufmerksamkeit

Praktisch in jedem Interview, das mit Spitzensportlern geführt wird, erwähnen die Befragten, dass ihre mentale Verfassung entweder „gestimmt“ hat oder andernfalls eben nicht optimal war. Die Athleten sind sich der Bedeutung der mentalen Vorbereitung sehr wohl bewusst. Sie wissen, dass eine Spitzenleistung nur dann erbracht werden kann, wenn sie selbst über ein grosses Maß an Selbstvertrauen verfügen und es ihnen gelingt, ihre Aufmerksamkeit mit einer positiven Erwartungshaltung zu verbinden. Sie müssen daher ihre Gedanken vollumfänglich und ausschließlich auf die zu erfüllende Tätigkeit (mit all ihren komplexen Bewegungsabläufen) und v. a. auf das angestrebte Ziel fokussieren können. Beim Musizieren gelten genau die gleichen Spielregeln. Eine optimale Leistung kann nur erbracht werden, wenn es dem Leiter gelingt, bei allen Beteiligten die Aufmerksamkeit auf das gemeinsame Hören und Musizieren zu lenken. Eine beeindruckende Ensembleleistung ist nur dann möglich, wenn alle Mitglieder ihre „Antennen“ auf Empfang schalten und mit Achtsamkeit und Feingefühl registrieren, was im Ensemble passiert. Die Qualität einer Aufführung kann nur dadurch entscheidend gesteigert werden, dass alle Mitglieder während des Musizierens ihre volle Achtsamkeit der gemeinsamen Tätigkeit unterordnen.

Das gilt aber nicht nur für Konzerte, sondern auch für die Probenarbeit. Je besser es den Interpreten gelingt, ihre Aufmerksamkeit auf den Gegenstand zu lenken, um so effizienter, interessanter und begeisternder gestaltet sich die Probenarbeit. Besondere Achtsamkeit während des Musizierens wirkt sich nicht nur auf Stimmung und Intonation positiv aus, sondern beeinflusst ebenso vorteilhaft alle anderen Bereiche des Musizierens. (BC 2: Theorieteil)

Fazit

Bereits im ersten Blogbeitrag zum Thema „Reines Intonieren“ habe ich darauf hingewiesen, dass ein gut geschultes Gehör für Dirigentinnen und Dirigenten unerlässlich ist. Gute Kenntnisse der akustischen Grundlagen (Stimmungssysteme) und der Eigenheiten der Blasinstrumente vermitteln Sicherheit bei der Arbeit  und sind deshalb ebenfalls unerlässlich. Sehr hilfreich sind auch die Kenntnisse verschiedener Methoden, welche zum Ziel führen.

All diese Informationen erhalten Sie in den Band Coaching – Ausgaben von Hans-Peter Blaser. Diese Ausgaben enthalten ebenfalls eine Fülle an Übungen, welche ein zielgerichtetes Training ermöglichen und für alle Dirigentinnen und Dirigenten eine wesentliche Arbeitserleichterung darstellen. Das in verschiedener Hinsicht: Sie stellen ihnen Übungen zur Verfügung, welche auf die Bedürfnisse der Ensembleschulung ausgerichtet sind. Dank der offenen Gestaltungsweise der Übungssätze sollen diese in unterschiedlicher Gestalt genutzt werden. Das ermöglicht es den Dirigentinnen und Dirigenten ihre eigenen bevorzugten Methoden mit einfließen zu lassen. Denn letztendlich sind sie es, welche den Klang und die Musizierkultur ihres Orchesters prägen.

Aufruf

In meinem nächsten Blogbeitrag möchte ich auf technische Hilfsmittel hinweisen, welche die Arbeit an der Intonation unterstützen. Ich kenne einige Geräte, Computerprogramme und Apps. Ich bin überzeugt, dass es wesentlich mehr Hilfsmittel gibt. Deshalb bitte ich Sie, mir als Kommentar zu diesem Blog mitzuteilen, welche Geräte und Software Sie nutzen, und welche Erfahrungen Sie damit machen. Herzlichen Dank.

Ihr

Hans-Peter Blaser

 

Ein herzliches Dankeschön an Hans-Peter Blaser dafür, dass ich diesen Beitrag hier für Euch, liebe Blasmusikblog-LeserInnen veröffentlichen durfte.

Beim IBK – Internationalen Blasmusik Kongress wird Hans-Peter Blaser folgende Workshops anbieten:

Band Coaching – 1. Theorie

Hans-Peter Blaser

Zielgruppe: Dirigenten (Basic), Dirigenten (Master), Jugenddirigenten

Band Coaching – was ist das?
Band – Coaching – braucht es das?
Sind Band Coaching und Einspielen dasselbe?
Falls nicht, wo liegen die Unterschiede?

Band Coaching – 2. Praxis mit Ensemble

Zielgruppe: Dirigenten (Basic), Dirigenten (Master), Jugenddirigenten

Dieser Workshop baut auf Band Coaching – 1. Theorie auf.

Probe mit Bläserensemble (120 Minuten) – Bitte bringen Sie Ihre Instrumente mit.

Methoden der Band Coaching-Lehrmittel und Übungssammlungen werden in der praktischen Arbeit aufgezeigt.

Weitere Informationen zu allen Workshops und Vorträgen beim IBK findet Ihr hier.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    One thought on “Liegt die Verantwortung für reines Intonieren ausschliesslich bei den Dirigentinnen und Dirigenten?

    • 16. Oktober 2017 at 16:17
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      Ich benutze den Yamaha Harmony Director HD-200A, um meinen Orchestermusikern die Problematik von Stimmung und Intonation zu erläutern, sowie entsprechende Übungen mit Akkorden, mit denen die Musiker trainiert werden, zunächst guten Klang zu produzieren und Unisono zu spielen, und dann Basstöne zu hören und sich mit ihrer Quinte und vor allem Terz in reiner Intonation einzufinden. Die Bedeutung der Klangbalance kann damit ebenfalls demonstriert werden. Außerdem kann man mit dem Gerät auch sehr schön komplizierte Taktarten wie 13/8 oder 15/8 oder den schönen Wechsel der 5/8 Takte in den Armenischen Tänzen ( 2-3 / 3-2 ) mit dem Metronom unterstützen.

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