Vorbereitung auf den WMC: die Bläserphilharmonie Aachen

Ein Gastbeitrag von Clemens Baumeister und Tobias Haußig, Bläserphilharmonie Aachen

Die Bläserphilharmonie Aachen ist eines von drei deutschen Blasorchestern, die bei der diesjährigen Ausgabe des WMC in Kerkrade in der 1. Division antreten. Das Besondere an diesem Orchester: sein Alter, und das sogar in doppelter Hinsicht. Die Bläserphilharmonie Aachen ist ein Studentenorchester. Die meisten Musiker, die im Orchester mitspielen, studieren an der RWTH Aachen Naturwissenschaften oder Ingenieurwesen. Die jüngsten Mitglieder des Orchesters sind 18 Jahre alt, nur wenige sind älter als 30 Jahre. Doch noch jünger als die Musiker ist das Orchester selbst: die Bläserphilharmonie Aachen wurde im Jahre 2013 gegründet, hat ihr erstes Konzert im Jahr 2014 gespielt und hat sich seitdem so rasant entwickelt, dass sie sich gut dreieinhalb Jahre nach ihrer Gründung bereits für die 1. Division des diesjährigen WMC-Wettbewerbs qualifizieren konnte.

In nahezu jeder deutschen Universitätsstadt gibt es Studentenorchester, in denen sich Studenten zusammenfinden, um gemeinsam Musik zu machen. Solche Orchester gibt es hauptsächlich in der Form des klassischen Sinfonieorchesters, studentische Blasorchester sind dagegen in Deutschland nur sehr selten anzutreffen. In Aachen gibt es seit 40 Jahren mit zwei Studentensinfonieorchestern und dem Hochschulchor sogar gleich drei große Ensembles, die von den Studenten der Aachener Universität getragen werden. Daneben gibt es im Stadtgebiet eine Vielzahl weiterer Amateurorchester und -chöre sowie natürlich das Sinfonieorchester der Stadt Aachen, die für reichlich Betrieb im Aachener Kulturkalender sorgen. Wer braucht bei einem derartigen Musikangebot überhaupt noch ein Blasorchester?

„Ein Blasorchester hat in der Aachener Innenstadt bislang immer gefehlt“, sagt Achim Lindt, der Orchestervorstand der Bläserphilharmonie Aachen, „also haben wir eines gegründet“. Im Oktober 2013 wurde das neue Orchester von den drei Studenten Achim Lindt, Clemens Baumeister und Matthias Hoppe ins Leben gerufen. Man setzte sich dabei zum Ziel, einen Klangkörper zu schaffen, der sich mit anspruchsvoller Blasmusik auf höchstem Niveau beschäftigt.

Schon kurze Zeit nach der Vereinsgründung fanden sich 75 junge Musiker, die sich von der Idee des neuen Blasorchesters begeistern ließen. Für die musikalische Leitung konnte alsbald der auch im Umgang mit neugegründeten Orchestern erfahrene Dirigent Tobias Haußig aus Esslingen gewonnen werden. Die erste Arbeitsphase begann im April 2014 und endete mit einem umjubelten Premierenkonzert im Juni in der ausverkauften Universitätsaula. Auf der Homepage des Orchesters sind Konzertausschnitte zu sehen und zu hören.

Seit dem Premierenkonzert im Sommer 2014 sind bis heute fünf weitere Arbeitsphasen dazugekommen. Mehrfach hat sich das Orchester an Kompositionen aus der höchsten Schwierigkeitsstufe wie z.B. die dritte Sinfonie von James Barnes oder Bachseits von Johannes Stert herangewagt und wusste auch mit diesen Werken zu überzeugen. Mittlerweile hat sich die Bläserphilharmonie Aachen als fester Baustein in der Aachener Kulturlandschaft etabliert und ist aus den Veranstaltungskalendern der Stadt nicht mehr wegzudenken.

Bläserphilharmonie AachenAnfang April hat die siebte Arbeitsphase begonnen. Da fast alle Musiker der Bläserphilharmonie Aachen Studenten oder Doktoranden sind, sind die Probenphasen dabei genau nach dem Vorlesungsplan der RWTH Aachen ausgerichtet: mit Beginn des Semesters fängt auch eine neue Arbeitsphase an. In ca. 10 Wochen wird in wöchentlichen Abendproben ein anspruchsvolles Konzertprogramm einstudiert. Am Ende der Vorlesungszeit gibt das Orchester dann zwei große Konzerte in der alten Aula der RWTH Aachen, zu dem jedes Mal insgesamt 1.000 Zuhörer kommen. Nach den Konzerten ruht der Probenbetrieb jedoch für zwei ganze Monate. Den Grund dafür kann sich jeder Student ausmalen: die Klausurenphase. „Die meisten Musiker studieren Maschinenbau, Informatik, Bauingenieurwesen oder Naturwissenschaften an den Aachener Hochschulen“, so Orchesterdirigent Tobias Haußig, „Wenn es auf die Klausuren zugeht, hat man aber häufig keine Zeit mehr für die Musik. Darauf nehmen wir Rücksicht und machen zwei Monate lang Pause.“

Da in der Bläserphilharmonie Aachen hauptsächlich Studenten mitspielen, ist die Fluktuation der Musiker grundsätzlich höher als in anderen Orchestern. Im Durchschnitt bleibt ein Student seinem Studienort ca. 3 Jahre lang treu. So kommt es, dass jährlich ca. 20 Musiker das Orchester verlassen und ebenso viele neue Mitglieder aufgenommen werden. Über ein Online-Formular auf der Orchester-Webseite kann man sich für die Teilnahme an der nächsten Bläserphilharmonie-Arbeitsphase bewerben. Danach erfolgt die Auswahl der Musiker in der Regel über ein registerinternes Vorspiel.

Die 21-jährige Flötistin Judith Odenthal ist vor zwei Jahren nach Aachen gezogen, um ein Studium des Rohstoffingenieurwesens aufzunehmen. Seitdem spielt sie auch in der Bläserphilharmonie Aachen mit. „Das gemeinsame Musizieren in einem großen Orchester mit vielen Gleichaltrigen macht unglaublich viel Spaß und ist ein hervorragender Ausgleich zum Studienalltag“, sagt sie. Allerdings nimmt das Orchester auch sehr viel Zeit in Anspruch: die Arbeitsphase zur Vorbereitung auf den WMC ist terminlich kompakt und extrem zeitintensiv. Von April bis Juli wird jeden Dienstagabend von 19:30-22:00 Uhr geprobt. Als Probenort dient dem Orchester dabei ein Hörsaal der RWTH Aachen, den es sich mit den anderen Studentenorchestern der Universität teilt. Zu den wöchentlichen Probenterminen kommen fünf Probensonntage und ein Probenwochenende. Gegen Ende der Arbeitsphase wird der Terminplan immer dichter, sodass das Orchester schließlich bis zu dreimal pro Woche zusammenkommt. „Das ist ein erheblicher Terminaufwand. Da muss man schon aufpassen, dass man währenddessen das Studium nicht vernachlässigt“, so Judith Odenthal.

Von großer Bedeutung ist für Orchestervorstand Achim Lindt die Zusammenarbeit mit erfahrenen Dozenten: „Wir arbeiten mit insgesamt acht verschiedenen Profimusikern zusammen, die mehrere Satzproben mit den einzelnen Registern durchführen“. Die meisten Dozenten kommen aus dem Sinfonieorchester der Stadt Aachen, mit dem die Bläserphilharmonie Aachen eine enge Partnerschaft unterhält. Aber auch aus den Nachbarländern Belgien und Holland holt man sich viel Blasmusikkompetenz. „Hier machen wir uns die perfekte Lage Aachens mitten in der Euregio zum Vorteil und profitieren von der großen Blasmusikkultur unserer Nachbarländer“, so Achim Lindt. Auf diese Weise hat man beispielsweise den luxemburgischen Komponisten Marco Pütz, dessen Stück Time for Outrage! die Bläserphilharmonie Aachen als Wahlstück beim WMC aufführen wird, als Gastdirigent für einen Probentag im Mai gewinnen können.

Das Pflichtstück der diesjährigen WMC-Ausgabe – The Unknown Journey von Philip Sparke – wurde sogar bereits in der vergangenen Winterarbeitsphase einstudiert, damit sich die technischen Passagen und das Zusammenspiel über einen längeren Zeitraum festigen können. Doch Orchesterdirigent Tobias Haußig ist sich sicher, dass Proben allein nicht zum Erfolg führen werden: „Ganz wichtig ist, dass wir unser Konzertprogramm mehrmals ‚unter Wettkampfbedingungen‘ ausprobieren, damit wir auch mental für den WMC gerüstet sind.“. Aus diesem Grund hat die Bläserphilharmonie Aachen gleich vier Konzerte organisiert, um ihr Wettbewerbsprogramm vorab auszutesten. Zunächst standen am 9./11. Juni die beiden klassischen Semesterkonzerte in der Aula der RWTH Aachen an. Am 9. Juli fuhr man dann nach Margraten zum „Dreiländerkonzert“, wo die Bläserphilharmonie Aachen ein Gemeinschaftskonzert mit dem Harmonieorchester Riemst aus Belgien und der Fanfare St. Gertrudis Margraten aus Holland spielte.

Kurz vor dem Wertungsspiel selbst sollte dann ein weiteres Highlight der Arbeitsphase stattfinden: am 21. Juli – zwei Tage vor dem Wettbewerbsauftritt – sollte die Bläserphilharmonie Aachen auf Einladung des WMC ein Gemeinschaftskonzert mit der Banda Sinfónica Juvenil Simón Bolívar, dem Blasorchester aus dem weltberühmten Bildungsprogramm “El Sistema” in Venezuela, spielen. Doch das Simón-Bolívar-Orchester musste 15 Tage vor dem geplanten Konzert alle Auftritte in Europa absagen, weil die staatliche Fluggesellschaft wegen der unsicheren politischen Situation in Venezuela alle Interkontinentalflüge gestrichen hatte. Kurzerhand organisierte der Vorstand der Bläserphilharmonie Aachen und die Geschäftsführung des WMC jedoch ein nicht minder renommiertes Ersatzorchester: für das Simón-Bolívar-Orchester wird das European Union Youth Wind Orchestra unter der Leitung von Jan Cober einspringen. Das 70-köpfige Ensemble, das alle zwei Jahre für eine Projektphase mit Konzerten innerhalb Europas neu zusammengestellt wird, bündelt die besten jugendlichen Musikerinnen und Musiker aus ganz Europa im Alter von 15-30 Jahren. Das Konzert findet am Freitag, den 21. Juli um 19:30 Uhr im Aachener Eurogress statt.

Am Sonntag, den 23. Juli wird es dann zum Moment kommen, auf den die Musiker seit Monaten hinarbeiten: um 16:40 Uhr steht das Wertungsspiel in der Rodahalle in Kerkrade an. Viele Ensembles waren schon mehrmals beim WMC zu Gast – für die Bläserphilharmonie Aachen, das jüngste Ensemble mit dem kürzesten Anreiseweg, wird es das mit Spannung erwartete Debüt werden!

https://www.facebook.com/blaeserphilharmonie

https://youtube.com/c/BläserphilharmonieAachen.de

http://blaeserphilharmonie-aachen.de/

Clemens Baumeister & Tobias Haußig

 

Ein herzliches Dankeschön an Clemens Baumeister und Tobias Haußig. Der Bläserphilharmonie Aachen wünschen wir nicht nur viel Glück und Erfolg in Kerkrade, sondern auch viel Spaß beim Musizieren!

Dieser Beitrag wurde zuerst in der Fachzeitschrift Eurowinds (Ausgabe 3/2017) veröffentlicht.

 

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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