Ein Jahr Corona im Blasorchester

Ein Gastbeitrag von Henning Straßburger, JEB – Junges Ensemble Berlin Konzertorchester

Im März 2020 probten wir mit dem Jungen Ensemble Berlin – Konzertorchester gerade zum ersten Mal das Werk „Children of Sanchez“ mit unserem Solisten Manuel Viehmann, dem Solotrompeter der Bielefelder Philharmoniker. Am Ende der Probe trat der Vorstand vor das Orchester und verkündete, dass wir den Probenbetrieb auf Grund des sich ausbreitenden Corona-Virus leider einstellen müssen. Am Termin für unser Konzert „Pink Noise“ im Mai 2020 sollte jedoch festgehalten werden.

Pink Noise - Junges Ensemble Berlin JEB


An dieser optimistischen Aussage sehen wir jetzt, ein Jahr später, wie wir uns getäuscht und überhaupt nicht damit gerechnet haben, wie sehr dieses Virus unser Leben verändern wird. Auch jetzt, im März 2021, ist kein gemeinsames Musizieren möglich und wir hoffen vorsichtig optimistisch, dass wir im Sommer in kleinen Besetzungen draußen zusammenkommen dürfen.

Was macht so ein „verlorenes“ Jahr mit einem Orchester, einem Verein, mit unseren Musikern*innen? Das ist unser Erfahrungsbericht:

Da wir von einem kurzen Intermezzo ausgingen, haben wir mit dem Vorstand im ersten Lockdown 2020 auch mehr oder weniger keine Aktionen organisiert, sondern es eher als lange Pause gesehen. Manche Musiker*innen waren insgeheim froh über die Unterbrechung, da wir zuvor einen sehr ambitionierten Konzertplan absolviert hatten. Irgendwann wurde die Stille des Vorstandes jedoch zu „laut“ und es wurde zu Recht im Verein kritisiert, dass wir mehr sind als nur die Probenarbeit und Konzerttätigkeit.
Wir haben uns daraufhin richtig ins Zeug gelegt und mussten auch erst einmal lernen, was Vereinsarbeit in dieser Situation überhaupt bedeutet.

April 2020: Der Corona Blues tritt ein

In einem Gespräch mit unserem Oboisten Lars unternahmen wir einen kleinen Orchesterrückblick, besprachen jedoch auch schon optimistisch Pläne für weitere Projekte.  

Zum Interview mit Henning Straßburger

Interview Henning Klingemann

19. August 2020: Neustart mit Corona-Konzept

Als erstes der Berliner Amateurorchester nahmen wir den Probenbetrieb wieder auf. Dafür hat unser Vorstand ein genaues Konzept erarbeitet, wie eine Probe unter strenger Einhaltung der Hygienevorschriften umzusetzen wäre. Da wir in einer Schule proben, musste es vom Bezirksschulamt genehmigt werden, was dieses auch tat.
Unser Konzept wurde in der Folge von anderen Ensembles in Berlin übernommen.

Mit Voranmeldelisten, Sitzplänen, Wegeleitsystem, Probenregeln und Aufbauteams wurden die Proben akribisch vorbereitet, mit dem Zollstock wurde jeder Sitzplatz genauestens ausgemessen. Bei einer möglichen Infektion wäre damit jeder Kontakt nachzuweisen gewesen. So konnten wir bis November 2020 in kleinerer Besetzung proben. Interessant war, wie man sein Spiel umstellen musste, wenn zwischen allen Stühlen 2 Meter Abstand bestand. Wir musste noch genauer hinhören und viel voluminöser Spielen, um überhaupt einen gemeinsamen Klang über die Distanzen erzeugen zu können.

Probe mit 2 Meter Abstand JEB

August 2020: Selbstbriefing: Wer sind wir nach so einer langen Pause?

Nach dem ersten Lockdown, einem halben Jahr Orchesterpause und allen abgesagten Konzerten, haben wir mit einem Fragebogen erst einmal evaluiert, wie die Stimmung im Orchester ist. Was können wir verbessern, was haben wir gut gemacht und welche Ziele und Wünsche können wir formulieren?
Wir befragen unsere Musiker*innen regelmäßig in anonymen Fragebögen und können dadurch als Vorstand und Dirigent besser einschätzen, wie die Zustimmung zu unserem Verein und den Projekten ist und darauf gezielt reagieren.

Fragebogen JEB Junges Ensemble Berlin

21. Oktober 2020: JEB Corona-Masken

Auf Initiative des Vorstandes wurden unsere tollen JEB-Masken designt, die wir auch an passive Mitglieder verschickt haben und an diejenigen, die aufgrund des Virus nicht an den Proben teilnehmen konnten.
Das Feedback dazu war enorm positiv und selbst ehemalige Orchestermitglieder, die längst nicht mehr in Berlin leben, tragen jetzt unsere Masken.  Zur Identifikation nach Innen war es eine sehr gelungene Aktion.

Maske JEB Junges Ensemble Berlin
JEB auf Empore

28. Oktober 2020: JEB Wandertag

Da nicht alle Orchestermitglieder an den Proben teilnehmen konnten, da sie für sich das mögliche Risiko der Ansteckung nicht eingehen wollten, organisierten wir einen „Wandertag“. Mit der 3-Berge-Tour rund um den Berliner Teufelsberg konnten wir so allen die Möglichkeit geben, sich außerhalb des Probensaales zu sehen.


Nur ein paar Tage später wurden in Berlin sowohl Treffen von Gruppen draußen untersagt, ab November 2020 musste dann auch jeglicher Probenbetrieb wieder eingestellt werden.

JEB Wandertag
Teufelsberg Berlin
Teufelsberg Berlin

9. November 2020: „I feel lonely“ Challenge + Wir knacken die 1100 follower Marke auf Instagram

Obwohl wir uns solche Mühe in der Einhaltung aller Hygienevorschriften gegeben haben, saßen wir nun wieder alle alleine zuhause. Daraufhin haben wir die “I feel lonely” – Challenge ausgerufen: Alle Utensilien im heimischen Badezimmer durften zum Einsatz kommen.


Zugleich begannen wir einige Konzertrückschauen auf Instagram und Facebook zu posten und wir konnten dadurch mehr Follower gewinnen.

Instragram JEB Junges Ensemble Berlin

10. Dezember 2020: Minikonzert

In ganz Berlin wurde vor Seniorenheimen musiziert, auch wir spielten mit einer Blechbesetzung in Mitte am Rosenthaler Platz. Es tat richtig gut, wieder in “echt” miteinander zu spielen! Der gute Zweck war dadurch nicht nur für die dankbaren Senioren, sondern auch ein bisschen für uns selbst…

Seniorenheim JEB Junges Ensemble Berlin

Dezember 2020: Start der “Wer ist eigentlich…”-Reihe

Jeden Mittwoch bekamen die Orchestermitglieder 12 Wochen lang eine Email, in der sich die einzelnen Register vorstellen und man einen kleinen Einblick bekommt, wer eigentlich die Orchesterkollegen sind. Da wir ein ziemlich großer Verein sind und in den letzten Jahren sehr viele Neuzugänge hatten, hatte man so endlich Gelegenheit mehr übereinander zu erfahren, auch wenn im normalen Probenbetrieb z.B. der Tubist seltener mit der Piccolo ins Gespräch kommt.

Gleichzeitig konnten wir sehen, dass wir auch im Corona-Jahr viele Neumitglieder begrüßen konnten und noch einige auf der Bewerberliste als Probemitglied stehen. Wir freuen uns natürlich riesig, über das große Interesse an unserem Orchester!

Hier alle JEB-Instrumentengruppen zum Nachlesen:

1. JEB – Saxophone ? 
2. JEB – Trompeten ? 
3. JEB – Klarinetten ? 
4. JEB – Tenorhörner/ Euphonien ? 
5. JEB – Flöten ? 
6. JEB – Fagotti & Bassklarinetten ? 
7. JEB – Oboen ? 
8. JEB – Hörner ? 
9. JEB – Bässe ? 
10. JEB – Schlagwerker ? 
11. JEB – Posaunen ?
12. JEB – Dirigenten ?

 

Wer ist eigentlich Social Media Post Serie

Januar 2021: Neujahrspost vom Vorstand + neues Logo

Pünktlich zum neuen Jahr flatterte bei allen Vereinsmitgliedern Post ins Haus. Im edlen silbernen Umschlag wurde unter dem Motto „2021 wird besser“ ein vorsichtiger Optimismus geschürt, dass wir uns alle wiedersehen und auch proben und konzertieren können. Hauptsächlich ging es dem Vorstand darum, eine positive Stimmung des Zusammenhaltes zu erzeugen, selbst wenn man innerhalb Berlins manchmal über eine Stunde voneinander entfernt wohnt und sich nicht zufällig auf der Straße begegnet.

Obwohl wir das neue Logo schon bei den Masken benutzt hatten, haben wir ab Januar 2021 offiziell ein neues Design eingeführt, welches die Sparten „Konzertorchester“ und „Band“ auch ersichtlich macht.

Logo JEB Berlin
JEB
JEB

Januar 2021: Start der Spaß-Challenges

Unsere Trompeter Micha und Enrico haben mit einer Spaßchallenge begonnen und forderten zu kleinen Videoclips auf. Die Saxophone und Flöten haben schon geliefert. Als nächstes wurden die Posaunen nominiert, mal sehen was da kommt…


Spaßchallenge #1: Die Trompeten

Spaßchallenge #2: Die Saxophone

Spaßchallenge #3: Die Flöten (“Abba meets Steve Reich”)

1. Februar: Vorstandssitzung und Check Up

Seit 3 Jahren haben wir ein klares Vorstands-Organigramm. Auf der Zoom-Vorstandssitzung haben wir dieses auf seine Aktualität hin überprüft und geschaut, ob wir effizient und effektiv arbeiten können, sobald der Probenbetrieb wieder erlaubt ist.

Wir haben auch unser „Orchesterhandbuch“ überarbeitet, in dem das Aufnahmeverfahren für Neumitglieder geregelt ist.

Organigram Junges Ensemble Berlin

17. Februar 2021: Wellness-Warm-Up

Leider hat sich die Online-Technik innerhalb eines Jahres nicht so weit entwickelt, dass man gut virtuell zusammenspielen kann. Mit den minimalen Verzögerungen in der Internetverbindung ist ein live Zusammenspiel im klassischen Sinne nicht möglich. Also musste eine Online-Idee her, die uns easy going wieder an unsere Instrumente heranführt.
Dafür haben wir uns das “Wellness-Warm-Up” ausgedacht. Mit 11 hochkarätigen Dozenten haben wir ein aufwendiges Online-Meeting in Cisco Webex vorbereitet, in der in den einzelnen Sätzen gefachsimpelt, gespielt und sich ausgetauscht wurde. Danach haben wir uns noch in einem virtuellen Stammtisch getroffen, für den wir die Website www.Wonder.me empfehlen können.
Mit insgesamt 76 Teilnehmern ein voller Erfolg!

Da die meisten Dozenten auch alle gerade nicht spielen dürfen, waren alle super motiviert, ein interessantes Programm vorzubereiten. 

Mit dabei waren:
Martina Dallmann (Flöten) vom Barockensemble Concerto Brandenburg, Susanne Brüngel (Oboen) vom Stabsmusikkorps, Alexander Glücksmann (Klarinetten) vom Ensemble 4.1, Christoph Enzel (Saxophone) vom Claire-Obscure-Quartett, Philipp Löschau (Fagotte) von der Oper Chemnitz, Manuel Viehmann (Trompeten), Solotrompeter der Bielefelder Philharmoniker, Angelika Goldammer (Horn) von der Komischen Oper, Jörg Hofmann (Tenorhörner) vom Stabsmusikkorps, Fabian Schmidt (Posaunen) vom Staatorchester Frankfurt Oder, Peter Laib (Tuben) von Moop Mama und Martin Münzberg (Schlagwerk) vom Bundespolizeiorchester Berlin.

Wellness Warm Up

Fazit:

Insgesamt ist die Stimmung im Orchester gut. Wir versuchen als Verein Teil im Leben eines jeden Orchestermitgliedes zu bleiben und konstant Präsenz zu zeigen. Unsere kleinen Programme werden sehr gut angenommen und wir haben dadurch Kontakt zu jedem einzelnen Vereinsmitglied, uns „rutscht also niemand durch die Lappen“. Zum Glück hatten wir keine coronabedingten Vereinsaustritte, da das JEB weiterhin als wichtiger Bestandteil des Musikerlebens wahrgenommen wird – wir hatten im Gegenteil sogar viele Neueintritte. 
Es ist zwar wahnsinnig viel Arbeit, eine hohe Schlagzahl von Ideen zu generieren, aber auf lange Sicht wird sich das hoffentlich auszahlen. Von diesen Formaten wird sicherlich einiges in der Zukunft übrig bleiben, auch wenn wir wieder in den normalen Probenbetrieb übergehen können.

Das JEB-Konzertorchester ist Teil eines Ensembleverbundes aus Chor und Sinfonieorchester und wurde 1958 in Berlin gegründet. Seit 2015 wird das Konzertorchester von Henning Straßburger geleitet.
Mit über 85 Musikern ist es das größte sinfonische Blasorchester der Stadt und konzertiert in allen großen Sälen Berlins, schaut aber bei Crossover-Projekten gerne über den eigenen Tellerrand, so mit Konzerten in der Berghainkantine oder dem Lido-Club.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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