Was ist Dirigenten in der Zusammenarbeit mit der Vorstandschaft besonders wichtig?

Harmonie braucht’s nicht nur zwischen Dirigent und MusikerInnen, sondern auch zwischen Dirigent und Management des Musikvereins. Was in dieser Konstellation die Dirigenten von den Vereinsverantwortlichen erwarten, beantworten in diesem Beitrag die fünf Dirigenten Dirk Mattes, Christian Weng, Niki Wüthrich, Dominik Wagner und Patrick Egge.

Dirk Mattes

Dirk Mattes
Dirk Mattes

Die im Text gewählte männliche Form bezieht sich immer zugleich auf weibliche und männliche Personen.

Die Aufgaben eines Vereinsvorstandes bzw. Abteilungsleiters sind, wie bei jeder anderen Führungskraft auch, vielschichtig und vor allem umfangreich. So ist es mir wichtig zu betonen, dass meine Sicht der Dinge naturgemäß lediglich einen Ausschnitt der Realität darstellen kann. In meiner Tätigkeit als Komponist und Dirigent habe ich verschiedene Vereinsstrukturen (z.B. Feuerwehrorchester, Turnermusiker, kirchliche Gruppierungen, Kooperationen mit Gesangsvereinen, Musikschulen und eigenständige Orchester) kennengelernt. Jede davon hat ihre Vor– und Nachteile.

Allen gemeinsam ist jedoch, dass der Vorstand, als zentraler Dreh- und Angelpunkt, über eine Reihe an Führungskompetenzen verfügen sollte. Im Folgenden seien einige exemplarisch genannt: die Fähigkeit zu Delegieren und Motivieren, Weitsicht, Neugier, Zuverlässigkeit, Sozialkompetenz, Entscheidungsfähigkeit, unternehmerisches Geschick, Begeisterung, u. v. m. Natürlich vereint keine Person alle diese Eigenschaften gleichermaßen. So möchte ich noch Kritikfähigkeit und Selbstwahrnehmung anführen.

Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen ein Vorstand mehr gefordert ist als im laufenden Betrieb. Ich denke da z.B. an Umstrukturierung des Ausbildungswesens (oder der gesamten Organisation), oder das Bewerbungsverfahren bei einem Dirigentenwechsel. Ich möchte auf beides kurz eingehen:

Was leider wenige Vereine sich klar gemacht haben ist, dass die Ausschreibung bereits darüber entscheidet, welche Dirigenten sich für das Ensemble überhaupt interessieren. Formulierungen wie „Bei uns steht das Gesellige im Mittelpunkt.“ mögen auf den ersten Blick charmant anmuten. Für einen Dirigenten könnte das aber durchaus eine „Hab-Acht-Formulierung“ sein, bedeutet es doch, dass die Musik dies eben nicht tut. Es sollte also ernsthaft darüber diskutiert werden, auf welchem Niveau das Orchester sich aktuell befindet und – mehr noch – wo es denn in Zukunft hin will! Denn Dirigenten sind Gestalter und wollen etwas bewegen. Eine Ausschreibung, die Bereitschaft und Möglichkeiten dazu aufzeigt, wird auch qualifizierte Musiker anlocken.

Nun einige Worte zur Umstrukturierung:

Es ist auch die Aufgabe des Vorstandes Strukturwandel voranzutreiben, v.a. wenn ansonsten das Überleben des Orchesters auf dem Spiel steht. Das könnte, beispielsweise eine Kooperation mit anderen Vereinen in der Ausbildung sein. Wenn beide davon profitieren kann diese Kooperation auch durchaus auf mehreren Ebenen geschehen. Die Antwort: „Aber die Fussballer unserer beiden Ortschaften können nicht miteinander!“ halte ich in diesem Zusammenhang schlicht für ungenügend. In solchen Momenten ist der Vorstand besonders gefragt – u.U. ist es, in harten Belastungsphasen, sogar angemessen über die Zahlung eines Honorars nachzudenken, sofern es diesen Prozess ermöglicht und dem Fortbestand des Orchesters zuträglich ist (und natürlich den Vorstand nicht persönlich kränkt).

Ein Vorstand braucht Neugier für aktuelle Entwicklungen in der Blasorchesterszene, d. h. an der Erweiterung des eigenen Horizonts. Ein Blick über den Tellerrand ist also unerlässlich: an Fortbildungen teilnehmen, sich austauschen mit Kollegen, Konzerte hochwertiger Ensembles besuchen (in strukturschwachen Regionen bedeutet das durchaus auch ein Konzert außerhalb des eigenen Verbandes!), etc. Um zusammen mit Gremium und dem Dirigenten einen ergiebigen Entwicklungsplan zu erarbeiten, ist es sehr praktisch, sich an bereits funktionierenden Modellen zu orientieren. Das bedeutet keineswegs, dass man alles blind nachmachen muss. Sich von etwas abzugrenzen oder auf die eigenen Begebenheiten anzupassen, schafft ja ebenfalls ein eigenes Profil.

Einige Worte noch zur aktuellen Situation:

Die Kultur – und vor allem die Kulturschaffenden – stehen derzeit vor sehr schwierigen Zeiten. Entgegen aller Behauptungen der Politik ist die Situation z.B. für freischaffende Musiker in keinster Weise abgefedert: Die sogenannten „Soforthilfemaßnahmen“ kommen in vielen Bundesländern keineswegs sofort. Das Wort „Hilfe“ in diesem Zusammenhang überhaupt zu verwenden, halte ich bereits für eine Frechheit. Wenn überhaupt wäre „Entschädigungszahlung“ der geeignete Begriff. Aber bevor ich mich hier in Rage schreibe zurück zum Thema…

Bietet euren Dirigenten jetzt eine Perspektive weiter zu leben! Vielleicht ist sie/er Komponist oder Arrangeur: wie wäre es mit einem Kompositionsauftrag / Bearbeitungsauftrag? Schließt euch dafür mit Nachbarvereinen kurz und schon wird ein angemessenes Honorar daraus.

Besteht die Notwendigkeit das Ausbildungssystem neu aufzustellen?

Sicher hat sie / er dazu etwas beizutragen.

Vielleicht kommt auch eine Idee vom Dirigenten selbst… Seid offen dafür – sie werden euch nicht enttäuschen. Kreativität ist derzeit gefragt und wenn ein Dirigent die nicht hat, wer denn dann:)

Zum Schluss ein kleiner (humoristischer!) Hinweis noch von meiner Seite:

Die meisten Vorstände gehen ihrer Aufgabe nicht von Beruf nach und wollen daher verständlicher Weise wieder mit dem Gefühl auf die Arbeit gehen, dass die Angelegenheiten des Vereins geregelt sind. Bitte prüft jedoch vor einem Anruf am Sonntagabend (oder Montag morgens um Sieben) ob die Angelegenheit wirklich so dringend ist… das wirkt sich positiv auf die Kooperationsbereitschaft des Gegenübers aus 😉

Stilblüte für Meckerer:

Je seltener auffällt, wie wichtig ein Vorstand für den reibungslosen Ablauf ist, umso besser macht dieser wohl seine Arbeit. 

Bitte vergesst also nicht diese Arbeit von Zeit zu Zeit zu belohnen!

Dirk Mattes
www.dirkmattes.com
Komponist – Dirigent – Dozent

Christian Weng

Christian Weng
Christian Weng

In einer idealen Vorstandschaft gibt es Personen und Teams, die sich um ihre jeweiligen Aufgaben selbstständig und proaktiv kümmern, sodass man sich auf die Ergebnisse und Umsetzungen aller Themen – sei dies musikalisch oder organisatorisch zu 100% verlassen kann.

Für einen Dirigenten ist es immer müßig, sich über jeden Zwischenschritt oder jeden Einzelaspekt mitkümmern zu müssen. Hierfür ist besonders wichtig, klare Aufgabenprofile zu erstellen und diese den entsprechenden Personen zuzuordnen. Gibt es eine solch klare Aufgabenverteilung, können keine wichtigen Punkte vergessen oder übersehen werden und durch die Erstellung von Checklisten für regelmäßige Ereignisse (Konzerte, Feste, etc.) geht die Arbeit dann für die Einzelnen auch schnell von der Hand. Am wichtigsten ist aus meiner Sicht, dass die Vorstandschaft ein harmonisches Team ist, das sich gegenseitig unterstützt und viel miteinander kommuniziert. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und die Arbeit bleibt nicht an Einzelpersonen hängen.

Niki Wüthrich

Niki Wüthrich
Niki Wüthrich

Gemeinsame Zielsetzungen zwischen Vorstand und Musikkommission, deren ich als Dirigent angehöre. Diese sollten in mindestens einmal jährlich stattfindenden Klausuren zusammen festgelegt werden. Präsident/in, Muko-Präsident/in sollten sich regelmässig treffen und austauschen. Die beiden Gremien sollten sich mittels Protokollen gegenseitig auf dem Laufenden halten. Für mich hängt der musikalische Erfolg auch stark von einer frühzeitigen und zuverlässigen administrativen Planung ab. Die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen sind Basis für die Ermöglichung einer musikalischen Weiterentwicklung und die Umsetzung von Projekten oder eben nicht. Da ich im zweiten Studiengang noch einen Master in Kulturmanagement gemacht habe und auf zehn Jahre Tätigkeit als Orchestermanager zurückblicke, bringe ich mich beratend auch in diesen Themen ein. Wohl wissend, dass die Umsetzung nur in einem gut zusammenspielenden Team funktioniert.

Dominik Wagner

Dominik Wagner
Dominik Wagner

Das Wichtigste für mich ist eine ehrliche, offene Kommunikation, sowie ein regelmäßiger Austausch. Unstimmigkeiten gleich aus dem Weg räumen und Lösungen finden, bevor sie hochkochen und Diskussionen auf erhöhter emotionaler Ebene geführt werden müssen. Eine gewisse Kompromissbereitschaft (von beiden Seiten) gehört ebenfalls dazu, vor allem in einem solchen Gesellschaftskomplex Musikverein. Dazu kommt ein grundlegendes Vertrauen in die Arbeit des Dirigenten. In der Regel wissen wir was wir tun und es ist schwierig, wenn man das Gefühl hat, jede musikalische Entscheidung rechtfertigen zu müssen, vor allem wenn die Arbeit Früchte trägt. 

Eine ideale Vorstandschaft zeichnet sich vor allem durch klar strukturierte Arbeitsbereiche aus, einem regelmäßigen kreativen Austausch, einem verlässlichen Gemeinschaftssinn und einer Diskussionsbereitschaft, sowie ganz wichtig, einem Vorsitz, der delegieren kann. Alleine lässt sich der Arbeitsaufwand nicht stemmen. Von Vorteil kann auch sein, wenn die Gremien nicht allzu riesig sind. Wenn zu viele Leute in diversen Prozessen beteiligt sind, erlahmen sie gelegentlich auch mal. Ebenfalls wichtig ist es früh junge, engagierte Kollegen mit in die Prozesse zu integrieren, um ihnen die Möglichkeit zu geben in verantwortungsvolle Position hineinwachsen zu können und nicht erst wenn Not am Mann ist, sie ins kalte Wasser schmeißen zu müssen. 

Patrick Egge

Patrick Egge
Patrick Egge

Was ist Dirigenten in der Zusammenarbeit mit der Vorstandschaft besonders wichtig?

Ein gesunder, kollegialer und offener Austausch über Ziele des Vereins in folgenden Punkten ist für jeden Verein das Allerwichtigste:

  • Planung der sinfonischen Konzerte
      • Anzahl
      • Konzertsaal
        • Kirche
        • Konzertsaal/Halle
        • Naturmatinee
        • Reihenbestuhlung
        • Tische mit eingeschränkter Bedienung während des Konzertes
        • Tische mit uneingeschränkter Bedienung
      • Motto oder roter Faden im Konzert
        • Musikalisches Motto
        • Einklang zwischen Dekoration und Werken
      • Wertungsspiele
        • Jahresturnus
        • alle zwei Jahre usw.
        • gar keins
      • Aushilfen beim Konzert
        • Profis
          • Klare Ansage des Dirigenten über Honorare von Profis
        • Musikerfreunde von Musikern
          • Gedanken über Aufwandsentschädigung/Geschenk
        • Semiprofis
          • Gespräche über Honorare
      • Reaktionen des Publikums auf die Programme
    • Planung des Sommerprogramms, für mich persönlich sollten alle Musiker eingebunden sein, vor allem bei der Auswahl der Stücke, da diese oftmals wiederholt werden.
      • Klare und rechtzeitige Terminplanung der Vorstandschaft
        • Dirigent muss sich die Termine freihalten oder ggf. Vizedirigent fragen
        • Musikalische Ziele für Unterhaltungsprogramm
          • Traditionell?
          • Rock/Pop?
          • Showprogramm?
          • Gesang?
          • Ein gesunder Mix aus allem?
            • Für was stimmen die Musiker?
    • Arbeitsumfang des Dirigenten und Honorar
      • Planung der wöchentlichen Proben
      • Planung eines Probewochenendes
        • Zu Hause mit Registerproben
        • Auswärts mit Übernachtungen und Registerproben
        • Honorare der Dozenten
      • Honorarvorstellungen beider Parteien
        • Monatsgehalt
        • Honorar pro Anwesenheit
      • Einbringung des Dirigenten in Vereinstätigkeiten – ja oder nein, funktioniert meines Erachtens beides, aber es sollte abgeklärt sein.

Herzlichen Dank an Dirk Mattes, Christian Weng, Niki Wüthrich, Dominik Wagner und Patrick Egge für ihre Beiträge zu diesem Thema!

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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