Donnerstag, November 21, 2024
KomponistenPersönlichkeitenThomas Trachsel

Komponist des Monats: Thomas Trachsel

„Sinfonien sind die dramatischen Opern für Orchester!?“ Thomas Trachsel

Wenn Thomas Trachsel Einfluss nehmen könnte, würde er sich dafür einsetzen, dass die Blasmusik als Kunstmusik eine viel größere, ihr zustehende Bedeutung in der Kultur zukommt. Er liebt das teilweise sehr hohe Niveau von Blasmusikerinnen und -musikern und einzelner Sinfonischer Blasorchester.

Was er gar nicht mag ist das blasorchestereigene Verlagswesen, vor allem mit den ganz großen „Playern“ – wie er es nennt – aus Holland und den USA, bzw. die Fusion dieser großen „Player“.

Den Begriff „Blasmusik“ empfindet Thomas Trachsel als überdenkenswert. Er verbindet mit diesem Begriff eher die „volkstümliche“ Abteilung. Thomas Trachsel geht es generell um Musik und speziell die Musik, die er für Blasorchester bzw. Sinfonisches Blasorchester komponiert. Er schätzt vor allem die riesigen Klang-Möglichkeiten dieser Ensembleform. Für ihn ist es ein Vorteil, dass bei einem Blasorchester kein definierter Instrumentationstyp vorgegeben ist. So kann er die Besetzung mit weiteren Instrumenten ergänzen, oder auch reduzieren. Auch das nach seinem Empfinden unerhört hohen Niveau, welches von einigen Blasorchestern erreicht wird verleitet ihn dazu, große Werke für diese Besetzung zu schreiben. „Viele sagen, das Sinfonieorchester besitzt die meisten Farben im Klang. Das sehe ich nicht so“, sagt Thomas Trachsel.

Beim Schreiben einer Komposition ist für Thomas Trachsel besonders der eigene musikalische Fingerabdruck wichtig. Seine Identität muss darin hör- und fühlbar sein. Er komponiert fast ausschließlich orchestrale Musik. Sinfonien oder Sinfonietten beanspruchen dabei den größten Platz. Er schreibt aber auch Chormusik, a capella, wie auch mit Blasorchester kombiniert. Geplant sind in den nächsten Jahren eine große Messe und eine Oper, ebenfalls mit Blasorchester.

Am meisten liegt ihm definitiv die Form der Sinfonie am Herzen, darauf verwendet er die meiste Energie. Was ihn an der Kunstform „Sinfonie“ reizt kann er gar nicht so genau sagen. Sie hat ihn schon immer fasziniert. Thomas Trachsel glaubt, die Sinfonie ist die Form, um großen musikalischen Gefühlen und Philosophien den größt möglichen Platz zu geben. Das Komponieren einer Sinfonie beansprucht enorm viel Zeit. Für ihn ist das philosophische Zeit.

Kürzlich hat Thomas Trachsel seine 5. Sinfonie vollendet. Für ihn persönlich ist diese 5. Sinfonie neben seiner 3. Sinfonie das wichtigste Werk, das er bisher schrieb. Die Uraufführung berührte ihn entsprechend. Er durfte einen Dirigenten erleben, der wunderbar auf seine Musik einging und ein gigantisches, wie grandioses Orchester, das seine Musik wiedergab. „Für mich und ich glaube auch für den Dirigenten Henrie Adams und das Orchester La Artistica de Bunol ein unvorstellbares Ereignis“, so Thomas Trachsel.

Jede seiner fünf Sinfonien hat ein eigenes Gesicht. Seine Musik ist grundsätzlich, aber in den Sinfonien besonders, autobiographisch zu verstehen. Thomas Trachsel beschäftigen Themen die grundsätzlicher Natur sind. Zum Beispiel die Welt, die Menschheit, die Natur, die Gesellschaft, usw. Wichtig ist für ihn, dass diese Themen rein inspirativer Natur sind, und nicht Themen für sinfonische Dichtungen. Ihm ist wichtig, dass seine Musik als „absolute Musik“ verstanden wird, nicht etwa als „Programmmusik“.

Ich habe Thomas Trachsel gebeten, zu jeder Sinfonie die jeweiligen musikalischen Inhalte, Hintergründe, spezifischen Gedanken und Inspirationen zu beschreiben. Diese möchte ich hier in seinen Worten wiedergeben:

Thomas Trachsel„Die erste Sinfonie steht für den Begriff „Melancholie“. Ich schrieb sie in einer Zeit als ich lernen musste, mir einst Wichtiges los zu lassen, was mich tief traurig machte.

Die zweite Sinfonie entstand kurz nach der Aufführung der ersten Sinfonie in Bunol (E). Sie trägt den Titel „Von der Angst unserer Zeit“. Ich schrieb sie nach der Geburt meiner ersten Tochter, ich hatte Angst vor dem Gefühl, dass ich vielleicht dem uneingeschränkten und natürlichen Vertrauen eines Kindes gegenüber seinen Eltern nicht gerecht werden könnte. Die Frage, „Werde ich ein guter Papa sein?“, beschäftigte mich sehr. Im letzten Satz behandelte ich einen alten polnischen Text, in welchem eine Mutter den Verlust ihres Kindes beklagt. Für mich war dieser Text im philosophischen Sinne auf mich übertragbar.

Die dritte Sinfonie fährt in diesem Sinne fort, darin geht es um unsere scheinbare Machtlosigkeit, unseren Kindern eine gerechtere und sauberere Welt hinterlassen zu können. Ich ließ extra dafür einen Text des schweizerischen Schriftstellers Turi Honegger schreiben, in welchem die Generationen nach uns anklagende Fragen hinterlassen. Die Kinder fragen, warum bloß wir die Welt so ungerecht und zerstört hinterlassen haben. Ich habe, um die Dramatik noch zu unterstreichen, den letzten Satz als große Fuge komponiert, in welcher ich alle Hauptthemen der ersten drei Sinfonien zu einem Trippel-fugato zusammengeführt habe. Der Text wird von einem Kinder- oder Frauenchor gesungen.

Die vierte Sinfonie trägt den Titel „Semper vitae“ Sie steht ein bisschen für das Licht, nach der Dunkelheit der ersten drei Sinfonien. Die Musik ist anders als in den ersten drei Sinfonien nicht mehr so trauriger Natur, trotzdem noch immer dramatisch. Im Gegensatz zu den anderen Sinfonien sind alle vier Sätze der vierten Sinfonie ohne Unterbruch durchkomponiert.

Die fünfte Sinfonie ist für mich, zusammen mit der dritten Sinfonie, die wohl wichtigste. Das hat damit zu tun, dass eine fünfte Sinfonie so oder so immer etwas Spezielles zu sein scheint. Ich habe diese Sinfonie unter dem Eindruck des eigenen Schicksals und dem Schicksal mir nahe stehender Menschen geschrieben. Es ist sehr schwierig diese Sinfonie zu beschreiben, für mich selbst jedenfalls ist sie die tragischste unter meinen bisherigen Sinfonien.“

Den ausführlichen Text zu seiner 5. Sinfonie könnt Ihr hier gratis downloaden:

 

Der Schweizer Komponist Paul Huber war für Thomas Trachsel ein riesiges Vorbild. Quasi ein Mentor für seine Musik. Thomas Trachsel mag an der Musik von Paul Huber die unglaublich große Tiefe. Die Inspiration zu seinen Werken bezog Paul Huber aus seinem uneingeschränkten Glauben an Gott, so wie es Bruckner auch tat. Thomas Trachsel hatte das große Glück, Paul Huber kennen lernen zu dürfen. Daraus entwickelte sich eine Brieffreundschaft. Thomas Trachsel schrieb die Abschlußarbeit an der Musikhochschule Bern über Paul Huber. Paul Huber war es, der ihn ermunterte, auf dem von ihm eingeschlagenen Weg, betreffend dem Komponieren, weiter zu fahren. Thomas Trachsel erhielt kurz vor dem Tod von Paul Huber einen Kompositionsauftrag von der Nationalen Jugend Brass Band (NJBB). Kurz bevor er damit begann erreichte ihn die Nachricht vom Tod Hubers. Das bewog ihn dazu, das „Symphonic Requiem“ zu schreiben. Er zitiert Huber darin einige Male. Dieses Werk war und ist der Kern, aus welchem alle seine nachfolgenden Sinfonien entstanden. „Es steht alles in einem Zusammenhang“, sagt Thomas Trachsel.

Im Oeuvre von Thomas Trachsel finden sich neben seinen großen Werken durchaus auch kleinere Werke. Beispielsweise zwei Werke im Schwierigkeitsgrad 2, sowie zwei Märsche. Diese entstanden sowohl aus Lust als auch aus Aufträgen heraus. Thomas Trachsel nimmt allerdings nicht jeden Auftrag an. Meistens lehnt er Aufträge ab, wenn er entweder bereits an etwas anderem arbeitet oder wenn er gerade ein Werk vollendet hat. Am liebsten komponiert er jedoch an großen Werken. An denen arbeitet er aber meistens so lange, dass er danach keine Kraft hat, sofort oder gar gleichzeitig ein neues Stück zu scheiben. Das hat auch damit zu tun, dass er auf Papier komponiert. Das ist oft eine körperlich anstrengende Angelegenheit. Seine Partiturblätter für die Manuskripte sind im DinA2-Format. Er muß oft stehen oder sich stark über die Arbeit beugen. Mit anderen Worten: Er schreibt nicht, weil er muß.

Auftragskompositionen bringen oft Einschränkungen des Auftraggebers mit sich. Das ist nicht immer ganz einfach, aber grundsätzlich kann Thomas Trachsel seine eigene musikalische Identität auch mit eingeschränkten Möglichkeiten verwirklichen. Einen Auftrag lehnt er aber auch dann ab, wenn jemand ein Werk von ihm möchte, welches ganz und gar nicht seiner Sprache entspricht. Thomas Trachsel ist der Meinung, dass sich Auftraggeber mit der Musik der diversen Komponisten auseinandersetzen sollten um den passenden Komponisten dann entsprechend ihrer Wünsche auswählen zu können. Thomas Trachsel dazu: „Ich schreibe keine Filmmusik, Pop- oder Jazzmusik. Also werde ich auch keine Aufträge dafür annehmen.“

Thomas Trachsel hatte schon seit seiner frühesten Kindheit einen Zugang zur Musik, da innerhalb seiner Familie üblicherweise musiziert wurde. Sein erstes Instrument war eine Konzertzitter seiner Großmutter. Auf dieser musiziert Thomas Trachsel auch heute noch gelegentlich. Früh besuchte er die Musikschule seinem Heimatdorf und nahm Unterricht auf der Trompete und später auch am Klavier. Noch in seiner Schulzeit begann er auch zu komponieren, allerdings nur kleine Sachen, welche nicht für eine Aufführung gedacht waren. Nach einer Berufslehre begann er mit seinem Musikstudium an der Musikhochschule Bern im Hauptfach Dirigieren. Er absolvierte sein Dirigierdiplom und anschließend das Konzertreifediplom. Früh übernahm er erste Orchester, Brass Bands und auch für kurze Zeit einen Chor.

Thomas TrachselHeute ist Thomas Trachsel Chefdirigent beim Sinfonischen Blasorchester Helvetia Rüti Tann, dem Blasorchester Schnottwil, dem Symphonic Brass Ensemble und dem Swiss Saxophon Orchestra. Als Gastdirigent war er bereits von La Banda Sinfonica La Artistica Bunol, The Netherlands Symphony Orchestra, bei der Blasorchesterwoche St. Moritz, beim Orchestra di Fiati della Svizzera Italiana sowie diversen Brass Bands eingeladen. Außerdem wird er immer wieder zu Wettbewerben als Juror angefragt.

Seit 18 Jahren ist Thomas Trachsel Musiklehrer an der Kreisschule Gäu in Neuendorf tätig. Dort unterrichtet er Gesang, Theorie und Musikgeschichte.

Mit Carlo Balmelli gründete Thomas Trachsel im Jahr 2014 den Musikverlag Symphonic Winds GmbH. Dieser Verlag ist ausschließlich spezialisiert auf die Herausgabe großer Werke im sinfonischen Bereich (E-Musik) und Transkriptionen berühmter Werke. Unterhaltungsmusik (à la Pop und Schlager für Blasmusik usw.) findet man in ihrem Verlag nicht.

Außer diesen vielen beruflichen Aktivitäten engagiert sich Thomas Trachsel in der Musikkommission des Solothurner kantonalen Musikverbandes. „In dem organisieren wir gerade ein größeres Orchesterprojekt und ein Festival und viele andere Sachen, auf welche ich mich sehr freue – wir sind in der Musikkommission ein ausgesprochen gutes Team“, so Thomas Trachsel.

Demnächst stehen bei Thomas Trachsel einige Konzerte an, welche er selbst dirigiert und auf die er sich enorm freut. Und irgendwann beginnt er dann mit seiner 6. Sinfonie, mit der schon genannten Messe und seiner ersten Oper…

 

Hier findet Ihr eine Übersicht über alle Werke von Thomas Trachsel: Symphonic Works

 

Im August 2018 führte Stefan Reggel | XBreath ein Youtube-Interview mit Thomas Trachsel, das ich hier ergänzen darf:

 

 

 

 

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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