Großartige Konzerte bei der WASBE in Utrecht
WASBE – was ist das überhaupt? Werden sich manche von Euch fragen. Einige Blasmusiker wissen nicht, was das für eine Organisation ist und viele wissen auch nicht, was einen auf einer WASBE-Konferenz erwarten kann.
Die WASBE ist die Weltorganisation der Sinfonischen Blasorchester – ganz vereinfacht gesagt. Mitglieder der WASBE sind Dirigenten und Komponisten, aber auch Verleger, Musiker und alle, die sich für die Sinfonische Blasmusik interessieren – diese kommen aus der ganzen Welt!
Beim alle zwei Jahre irgendwo auf der Welt stattfindenden Kongress, kann man also viele Leute aus der weltweiten Blasorchester-Szene treffen. Hauptsächlich aber großartige Konzerte hören, interessanten Podiumsdiskussionen und Vorträgen lauschen (natürlich auch mitdiskutieren), an Masterclasses für Dirigieren teilnehmen, u. v. m. Im Juli fand eben so eine Konferenz in Utrecht in den Niederlanden statt.
Wir Teilnehmer konnten wirklich tolle Konzerte von durchweg sehr guten bis exzellenten Orchestern hören. Horizont-Erweiternd. Sinfonische Blasmusik pur. Hier ein kleiner Überblick:
America Chamber Winds
Die American Chamber Winds spielten unter der Leitung von David A. Waybright in unterschiedlichen Besetzungen vom Dezett bis zum einfach besetzten Blasorchester. Herausragend der Solist Joe Alessi, der die Uraufführung von Radix Tyrannis for Trombone and Wind Ensembles von Peter Van Zandt Lane (*1985) spielte. Die American Chamber Winds hatten eine sehr kreative Programmzusammanstellung. So musizierten sie beispielsweise das Octrandre von Edgard Varèse und das Oktett für Blasinstrumente von Igor Stravinsky satzweise abwechselnd. (Beides “schwere” Musik…;-)) Zwei Ensembles saßen dabei nebeneinander auf der Bühne.
Mit riesigem Spaß und voller Leidenschaft spielte Joe Allessi im letzten – und eingängigsten – Stück Rolling Thunder von Henry Fillmore kurzerhand mit. Endlich Musizierfreude. Klasse.
Programm:
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Overture and Selections from “The Marriage of Figaro”
Edgard Varèse (1883-1965) Octandre in Abwechslung mit
Igor Stravinsky (1882-1971) Octet for Wind Instruments
Peter Van Zandt Lane (*1985) Radix Tyrannis for Trombone and Wind Ensemble – Premiere
Michael Torke (*1961) Overnight Mail
Igor Stravinsky (1882-1971) Circus Polka
Henry Fillmore (1881-1956) Rolling Thunder
Koninklijke Militaire Kapel ‘Johan Willem Friso’ (NL)
Mit zwei Premieren gestaltete Dirigent Tijmen Botma das Konzert der Koninklijke Militaire Kapel Johan Willem Friso, dem zweiten Konzert des ersten Tages. Herausragend davon mit kreativen neuen Klängen das Posaunenkonzert von Steven Bryant. Neue Musik, gut anzuhören und doch mit sehr außergewöhnlichen Klangfarben, hervorragend gespielt vom Soloposaunisten des Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam, Jörgen van Rijen. Die zweite Premiere ein Werk von Alexander Comitas, Coming To Light. Unter dem Namen Alexander Comitas komponiert der niederländische Komponist Ed de Boer seine Sinfonischen Blasorchesterwerke. Zur Konzerteröffnung hat Tijmen Botma eine historische Ouvertüre von P. J. Kessels (1856-1928) ausgegraben. Nett anzuhören, aber braucht die Welt wohl nicht mehr. Viel zu wenig für Blasorchester schreibt meiner Meinung nach der belgische Komponist Dirk Brossé. Aber klar, er hat eine steile Karriere als Dirigent hingelegt. Umso mehr freute mich, in diesem Konzert seine Philadelphia Overture zu hören. Mein abolutes Highlight in diesem Konzert war ehrlich gesagt die letzte Nummer von Morton Gould (Arr. Koekelkoren): Latin American Symphonette – eine echte Alternative zur viel gehörten Second Suite von Alfred Reed. Okay, vielleicht nicht ganz vergleichbar, da das eine eine Transkription und das andere ein Originalwerk ist – aber die Latin American Symphonette hat mich gleich an die Second Suite erinnert…. Ich vermute mal, dass der Morton Gould früher war…
Programm:
P. J. Kessels (1856-1928) Féte Sicilienne
Steven Bryant (*1972) Solo For Trombone – Premiere
Alexander Comitas (*1957) Coming To Light – Premiere
Dirk Brossé (*1960) Philadelphia Overture
Jan Sandström (*1954) Bombibone Brassbit
Ola Gjeilo (*1978) Serenity (Arr. Wilson)
Morton Gould (*1913-1996) Latin American Symphonette (Arr. Koekelkoren)
Douane Harmonie Nederland
Die Douane Harmonie unter der Leitung von Björn Bus spielte kein Konzert im eigentlichen Sinne, sondern das Preisträgerkonzert des Kompositionswettbewerb, den die WASBE – auf Grund einer Idee des neuen Präsidenten Dario Sotelo – in den zwei Kategorien “Community” und “Educational” ausgeschrieben hatte.
In der Kategorie “Community” wurden folgende Werke aufgeführt:
Pershing (Gregory Fritze/USA)
Mulan Fantasie (Hung Ping Chang/Taiwan)
African Harmony (Johan de Meij/The Netherlands)
Und in der Kategorie “Educational”:
Folksong of Midu (Ling Chang/China)
Wolf Tears (Nelson Jesus/Portugal)
Suite de Vale (Renato Foulart/Brazil)
Meine Favoriten waren spontan die Mulan Fantasie der in Amerika lebenden taiwanesischen Komponistin Hung Ping Chang und Folksong of Midu des Chinesen Ling Chang. Beide deswegen, weil sie in meinen Ohren typisch asiatisch klangen. Das beste Werk von allen sechs Werken war African Harmony von Johan de Meij. Aber für mich keine Überraschung mehr, weil ich es schon kannte. Ich denke, dass die Juroren mit diesem Wettbewerb eher unbekanntere Komponisten fördern wollten. Gewonnen haben schließlich Gregory Fritze und Nelson Jesus, der im Laufe der Konferenz doch noch zu meiner Komponisten-Neuentdeckung des Jahres wurde (später dazu mehr).
Brass Ensemble des Symphonischen Blasorchesters des Schweizer Armeespiels
Sehr gepflegt musiziert haben die Musikerinnen und Musiker des Brass Ensembles des Schweizer Armeespiels im ersten Mittwochs-Konzert. Bis auf die Eingangsfanfare spielten sie unter der Leitung von Major Philippe Monnerat ein Schweizer Programm. Auch in diesem Konzert stand zentral eine Uraufführung. Marcel Saurer (*1969) komponierte für die WASBE-Konferenz sein gleichnamiges Werk WASBE – Wuthering and Solemn Brass Extravaganza. Sich seiner Schweizer Traditionen bewußt folgten vom Brass Ensemble Bearbeitungen Schweizer Volkslieder. Zunächst Dr Heimatvogel in einem Arrangement von Thomas Trachsel, danach die drei Schweizer Volkslieder L’inverno l’è Passato (aus dem Tessin), S Isch Äbe E Mönsch Uf Ärde und Bernermarsch im barocken Stil arrangiert von Walter Lang-Van Os.
Programm:
Bruce Broughton (*1945) Fanfare, Marches, Hymns & Finale
Marcel Saurer (*1969) WASBE
Carl Hess (*1859-1912) Dr Heimatvogel (Arr. Thomas Trachsel)
Three Swiss Tunes in the Baroque Style (Arr. Walter Lang-Van Os)
Irish Symphonic Wind Orchestra
Die Schweizer teilten sich das Nachmittagskonzert am Mittwoch mit einem Projektorchester aus Irland, dem Irish Symphonic Wind Orchestra. Gleich zu Anfang ein sehr altes, jedoch sehr gutes Werk von James Curnow: Mutanza (von 1980!). Lange nicht mehr gehört… Aber ein Werk, das es wert ist, wieder einmal aus den Schubladen gezogen zu werden. (Leute, vergesst die “alten” guten Werke nicht!) Insgesamt haben die Iren unter der Leitung von Liam Daly ein sehr eingängiges Programm gespielt – ganz im Gegensatz zu dem, was man eigentlich bei einer WASBE-Konferenz erwartet. Aber: Harmonie für die Ohren. Vor allem die Reflections on an Old Japanese Folktune von Philip Sparke und mein Favorit dieses Konzerts: La Mezquita De Cordoba von Julie Giroux.
Programm:
James Curnow (*1943) Mutanza
Fergus O’Carrol (*1956) Celtic Prayers – Premiere
Philip Sparke (*1951) Reflections on an Old Japanese Foltune
Thomas Christopher Kelly (1917-1985) A Wexford Rhapsody
Julie Giroux (*1961) La Mezquita De Cordoba
Banda Municipal De Música De Bilbao
Nach diesem Konzert der Banda Municipal de Música de Bilbao unter der Leitung von José R. Pascual-Vilaplana waren wir uns alle einig: besser konnte es in dieser Woche nicht mehr werden…. (Wir sollten Recht behalten). Ein unglaublich weicher, ausgeglichener, warmer Orchesterklang. Laut aber niemals schreiend, leise aber niemals farblos, leidenschaftlich aber niemals out of control und ein sehr interessantes wenn auch nicht ganz neues Programm. Mit “Spanish Wind Music Through Three Centuries” war das Konzert überschrieben und keines der Werke war langweilig. Das einzige Werk das ich kannte und auch schon einmal gespielt habe war Ballets (Suite for Band, 1991) von Miguel Asins Arbó.
Programm:
Juan Cantó Francés (1856-1903) Andante y Polonesa
Jesús Guridi (1886-1961) Una Aventura De Don Quijote
José Franco Ribate (1935-1951) Agüero
Amando Blanquer Ponsoda (1935-2005) Caleidoscopio
Miguel Asins Arbó (1916-1995) Ballets
José Miguel Fayos Jordán (*1981) Tribal Elements
Saratoga High School Symphonic Wind Ensemble
Obwohl ein High-School-Orchester hatten diese Gäste aus Californien einen semi-professionellen Anspruch. Zentral stand das zweite Klarinettenkonzert von Oscar Navarro mit dem klanglich hervorragenden Solisten Leo Kim. Leider war das Orchester immer etwas zu laut…. Beim Hören wurden bei mir schöne Erinnerungen wach an das Benefizkonzert des BEO in Tengen unter der Leitung von David Krause und dem Solisten Thomas Krause, bei dem ich mitgespielt habe. Deshalb war dieses Werk auch mein persönliches Highlight in diesem Konzert. Außerdem ist dies für mich eines der besten Werke für Klarinette und Blasorchester, das es gibt.
Im Nachhinein bekommt das stimmungsvolle California von David Maslanka, eine Hommage an die Heimat des Orchesters, seit dem 6. August eine andere Bedeutung. Zum letzten Mal hörte ich zu Lebzeiten von David Maslanka ein Werk von ihm.
Programm:
Daisuke Shimizu (*1980) Welcome To the Imagination World
Oscar Navarro (*1981) Clarinet Concerto No. 2
David Maslanka (1943-2017) California
James Stephenson (*1969) there are no words
Orchestra Fiati Di Camonica
Auf dieses Konzert war ich sehr gespannt. Ich habe den Dirigenten Denis Salvini schon mehrmals als Student von Douglas Bostock beim Meisterkurs in Staufen erlebt und war deshalb neugierig, wie sein Orchester klingt. Sein Lehrer Douglas Bostock kam beim diesem Konzert auch als Gastdirigent zum Einsatz. Douglas dirigierte das Werk Les Trois Notes Du Japon von Toshio Mashima, das er auch schon als Lehr-Werk beim Meisterkurs in Staufen ausgesucht hatte und das ihm auf Grund seiner Affinität mit Japan (er war Dirigent des Tokyo Kosei Wind Orchestras) sehr liegt. Mit dem sensationell guten Euphonium-Solisten Devid Ceste – sehr musikalisch und mit einem weichen, farbenreichen Euph-Klang – führte Denis mit seinem Orchester das UFO-Concerto von Johan de Meij auf. Den Komponisten, der im Publikum saß, freute es sehr… Auch die Italiener warteten mit einer Premiere auf: Kindara Overture von Antonio Giacometti (*1957). Das Werk hat mich aber nicht überzeugt.
Programm:
Guiseppe Manente (1867-1941) Piccoli Eroi (Arr. Salvatore Farina)
Antonio Giacometti (*1957) Kindara Overture – Premiere
Toshio Mashima (1949-2016) Les Trois Notes Du Japon
Johan de Meij (*1953) UFO Concerto for Solo Euphonium and Wind Orchestra
Harmonie St. Michael Thorn
Auch auf dieses Konzert am Donnerstag Abend war ich sehr gespannt. Kennt man doch in Fachkreisen die Rivalität zwischen den beiden Thornern Orchestern Koninklijke Harmonie van Thorn und eben dieser Harmonie St. Michael Thorn, die beide unter den Top-Orchestern von Europa gehandelt werden. Es war das einzige Konzert in dieser Woche, bei dem das Tivoli Konzerthaus in Utrecht nahezu gefüllt war. Von Thorn bis Utrecht sind es nur etwa 1,5 Stunden – viele begeisterte Fans sind angereist. Sehr interessant und abwechslungsreich die Uraufführung von Marc Van Delfts Dance Suite. Da war wirklich alles drin… Darüber hinaus auch noch toll unter der Leitung von Ivan Meylemans musiziert. Das Highlight in diesem Konzert war jedoch wieder einmal Jörgen van Rijen, dieses Mal im Duett mit Alexander Verbeek (wie schade, dass nicht Joe Alessi sein Duett-Partner war). Das Two Bone Concerto war nicht nur ein Ohren-, sondern auch ein Augenschmaus. Sehr kreativ übrigens der Einsatz von Steel-Drum, Congas und Cachon.
Programm:
Marc Van Delft (*1958) Dance Suite – Premiere
Johan de Meij (*1953) Two Bone Concerto
Florent Schmitt (1870-1958) Dionysiaques, Op. 62
Nicolai Rimsky-Korsakov (1844-1908) Capriccio Espagnol (Arr. Courtain)
Banda Musicipale de Barcelona
Ein weiteres Konzert mit ausschließlich spanischen Kompositionen erlebten wir WASBE-Konferenz-Besucher mit der Banda Musicipal de Barcelona unter der Leitung von Salvador Brotons. Dieses Konzert war nicht nur ein interessanter Querschnitt durch das spanische Blasorchester-Repertoire, es wurde durch den Einsatz von traditionellen, volkstümlichen Blasinstrumenten (Doppelrohr-Instrumente in verschiedenen Größen mit wenigen Klappen – und ja, sie klangen auch so – und einer Art Einhand-Blockflöte) auch zum Schaufenster spanischer Musikinstrumententraditionen. Interessante Werke, um das jetzt mal ganz diplomatisch auszudrücken. Ein Favoriten-Werk hat es für mich in diesem Konzert nicht gegeben. Obwohl alles toll musiziert war, unvergessliche Erlebnisse bleiben von diesem Konzert nicht.
Programm:
Joan Lamote De Grignon (1872-1949) Scherzo Sobre Un Tema Popular Català
Eduard Toldrà (1895-1962) Empúries, Sardana Lliure
Joaquim Serra (1907-1957) Puigsoliu – Symphonic Poem
Manuel Oltra (1922-2015) Montmagastre – A little Symphonic Scene
Agusti Borgunyó (1894-1967) L’aplec. Peasant Celebration
Xavier Montsalvatge (1912-2002) Music for a Sunday
Salvador Brotons (*1959) Symphony No. 6 Concise, Op. 122
Banda Sinfónica Portuguesa
Von diesem Konzert mit der Banda Sinfónica Portuguesa unter der Leitung von Francisco Ferreira bleibt mir ein unvergessliches Erlebnis: das absolut unglaubliche Werk Out of Earth von Oliver Waespi (das werde ich niemals mehr vergessen). Natürlich lebt Oliver Waespi auch in diesem Kracher seine Liebe zum Funk voll aus, in einer Weise, die den Zuhörer komplett umhaut. Es ist aber schon ein richtig gutes Orchester notwendig, um dieses Werk überzeugend rüber zu bringen. Blasmusik – ganz bestimmt nicht von dieser Welt! Meine unbedingte Empfehlung: hört Euch das mal an – wenn es irgendwie geht, live! Hammer!
Das zweite Werk, das mich – in einer anderen Weise – tief berührt hat ist Porto de Suadades von dem oben schon erwähnten Nelson Jesus (*1986). Auch hier meine Empfehlung an alle Dirigenten: hört Euch die Werke dieses jungen Komponisten einmal an. Er ist einer der wenigen jungen Komponisten, bei dem ich erkennen kann, dass er seinen eigenen Weg und Stil gefunden hat. Zu Recht wurde Porto de Suadades auch in einer der Repertoire-Sessions als empfehlenswert vorgestellt. Ich kann Euch das Werk mit Worten nicht beschreiben, ich kann Euch nur empfehlen, Euch mit seinen Werken zu beschäftigen.
Programm:
Luis Carvalho (*1974) Chiaroscuro, Très Esquissons para Banda Sinfónica
Chiel Meijering (*1954) The One – Punch Man
Nelson Jesus (*1986) Porto De Saudades
Oliver Waespi (*1971) Out of Earth
Brass Band Schoonhoven
Der letzte Tag der WASBE-Konferenz in Utrecht startete mit einer der besten niederländischen Brass Bands: Schoonhoven, mit einem sehr souveränen Ivan Meylemans (zum zweiten Mal in dieser Woche) am Pult. Wieder stand ein Euphonium-Konzert auf dem Konzertprogramm. Dieses Mal in typischer Brass-Band-Manier gespielt von Robbert Vos, die Uraufführung von Underground Concerto for Euphonium, Percussion and Brass Band von Christian Overhead. Eine zweite Premiere in diesem Konzert und die zweite Premiere eines Werkes von Alexander Comitas (Ed de Boer) in dieser Woche: Schumann Resonances. Abgesehen vom Werk von Alexander Comitas wurden in diesem Konzert relativ neue Werke von sehr jungen Komponisten gespielt.
Programm:
Lode Violett (*1995) Sang Till Norden
Christian Overhead (*1989) Underground Concerto for Euphonium, Percussion and Brass Band
Gavin Higgins (*1983) Ivory Ghosts
Alexander Comitas (*1957) Schumann Resonances
Gelders Fanfare Orkest
Das emotionalste Konzert der ganzen Woche folgte an diesem Samstag morgen: Gelders Fanfare Orkest unter der Leitung von Erik Van de Kolk.
Die GFO startete mit einer Uraufführung des jungen niederländischen Komponisten Stan Nieuwenhaus: False Front. Und dann: A Child like you von Andy Scott (*1966) – Transkription von Thom Zigterman (einem lieben Kollegen aus alten De-Haske-Tagen). Berührend, emotional, ergreifend. Die Geschichte: Ein kleiner Junge aus Uganda flüchtete 1972 nach England. Er wurde in der Familie des Komponisten aufgenommen und erlebte alles, was England an Rassenhass zu bieten hatte. Dazu kam die fremde Umgebung, die Trennung von Familie und Freunden, die Ungewissheit was passiert. Dies alles nicht nur in Töne gefasst, sondern von vier Sprechern auch hinausgeschrien, ins Publikum geflüstert und angeklagt. Dann die grandiose Sängerin Fenna Ograjensek, ohne deren schauspielerisches Talent diese Aufführung nur halb so ergreifend gewesen wäre. Mitten im Tumult der Musik ein Duett von Sängerin und Harfe – die Gefühle der in Uganda zurück gebliebenen Mutter in Töne gesetzt. Ich habe geheult.
Zur “Abkühlung” des Publikums die Uraufführung von Rounded with a Sleep von Harry Janssen. Diese war dringend nötig. Denn mit Time For Outrage von Marco Pütz hatte das Gelders Fanfare Orkest ein weiteres Top-Werk auf dem Programm. (Das ich am Sonntag dann nochmals in Kerkrade von der Bläserphilharmonie Aachen in der Harmonie-Fassung hören durfte.)
Von der Zusammenstellung des Programms und dem roten Faden, der es durchzogen hat, war dies das beste Konzert der Woche! Und das war nicht alles. Vor dem Konzert wurde das Publikum aufgefordert, die App “Wolfgang” runter zu laden. Während dem ganzen Konzert konnte man mittels dieser App in kleinen Dosen wichtige Details zum Inhalt der Werke erfahren. Bei A Child Like You beispielsweise konnten wir die ganze Geschichte während der Musik nachlesen. Dies trug massgeblich dazu bei, die Musik zu verstehen und nicht nur im vorbeigehen zu hören. Super Idee. Richtungsweisend.
Programm:
Stan Nieuwenhuis (*1989) False Front – Premiere
Andy Scott (*1966) A Child Like You
Harrie Janssen (*1960) Rounded With A Sleep – Premiere
Marco Pütz (*1958) Time For Outrage
European Union Youth Wind Orchestra
Nach dem Konzert mit dem Gelders Fanfare Orkest konnte mich an diesem Tag nichts mehr beeindrucken. Das Konzert des European Union Youth Wind Orchestra ist völlig nebensächlich an mir vorbei gezogen. Ich kann Euch nicht mal das Programm sagen, weil es nicht dem im Programmheft abgedruckten entsprach.
Wir waren in Utrecht eine tolle Gruppe mit deutschen Blasmusik-Enthusiasten und natürlich wurde jedes Konzert, alle Orchester und auch die gespielte Literatur in den diversen Utrechter Restaurants und Bars ausgiebig diskutiert. (Danke für die tolle Zeit Miriam, Corina, Angela, Jürgen, Hubert, Jörg, Michael, Bernd, Denis, Franco, Stéphane, Erwin, Markus….) Sehr schade, dass die nächste WASBE-Konferenz 2019 in Tokyo stattfindet. Da ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sehr viele Europäer hinreisen. Aber wir haben ja vom 18. – 21. Januar 2018 den ersten Internationalen Blasmusik Kongress in Neu-Ulm. Wer weiß, vielleicht wird das ja auch ein ganz toller Treffpunkt, wenigstens von der mitteleuropäischen Blasmusik-Szene.
Wie immer habe ich in diesem Beitrag die Konzerte so beschrieben, wie ich sie empfunden habe. WASBE-Konferenz-Teilnehmer: gerne könnt Ihr Eure besonderen Erlebnisse in das Kommentarfeld weiter unten auf dieser Seite schreiben.
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