Blasmusikaspekte: Visualisierung in Konzerten
Ein Interview mit Rupert Hörbst
In der Reihe “Blasmusikaspekte” werden im Interview mit jeweils einer Persönlichkeit ein Teilbereich bzw. ein besonderer Aspekt der Blasmusik bzw. unseres Musikvereinswesen diskutiert. Es kommen jeweils Spezialist:innen zu Wort, die sich näher bzw. tiefer mit einem Teilbereich der Blasmusik beschäftigt haben bzw. besondere Fachleute für die jeweiligen Themen sind.
Herzlichen Dank an Rupert Hörbst, der in diesem Beitrag meine vielen Fragen zum Thema Visualisierung in Konzerten in diesem Interview beantwortet hat. Rupert Hörbst ist ein österreichischer Künstler, der bereits viele Konzerte mit seiner Kunst live bereichert hat.
Warum „Visualisierung“ in Konzerten. Reicht die Musik nicht aus?
Rupert Hörbst: „Hmmm. Die Musik reicht aus – keine Frage. Aber es stellt sich auch manchmal die Frage: Warum 4 Posaunen? Reichen drei nicht aus, um die Botschaft der Musik dem Hörer zur übermitteln.
Es ist ein Versuch, der mich schon seit vielen Jahren beschäftigt. Ich hab sehr viele Konzerte selbst gespielt. Manches Mal hatte ich Bilder im Kopf. Die Bilder, die im Kopf der Musiker oder im Kopf der Zuhörer entstehen, sind schon alleine eine spannende Sache – keine Frage. Aber die Gefühle, die von der Musik vermittelt werden, noch mit meiner Form der Kunst zu ergänzen, das finde ich aufregend. Vielleicht zur Erklärung: Ich werde oft als „Bildender Künstler“ bezeichnet. Udo Jürgens hat mal gesungen: „Mein Bruder ist ein Maler und ein Bild aus seiner Hand … “ und später heißt es in dem Lied: „Mein Bruder ist ein Sänger und ein Lied aus seinem Mund…“. Das zu kombinieren – ein Traum, der mich verfolgt. Aber noch ein paar Worte zu mir. Meine Kunst ist meist die Karikatur. Viele Karikaturen (die Musik ist dabei ganz oft ein Thema) sind besagten Bilder aus meiner Hand. Karikaturen sind als Visualisierungen nicht immer geeignet – aber dazu später.“
Was bedeutet eigentlich „Visualisierung“ in Konzerten? Was gehört dazu?
Rupert Hörbst: „Visualisierungen gibt es in vielerlei Formen. Es ist modern geworden, Projektionen zusätzlich zur Musik zu machen. Sehr oft ist eine Kamera positioniert, die Musiker filmt und diese Bilder werden projiziert. Die Pop- und Rockkonzerte verwenden die riesigen Led-Walls, um den hinteren Reihen auch den Blick auf die Künstler zu ermöglichen. Oft werden Fotos projiziert, welche den Inhalt der Stücke erläutern. Das sind aber nicht die Visualisierungen, die mich reizen. Filme und Animationen werden projiziert. Filmmusikprogramme sind momentan sehr gefragt. Dabei liegt es natürlich auf der Hand, das (bewegte) Bild zu zeigen. Schlussendlich wurde die Filmmusik dafür komponiert.
So nebenbei: Manchmal sind die Projektionen an der Grenze des rechtlich Erlaubten. Dem Urheberrecht wird nicht immer entsprochen – also gut überlegen, was man an die Wand wirft. Viele Konzertmitschnitte werden von Besuchern mitgefilmt und auf Social Media gepostet und sind somit für eine breite Masse sichtbar. Also gut und abgesichert auswählen. Aber zurück zur Frage.
Die Bilder, die während der Musik im Kopf entstehen können, werden durch diese Projektionen quasi geschärft. Das kommt schon näher an meinen Zugang – triffts aber noch immer nicht ganz.
Wobei ja die Projektionen nur eine Möglichkeit darstellen, um Musik zu visualisieren.
Jede Form von Musiktheater oder die angesprochene Filmmusik ist eine Kombination von Schauen und Hören. Lichttechnologie und Lichtkonzepte sind ebenfalls bereichernde Gefühlsverstärker. Tanz, zusätzliche Requisiten auf der Bühne, Choreografien und Bewegungen von Musikern selbst.
All das „erweitert“ die Musik um eine zusätzliche Dimension. Man könnte es als ganzheitliches Aufnehmen von, im Idealfall, gut abgestimmten Eindrücken bezeichnen. Es bedarf Mut von den Ausführenden, aber auch dem Publikum, sich dieser Herausforderung zu stellen. Es muss/soll bei Gott nicht immer sein.
Radiosendungen sind oft besser als das gleiche im Fernsehen – heißt aber nicht, dass ich nie mehr in ein Fernsehkastl schaue.“
Welche Ziele sollen mit einer Visualisierung im Konzert idealerweise erreicht werden?
Rupert Hörbst: „Ich sehe mich bei meinen Anwendungen in gewisser Weise als zusätzlichen Musiker – (Vielleicht ja auch unbewusst, weil mir der letzte Schritt zur professionellen Ausübung des Musikmachens nicht möglich war.)
Die Möglichkeit auch live bei den Konzerten zu zeichnen erlaubt mir, den Input als quasi zusätzlicher Musiker. Meine Töne sind die Bilder auf der Leinwand. Manches Mal bin ich vielleicht ein visueller Schlagwerker, der im Rhythmus die Musik ergänzt. Manches Mal bin ich Bühnenbildner. Manchmal bin ich wie ein Jazzmusiker, der mit den Farben und Linien improvisiert. Das kommt immer drauf an, mit welchen Ensembles ich arbeiten kann/darf/will.“
Ich selbst habe schon einmal die Sinfonie „The Lord of the Rings“ mit einer Sand-Performance gesehen / gehört und konnte mich sehr schlecht auf beides konzentrieren… Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich nun sehen oder hören sollte… Was ist Dir persönlich „zu viel“ Visualisierung, was „zu wenig“?
Rupert Hörbst: „Natürlich „lenkt“ eine zusätzliche Dimension von der Musik ab. Ich habe aber gemerkt, als ich im Vorfeld über die Möglichkeiten und „Gefahren“ von Visuals nachgedacht habe, dass Sehen auch beim „normalen“ Konzertbesuch eine wichtige Rolle spielt. Sobald ein Trompeter einen paar Takte Solo spielt, suche ich ihn im Orchester. Schaue was er macht – ob er schon einen roten Kopf hat. Ich schaue, wie die Klarinetten ihre Finger fliegen lassen und natürlich auch, was der Dirigent macht.
Und – wie es in der Küche heißt -„Das Auge isst mit!“, so könnte man sagen: „Das Auge hört mit!“ Das beginnt bei der Kleidung der Musiker. Wenn es „nur“ um das Hören der Musik ginge, wäre eine Konzertbekleidung der Musiker nicht wirklich wichtig. Ob jetzt Uniform oder Frack, die meisten Ensembles sind darauf bedacht, sich auch optisch tadellos zu zeigen. Es beginnt beim Auftreten und endet bei der Verbeugung am Ende des Konzertes.
Ich hab‘ lange gegrübelt, bevor ich diesen Schritt gewagt habe. Der Idealfall ist aber, dass sich Bild und Ton ergänzen, dass die Visuals die Gefühle der Musik verstärken.
Worauf sich der Konsument der Sinneseindrücke konzentriert, liegt im wahrsten Sinne des Wortes im Auge des Betrachters. Schlussendlich hat jeder einzelne die Möglichkeit Bild, Ton oder beides auszuwählen.“
Ich bin ja bei einer Konzertreihe von „da Blechhauf’n“ und Christoph Moschberger dabei.
Christoph Moschberger hat mich als „Gefühlsverstärker“ bezeichnet. Auch das trifft meinen Input bei manchen Stücken.
Dieses Bild entsteht zum Beispiel bei einer wunderschönen Flügelhorn-Ballade. Die Linien wandern nach unten. Schwingungen der Musik werden umgesetzt. Laute Teile durch dicke Linien usw. Was ich fühle, versuche ich auf die Leinwand zu bringen. Nicht viel. Nur Linien auf einer roten Fläche. Optische Sounds und passende Farben – in diesem Fall.
Ein Besucher hat einmal gesagt: „Deine Bilder geben dem Konzert einen „Mehr-wert.“ Natürlich funktionieren diese Konzerte auch ohne mich hervorragend. Ein wahrgenommener Mehrwert ist eine wunderschöne Beschreibung meines Parts.
Das Konzert mit Blechhauf’n und Christoph ist genau besprochen: Wo bekomme ich mehr Raum, wo nehm‘ ich mich zurück. Die Band spielt dann quasi im Hintergrund und ich bin als Solist tätig und auch umgekehrt
Manchmal bin ich auch Bühnenbildner, wie in diesem Fall:
Es kommt aus dem Back eine Trompetenline und Gesang der Band – und im Hintergrund entsteht rasch ein Kirchenraum. Dem Publikum wird sofort klar, wo, was, wie – ohne nötige Moderation. Das Stück wandelt sich danach in eine groovige Gospel-Nummer. Meine Aufgabe: Der sehr linear gehaltene Kirchenraum wandelt sich. „Groovige“ Farben im Rhythmus der Musik. „Disco“ ist angesagt.
Hier ein Liebeslied beim Konzert der Bürgermusik Saalfelden unter Kapellmeister Wolfgang Schwalbl.
Ein Bild, das bei einem Saxophonsolo entstanden ist:
Es gibt Ideen im Kopf. Was schlussendlich rauskommt ist nicht bis ins letzte planbar.
Wie eben bei einer Improvisation.“
Denkst Du, es gibt im Erleben eines Konzerts mit Visualisierungen Unterschiede zwischen Musiker:innen im Publikum und Menschen, die keine Musik selbst machen?
Rupert Hörbst: „Eine Frau hat mir mal lachend erklärt: ‚Mein Mann ist Musiker – der weiß genau, wo er hinschauen muss, was musikalisch jetzt wichtig ist, was gut gespielt, gut intoniert, gut arrangiert ist. Ich bin nach wenigen Minuten hinhören schon überfordert. Deine Bilder ergaben mir eine Chance, mich nicht auszuklinken, sondern weiter aufmerksam zu sein.‘“
Was sind Deine eigenen Beiträge als Künstler zur Visualisierung in Konzerten?
Rupert Hörbst: „Die Visualisierungen der Stücke sind ein Teil. Ich versuche aber auch dem Konzert einen roten Faden zu geben. Meine Bilder können zwischen den Stücken von einem zum nächsten führen. Manchmal mehr, manchmal weniger nachvollziehbar. Das Publikum wird auch hier – durch meine Bilder – zum Nachdenken oder einfach Mitdenken motiviert.
Die Projektionen sind aber manchmal auch einfach nur Erklärungen der Moderationen oder eine spezielle Form eines Programmzettels.“
Welche Arten der Visualisierung – abseits Deiner eigenen Kreativität – findest Du selbst als Konzertbesucher gut?
Rupert Hörbst: „Stimmig, die Musik ergänzend, Gefühle verstärkend, eine Erweiterung der Wahrnehmung.“
Was sind für Dich absolute No-Gos in Konzerten?
Rupert Hörbst: „Rechtlich fragwürdige Projektionen sind für mich sehr gefährlich.
Auch technisch schlecht gemachte Bilder – aufgepixelt, schlecht auf der Leinwand positioniert – womöglich noch mit einem Kopierschutz/Wasserzeichen durch das unerlaubte Downloaden.
Eine Mitteilung, dass der Beamer kein Signal findet. (Die Technik ist natürlich „ein Hund“)
Ein Startbildschirm beim Wechsel von Folien.“
Einmal Visualisierungen – immer Visualisierungen im Konzert?
Rupert Hörbst: „Nein – absolut nicht. Ganz wenig ist manchmal mehr. Aber wenn schon eine Leinwand da ist, kann auch die stehende Farbfläche wirken. So wie halt ein Beleuchter arbeitet.“
Welche Empfehlungen hast Du für Blasorchester, die sich noch nie zuvor mit Visualisierungen im Konzert beschäftigt haben?
Rupert Hörbst: „Genauso gute Vorbereitung wie die Musiker haben. Für mich ist es immer wichtig, die Stücke zu kennen. Die Teile – Intro, einzelne Abschnitte, Coda usw. Auch der Wechsel im Tempo oder der Stimmung sollte im Vorfeld bekannt sein. Also auch gute Kommunikation zwischen Orchester und Visualisierer. Mir hilft da sehr, dass ich selber als Musiker viele Stücke gespielt habe und somit den Grundaufbau gut nachvollziehen kann.“
Vita Rupert Hörbst
Rupert Hörbst, geb. 1967 in Rainbach bei Freistadt, Österreich, war „im früheren Leben“ Lehrer, bevor er sich ganz der Bildenden Kunst (in weiter gefasstem Sinne) widmete.
Bekannt geworden ist er mit seinen Karikaturbüchern: Die Bilder aus BRASSIVAL, WOODSTOCKS, STRINGLED, VINITO, DAD´S JAZZ und CONCERTO VINISSIMO waren in Ausstellungen in Deutschland, Spanien, Frankreich, Südkorea und sogar im Iran zu sehen. In verschiedenen Zeitungen und Magazinen werden regelmäßig Bilder von ihm abgedruckt. Auftragskarikaturen und Live-Karikatur-Acts sind weitere Facetten seiner Karikaturistentätigkeit. Auch Ausflüge in andere Bereiche der Bildenden Kunst passieren immer wieder (gern). Vor allem auch die Illustration von Kinderbüchern erfordert viel an Kreativität und lässt diese auch zu. Die Kombination von Musik und Bildender Kunst begleitet ihn auch bei verschiedensten Musikvermittlungsprojekten.
Live-Visuals (zum Teil live gezeichnete Bilder) sind ein spannendes neueres Betätigungsfeld. Die Verbindung von Bildender Kunst und Musik stellt für den musikbegeisterten Zeichner durchaus eine Herausforderung dar. Der Trompeter Christoph Moschberger bezeichnet ihn gern als „Gefühslverstärker“. Er selbst sieht sich manchmal als Bühnenbildner, manchmal als visueller Schlagwerker oder als improvisierender Jazz-Zeichner. „Die Kunst dabei ist, nicht Bild und Ton gegeneinander auszuspielen, sondern ein harmonisches intensives Ganzes zu erschaffen!“ www.hoerbst.net
ein wirklich mitreißender Artikel- soviel verschiedene Aspekte zur Konzertbegleitung. Mein Hinweis zeigt auf ganz gezieltes Informieren des Zuhörers.
Also ein Konzert ohne Moderation/gute Inhaltsangabe ist für mich ein schlechtes Konzert.
Aber je treffender die Ansage vor dem Stück/Programmteil , desto emotionaler ist bei jedem Besucher das Hörvergnügen.
Alle Varianten der Moderation sind denkbar, aber nicht alle können überall eingesetzt werden. Wie gesagt: weniger ist dann mehr!
Absolut, Hubert, bin genau Deiner Meinung. Über Konzert-Moderation gibt es auch schon ein Blasmusikaspkete-Interview mit dem lieben Jürgen, der leider, leider schon – viel zu früh – verstorben ist: https://blasmusikblog.com/blasmusikaspekte-konzertmoderation/
Viele Grüße
Alexandra