Donnerstag, November 21, 2024
DirigentenPersönlichkeiten

Dirigent im Fokus: Carlo Balmelli

Heute ist auf dem Blasmusikblog eine kleine Premiere: Erstmalig erscheint ein Porträt über einen Schweizer Dirigenten. Genauer gesagt, über einen Tessiner Dirigenten: Carlo Balmelli (*1969).

Als Blasorchester-Dirigent ist Carlo Balmelli bereits seit 1988 tätig. Im Jahr 1992 übernahm er den Verein, in dem er auch lange Zeit selbst spielte, die Civica Filarmonica Mendrisio, die mittlerweile seit vielen Jahren auf Höchststufen-Niveau spielt. Mendrisio liegt an der Südspitze des Tessins, nicht weit von Chiasso und somit nahe der italienischen Grenze. Seit 2004 ist Carlo Balmelli auch Musikschulleiter der Musikschule des Conservatorio della Svizzera Italiana, Region Mendrisio.

Ebenfalls seit vielen Jahren, um genau zu sein seit 2003 ist Carlo Balmelli musikalischer Leiter der Musikgesellschaft Konkordia Egerkingen. Und seit 2005 der Stadtharmonie Oerlikon-Seebach.

Von Haus aus ist Carlo Balmelli Posaunist. Er studierte bei Branimir Slokar am Konservatorium in Bern. Seine Kapellmeister-Ausbildung absolvierte er bei Dr. Ewald Körner in Bern und belegte Meisterkurse mit Ralf Weikert, Horst Stein und Gustav Kuhn in Zürich, Basel und Mailand. Seinen Master in Direktion erlangte er am Konservatorium Luzern bei Joseph Gnos.

Carlo Balmelli ist nicht nur Posaunist, Dirigent und Musikschulleiter, er engagiert sich auch in verschiedenen nationalen und internationalen Verbänden. Bereits seit 1998 gehört er der Musikkommission des Schweizer Blasmusikverbandes an.

Einige Jahre war er auch Mitglied des Vorstands der WASBE Schweiz – die größte Landes-Sektion innerhalb des Weltverbands.

Im Jahr 1988/89 gründete Carlo Balmelli zusammen mit ein paar Kollegen das Auswahlblasorchester des Tessins, das Orchestra di Fiati della Svizzera Italiana OFSI. Zu dieser Zeit spielten weder die Civica Filarmonica Mendrisio noch die in der Nachbarschaft beheimatete Civica Filarmonica di Lugano auf dem hohen Niveau, wie sie es heute tun. Viele jugendliche MusikerInnen waren in ihren Heimatvereinen im Tessin damals oft unterfordert. Und wie in anderen Ländern Europas gab es immer mehr BlasmusikerInnen, die sich für neue, originale Blasorchesterliteratur interessierten. Literatur, die sie in ihren Heimatvereinen nicht unbedingt spielen konnten. Außerdem war es in den Vereinen eher üblich, Transkriptionen zu spielen. Die Grundidee, die ihn und einige seiner Freunde bewog das OFSI zu gründen, war das eigens für Blasorchester komponierte Repertoire zu entdecken und mit hervorragender Qualität aufzuführen.

Für so ein kleines Land, wie es die Schweiz ist, kann man laut Carlo Balmelli durchaus sagen, dass das Niveau der Blasorchester enorm hoch ist. Bescheiden sagt er, dass es natürlich nicht mit Spanien oder sonstigen Hochburgen, welche das Blasmusizieren durch die eigene Kultur enorm fördern, zu vergleichen ist. Aus eigener Erfahrung und aus vielen Besuchen bei diversen Eidgenössischen Musikfesten kann ich jedoch berichten, dass die Schweiz im internationalen Vergleich, insbesondere bei den Vereinen, die in der Top-Sektion spielen, mithalten kann. Unterschiede zwischen seinem Heimatkanton und der Restschweiz sieht Carlo Balmelli nicht. „Höchstens in der Mentalität“, so Carlo Balmelli.

Musik ist für Carlo Balmelli Leben. Musik ist für ihn Gefühl und somit Lebensgefühl oder Lebenseinstellung. „Musik ist der Spiegel der verschiedenen Aspekte des Charakters eines Menschen“, ist er überzeugt. Musik ist vor allem auch ein Kommunikationsmittel. Jede noch so kleine Phrase, jedes noch so kleine musikalische Detail hat eine bedeutende Funktion. Diese müssen in ein ganzes Monument von Tönen, Klängen und Eindrücken geführt werden, damit es verstanden wird und somit der ganzen musikalischen Aussagekraft gerecht wird. Das ist sein Selbstverständnis als Dirigent und mit diesen Zielen gestaltet Carlo Balmelli seine Probenarbeit.

In seiner Ausbildung zum Dirigenten war es ihm wichtig, die Erfahrungen und das Wissen jedes gewählten Dozenten zu verinnerlichen. Dabei muß man jedoch erkennen können, welche Inputs der Dozenten für einen selbst wichtig und auch fördernd sind. Angehenden Dirigenten rät Carlo Balmelli, dass man nie vergessen sollte, dass man als Musiker selbst Mensch ist und dieses Menschsein beim Musizieren, egal ob als Dirigent oder als Instrumentalist, eine enorme Tragweite hat. „Jeder muss seinen Weg zur Musik selbst entdecken“, ist Carlo Balmelli überzeugt. Die Vermittlung von Musik bezeichnet er philosophisch folgendermaßen: „Eine schwarze Fläche lebendig werden lassen“.

Grundelemente des Dirigierens kann seiner Meinung nach jede Frau, jeder Mann lernen. Das sind in der Regel jedoch lediglich die technischen Aspekte. Das Übertragen von musikalischem Gefühl, dem musikalischen Verständnis an die Musiker oder auch das Publikum hingegen ist eine ganz andere Angelegenheit und kann seiner Meinung nach nicht erlernt werden. Jemand, der ein Bild im Kopf hat, ist deshalb noch lange nicht in der Lage dieses Bild auf eine Leinwand zu übertragen. Das sind definitiv künstlerische Prozesse, die mit Talent und Begabung zu tun haben.

Die Stellung eines Dirigenten im Musikverein sieht Carlo Balmelli so: „Der Dirigent sollte eigentlich immer das letzte Wort in allen musikalischen Bereichen des Orchesters haben. Dies in gutem und kollegialem Einvernehmen mit der administrativen Vereinsführung. Ein diplomatisches Vermögen bezeichnet er als eines seiner Stärken. Und mit dieser Eigenschaft war er schon oft in der Lage, Probleme innerhalb des Orchesters zu lösen.

Auch Carlo Balmelli sieht die Notwendigkeit unserer Szene, dass wir gut ausgebildete DirigentInnen brauchen. Er glaubt jedoch nicht, dass die meisten Orchester gut augebildete DirigentInnen nicht bezahlen können. Sie können es oft nicht, weil diese Orchester ihre Priorität nicht dahingehend setzen. Oftmals wird viel Geld in teure Bekleidung, Geschenke und sonstige Utensilien von Seiten des Vereins gesteckt. Geld, das besser in die Musik und somit auch in die Qualität des Orchesters investiert werden könnte. Ebenfalls könnte man seiner Meinung nach darüber nachdenken, ob man nicht schon früher aufgeführte Werke, die sich bewährt haben, wieder aufführen könnte. „Muss es an jedem Konzert neue Literatur sein?“ fragt sich Carlo Balmelli.

Kirche in Mendrisio
Kirche in Mendrisio

In seiner Literaturauswahl verlässt er sich auf seine Intuition. Sucht nach Werken, die ihn interessieren und formt dazu ein vollständiges Programm. „Fruchtsalatprogramme“ mag er nicht. Bei einem Konzert soll für ihn interessante Musik, die etwas zu sagen hat und am Ende den MusikerInnen und dem Publikum etwas vermittelt im Vordergrund stehen. Immer ist für ihn die Qualität der Literatur massgebend, egal in welchem Stil diese komponiert wurde. „Leider entspricht vieles, was auf den Markt kommt, nicht mehr diesen Maßstäben“, beklagt Carlo Balmelli. Transkriptionen sind für Carlo Balmelli ein großes Thema. Er ist Mitinhaber des Musikverlags „Symponic Works“, den er zusammen mit dem Komponisten Thomas Trachsel gegründet hat. Es ist ihm und seinem Kompagnon ein Anliegen, Literatur auf hohem musikalischem Niveau zu veröffentlichen. Dies beinhaltet sowohl originale Blasorchesterliteratur, als auch Transkriptionen klassischer Werke. Er selbst zeichnet für viele Transkriptionen verantwortlich. Grundsätzlich wählt er dabei nur Werke aus, die sich auch wirklich dafür eigenen. Demnächst steht ein Konzert seiner Civica Filarmonica di Mendrisio an, auf dem nur Transkriptionen auf dem Programm stehen. Zum Beispiel Mussorgskys „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ oder das „Capriccio Espagnol“ von Rimsky-Korsakov.

An Wettbewerben nimmt Carlo Balmelli mit seinen Orchestern regelmäßig teil. Er ist dafür, dass jedes Orchester wenigstens alle paar Jahre einen Wettbewerb absolviert. Es gibt dem Orchester die Möglichkeit, in einem bestimmten Rahmen zu überprüfen, wo es steht. Man darf dabei nicht außer Acht lassen, dass Musik keine exakte Wissenschaft ist und sehr von der persönlichen Auffassung eines Musikers oder Musikerin, Dirigenten oder Dirigentin abhängt. In diesem Sinne sollte man die durch die Wettbewerbsresultate gewonnenen Erkenntnisse genau überprüfen. Unabhängig davon, ob man gut, im Mittelfeld oder schlecht abgeschlossen hat.

Zur Zeit ist für Carlo Balmelli, wie für viele Blasorchester (nicht nur in der Schweiz), Hochsaison. Das Konzert der Civica Filarmonica di Mendrisio habe ich oben schon erwähnt. Bei der Stadtharmonie Zürich-Oerlikon-Seebach stehen „Niagara Falls“ von Michael Daugherty, „ Symphony für Blasorchester“ von Paul Fauchet und „Big Apple“ von Johan de Meij auf dem Programm. Beim Galakonzert der Konkordia Egerkingen Mitte Januar stehen neben einer Transkription von Mozarts Oboenkonzert „The Kings go Forth“ von Edward Gregson und „Awayday“ von Adam Gorb auf dem Programm.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man im Tessin gut leben kann – was die Umgebung, das Wetter und die kulinarischen Genüsse angeht. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Carlo Balmelli auf die Frage, was er in seiner außermusikalischen Freizeit tut, antwortet: „Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen, Kochen und das Leben genießen.“

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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