6. Deutsche Brass Band Meisterschaften – Ein Gastbeitrag von Thomas Conrad
Leider konnte ich bei den 6. Deutschen Brass Band Meisterschaften letztes Wochenende in Bad Kissingen nicht selbst dabei sein…. Deshalb kann ich auch hier auf dem Blasmusikblog.com nicht aus erster Hand berichten. Ich habe mir dennoch etwas überlegt und drei Personen über ihre Eindrücke befragt, die dort waren: Thomas Conrad (Besucher, Dirigent der Bläserphilharmonie Thum und Schulleiter des Zweckverbands Musikschule Lauffen und Umgebung), sowie die beiden Juroren Thomas Doss und Jan Van der Roost.
Den Anfang macht heute Thomas Conrad mit einem sehr ausführlichen Bericht über den Wettbewerb – er hat tatsächlich fast alle Beiträge gehört. Morgen könnt Ihr dann im Blasmusikblog die Statements von Thomas Doss und Jan Van der Roost lesen.
Nun hier also der Gastbeitrag von Thomas Conrad:
“Gleich vorweg nehmen möchte ich, dass dies mein ganz persönlicher und subjektiver Eindruck eines spannenden Wettbewerbes ist. Ich bin nur ein Posaunist, der sich an den fantastischen Darbietungen der Blechbläser und Schlagzeuger erfreut.
Bei bestem Frühlingswetter setzte ich mich am Freitag aus dem Süden Deutschlands Richtung Bad Kissingen in Bewegung. Nach den 3. DBBM 2010 in Duisburg und den 5. DBBM in Bad Kissingen bin ich froh, dass ich dieses Jahr wieder einem musikalischen Wettstreit im Zuschauerraum beiwohnen kann. Anders als in den Vorjahren, habe ich mir dieses Jahr eine Übernachtung gegönnt und kann somit den Einstieg der 1. Division mit ihrem Pflichtwerk live im wunderschönen Regentenbau verfolgen.
Erstmals treten 7 Bands in der 1. Division an. Hat sich die Leistungsfähigkeit in den letzten 2 Jahren so gesteigert? Will man den mehrmaligen Deutschen Meister 3BA Concert Band dieses Jahr vom Thron stoßen? Ich bin gespannt. Das Pflichtwerk stammt in diesem Jahr aus der Feder von Thomas Doss. Blackout ist eine sehr eingängige und für das Publikum äußerst kurzweilige Komposition. Auch beim 7. Vortrag nacheinander, macht es noch Spaß zuzuhören. Einzig ein paar mehr Soli hätten sicher die einzelnen Register in einem Pflichtwerk noch etwas mehr durchleuchtet. Die Auftragskomposition des oberösterreichischen Landesmusikschulwerkes beschreibt geschäftiges Treiben, Hektik, Rücksichtslosigkeit und Maßlosigkeit in einer Großstadt. Neben leichten Jazzelementen hat Doss auch sehr geschickt den Bruckner-Choral „Os Justi“ eingearbeitet. Besonders die groovenden Rhythmen und bluesigen Elemente lagen aber sichtlich nicht jeder Band und jedem Dirigenten. Hier trennte sich schon am ersten Tag das Teilnehmerfeld. Die Woodshockers unter Benjamin Markl eröffneten den Wettbewerb und fühlten sich sichtlich in der Stilistik wohl. Hier und da etwas überschäumend, aber der Vortrag machte gleich Lust auf mehr. Es folgten gestandene Teilnehmer der 1. Division, Brass Band Oberschwaben-Allgäu und Cologne Brass Band. Von ihnen erwartete ich im Vorfeld die größte Konkurrenz für den Sieger der Vorjahre. Leider wurde ich aber beim Vortrag des Pflichtwerks enttäuscht. Manchmal passt ein Werk einfach nicht zu einem Ensemble…dies meine erste Analyse. Danach betrat die Brass Band A7 die Bühne. Zur Überraschung vieler Insider, hat Dirigent Johnny Ekkelboom die Leitung an den Bassposaunisten Thomas Wolf abgegeben. In der Vorwoche trat man noch mit dem langjährigen Leiter (seit 2007) beim Deutschen Orchesterwettbewerb in Ulm an und erspielte sich 22,3 von 25 Punkten.
Das ist für mich auch ein erster kleiner Kritikpunkt. Die zeitnahe Terminierung zum DOW und die in der Vorwoche ausgetragenen Europäischen Meisterschaften in Lille waren sicher ein Grund, warum sich leider nur eine Band in dem alle 4 Jahre stattfindenden Wettstreit beteiligt hat. Sehr schade. Mehr Bands hätten dem DOW sicher gut zu Gesicht gestanden und die „Szene“ über die eigenen Fans hinaus weiter bekannt gemacht.
Im Wettbewerb betraten nun die Titelinhaber die Bühne. Dieses Jahr aber unter neuer Leitung. Thomas Ludescher fühlte sich sichtlich wohl in der Klangsprache des Pflichtwerkes und seine Musiker folgten mit viel Gefühl und nuanciertem Spiel. Eine Überraschung hatten sie auch zu bieten. Im Moment des komponierten Blackouts wurde es finster im Saal. Ein guter dramaturgischer Effekt, der die akustische Wirkung noch verstärkte. Die 3BA Concert Band hatte mit ihrer Interpretation des Pflichtwerkes gut vorgelegt. Besonders in Erinnerung blieb mir auch das hervorragende musikalische Spiel des Euphonisten Bernd Gerser, welcher am Folgetag auch die Prämierung als bester Solist in Empfang nehmen durfte.
Mit einem grandiosen Sieg in der Challenge Section bei der EBBC in Lille hatte die Brass Band Sachsen für Aufsehen gesorgt. Wie werden sie sich nun eine Woche später bei der ersten Teilnahme in der 1. Division schlagen? Auch hier eine Überraschung, die Band spielt unter Leitung des Gastdirigenten Bryan Allen. Aus privaten Gründen, so meine Information, hatte Eoin Tonner dieses Jahr die Leitung an seinen ehemaligen Lehrer übergeben. Die Sachsen spielten völlig unbeeindruckt vom sehr guten Vortrag ihrer Vorband und wussten in meinen Ohren durch die Ausarbeitung einiger bisher nicht gehörter Nuancen und Schattierungen der Partitur zu gefallen. Einzig das Gesamtklangbild war mir persönlich nicht ganz „rund“. Aber die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Für mich rangierten sie nach dem ersten Tag auf Platz 2. Ein super Einstieg in der Höchststufe. Erwähnen möchte ich noch unbedingt das wunderschöne tonale und musikalische Spiel ihres Flügelhornisten!
Die Auslosung hatte ergeben, dass der letzte Vortrag des Abends ausgerechnet der jüngsten Band vorbehalten blieb. Die Youth Brass Band NRW hatte ich noch nie gehört und war sehr gespannt, wie ihr Dirigent Martin Schädlich (welcher mit insgesamt 3 Bands im Wettbewerb vertreten war) die jungen Musiker durch die Partitur geleitet. Wie sich nach einigen Minuten herausstellen sollte, hervorragend! Für mich die Überraschung der 6. DBBM. Nach 7 Interpretationen Blackout war ich gespannt, wie die Jury um Jan Van der Roost (Belgien), Thomas Doss (Österreich) und Armin Bachmann (Schweiz) diese hinter ihrem schwarzen Vorhang gehört und vielleicht im Unterschied zu meinem Eindruck bepunktet haben.
Weiter ging es am nächsten Morgen aber zuerst mit den Bands der 3rd Division. 4 Bands hatten sich dieses Jahr für diese Kategorie angemeldet. Leider muss ich gestehen, dass ich den ersten Vortrag (bereits um 8.30 Uhr) verpasst habe. Wie sich später herausstellen sollte, war dies der Vortrag der Gewinner. Anders als in der 1. Division folgte dem Pflichtstück Parnassus von Jan Van der Roost gleich das jeweilige Selbstwahlstück der Band. Am Ende gewann die noch junge Band aus Bamberg (Gründung 2014) vor Westfalen, B10 (dem Sieger aus 2014) und der Jugend BB Düren.
Ab 10.20 Uhr ging es weiter mit der von mir mit Spannung erwarteten 2nd Division. Nachdem Sachsen und Woodshockers in die 1. Division gewechselt haben, einige Bands aus 2014 nicht angetreten sind, blieben noch 5 Brass Bands, die ihren Meister ermitteln wollten. Den Anfang machte die Badische Brass Band unter ihrem hervorragenden jungen Dirigenten Dominik Koch. Schon im Pflichtwerk Evolution von Philip Sparke wussten die Musiker mit sehr kultiviertem und nuancierten Spiel in meinen Ohren zu gefallen. Da hat sich die Arbeit der letzten 2 Jahre deutlich niedergeschlagen. Danach betrat Regensburg die Bühne. Wenngleich mir die Interpretation des Pflichtwerkes etwas zu oberflächlich wirkte, wussten sie dann doch beim Selbstwahlstück mit musikalischem und engagiertem Spiel zu gefallen. BlechKlang Jena unter dem Dirigat von Alexander Richter überraschte mit einer etwas anderen Sitzordnung. Die Hornstimmen saßen rechts in der 1. Reihe und dahinter erst Euphonium/ Bariton. Klanglich fiel leider das Schlagzeug (Mallets) etwas zu sehr aus der Balance. Als reine Vereinsband mit eigener Ausbildung und ausschließlich eigenen Musikern kann man vor dem, was da in Jena geleistet wird, aber nur den Hut ziehen. Meiner Meinung nach sollte man über getrennte Kategorien Auswahl- und Vereinsbands nachdenken. Welches Vereinsblasorchester möchte schon gern gegen ein Landesblasorchester in den Wettbewerb treten? Auf der Bühne ging es weiter mit der Nordbayrischen Brass Band unter Leitung des jungen Komponisten und Dirigenten Matthias Wehr. In den 5 Jahren seit der Gründung konnte sich auch diese Band über eine stete Weiterentwicklung freuen. Persönlich würde ich mir für 2018 ein auf die Band zugeschnittenes Werk ihres Dirigenten wünschen. Als letzte Band der Oberstufe betrat wieder Dirigent Martin Schädlich mit der Brass Band Düren die Bühne. Am Ende hieß es Sieg für Regensburg, gefolgt von Baden, Nordbayern, Jena und Düren. Für mich ein qualitativ sehr dichtes Teilnehmerfeld, wobei mir die Badische Brass Band mit ihrem kultivierten Spiel besonders gefiel. Nicht so gefallen hat mir, dass manche Band zum Pflichtwerk von Sparke noch ein Selbstwahlstück des gleichen Komponisten gewählt hat. Hier würde ich mir etwas mehr Kontrast wünschen.
Der restliche Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der Selbstwahlstücke der 1. Division. Zusammenfassend kann ich jedoch sagen, dass mein Höreindruck vom Vortag zum Großteil bestätigt wurde. Einzig die Brass Band Oberschwaben-Allgäu und Cologne Concert Brass fühlten sich beim Selbstwahlstück doch deutlich wohler.
3 Vorträge möchte ich noch kurz erwähnen. Da wäre das Werk Variations and Fugue on an original theme von Alexander Comitas. Der musikalische Gehalt und die sensible Interpretation von Thomas Ludescher und der 3BA haben mich schwer beeindruckt. Für mich ein Highlight der Brass Band Literatur. Genauso wie das von der Brass Band Sachsen interpretierte Red Priest von Philip Wilby. Moderne Klänge und Farben, die dem Zuhörer ein spannendes Klangerlebnis vermitteln. Und zum Schluss auch nochmals die jungen Bläser aus NRW. Mit On the Shoulder of Giants von Peter Graham bewiesen sie eindrücklich, dass man in den Folgejahren auf weitere Wettbewerbsteilnahmen und Platzierungen sehr gespannt sein darf. Als Anerkennung durfte sich der Posaunensatz (den hervorragenden 1. Posaunisten muss ich einfach noch erwähnen) dieses Jahr über die Prämierung als bestes Register freuen.
Das Jurorenteam (alles Posaunisten!) sah dieses Jahr erneut die 3BA Concertband auf Platz 1, dicht gefolgt von der Brass Band Sachsen. Gerade einmal 0,2 Punkte machten den Unterschied. Das werden spannende Duelle in den nächsten Jahren! Mit nur 1,5 Punkten Abstand auf Platz 2 sicherte sich die YBB NRW einen berechtigten Platz auf dem Treppchen. Sie waren meine Überraschungs-Band zur 6. DBBM in Bad Kissingen. Enttäuscht ist man sicher bei der Brass Band Oberschwaben-Allgäu, die dieses Jahr mit 80,5 Punkten den letzten Platz belegen. Aber wie sagte immer mein Prof: nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb. Kopf hoch und nach vorn schauen! Ein Wettbewerb ist nur eine Momentaufnahme. Diese wird zudem noch sehr subjektiv wahrgenommen. Und das ist vielleicht auch ein kleines Handicap in der Brass Band Szene, wie es sich zumindest für mich darstellt. Man lebt ein wenig von Wettbewerb zu Wettbewerb. Einige Bands, wie zum Beispiel die Brass Band Hessen, gehen einen anderen Weg. Es bleibt spannend, wie sich die noch junge „Szene“ in Deutschland weiter entwickeln wird. Am Freitag wurde in einer Gründungsversammlung ein eigener Verband gegründet. Das Team um Claus-Peter Wittmann, Dominik Koch, Jörg Seggelke, Johannes Leutloff und Arnd Bolten wird sicher maßgeblichen Anteil haben, wohin die Reise geht.” – Thomas Conrad –
Ein ganz großes Dankeschön an Thomas Conrad für diesen ausführlichen, detaillierten Beitrag. Wenn auch Ihr den Blasmusikblog-Lesern Eure Eindrücke von den 6. DBBM schildern möchtet, könnt Ihr diese gerne unten in das Kommentarfeld schreiben!
Nun dürft Ihr Euch auf morgen freuen, wenn die beiden Beiträge von Thomas Doss und Jan Van der Roost erscheinen!