Samstag, September 13, 2025
Musikleben

Jubiläumsinterview 4/10 zu 10 Jahren KSL und Blasmusikblog

Die Fragen stellt: Mark Baumgartner

In den 10 Jahren, die der Blasmusikblog und meine Firma Kulturservice Link schon bestehen, habe ich vielen Persönlichkeiten Fragen gestellt. Sowohl für den Blasmusikblog in unzählichen Round-Up-Posts und Interviews als auch in meinen Workshops und Zukunftswerkstätten. Zu meinem Jubiläum drehe ich den Spieß um und lasse mir Fragen stellen.

Die Fragen in diesem vierten Interview stellt Mark Baumgartner. Mark ist Dirigent der Stadtmusik Solothurn (CH) und Marketing-Verantwortlicher für das Eidgenössische Musikfest 2026 in Biel/Bienne.

Mark: Stell dir vor, du dürftest ein einziges Musikstück wählen, das für den Rest deines Lebens bei jeder Gelegenheit (Geburtstag, Hochzeit, Taxifahrt, Aufzug…) im Hintergrund läuft – welches wäre es und warum genau dieses?

Alexandra: “Hui, Mark, das ist eine erschreckende Vorstellung für mich… denn ich bin immer auf der Suche nach neuen Werken und neue Werke, die mich faszinieren, finden mich immer wieder. Diese begleiten mich dann auch eine Zeit lang. Werke, die mir richtig gut gefallen, höre ich immer wieder.

Ich bin übrigens kein „nebenbei Hörer“. Ich bin ein „aktiv Zuhörer“. Blasorchesterwerke laufen bei mir nicht im Hintergrund. SWR 1 oder SWR 4 läuft bei mir im Hintergrund. Bei Blasorchesterwerken nehme ich mir Zeit zum Zuhören. Am liebsten tue ich das im Konzert. Oder bei Festivals und Wettbewerben. Und wenn ich beispielsweise für Repertoire-Beiträge für den Blasmusikblog recherchiere, dann höre ich schon mal den ganzen Tag oder tagelang „aktiv“ zu. Wie schön, dass es Youtube gibt. Früher war ich auf CDs angewiesen (wobei ich damals, in meinem früheren Leben, auf alles, was neu auf den Markt kam, quasi „gratis“-Zugang hatte). Auch heute bekomme ich noch CDs geschenkt. Nur habe ich mittlerweile leider keinen funktionierenden CD-Player mehr.

Ich habe „phasenweise“ Lieblingswerke. Außerdem kommt es immer auf meinen momentanen Gemütszustand an. Wenn ich beispielsweise richtig gute Laune habe, darf es Neapolitan Holiday von Philip Sparke sein. Wenn mir eher melancholisch zu Mute ist, dann ist es Evening Song in der Bearbeitung von Jan de Haan (ein Werk, das ich mir zu meiner Beerdigung wünsche).

Als ich Deine Frage zum ersten Mal gelesen habe, schoss mir übrigens spontan Poema Alpestre von Franco Cesarini in den Kopf. Ein Werk, mit dem ich mich gerade in diesem Jahr – aber auch schon früher – viel beschäftigt habe. Ja, das ist ein Werk, bei dem ich nie müde werde, es zu hören! Aber frag mich nächstes Jahr nochmal. Dann kann es ein ganz anderes Werk sein…”

Mark: Was war der absurdeste oder lustigste Moment, den du je in einem deiner Workshops erlebt hast – und wie hast du die Situation gerettet (oder einfach genossen)?

Alexandra: “Okay, lustig war das nicht. Eher absurd. Aber am ehesten trifft es: The Show must go on. Ich bin Solo-Selbstständig und biete Workshops für Musikvereine bzw. eine Gruppe von Vereinsverantwortlichen an. Das heißt: Ich darf nicht krank werden, denn sonst muss ich viele Menschen versetzen und enttäuschen, die einen ganzen Tag für den Workshop mit mir reserviert haben. Oder am Beispiel Musikverein: Es wurde mühsam ein Termin gefunden, an dem die meisten Musiker:innen können – und dann ist die Dozentin krank? Ein No-Go und absolut nicht wünschenswert.

Die Geschichte: Letztes Jahr im Oktober hat mich erstmalig Corona erwischt. Mit richtig heftigen Symptomen: erkältet, Fieber, ich konnte kaum sprechen und alles tat mir weh. Ich konnte mich kaum bewegen. Drei Wochen lang war ich komplett ausgeknockt. Fast drei Wochen lang blieb mein MacBook aus und das Smartphone lag unbeachtet in der Ecke. Leider musste ich deswegen eine Zukunftswerkstatt mit Workshop zum Teambasierten Vereinsmanagement – ein Wochenend-Workshop also – bei einem Musikverein absagen! Diese Situation konnte ich nicht retten.

Nachdem Corona einigermaßen überstanden war wurde ich jedoch bis weit in den März hinein nicht richtig gesund.

An einem Wochenende im Januar hatte ich am Samstag zunächst einen Workshop im Allgäu und am Sonntag einen in der Nähe von Karlsruhe. Am Samstag habe ich mich stimmlich ganz gut geschlagen. Am Sonntagmorgen (sehr früh, da ich um 9 Uhr in Karlsruhe sein musste) hatte ich keine Stimme mehr. Nichts ging mehr! Keine Stimme, eine zweistündige Fahrt nach Karlsruhe und einen ganzen Tag Workshop (es war eine Zukunftswerkstatt). Was sollte ich tun? Wieder einem Musikverein absagen und viele Musikerinnen und Musiker versetzen? Wieder einen ganzen Musikverein enttäuschen? Einen Ersatztermin hätte ich auf Monate hinaus nicht anbieten können, weil ich ausgebucht bis im Sommer war. Nein, absagen ging nicht. The Show must go on. Aber glücklich habe ich die Musikerinnen und Musiker vor Ort auch nicht gemacht. Mein Krächzen konnte man kaum verstehen. Ich habe trotzdem mein Bestes gegeben. Ich war aber sehr froh, dass der Musikverein eine mobile Mikrophonanlage vor Ort hatte. Mit Mikro ging es einigermaßen.

So, aber jetzt noch etwas Lustiges. Witzige Situationen und lustige Aussagen gibt es in jedem Workshop und jeder Zukunftswerkstatt. Auch in den wenigen Zukunftswerkstätten, in denen schlechte Stimmung in der Luft liegt. Ich versuche immer eine lockere, positive Atmosphäre zu schaffen. Von „dem lustigsten Moment“ in einem Workshop kann ich leider nicht berichten. Lustig war kürzlich ein „Problemzettel“ auf dem stand: „Kein Spezi da“. Na, wenn es weiter keine Probleme gibt… Lustig ist es, wenn ein Trompeter in der Positiv-Runde am Anfang sagt: „Das Besondere am Musikverein ist das Trompetenregister“. (In fast jeder Zukunftswerkstatt gibt es so jemanden.) Oder wenn bei der Ideen-Suche zum Problem „Nachwuchssorgen“ aufgeschrieben wird: „Mehr eigene Kinder machen“. (Kommt auch nicht so selten vor.)

Von zwei Situationen, die mich in Zukunftswerkstätten sehr berührt haben, möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch noch berichten. Bei einem Musikverein hat ein Musiker bei der Positiv-Runde am Beginn mit der Frage: „Was ist das Besondere, bzw. das besonders Tolle an Deinem Musikverein?“ einen leeren Zettel an die Wand gehängt: Es gab nichts, was er gerade besonders toll in seinem Musikverein fand. Ich war jedoch froh, dass er bei der Zukunftswerkstatt dabei war. Manch anderer in dieser Situation wäre der Veranstaltung einfach fern geblieben. Die zweite Situation, von der ich berichten möchte, kommt öfters vor: Es berührt mich immer sehr, wenn die Leute in der Positiv-Runde sagen: „Der Musikverein ist wie meine zweite Familie“. Von diesen Menschen wünsche ich mir dann immer mehr, denn sie hängen mit Leib und Seele am Musikverein und setzen sich bedingungslos für die Blasmusik ein.

Übrigens: Ich genieße jede Zukunftswerkstatt. Erstens, weil es die Musikvereinsgemeinschaft immer mindestens einen Schritt (meistens mehrere Schritte) nach vorne bringt. Zweitens, weil es – zusammen mit dem Schreiben von Blasmusikblog-Texten – meine allerliebste Arbeit bzw. Aufgabe ist.”

Mark: Wenn dein Leben als Blasmusikerin eine Marschformation wäre – wie sähe sie aus? Chaotisch kreativ wie ein Flashmob, streng geordnet wie bei der Militärmusik oder mit überraschenden Wendungen wie ein Dackel beim Agility?

Alexandra: “Ich gebe es zu, ich musste jetzt erstmal recherchieren, was „Agility“ ist. Ich bin ein Katzenmensch. Und Katzen tanzen nicht nach der Pfeife von Menschen. Und bei einem Parcour würden Katzen auch nur das machen, zu was sie gerade im Moment Lust haben. Lustige Frage!

Also, meine Antwort – nach einigem Nachdenken:

Wenn mein Leben als Blasmusikerin eine Marschformation wäre…
…dann wäre es sicher keine Parade mit streng gezogenen Linien und millimetergenau ausgerichteten Instrumenten. Eher ein bunter Zug, bei dem die Grundordnung stimmt, aber immer wieder kleine Überraschungen eingebaut sind. Ich mag Struktur – ich brauche sie sogar, sonst würde ich im Chaos der vielen Projekte und Ideen untergehen. Aber zu viel Strenge, wie bei der Militärmusik, das wäre nichts für mich. Da fehlt mir die Luft zum Atmen und die Möglichkeit, spontan mal einen Seitenschritt zu machen.

Ich würde also sagen: meine Formation läuft im Großen und Ganzen geordnet, aber nicht starr. Manchmal biegt sie an einer Ecke ab, wo eigentlich „geradeaus“ angeschrieben war. Das passiert oft dann, wenn mir ein neues Projekt einfällt, das nicht im Plan stand – aber genau diese Abzweigungen machen mein Musikerinnenleben spannend. Es ist ein bisschen wie beim Dackel-Agility: Da gibt’s Slalomstangen, Tunnel, unerwartete Hindernisse. Ich renne nicht einfach durch, sondern schaue, was sich rechts und links auftut. Und wenn es sich lohnt, verlasse ich die Spur auch mal für einen Moment.

Flashmob? Ja, auch das steckt in mir. Ich liebe es, wenn plötzlich etwas entsteht, das vorher keiner erwartet hat – ein Projekt, eine Zusammenarbeit, ein Blogbeitrag, was so vorher nicht geplant war. Aber im Gegensatz zum echten Flashmob ist bei mir immer ein gewisser roter Faden im Hintergrund da. Sonst würde ich mich selbst verlieren.

Kurz gesagt: Meine Formation wäre eine Mischung aus Ordnung und Freiheit. Sie marschiert im Takt, aber sie tanzt auch zwischendurch. Sie kennt den Weg zum Ziel, aber sie scheut sich nicht, unterwegs mal eine Extrarunde einzulegen. Und das Beste daran: Ich gehe diesen Weg nicht alleine, sondern mit vielen wunderbaren Menschen, Freunden, Musikkolleg:innen, Vereins- und Verbandsverantwortlichen – und manchmal sind es genau ihre Ideen und Impulse, die meine Formation plötzlich in eine ganz neue Richtung führen.

Am Ende kommt dabei kein perfektes Militärbild heraus, sondern etwas Lebendiges: eine Formation, die bewegt, lacht, stolpert, weitermacht – und genau dadurch echt bleibt.”

Herzlichen Dank lieber Mark für die sehr spannenden Fragen!

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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