Herausforderung für Musikvereine: Immer dran bleiben!
An einige Vereinsverantwortliche habe ich die Frage gestellt:
„Wo liegen in Deinem Musikverein zur Zeit die größten Herausforderungen und wie packt Ihr diese an?“
mit der Bitte, diese für die Blasmusikblog-LeserInnen zu beantworten.
Der zweite Beitrag zu diesem Thema kommt heute aus Südtirol. Robert Burger, Obmann der Musikkapelle Niederdorf (Südtirol) hat freundlicherweise diesen Gastbeitrag für den Blasmusikblog.com und Euch alle geschrieben:
Ein Gastbeitrag von Robert Burger, Niederdorf (Südtirol)
“Für eine Dorfkapelle wie es die 1850 gegründete Musikkkapelle Niederdorf ist, gab und gibt es jederzeit Herausforderungen, welche zu meistern sind.
Einmal geht es um die Weiterführung des Vereins. Vieles hat sich im Laufe der Zeit geändert – viele aber vor allem die jungen Leute gehen auswärts ihrer Arbeit nach und sind somit teilweise nicht mehr unter der Woche im Dorf – d.h. bei Proben und Auftritten kann man nicht mehr auf Sie zurück greifen. Dasselbe gilt für die Studenten auf Hochschulen oder Universitäten. Auch auf diese MusikantInnen können wir großteils nur Freitag abend, übers Wochenende oder im Sommer bauen. Vielfach ist es dann auch so, dass Mitglieder nach ihrem Studiumende nicht mehr in unser Dorf zurückkommen und dadurch leider der Kapelle verloren gehen. Und dies vorausgesetzt nach Jahren der intensiven Lehre und Jugendarbeit. Weiters finden Jugendliche über die Sommermonate schwierig Arbeit, außer sie nehmen Jobs im Tourismussektor an, was aber wiederum bedeutet, daß sie kaum bei Proben und Ausrücken der Kapelle mitmachen können.
Deswegen ist es für eine Dorfkapelle ganz wichtig, daß man so breit wie möglich aufgestellt ist – d.h. dass alle Altersschichten und Berufsgruppen vertreten sind. Denn jene Mitglieder, welche die Arbeit im Dorf oder in unmittelbarer Nähe haben, kommen fleißig und regelmäßig und sind somit der Stock bzw. die Leistungsträger im Verein.
Weiters muß man auch relativ flexibel sein, was die Absenzen bzw. die Entschuldigungen anbelangt. Wenn man in verschiedenen Registern mehr Leute zur Verfügung hat, so kann man leichter gewisse Ausfälle verkraften und trotzdem gut musizieren. Deswegen muß man in der Jugendarbeit stets am Ball bleiben und teilweise auch strategisch Instrumente lernen lassen, was aber nicht immer so leicht ist oder gelingt. Wir als Vorstand sind auch bemüht mit den Arbeitgebern von Ferialarbeitsstellen zu reden, dass die jungen Leute bei wichtigen Auftritten frei gestellt werden und dabei sein können.
Auch bei der Jahresplanung müssen all diese Punkte berücksichtigt werden. Das heißt zu versuchen unser Hauptkonzert relativ zeitig im Frühjahr abzuhalten. So kann die Ferienzeit der Studenten im Februar für Teil- und Vollproben gut genutzt werden und anschließend hat man dann noch etwas Zeit sich für die Sommerkonzerte vorzubereiten.
Ansonsten sind im Frühjahr die Wochenenden großteils verplant mit kirchlichen Auftritten. Aufgrund der neuen Regelungen mit den Seelsorgeeinheiten müssen auch die Musikkapellen hier flexibel mitarbeiten – so z.B. finden bei uns in Niederdorf einige Prozessionen teilweise unter der Woche und abends statt.
Nachdem wir als MK Niederdorf in einer touristischen Gegend unsere Tätigkeit ausüben, so machen wir im Sommer fünf bis sechs Konzerte für die Touristen. Für diese Aktivitäten werden wir auch vom örtlichen Tourismusverein finanziell unterstützt. Wenn auch aufwändig, so ist dies für uns eine unverzichtbare Einnahmequelle. Zugegeben, es sind auch tolle Auftrittsmöglichkeiten, so spielen wir eigentlich jedes Konzert vor ca. 300-500 treuen wie begeisterten Zuhöreren.
Um die Stimmung im Verein bei Laune zu halten versuchen wir auch außerhalb unserer musikalischen Tätigkeit Akzente zu setzten: So veranstalten wir jedes Jahr während der Hauptprobenphase anschließend an die Proben ein vereinsinternes Preiswatten*, spielen in der Herbstpause Flugball**, Wettaktionen zur Fussballweltmeisterschaft oder auch Ausflüge, wo vor allem auch Platz für Unterhaltung und Kameradschaft bleibt.
Immer unter dem Motto (Blas)Musik macht Freu(n)de !
Schon einige Male organisierten wir im Herbst nach der Saison einen ungezwungen Stammtisch, wo jeder freiwillig kommen kann und wo man fernab von Tagesordnung Probleme, Vorschläge oder Verbesserungen anreden bzw. aussprechen kann.
Um sich musikalisch zu verbessern organisieren wir jedes Jahr ein Probenwochenende mit renomierten Gastdirigenten und halten Marschierproben mit externer Betreuung ab oder stellen uns in unregelmäßigen Abständen immer wieder auch Wertungspielen um uns von Fachleuten bewerten aber vor allem beraten zu lassen.
Um die Jugend im Verein gut zu integrieren haben wir eine eigene Jugendkapelle mit einem eigenen jungen ausgebildeten Kapellmeister und dazu einen Jugendauschuß mit einem Obmann, welcher die Funktionärsausbildung bereits absolviert hat, welche autonom ihre Aktivitäten planen und ausführen. So z.B. am Heiligen Abend das traditionelle Weihnachtskonzert unter dem Christbaum am Hauptplatz, wo wir der Jugendkapelle die Einnahmen überlassen zu ihrer freien Verplanung. Auch machen wir im Sommer jeweils ein Gemeinschaftskonzert zwischen der Musikkapelle und der Jugendkapelle. Dies bringt jung und alt schon einmal zusammen und ganz wichtig, die Eltern kommen zu diesen Veranstaltungen und somit entsteht eine engere Bindung zwischen Verein und Elternhaus, welche vielfach auch in Unterstützung übergeht.
Um die vielen Ausrückungen und Proben nicht als Last zu sehen, versuchen wir es auch dorthin zu vermitteln, dass eine Mitgliedschaft in einem Traditionsverein auch eine Ehre darstellt und Anerkennung bzw. Wertschätzung im Dorf und darüber hinaus bringt.
Man sollte versuchen immer innovativ zu bleiben mit neuen Veranstaltungsformen, Konzerte wie „Traditional goes Pop“, Sommerkonzerte nicht nur am Wochenende, sondern auch unter der Woche, Austauschkonzerte mit befreundeten Kapellen, passende Literatur für alt und jung (Tradition, zeitgemäß oder modern) und man muß die Mitglieder versuchen soviel wie möglich einzubinden und die Verantwortung auf viele Schultern aufzuteilen. So haben wir bei uns im Verein gewisse Veranstaltungen oder Aufgaben total vom Vorstand ausgegliedert und laufen so in der Organisation autonom (z.B. Trachtenwart, Getränkewart, Reinigung Probelokal und Musikpavillon, Verleih und Aufbau eigene Festhütte, Veranstaltungen wie Musik & Kulinarium oder Dorfkuchl***).
Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den einheimischen Vereinen und den örtlichen Körperschaften. Aufgrund dieser guten Kontakte und einem guten Zusammenhalt kann man sich bei Veranstaltungen gegenseitig aushelfen und wenn man gute und zukunftsorientierte Vereinsarbeit leistet, so haben auch die öffentlichen Körperschaften, Banken und private Sponsoren immer ein offenes Ohr für anstehende Investitionen.
Nachdem die Zukunft der Jugend gehört muss man auch auf gute Ausbildung und Weiterbildung Wert legen. Dazu gehört der Kontakt zu den Musikschulen mit ihren Lehrkräften und dass man vereinsintern ausgebildete MusikantInnen motiviert mit der Jugend professionel zusätzlich zu arbeiten. Auch organisatorisch muss man die jungen Leute behutsam auf- und einbauen bevor man Ihnen dann die große Verantwortung übergibt. Zu frühe Übergabe von Verantwortung und größerer Arbeiten birgt die Gefahr, dass motiviert gewesene Leute nach kurzer Zeit verbrannt alles hinschmeissen und schlimmstenfall dadurch auch den Verein frustriert verlassen.
Deswegen ganz wichtig die Aufgaben im Verein ganz breit zu schultern, Verantwortung ver- und aufteilen, denn Musikkapelle sind alle – nicht nur der Obmann, der Kapellmeister oder der Vorstand. Wenn einen diese wichtigen Ziele gelingen umzusetzen, dann braucht einem vor der Zukunft nicht bange zu sein!”
Robert Burger – Obmann Musikkapelle Niederdorf (Südtirol)
*Preiswatten: Watten ist ein typisch Südtiroler Kartenspiel, das zu 4 (2 gegen 2) gespielt wird. Nach den Frühjahrsproben veranstalten wir ein kleines vereinsinternes Turnier, wo jede Mannschaft gegen jede spielt und zum Schluss nach Siegpunkte gewertet wird.
**Flugball = Volleyball
***Dorfkuchl: zu Deutsch = Dorfküche … ein Straßenfest, bei dem an 3 Terminen im Hochsommer im Dorfzentrum Vereine an verschiedenen Ständen kulinarische Spezialitäten anbieten … und auch für Musik ist gesorgt
Ein herzliches Dankeschön an Robert Burger für den Beitrag! Und auch an Stephan Niederegger für den Kontakt und die Erklärungen!
Hier nochmals der Aufruf an alle Vorstände bzw. Vorstandschaftsmitglieder die Frage zu beantworten: „Wo liegen in Deinem Musikverein zur Zeit die größten Herausforderungen und wie packt Ihr diese an?“ Gerne per Mail an mich: alexandra@kulturservice.link.
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