36 Erkenntnisse erfahrener Dirigent:innen: Was ich als Anfänger gerne gewusst hätte – Teil 3
Erfahrungen, Tipps und wertvolle Ratschläge für junge Dirigent:innen von Sigisbert Mutschlechner, Andrea Kürten und Klaus Wachter
Nenne 3 Dinge, die Du als Anfänger im Dirigieren eines Blasorchesters bzw. eines Musikvereines gerne gewusst hättest,war die Aufgabe, die ich 12 verschiedenen Dirigent:innen aus Deutschland, der Schweiz und Südtirol gestellt habe. Im Hinterkopf hatte ich dabei, die Erfahrungen, die diese Dirigent:innen in ihrer Anfangszeit gemacht haben, können den jungen Dirigentinnen und Dirigenten, die noch am Anfang stehen, gerade erst ihre Dirigenten-Kurse absolviert haben und/oder gerade begonnen haben einen Musikverein zu dirigieren, nützlich sein.
Die Aufgabenstellung war etwas schwierig, deshalb habe ich sie wie folgt ergänzt: Bei der Fragestellung geht es darum, welche Fehler man beispielsweise gemacht hat, welche Erwartungen man hatte die nicht eingetroffen sind, welche Schwierigkeiten, mit denen man nicht gerechnet hat, usw…
Daraufhin habe ich 12 wirklich hervorragende Beiträge mit jeweils drei Dingen von den erfahrenen Dirigentinnen und Dirigenten erhalten, die alles beinhalten, was Anfänger tatsächlich wissen, lernen und beachten müssen. Mehr noch: Diejenigen, die Dirigierkurse und Dirigier-Workshops konzipieren erhalten jede Menge Informationen darüber, was in der Aus- und Fortbildung dringend fehlt – der Aus- und Fortbildungs-Wille der Dirigentinnen und Dirigenten vorausgesetzt…
Diese 12 Beiträge sind teilweise sehr lang und informationsreich, deshalb habe ich sie in vier Blasmusikblog-Beiträge nach Namensalphabet eingeteilt:
Teil 1: Andreas Büchel, Katarzyna Bolardt, René Esser
Teil 2: Isabel Gonzales Villar, Klaus Gottschall, Evelyn Kessel,
Teil 3: Sigisbert Mutschlechner, Andrea Kürten, Klaus Wachter
Teil 4: Karin Wäfler, Philipp Zink, Tobias Zinser
Sigisbert Mutschlechner
Lehrer für Kapellmeisterausbildung und Schlagwerk an der Musikschule Bruneck, Präsident der Stiftung Euregio Kulturzentrum Gustav Mahler Toblach Dolomiten, Kapellmeister der Musikkapelle Toblach.
Folgenden 3 Punkten wären mir als junger Dirigent wichtig gewesen:
Kontinuierliche Probenbegleitung – Probengestaltung ( Coaching)
In meiner Ausbildung im Fach Blasorchesterleitung am Konservatorium in Innsbruck hat es zwar den wöchentlichen Unterricht gegeben, doch selten ging man zu einer Musikkapelle. Die Lehrprobe ist in meinen Augen eines der wichtigsten Unterrichtsmethoden, um junge Kapellmeister und Kapellmeisterinnen auf die ihre Tätigkeit vorzubereiten. Dabei wäre es mir auch um eine regelmäßige Begleitung und Aufarbeitung derselben gegangen. Aus diesem Grund war es mir in meiner Unterrichtstätigkeit immer wichtig, die Schülerinnen und Schüler zu Lehrproben zu begleiten. Diese gut vorzubereiten und in Nachbesprechungen aufzuarbeiten.
Deshalb wäre mir ein Coaching in den Anfängen meiner Kapellmeistertätigkeit sehr wichtig gewesen.
Menschen- und Vereinsführung
Vieles kann man in der Ausbildung zum Kapellmeister erlernen. Doch eines ist in meinen Augen besonders wichtig und wäre mir damals wichtig gewesen, dass man vermehrt auf die Pädagogik und die Menschenführung geachtet hätte. Auch die notwendigen Hilfestellungen, wie man in Konfliktsituationen im Verein umgeht. Vieles habe ich mir selbst angeeignet durch selbst gemachte Erfahrungen und durch ein gutes Miteinander mit dem Vorstand.
Damals wie heute kommt es darauf an, wie sehr ich mich als Kapellmeister auf die menschlichen Bedürfnisse einlasse und Verständnis habe.
Programmgestaltung
Vor 25 Jahren war die Suche nach der geeigneten Literatur viel aufwendiger als sie es heute ist. Es hat die Suche im Internet noch gar nicht gegeben und so hatte man nur schwer Zugang zu neuer Literatur. Es waren zwar die Noten im Archiv, aber neue Literatur hat man nur durch Besuche von Konzerten oder auf Fortbildungen kennengelernt. Hierbei hätte ich mir eine Begleitung gewünscht, welche geeignete Empfehlungen für meine Musikkapellen hätte geben können.
Als ich als 19-jähriger meine erste Musikkapelle übernommen habe, bin ich mit vielen Aspekten konfrontiert worden, die ich mir nie im Leben gedacht hätte. Aus diesem Grund sind diese 3 Punkte für mich wichtig.
Andrea Kürten
Dirigentin des Musikvereins Lauf an der Pegnitz, sowie dem Nachwuchsorchester. Bezirksdirigentin in Mittelfranken/NBMB. Leiterin der Juniorbläserwoche sowie Organisatorin und Dirigentin des Bezirksorchesters.
Zum Round up, ich hätte gerne vorher gewusst…..
Dirigentenhonorar
Wie werden Dirigenten honoriert, was ist die Arbeit wert und wieviel muss ich als Honorar veranschlagen, damit es nachhaltig für mich ist. Viele Jahre habe ich zuwenig verlangt und irgendwann abwägen müssen, ob ich diese Arbeit überhaupt machen kann und davon leben kann. Dazu habe ich keine Infos im Studium bekommen, die Kollegen waren alle verschwiegen und die Vereine sind teilweise nicht darauf eingestellt, dass wir professionell arbeiten und dementsprechend so unser Einkommen sichern.
Orchesterpsychologie
Ich hätte gerne mehr über die Psychologie eines Orchesters gewusst, wo sind Fettnäpfchen, was ist guter Kontakt bzw. professionelle Distanz. Wo muss ich helfen, bzw. wann ist es besser zurückhaltend zu sein.
Als junge Studentin, als Anfängerin, habe ich Fehler gemacht, die man leicht vermeiden kann.
Probenpädagogik
Ein wichtiger Punkt ist die Probenpädagogik. Da habe ich lange im Trüben gefischt und quasi nur auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen. Da wäre ich gerne besser geschult gewesen.
Viel lernt man mit der Erfahrung, manches wäre besser vorher zu lernen und dann anwenden zu können.
Klaus Wachter
Dirigent des Musikvereins Haisterkirch, stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender und Geschäftsführer des KreisverbandsJUGENDblasorchesters.
Instrumentenkunde
Ein Aspekt, der mich bis heute beschäftigt, ist die Instrumentenkunde. Ich finde es nach wie vor extrem wichtig, dass man über die Eigenschaften und Besonderheiten der einzelnen Instrumente Bescheid weiß und gegebenenfalls Tipps geben kann. Hier zählen beispielsweise Aspekte wie das Abdecken auf der Klarinette und wie sich dies auf die Intonation auswirkt. Umgekehrt gilt das natürlich auch für Blechbläser: Warum besitzt ein Tenorhorn oder eine Tuba ein 4. Ventil oder warumm sollten die Trompeter beim d‘ ihre Ventilzüge ausziehen? Welche Funktion hat eine Becherklappe bei der Klarinette, usw.? Oder der Umstand, dass es im Schlagwerk auch eine Klangbalance geben kann, stößt immer wieder auf Verwunderung und muss erläutert werden. Ich finde solche Dinge, die die Instrumentenkunde betreffen, kommen (auch in der Dirigentenausbildung) häufig zu kurz.
Fehlendes Coaching
Ein weiterer Aspekt, der mir als Anfänger häufig zu kurz gekommen ist: Sind die Dinge, die ich erkläre oder anzeige, verständlich? Worauf ich hinaus möchte: Ein grundlegendes Coaching fehlt vielen unserer Dirigenten. Gerade für die Anfänger ist es wichtig, regelmäßiges Feedback zu erhalten. Ein begleitendes Coaching halte ich dabei für einen geeigneten Weg.
Jahresstruktur des Musikvereins
Ein dritter Aspekt, der mir am Anfang gefehlt hat: Was ist im Jahresablauf eines Dirigenten bzw. einer Musikkapelle alles zu beachten? Wie bereite ich eine Fronleichnamsprozession vor oder wie gestalte ich die musikalische Umrahmung eines Gottesdienstes? Ich bin der Meinung, dass sich unsere Dirigentenausbildung hauptsächlich auf die „Konzertvorbereitung“ konzentriert. Dass dies aber nur ein Teil des ganzen Jahres ist, wird häufig vernachlässigt. Dazu gehört beispielsweise auch die Marschmusik oder die Unterhaltungsmusik.
Die vier Teile dieser Round-Up-Serie zum Thema „Was ich als Anfänger gerne gewusst hätte“ im Überblick:
Teil 1: Andreas Büchel, Katarzyna Bolardt, René Esser
Teil 2: Isabel Gonzales Villar, Klaus Gottschall, Evelyn Kessel
Teil 3: Sigisbert Mutschlechner, Andrea Kürten, Klaus Wachter
Teil 4: Karin Wäfler, Philipp Zink, Tobias Zinser