Die Triangel Dirigent – Musiker – Publikum Teil 2
Gedanken zum Thema von Sandro Blank
Vor einiger Zeit habe ich insgesamt sieben Dirigent:innen die Frage gestellt: “Wie vereinbart man seine eigenen Vorstellungen als Dirigent:in und Künstler:in mit der Erwartungshaltung von Musiker:innen und Publikum?” Die Antworten sind so interessant, dass ich mich entschlossen habe, sie jeweils separat in einem Blog-Beitrag zu veröffentlichen. Den Anfang machte Alexander Beer (DE). Heute lesen wir die Antworten von Sandro Blank (CH). Demnächst folgen die Antworten von Annette Burkhardt (DE), Stefan Kiefer (DE), Michael Kummer (DE), Dietmar Rainer (IT, Südtirol) und Meinhard Windisch (IT, Südtirol).
Sandro Blank ist künstlerischer Leiter der Feldmusik Sarnen und der Stadtmusik Zug, musikalischer Leiter des Jugendblasorchesters der Musikschule Baar, des Jugendblasorchesters Luzern. Er arbeitet als Dozent für Dirigieren beim Luzerner Kantonalen Musikverband und amtet als Vorstandsmitglied (Schweizer Sektion) der WASBE. Als Gastdirigent ist Sandro Blank in der Schweiz und international tätig.
Die Antwort von Sandro Blank zur Frage:
“Wie vereinbart man seine eigenen Vorstellungen als Dirigent:in und Künstler:in mit der Erwartungshaltung von Musiker:innen und Publikum?”
Das Dreieck Dirigent:in – Ensemble – Publikum ist mitunter das spannendste sowie das am wichtigsten zu bespielende Feld eines jeden Orchesterleiters, einer jeden Orchesterleiterin. Dies in Bezug auf verschiedene Parameter. Alle haben ihre, teils starken, Ansprüche. Die allererste Frage, die ich mir als Dirigent vor einem Projekt, aber vor allem auch vor längerfristig, möglichen Anstellungen stelle ist: «Decken sich meine Erwartungshaltungen mit denjenigen des Ensembles, sowie des Publikums oder sind diese offen genug, sich meinen anzupassen oder sich in deren Richtung zu verändern». Ist dies nicht der Fall, lasse ich es schon an diesem Punkt lieber bleiben. Lassen sie mich dies anhand eines Beispiels veranschaulichen. Ich bin ein Vertreter sinfonischer Blasmusik oder sogenannten E-Musik. Ich werde mich nie für ein Orchester bewerben, welches sich allem voran der unterhaltenden Blasmusik widmen möchte. Dies würde mir, aber vor allem dem Orchester nicht gerecht. Sei hierbei immer ehrlich zu dir selbst. Bist du der oder die Richtige für diesen Job?
Die Diskussion wird dann spannend, wenn es darum geht an einem Platz, an dem ich mich wohl fühle, meine Vorstellungen durchzusetzen. Durch Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit und pädagogischem Geschick. Immerzu geht es darum, sein Gegenüber zu überzeugen! Sprechen wir über Repertoire und beleuchten wir hierbei die Rolle des Publikums. Das Publikum hat seine Erwartungshaltung. Es hat seine Komfortzone und seine Grenzen. Diese Grenzen dann und wann zu verschieben, erachte ich als Herausforderung aber gleichzeitig auch als sehr schöne Aufgabe. Dieser fast schon etwas erzieherische Ansatz bereitet mir immer wieder grosse Freude. Werke, welche neu für die Ohren meines Publikums sind, es zuweilen auch überfordert, so geschickt zu platzieren, dass sie diesen offen und neugierig begegnen, erfordert Mut und bisweilen auch etwas Geschick. Der ganze Aufbau eines Konzertabends muss stimmen. Was biete ich den Zuhörerinnen und Zuhörern neben diesem Werk an. Sie brauchen genug «Komfortzone» neben dem Neuen. Was ich darüber hinaus immer mehr mache sind Konzerteinführungen. Ich mache grossartige Erfahrungen mit diesem Tool. Es gelingt mir dadurch sehr gut, mein Publikum sorgfältig auf das, was kommen wird, optimal vorzubereiten. Man schärft ihre Sinne und macht sie somit viel empfänglicher für Unbekanntes.
Da ich Stillstand fast immer als Rückschritt bezeichnen würde und ich alle meine Ensembles stets weiterentwickeln möchte, versuche ich permanent meine Vorstellungen, meine Überzeugungen, meine Ansichten in meinen Orchestern fest zu verankern. Dies braucht Energie, Überzeugungswillen und sehr viel Leidenschaft. Sein Gegenüber zweifelt dann und wann an gewissen Vorstellungen, Visionen oder «Massnahmen» meinerseits. Ich spreche hier tatsächlich von teilweise gravierenden Veränderungen im gegenseitigen Miteinander. Gelingt es mir jedoch, alle auf diesen Weg zu bringen, kann eine unglaublich starke, positive Dynamik entstehen. Es ist meine Aufgabe als Orchesterleiter, für diese Vorstellungen, diese Grundsätze ein- zustehen. Es geht dabei keineswegs um mich. Es geht immer um die Musik! Die Musik hat immer und in jedem Fall unsere uneingeschränkte Hingabe und Ernsthaftigkeit verdient. Dies ist meine tiefe Überzeugung. Hierbei ist es unabdingbar, dass mein Orchestervorstand vollkommen hinter diesen Ideen steht, von Beginn an klar ist, was man von mir bekommt und was nicht und was dies für das Ensemble bedeutet. Ich habe dann und wann leider auch schon das Gegenteil erlebt.
Wie sie also aus meinen Ausführungen herauslesen können, halte ich mich nicht lange mit Differenzen bezüglich Vorstellung und Erwartungshaltung auf. Ich versuche diese vielmehr stets aus dem Weg zu schaffen. Mit Leidenschaft, Überzeugungskraft und vor allem viel Arbeit. Arbeit die sich immer lohnen wird.
Sandro Blank
Ein herzliches Dankeschön an Sandro Blank für seine Antwort auf die Frage “Wie vereinbart man seine eigenen Vorstellungen als Dirigent:in und Künstler:in mit der Erwartungshaltung von Musiker:innen und Publikum?”
Hier die Links zu allen Dirigenten-Statements zum Thema “Wie vereinbart man seine eigenen Vorstellungen als Dirigent:in und Künstler:in mit der Erwartungshaltung von Musiker:innen und Publikum?”
Teil 1 Alexander Beer
Teil 2 Sandro Blank
Teil 3 Annette Burkhardt
Teil 4 Stefan Kiefer
Teil 5 Michael Kummer
Teil 6 Dietmar Rainer
Teil 7 Meinhard Windisch