Donnerstag, November 21, 2024
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Komponisten im Gespräch: Georges Sadeler

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Auf das Werk Schola Vitae des Luxemburger Komponisten Georges Sadeler (*1988) werden sich im Jahr 2025 einige deutsche Blasorchester näher einlassen. Es ist eines von zwei Pflichtstücken in der dritten Kategorie des Konzertwettbewerbs beim Deutschen Musikfest in Ulm/Neu-Ulm 2025. Lernt den Komponisten in diesem Interview etwas besser kennen.

Wie alt warst Du, als Du Deine ersten Versuche im Arrangieren bzw. Komponieren gestartet hast, welches waren Deine allerersten Werke bzw. Komponierversuche und wie bist Du überhaupt zum Komponieren gekommen?

Georges Sadeler: “Meine wirklich allerersten Versuche, eigene Melodien und Begleitungen auf Papier zu notieren waren so im Alter von 12-13 Jahren. Dies waren aber meist nur kurze 2-stimmige Lieder, die ich probierte am Klavier zu spielen. Ein paar Jahre später wurden meine Versuche dann komplexer da ich die Notationssoftware (damals Notensatzgenie und Encore, später Sibelius) von meinem Vater benutzen konnte. Dies half mir damals und heute noch sehr viel, da ich kein gelernter Pianist bin. Die ersten einigermaßen gelungenen Werke dieser Zeit waren meist traditionelle Märsche. Zufrieden war ich aber nie damit, da es oft Zufallsprodukte waren.
Mein Interesse am Arrangieren wurde durch meinen Vater erweckt, der öfters Arrangements für die heimische Blaskapelle geschrieben hat. Später kam dann dass Interesse an der Komposition dazu durch meinen langjährigen Saxophonlehrer Marco Pütz der mich immer wieder mit seinen neuen Kompositionen in Kontakt gebracht hat.”

Wie gehst Du an eine neue Komposition heran? Was inspiriert Dich? Wie findest Du den Anfang und die entsprechenden Motive und Themen?

Georges Sadeler: “Meistens fängt meine Kompositionsarbeit mit Recherche und Skizzen auf einem großen DIN-A3 Notenblatt an. Für mich muss Instrumentation, Schwierigkeitsgrad, Länge, geschichtlicher Hintergrund und Tonsprache zuerst auf diesem Blatt gesammelt werden ehe die eigentliche Komposition anfängt. Die Inspiration kommt dann meistens unerwartet, wird aber auch manchmal „erzwungen“, indem ich am Klavier oder Saxophon nach Motiven und Melodien suche. Ruhe oder Spaziergänge helfen mir auch oft bei der Inspiration.”

Hast Du Vorbilder und wenn ja, warum sind dies Deine Vorbilder? Wie beeinflussen diese Vorbilder Dein musikalisches Schaffen? Welches Werk / welche Werke der Musikgeschichte halten Sie für besonders gelungen und warum?

Georges Sadeler: “Konkrete Vorbilder habe ich keine. Es gibt jedoch viele einzelne Personen, musikalisch und außermusikalisch, die ich für ganz unterschiedliche Dinge respektiere und die mich inspirieren. Es ist aber zu schwierig all diese Personen aufzuzählen, da ich sicher einige vergessen würde.
Bei Werken geht es mir ähnlich, es gibt für mich nicht DAS Werk was ich besonders gelungen finde. Es gibt so viele verschiedene Musikarten, Musikrichtungen, Musikepochen, Interpretationen und Besetzungen, dass ich das niemals auf ein paar Werke reduzieren könnte.”

Was ist Dir beim Schreiben einer Komposition besonders wichtig?

Georges Sadeler: “Wichtig ist mir, dass ich hinter der Komposition stehe, sie mir gefällt und dass sie für die Musiker auch spielbar und interessant ist. Im Falle einer Auftragskomposition natürlich auch dass der Auftraggeber zufrieden ist.”

Warum schreibst Du Kompositionen für Blasorchester? Was sind für Dich die großen Unterschiede beim Schreiben einer Komposition für Blasorchester im Gegensatz zu anderen Ensemblearten?

Georges Sadeler: “Ich bin in der Blasmusikszene groß geworden und fühle mich hier einfach am wohlsten. Bei Blasorchestern schätze ich sehr, dass sie ständig auf der Suche nach neuen Kompositionen sind. Ein großer Unterschied zu anderen Ensemblearten, sei das Kammermusik, Brass Band oder Symphonieorchester, ist, dass man nie genau weiß wie die Besetzung sein wird. Denn die stetig verschiedene Anzahl von Musikern in den einzelnen Registern sowie die verschiedenen Instrumente (Euphonium, Tenorhörner, Flügelhörner, Kornetts usw.) die je nach Regionen variieren, sind für mich ein großer aber interessanter Schwierigkeitsfaktor beim Schreiben.”

Welchen Stellenwert hat die Blasmusik in Deinem Leben?

Georges Sadeler: “Neben meiner Familie hat die Blasmusik sicher den größten Stellenwert in meinem Leben. Sie hat meine Kindheit und Jugend stark beeinflusst und ist jetzt auch noch ein großer Teil meines Lebens und meiner Karriere als Komponist und Saxophonist im Luxemburger Militärorchester.”

Auftragskompositionen bringen Einschränkungen im Schwierigkeitsgrad, in der Besetzung und in der Länge mit sich. Wie gehst Du damit um? Wie wirst Du dem Auftraggeber gerecht und bleibst doch Du selbst in der Komposition?

Georges Sadeler: “Als Komponist mag ich Einschränkungen denn die Vorstellung dass ich schreiben kann was ich will würde mir fast zu viele Optionen geben. Ich bin immer ganz dankbar, Schwierigkeit, Besetzung und Länge vorgegeben zu bekommen. Das ist dann mein Auftrag, an den ich mich halte. Meistens will ich dann auch noch die Stilrichtung abklären, da ich selbst sehr stilübergreifend schreibe.
Ohne das Gefühl mir selbst treu bleiben zu können, würde ich einen Auftrag gar nicht annehmen. Mein großes Interesse an verschiedenen Musikrichtungen ist natürlich von Vorteil da ich mich mit sehr vielen Stilen identifizieren kann.”

Welches Deiner Werke hat für Dich persönlich die größte Bedeutung und warum?

Georges Sadeler: “Da muss ich zwei Werke hervorheben:
Double Concerto for Soprano Saxophone and Euphonium
Dieses Werk habe ich unter anderem für mein Abschlussexamen im Kompositionsunterricht geschrieben und mit dem Luxemburger Militärorchester, Marc Mollitor am Euphonium und mir selbst am Sopran Saxophon uraufgeführt. Es definiert meine bevorzugte Kompositionsstilrichtung bis jetzt am meisten. Leider ist es bis jetzt nur bei der Uraufführung geblieben aber ich habe Hoffnung dass es noch das eine oder andere mal gespielt wird.

The old Fortress of Luxembourg – LUCILINBURHUC
Dieses Werk durfte ich für die offizielle Eröffnungszeremonie vom Luxemburger Nationalfeiertag schreiben und ist original für großes Symphonieorchester mit gemischtem Chor und Knabenchor geschrieben. Die Uraufführung wurde live im Luxemburger Fernsehen ausgestrahlt und ist wahrscheinlich einer meiner Werke das mich emotional am meisten berührt. Hier gibt es auch eine Blasorchesterbearbeitung (mit optionalem Chor) die bei Symphonic Dimensions Publishing verlegt ist.”

Welches war Dein erstes erfolgreiches Werk? Welche Deiner Werke sind bisher am erfolgreichsten und wie erklärst Du Dir deren Erfolg?

Georges Sadeler: “Das war ganz klar mein Konzertmarsch Dolomiti mit dem ich meinen ersten internationalen Kompositionswettbewerb gewonnen habe und somit bei Scomegna Music verlegt wurde. Dadurch bekam ich sehr viel Aufmerksamkeit und eine größere Sichtbarkeit in der Blasmusikszene, sowohl national als auch international.
Hymn of Hope ist auch sehr erfolgreich da es ein sehr gut spielbares, ruhiges und emotionales Werk ist das sowohl in ein klassisches Konzertprogramm passt als auch zum Beispiel in ein Kirchenprogramm.
Dann ist für mich mein noch relativ neues Werk Schola Vitae auch ein Erfolg da es unter anderem als Pflichtstück für das Deutsche Musikfest 2025 in Ulm in der Kategorie 4 des Blasorchester Konzertwettbewerbs ausgewählt wurde.”

Über welches Thema würdest Du nie eine Komposition schreiben wollen und warum nicht?

Georges Sadeler: “Kann ich nicht genau sagen, ich fühl mich zu jung um jetzt schon irgendwas in meinem Leben ausschließen zu wollen.”

Komponieren versus Arrangieren: wo liegen in der Tätigkeit die Gemeinsamkeiten und wo die größten Unterschiede? In welchem Bereich liegen Deine Vorlieben?

Georges Sadeler: “Arrangieren ist ein vager Begriff, es wird oft mit Bearbeitung oder Instrumentation verwechselt. Richtig Arrangieren, sprich ein bestehendes Werk oder Werke in irgendeiner Art und Weise neu zu „erfinden“ und/oder zusammenzuführen, hat schon einige Elemente des Komponierens in sich. Doch beim Arrangieren hat man schon eine solide Basis von Melodie, Harmonie und gegebenenfalls auch Instrumentation konträr zur Komposition wo man normalerweise mit einem unbeschriebenen Blatt anfängt.
Ich persönlich bevorzuge das Komponieren, doch kann ich von Arrangements sehr viel lernen, da es oft fast eine Partitur-Lehre ist, in der man bestehende Musik analysiert und bearbeitet.”

Außerhalb Deiner Kompositionen: welchen musikalischen und welchen außermusikalischen Tätigkeiten gehst oder gingst Du in Deinem Berufsleben nach? Und außerhalb der Musik: wie gestaltest Du am liebsten Deine Freizeit?

Georges Sadeler: “Hauptberuflich bin ich Saxophonist des Luxemburger Militärorchesters und spiele noch nebenbei in einigen Bands (Von Bigband über volkstümliche Musik bis hin zu Hiphop). Dazu habe ich 10 Jahre Saxophon unterrichtet und 11 Jahre ein Amateur-Blasorchester dirigiert. Beides habe ich sozusagen aufgegeben um mich noch mehr der Komposition zu widmen, obwohl mich Dirigieren immer noch reizt und mir fehlt.
Außermusikalisch bleibt leider nicht so viel Zeit übrig, die ich gerne Familie, Freunden und ein bisschen Badminton widme.”

Was macht Dich in Deinem Leben besonders glücklich und zufrieden?

Georges Sadeler: “Im Grunde alles was ich mache, macht mich glücklich, und das versuche ich jeden Tag zu schätzen denn das ist nicht selbstverständlich. Ich verdiene mein Brot mit Musik jeder Art, sei es Komponieren oder Musizieren, habe eine liebevolle Familie, gute Freunde und bin gesund.”

Was liebst Du an der Blasorchesterszene und was würdest Du gerne verändern, wenn Du für einen Tag das Sagen hättest? Wie siehst Du die Zukunft der Blasorchester und Musikvereine?

Georges Sadeler: “Die Blasorchesterszene gibt die Möglichkeit, dass neue Werke und neue Komponisten eine Chance bekommen und aufgeführt werden.
Ich wünsche mir dass die Blasorchesterszene noch einen größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft und auch in der Musikszene bekommt. Denn Blasmusik steht für Vereinsleben mit Menschen jeden Alters und das gibt es heutzutage nicht mehr so oft. Viele wichtige Werte werden einem im Verein für das spätere Leben mit auf den Weg gegeben.
Die Zukunft sieht nicht in allen Regionen gleich gut aus. Leider möchten viele Musikanten sich nicht mehr an einen Verein binden und nur noch „projektweise“ arbeiten. Dann fehlen oft noch finanzielle Mittel um Noten, Instrumente und Dirigenten zu bezahlen. Aber all dies ist wie gesagt regional sehr unterschiedlich. Ich beobachte aber auch, dass es viele Vereine gibt die sehr innovativ sind und damit auch belohnt werden.”

„Denn wenn es Kunst ist, ist sie nicht für alle, und wenn sie für alle ist, ist sie keine Kunst“: Wie stehst Du zu diesem Zitat von Arnold Schönberg?

Georges Sadeler: “Kann ich gar nicht so unterschreiben! Es ist auch zum Beispiel eine Kunst ein Werk zu schreiben das für alle ist, oder vielleicht sogar unmöglich. Kunst darf kein Privileg sein und muss zugänglich für jeden sein. Jeder versteht was anderes unter Kunst und das ist auch wichtig so.”

Vor welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen stehst Du momentan als junger Komponist?

Georges Sadeler: “Eine Schwierigkeit bleibt jedes Mal ein neues, gutes und innovatives Werk zu schreiben, das sich von anderen Werken abhebt. Verlags-technisch bin ich mittlerweile gut aufgestellt, Aufträge kommen und meine Werke verbreiten sich immer mehr. Doch das war nicht immer so, am Anfang ist der Weg steinig. Man muss Vertrauen bei den Dirigenten gewinnen, Verlage anschreiben und seine eigenen Werke promoten. Doch mit viel Fleiß und Arbeit wird es sich lohnen.
Natürlich habe ich das Glück, dass ich nicht allein von der Komposition leben muss, denn dann würden noch eine Menge Herausforderungen dazu kommen.”

Was wünscht Du Dir als junger Komponist von den Dirigent:innen und Blasorchestern einerseits und von den Verlagen und Noten-Vertrieben andererseits?

Georges Sadeler: “Mut zu neuen Werken und neuen Komponisten, insbesondere zeitgenössische Musik. Obwohl in der Blasmusik sehr viele neue Werke gespielt werden (im Gegensatz zu Symphonieorchester) fehlt mir noch der Mut zu sogenannten „No-Name“-Komponisten. Es kursieren so viele gute und neue Werke im Internet die leider nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekommen.
Das gleiche gilt für die Verlage: mehr Mut für Neues. Man kann die wirtschaftliche Komponente nicht ganz außen vorlassen, doch ohne Mut können keine neuen Namen in der Szene Fuß fassen.”

Welche Rolle könnten Blasmusikverbände in der Unterstützung von jungen Komponisten spielen?

Georges Sadeler: “Aufträge vergeben, Kompositionswettbewerbe organisieren, Partituren von jungen Komponisten kaufen und an die Vereine verteilen, Berichte über die Komponisten… ich denke da gibt es einiges das man tun könnte.”

Warum, denkst Du, können sich gerade Deine Werke am Markt durchsetzen? Was zeichnet Deine Werke aus?

Georges Sadeler: “Das ist eine sehr gute Frage die ich selbst nicht wirklich beantworten kann. Ich denke dass meine Werke oft für alle Register interessant zu spielen sind, dass ich vorteilhaft orchestriere und dass ich oft eine gesunde Mischung zwischen traditioneller und neuer Musik erschaffe.”

Wie schätzt Du die Zukunft für gedruckte Blasorchesternoten ein? Welche Chancen und welche Risiken birgt die zunehmende Digitalisierung?

Georges Sadeler: “Sehr schwierige Frage… Ich bin eher Befürworter von gedruckten Noten obwohl ich auch die Digitalisierung unterstütze. Leider kann man das Kopieren und Weiterverbreiten vom Notenmaterial bei beiden Möglichkeiten nicht verhindern. Doch sehe ich keine wirklichen Chancen oder Risiken.”

Eine Auswahl der bisher veröffentlichten Werke für Blasorchester von Georges Sadeler:

Schola Vitae Grad 4 | 8:00
Hymn of Hope Grad 3 | 4:25
Dolomiti – Concert March Grad 3,5 | 4:25
Sun of Liberty
Fantastic Creatures Grad 2,5 | 6:50
Fragments Grad 6 | 8:30
Golden Hour Grad 3,5 | 7:30
The Spirit of Winnipeg Grad 5 | 14:15
Creepyville Grad 2,5 | 5:45

Georges Sadeler
Georges Sadeler

Vita Georges Sadeler

Georges Sadeler (*1988) begann seine musikalische Laufbahn im Alter von 8 Jahren am Konservatorium der Stadt Luxemburg und schloss sein Saxophon- und Kammermusikstudium in der Klasse von Marco Pütz im Jahr 2007 ab. Neben seiner Haupttätigkeit in dem Militärblasorchester Luxemburgs ist er als Komponist und Arrangeur tätig.

Bereits in jungen Jahren wurde Georges Sadelers Interesse am Komponieren und Arrangieren von seinem Vater und später von seinen beiden Lehrern Marco Pütz und Claude Lenners, beide Dozenten am Konservatorium von Luxemburg, geweckt.

Seine ersten Schritte im Bereich Arrangement und Aufträge für verschiedene Marching- und Blasorchester markierten die Entstehung seines eigenen Stils, der ihn dazu brachte, die weitreichenden Möglichkeiten sowohl der zeitgenössischen als auch der klassischen Musik zu erkunden. Er ist sehr daran interessiert, neue Klangfarben und Techniken für verschiedene Besetzungen zu entwickeln.

2017 gewann er den Ersten Preis des 4. Internationalen Kompositionswettbewerbs “Artistes en Herbe” Luxemburg 2017 in der Sektion “Senior” und 2021 den Ersten Preis des 6. Internationalen Kompositionswettbewerbs für Märsche “Citta di Allumiere” in der Kategorie A “Concertmarch” und den Ersten Preis des “1st International Contest of Original Compositions for Youth Bands “Piccolo è bello” in der Kategorie A “Grade 0,5”. Dann in 2022 gewinnt er den Ersten Preis im “3rd Composition Competition for Youth Bands (Trento)” in der Kategorie B “Grade 2” un den Ersten Preis “International Contest of Composition for Band “Hymn of Valcamonica” in Breno. Später in 2023 gewinnt er den Ersten Preis im “5th International Competition for Band Composition Angelo Inglese” in der Kategorie B (symphonic March). Seitdem werden seine Werke in ganz Europa aufgeführt und sind unteranderem bei Symphonic Dimensions Publishing und Scomegna Music verlegt.

www.georges-sadeler.com


©Fotos: Eric Engel

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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