Österreichischer Charme in Alzey oder Cinephonics VIII mit Otto M. Schwarz
Ein Gastbeitrag von Silvia Casado Schneider
Alle Teilnehmer waren schon gespannt auf den Gastdirigenten Otto M. Schwarz. In zwei intensiven Probenphasen an zwei Wochenenden wurden die Musiker in Register-, Holz-, Blech-, Percussion- und Tuttiproben durch Gerd Greis und sein Team bestmöglich auf die Proben mit Otto M. Schwarz vorbereitet. Neben seinen Stücken mussten auch noch „Robin Hood“, Prelude aus „Der weiße Hai“, „David und Goliath“ von Ferrer Ferran (deutsche Erstaufführung), „Welcome“ aus „Cabaret“, „Ich gehör‘ nur mir“ aus Elisabeth, „The Typewriter“, „Piano Man“ und „Swing Swing Swing“ für das Konzert einstudiert werden. In den Registerproben lag der Schwerpunkt eher auf den technischen Feinheiten und Finessen, wobei es bei den Gesamtproben mehr um das Zusammenspiel und die musikalische Interpretation der Stücke ging. Alle Proben durchzog das Thema der Intonation.
Otto M. Schwarz: „Jeder Musiker, ob Groß oder Klein hat Ohren, die muss er nur aufmachen.“ Womit wir auch schon beim Gastdirigenten angelangt wären. Er arbeitete gerne mit den Musikern, da sie willig waren und sehr gut vorbereitet. Das verdanken sie in erster Linie Gerd Greis und seinem Dozententeam. Er hatte Spaß daran mit den Orchestern zu arbeiten und legte seine Schwerpunkte auf die Interpretation, den Ausdruck – er als Komponist weiß natürlich am besten, was er mit seiner Musik ausdrücken möchte oder wie es seiner Meinung nach Klingen soll – und die rhythmischen Präzision sowie den angemessenen Klang, was direkt mit der Interpretation wieder verknüpft ist. Für eine gute Intonation ist jeder Musiker selbst verantwortlich. Er hat ganz klar gesagt, dass er darin hier nicht seine Aufgabe sieht jedem zu sagen wo er zu hoch oder zu tief spielt oder einen falschen Ton gespielt hat.
Die Autorin des Artikel spricht von Orchestern, da es zwei Orchester gab: das Robin-Hood-Orchester und das John-Williams-Orchester. Manche Teilnehmer spielten nur in einem der beiden Orchester mit und andere auch in beiden. Der Unterschied bestand in erster Linie darin, dass das Robin-Hood-Orchester weniger Stücke spielte und somit auch nicht so viel vorzubereiten hatte. Gefordert wurde es in seinen 3 Stücken von den Dozenten ebenso wie das John-Williams-Orchester.
In den Pausen traf man Otto M. Schwarz immer wieder im Gespräch mit Musikern an oder beschäftigt mit seinem Kommunikationsinstrument zur Welt. Er integrierte sich schlicht und einfach in die bestehende Gruppe, als ob er schon von Anfang an bei den Proben dabei gewesen wäre.
Alle mussten sich erst einmal auf etwas Neues und jemand Neuen einlassen. Dies begann schon bei der Sprache oder der Art wie er dirigiert. Jeder Dirigent gibt seinem Dirigat seine persönliche Note, die vor allem am Anfang teilweise verwirrend für die Musiker sein kann. Otto M. Schwarz reagierte auf Unsicherheiten der Musiker in den Proben und veränderte sein Dirigat zu Gunsten einer höheren Präzision des Spiels der Musiker. Es gibt Dirigenten, die dirigieren fast mehr mit ihrem Gesicht als mit ihren Armen, bei Otto M. Schwarz war es umgekehrt.
Gleich zu Anfang hatte er gesagt, dass er sich bemühen wird so deutlich wie möglich zu sprechen und falls sich einmal ein paar englische Vokabeln einschleichen würden, dann sollten die Musiker sich nicht wundern, da er viel international unterwegs sei. Es wurde klargestellt, dass niemand Angst haben sollte nachzufragen, wenn etwas nicht verstanden werden würde.
Das Robin-Hood-Orchester kam als erstes in den Genuss von Otto M. Schwarz und überzeugte. Er blieb und das John-Williams-Orchester legte nach. Der Anfang für eine interessante, lehrreiche und von österreichischem Humor geprägten Zeit war gemacht. Gerd Greis: „Manche werden vielleicht erst in ein paar Jahren die Bedeutung dieses Kurses verstehen und begreifen.”
In 80 Tagen um die Welt
Das Robin-Hood-Orchester zeigte sein Können, indem es Otto M. Schwarz in gerade einmal 10 Minuten zu einer Reise um die Welt mitnahm. Die Jüngsten der Jüngsten waren an den Perkussionsinstrumenten zu finden und wurden von ihren älteren Kollegen bei Bedarf unterstützt. Die kleinen Musiker waren super motiviert und Otto M. Schwarz arbeitete auch mit ihnen wie mit Profis. Gemeinsam mit Otto M. Schwarz, der nebenbei auch noch etwas Geschichtsunterricht gab, ging die Reise los.
„Warum mussten die Weltreisenden von der Eisenbahn auf Elefanten umsteigen, als sie in Indien angekommen waren? – Na ja, weil es noch keine Globalisierung gab und die Schienen eine andere Breite hatten, also ging es weiter auf Elefanten.“
Deren Laute wurden von den Posaunen und den Hörnen gespielt. Sie mauserten sich von dem anfänglichen Babyelefanten wie Otto M. Schwarz es bezeichnete zu einen ausgewachsenen Elefanten.
Beim Rhythmus im Wilden Westen bekamen alle erklärt, was Ghostnotes sind.
Es ist sehr interessant, wenn der Komponist selbst da ist und seine Gedanken, die hinter den Noten stecken Preis gibt.
Am Ende klang dann auch der Dampfer nicht mehr wie „eine Titanic kurz vor dem Untergang“ – so Otto M. Schwarz – sondern wie ein Signal zum freudigen Aufbruch in die Heimat, wo der „Big Ben“ die Weltreisenden wieder in Empfang nahm.
„Musik soll Emotionen wecken.“ Dies ist besonders für das folgende Stück relevant.
The Story of Anne Frank
Vor der ersten Probe dieses Stückes erzählte er dem Orchester was ihn mit dem Stück verbindet, wie es entstand und dass er es nicht geschrieben hat um damit Geld zu verdienen – es dient einem höheren Zweck. Das Stück entstand aus der Tatsache, dass in der Schule bei seinen Töchtern die Eltern dagegen waren, dass die Tagebücher der Anne Frank gelesen werden. Otto M. Schwarz, der selbst Geschichte studiert hatte, dachte sich, wenn ihr sie nicht lesen wollt, dann müsst ihr sie eben euch anhören. So schrieb er ein Stück angefangen von der fröhlichen Kindheit bevor die Truppen kamen, wo man hört wie ein kleines Mädchen im Hinterhof Ball spielt, über den Aufmarsch der Truppen, wo ein kurzer Pas de Deux von Piccolo und Altsaxophon zu hören ist – das Piccolo die Angst des kleinen Mädchens zum Ausdruck bringt und das Altsaxophon das beruhigende Elternteil musikalisch symbolisiert-, bis zu den Wehklagen in den Posaunen und zum Abtransport ins Lager, wo die Stimmung in der Musik auf dem Tiefpunkt mit der musikalischen Interpretation ihres Todes angelangt ist. Es war ihm wichtig nicht nur die Schattenseiten von Anne Franks Leben aufzuzeigen, sondern auch die glücklichen und fröhlichen Zeiten, welche es durchaus gab. Die Solo-Violine mit ihrer einprägsamen Melodie gibt dem Stück Wärme, Wohlklang und gleichzeitig etwas Schwermütiges, wenn sie gegen Ende noch einmal erklingt.
Dieses Werk beinhaltet ein Lied aus der Zeit des 3. Reiches, welches nur zu pädagogischen Zwecken in Deutschland aufgeführt werden darf. Daher musste Gerd Greis für dieses Werk eine Genehmigung einholen.
Die Musiker waren hier besonders gefordert, was die richtige Interpretation anbelangt, d. h. dass die Wehklagen wie Wehklagen klingen, der integrierte Marsch nicht fröhlich, sondern ernst und eher bedrohlich klingt, die Kindheit von Anne locker und leicht gespielt wird, das Ballspiel als solches wahrgenommen werden kann, usw.
Um den Marsch zum Beispiel gut zu spielen, gab es gleich noch ein paar Tipps und eine Übung von Otto M. Schwarz die er im Laufe seiner Karriere gesehen und erlebt hatte. Er selbst ist von Hause aus Trompeter. Wichtig für den richtigen Ausdruck des Marsches war ein nicht abbrechender Luftstrom. Eine Übung zur Verbesserung ihres Tones bei den Trompeten, baute er ebenfalls ein; die sofort Wirkung zeigte: Ton nur mit Mundstück blasen, Ton mit Instrument blasen, Ton nur mit Mundstück blasen … und das immer im Wechsel. Wir alle waren erstaunt welche positive Wirkung diese kleine Übung von dem Trompeter Frits Damrow hatte.
Anne Frank ist ein sehr bewegendes und tief gehendes Stück.
Saxpack oder doch Sixpack?!
Die Idee kam ihm als er im Fitnessstudio war, daher liegt dieser Gedanke nahe. Eine Big-Band-Nummer mit Funk-Teilen die richtig Laune macht. Aber auch diese Musik hat ihre Eigenarten und Schwierigkeiten. Einer seiner Tipps war: „Denkt immer in der kleinsten Einheit mit.“ Und ein weiterer: „Wer eine Big-Band-Nummer mit Taktstock dirigiert, hat gleich Abzug beim Wertungsspiel.“ Und auch hier hat er wieder aus dem Nähkästchen geplaudert. Er selbst habe als Trompeter über Jahre in einer Big Band gespielt. Diese Erfahrung machte sich bei den Proben stark bemerkbar. Er war gnadenlos, was den richtigen Beat und den Groove, das richtige Feeling anbelangte. Die Bass Drum hatte es ihm besonders angetan, denn diese konnte ihm nicht laut genug sein und der E-Bass nicht hart genug. Es sollte Knallen. Diese Musik auf den Punkt zu spielen setzt ein hohes Rhythmusgefühlt voraus, die Fähigkeit in kleinen Einheiten zu denken und dabei das Feeling nicht zu verlieren.
Es ist eine Nummer für zwei Solisten am Alt- und Sopransaxophon. Diese Soli wurden von Angelika und Oli gespielt. Traumhaft! Oli am Sopransax zauberte Klangpassagen mit einem Ton, der zum Träumen einlud. Otto M. Schwarz animierte ihn noch mehr im Stil von Kenny G zu spielen. Angelika ließ ihre Finger auf den Klappen tanzen und brachte die typischen Big-Band- und Funk-Klänge zum Vorschein.
Cinephonics VIII mutierte unter der Leitung von Otto M. Schwarz zu einer riesigen funky und groovigen Big Band.
Welturaufführung: 1805 – „A Town’s Tale“ in Alzey (Deutschland) durch Cinephonics VIII
– Das Stück mit dem „Klick“ –
„1805“ war zu Beginn als deutsche Erstaufführung geplant, aber wie es der Zufall so will, wurde Cinephonics VIII dann die Ehre zu Teil die Welturaufführung dieses Stückes spielen zu dürfen. Eine Herausforderung der besonderen Art. Filmmusik wird live zum laufenden Film gespielt, wobei bedacht werden muss, dass „1805“ auf die 1/100-Sekunde genau auf den Bildschnitt komponiert ist. Wie ist das möglich? Hat jeder Musiker einen Bildschirm vor sich? Werden die Noten farbig in der richtigen Geschwindigkeit auf einem Display bei jedem angezeigt wie beim Karaoke? Nein, es geht mit einem Click-Track. Der Klick ist so zu sagen die Lösung des Rätsels. Normalerweise oder optimaler Weise würde jeder Musiker einen Kopfhörer haben, aber natürlich nur auf einem Ohr, damit er mit dem anderen noch das Orchester hören kann – es sollte ja auch Musik entstehen und nicht nur Noten abgespielt werden – mit einem Klick, der die jeweilige Geschwindigkeit vorgibt. Eine Art persönliches Metronom für jeden. Bei Cinephonics VIII hatte der Dirigent, Otto M. Schwarz, einen Monitor vor sich, wo er den Film mitverfolgen konnte, sowie den Click-Track über pinke Kopfhörer im Ohr. Ein sehr poppiges Farbtupferl zu seiner Kleidung. Zusätzlich bekamen die Satzführer über Kopfhörer den Click-Track eingespielt, um Einsätze geben zu können und somit den Dirigenten zu unterstützen. Von der Percussionfraktion hatte jeder den Click-Track auf den Kopfhörern, damit das rhythmische Gerüst sicher und stabil läuft. Otto M. Schwarz trainierte daher bei allen Stücken, die er mit Cinephonics aufführte, immer schon „watch the conductor“. Es ist für „1805“ essentiell wichtig gewesen, dass die Augen eines jeden Musikers beim Dirigenten waren und zwar zu jedem Zeitpunkt am besten. Cinephonics VIII musste mit den Augen an seinen Armen kleben und ihrer Bewegung folgen. Dies ist nicht für jeden Orchestermusiker so selbstverständlich. Otto M. Schwarz probte auch „Worst Cases“ beispielsweise Klick fällt aus, Film hängt, springt, Ton bleibt weg oder stürzt ab.
Der Schlüssel zum Erfolg dieses Stückes liegt in der Hand, nein besser in den Augen eines jeden Musikers. Da der Film ja läuft, bleibt auch kein Spielraum für Ritardandi oder Accelerandi. Das Stück muss genauso ablaufen wie es der Click-Track fordert. Der Klick kennt keine Gnade. Im Stück selbst gibt es ein paar Ruhepausen, wo man wieder reinkommen kann, wenn etwas schief gelaufen ist. „1805“ zeigt mit welcher Präzision Musiker in der Lage sind zu spielen und dabei auch noch Ausdruck passend zur jeweiligen Filmszene bringen können. Dieses Stück steht und fällt mit der benötigten Technik, denn ohne Technik kann dieses Stück nicht aufgeführt werden. Dies beginnt schon mit dem Click-Track, der auf die Kopfhörer übertragen werden muss und endet bei der Übertragung des Films für das Publikum. Am 9.10.2016 bei der Welturaufführung wurde der Film zum Beispiel auf zwei Großbildleinwänden dem ausverkauften Konzertsaal gezeigt.
Otto M. Schwarz erzählte, dass wenn in Hollywood Filmmusik eingespielt oder gespielt wurde, oft mit einem Lichtpendel dirigiert worden ist. Man muss sich dies so vorstellen: Auf dem Dirigentenpult läuft ein Lichtsignal von links nach rechts und der Dirigent hat die ganze Zeit über den Blick nach unten auf dieses Signal gerichtet während seine Arme oben die Bewegungen ausführen. Wir hatten den Vorteil, dass uns Otto M. Schwarz anschauen konnte. Die Mimik eines Dirigenten ist ebenso wichtig wie jede Bewegung, die er ausführt, da damit der Ausdruck des Dirigats unterstrichen wird. Bei „1805“ hielt sich dies natürlich in Grenzen, da eine hohe Konzentration des Dirigenten gefordert war mit seinem Dirigat nicht vom Klick abzuweichen.
Was ist 1805? Worum geht es?
Obwohl es in die Zeit Napoleons und die Kriege gegen Österreich-Ungarn fällt, ist die Haupthandlung eine Liebesgeschichte. Zwei Kinder werden getrennt und der eine kommt als französischer Soldat wieder zurück und das Mädchen ist noch immer im Dorf. Er erinnert sich daran, desertiert und hilft seiner Heimat gegen die eigenen, die französischen Truppen.
Damit die Musiker überhaupt eine Vorstellung davon haben, wozu sie spielen oder was parallel dazu gezeigt wird, schauten alle beim Probenwochenende in der Vorbereitungsphase als Pause zwischen den Registerproben den Film gemeinsam an.
In der Musik konnte man dann gut zum Beispiel die Retter- oder die Fluchtszene ausmachen, aber auch die zarten, sanften und weichen Passagen, in welchen viel Liebe steckt. Das Stück ist gekennzeichnet von Dramatik und Liebe.
WELTURAUFFÜHRUNG von „1805“ war ein riesen Erfolg.
Dies war nicht anders zu erwarten von Cinephonics, was für sensationelle Uraufführungen, aufwendige Licht- und Tontechnik, hervorragende Dirigenten und Live-Musik zu Filmsequenzen steht.
Der ausverkaufte Konzertsaal brachte seine Begeisterung mit einem über 2 Minuten andauernder tosenden Applaus und Standing Ovations zum Ausdruck!!!
Otto M. Schwarz ging sogar auf die Knie vor seinen Musikern. Dank, Freude, Erleichterung … eine Geste die mehr sagt als tausend Worte.
„Thank you for the show yesterday in Alzey – it will be always in my heart.“ (Otto M. Schwarz)
CINEPHONICS VIII sagt DANKE!!!
Silvia Casado Schneider, Teilnehmerin Cinephonics VIII
Hier eine kleine Bildergalerie mit herzlichem Dank an die Fotografin Silvia Casado Schneider:
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