Das Los Angeles Conducting Institute – Fortbildung für aufstrebende Dirigent:innen
Ein Gastbeitrag von Daniel Weißer & Karin Wäfler
„Das Los Angeles Conducting Institute am Caltech ist ein speziell konzipiertes Programm für fortgeschrittene und aufstrebende Dirigenten, die ihr Handwerk verbessern und ihre Kunst vertiefen wollen.“
In der offiziellen Ausschreibung des Los Angeles Conducting Institute steht weiter:
„Die Teilnehmer erhalten individuelle Aufmerksamkeit durch tägliches Dirigieren in kleinen Gruppen, ergänzt durch Kammer- und große Ensembleproben. Präsentationen und Coaching durch die Dirigierfakultät werden durch spezielle Themen eines einzigartigen Gremiums von Interpreten und Komponisten aus dem Los Angeles Philharmonic, den Hollywood Studio Orchestern und führenden Konservatorien unterstützt. Interpreten und Komponisten der Künstlerfakultät bieten zusätzliche Perspektiven und Einblicke in die Kunst des Dirigierens, der musikalischen Interpretation und der Führung.“
Zwei, die das Abenteuer dieses speziellen Dirigierkurses im Sommer 2023 in Los Angeles gewagt haben, sind Daniel Weißer und Karin Wäfler.
Daniel Weißer berichtet über seinen Aufenthalt:
„Sollte man für einen Dirigentenkurs wirklich einmal um die halbe Welt nach Los Angeles reisen? Dem ersten Impuls nachgebend muss diese Frage natürlich verneint werden, denn intuitiv findet man unzählige Gründe lieber einen Kurs in den heimischen Gefilden zu besuchen. Trotzdem habe ich mich Ende Juni 2023 auf den Weg nach Los Angeles gemacht und das „Los Angeles Conducting Institute“ besucht und gleich vorneweg: Ich habe es nicht bereut, das Gegenteil ist der Fall!
Was ist das Los Angeles Conducting Institute?
Das Los Angeles Conducting Institute, kurz LACI, wurde 2019 von Dr. Glenn D. Price ins Leben gerufen. Dr. Price ist “Director of Performance and Visual Arts” an der Caltech Universität in Los Angeles und so liegt es nahe, dass der Kurs auch an der Caltech stattfindet. Die Caltech University liegt im Stadtteil Pasadena und ist eine private Spitzenuniversität in den USA, die bereits 39 Nobelpreisträger hervorgebracht hat und einen malerischen Campus besitzt. Auf diesem Campus findet der fünftägige Dirigentenkurs statt, der von verschiedenen Dozenten betreut wird. Das alles ergibt in Summe eine kurzweilige und abwechslungsreiche Mischung aus Vorlesungen, Dirigierübungen und Zeit vor den Ensembles und Orchestern. Gibt es einen besseren Ort, um zu lernen? Ich glaube kaum!
Meiner Meinung nach klingt das allein schon sehr vielversprechend. Doch was zeichnet das Los Angeles Conducting Institute wirklich aus? Was ist so besonders daran?
Zum einen hat der Kurs eine sehr internationale Ausrichtung. Die 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses kamen aus den USA, Kanada, Japan, Singapur und Europa angereist. Jeder Dirigent brachte seinen kulturellen und auch musikalischen Hintergrund mit nach Los Angeles und auf diese Art und Weise entstand ein wunderbarer Austausch zwischen den einzelnen Teilnehmern, welcher tiefe Einblicke in das Berufsbild des Blasorchesterdirigenten auf der ganzen Welt gewährte.
Des Weiteren war das Niveau des Kurses enorm hoch. Da man sich für LACI mit einem Lebenslauf und einem Dirigiervideo bewerben musste, war die Hürde, an diesem Dirigentenkurs teilnehmen zu dürfen, sicher höher als bei anderen Kursen. Das führte dazu, dass man von den anderen hervorragenden Teilnehmern ausgesprochen viel abschauen und lernen konnte.
Besonders war auch, dass jeden Tag ein sogenanntes „Small Group Conducting“ stattfand. Hierfür wurden die 16 Teilnehmer in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt. Da alle Teilnehmer ihre Instrumente zum Kurs mitbringen sollten, entstanden zwei Ensembles. Jeder aus dem Ensemble durfte einmal am Tag diese Kleingruppe dirigieren. Hierbei wurde dann an sämtlichen technischen Details und Feinheiten des Dirigierhandwerks gearbeitet ohne, dass ein ganzes Orchester damit belästigt oder gelangweilt werden musste.
Als Lehrgangsorchester stand zum einen das Wind Orchestra der Caltech zur Verfügung. Das Wind Orchestra besteht aus Studierenden der Caltech und sehr guten Amateuren aus der Region. Auf dem Podium arbeitet man also mit einem vollständig besetzten und bestens vorbereiteten Höchststufenblasorchester. Darüber hinaus gab es zweimal die Möglichkeit ein professionelles Ensemble mit Mitgliedern aus dem LA Chamber Orchestra und dem Hollywood Studio Orchestra zu dirigieren. Auch das war eine sehr beeindruckende Erfahrung. Allein Rückmeldungen von solchen Musikern zu bekommen macht den Kurs zu etwas ganz Besonderem.
Das wirklich herausragende an diesem Kurs waren meiner Meinung nach aber die Dozenten. Vor Ort waren unter anderem der Komponist Frank Ticheli, der extra für den Kurs seinen Keller aufgeräumt hat und so einige seiner Partituren zu verschenken hatte und David Rejano, Posaunist bei Los Angeles Philharmonic, der unter anderem von der Zusammenarbeit mit Gustavo Dudamel berichten konnte. Auch Prof. Gary Hill, ehemaliger Professor an der Arizona State University war vor Ort und hat Einzelstunden erteilt, eine Vorlesung gehalten und gecoacht. In den Händen von Dr. Glenn Price lag die komplette Organisation und Konzeption des Kurses, aber auch seine Coachings und Vorlesungen waren hervorragend. Der heimliche Star des Kurses war allerdings Prof. H Robert Reynolds, der mit seinen 89 Jahren eine enorme Lebens- und Dirigentenerfahrung vorweisen konnte und uns alle mit seinem Humor an seinem Wissen und seiner Erfahrung teilhaben und wachsen ließ. Soviel Brillanz an einem Ort ist ein großes Geschenk!
Nun aber zurück zur Eingangsfrage: Muss man dafür wirklich um die halbe Welt reisen? Unbedingt! Wer in einmaliger Atmosphäre, an einem ganz außergewöhnlichen Ort, mit ganz herausragenden Dozenten und Teilnehmern seine Fähigkeiten als Dirigent und Persönlichkeit vertiefen und auf die nächste Stufe bringen will, ist hier genau richtig und als Mitbringsel hat man am Ende sogar noch ein offizielles Teilnahmezertifikat der Caltech University in der Tasche!“
Auch Karin Wäfler war von ihrem Aufenthalt in Los Angeles begeistert:
„Im Januar 2023 motivierte mich meine Mentorin dazu, mich beim Los Angeles Conducting Institute (LACI) für den Sommer-Kurs zu bewerben. Auf meine Frage, wie lange denn das Bewerbungsfenster noch offen sei, erhielt ich die Antwort: «Noch ein paar Tage, bis spätestens zu Beginn der nächsten Woche solltest du die Unterlagen eingereicht haben!» Glücklicherweise hatte ich am nächsten Tag eine Generalprobe bei einem Orchester, wo ich dirigiere. Diese Generalprobe konnte ich für die erforderten Video-Aufnahmen nutzen. Der Lebenslauf musste ebenfalls noch ins Englische übersetzt werden. Komplett ahnungslos darüber, was die Anforderungen für diesen Kurs sind, habe ich das nötige Dossier innert kürzester Zeit zusammengetragen und die Bewerbung eingereicht.
Umso grösser war die Freude, als ich – während einer Fasnachtsfeier – die Zusage für die Teilnahme in Track 1 erhalten habe. Nun galt es, die ganze Reise vorzubereiten, die Partituren zu beschaffen und zu bearbeiten. Am 26. Juni frühmorgens flog ich also nach Los Angeles. Einige Stunden später fand ich mich am Dirigentenpult eines Ensembles bestehend aus Musikern des LA Philharmonic Orchestra, des Orchesters der Universal Studios und des LA Chamber Orchestra wieder. Mir zur Seite stand H. Robert Reynolds, eine unglaublich inspirierende Persönlichkeit mit einem enormen Wissen und Erfahrungsschatz. Zu diesem Zeitpunkt machte sich bei mir noch etwas Müdigkeit breit – ich war da schon seit bald 24 Stunden wach – aber bereits hier wurde mir bewusst, dass dieser Kurs etwas ganz Besonderes und Einzigartiges ist. Am nächsten Tag standen Lab Sessions auf dem Programm. Alle Teilnehmenden brachten ihre eigenen Instrumente mit. Gegenseitig haben wir füreinander gespielt und uns dirigiert. Stets wurden wir von einem der vier Dozenten H. Robert Reynolds, Glenn D. Price, Gary Hill oder Frank Ticheli begleitet und wir konnten die Korrekturen direkt ausprobieren und umsetzen. Die Kritik war stets sehr aufbauend, konstruktiv aber doch fordernd. Die ideale Kombination, um sehr erfreuliche Fortschritte zu erzielen.
Über die gesamte Zeit am California Institute of Technology (Caltech) – wo der Kurs stationiert war – jagte ein Höhepunkt den nächsten:
Ensemblesessions mit unglaublich guten Musikern, Lab Sessions, Orchester-Sessions sowie Vorträge von Leuten wie Frank Ticheli oder David Rejano um nur einige Beispiele zu nennen.
Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Freundschaften, welche ich während dieser Woche in Los Angeles schliessen durfte. Schliesslich nahmen Dirigenten aus Kanada, den USA, Japan, Singapore, Österreich, Deutschland sowie der Schweiz an diesem Workshop teil.“
Herzlichen Glückwunsch an Karin Wäfler und Daniel Weißer, für ihren Mut, diesen außergewöhnlichen Dirigierkurs zu besuchen und sehr herzlichen Dank an beide, dass sie ihre Erfahrungen hier mit uns teilen! Sobald der Termin für 2024 fest steht, werde ich ihn hier einstellen.