SinfonischWerke

Johan de Meij über „seinen“ Lord of the Rings

Zugegeben ich bin kein Fan der Trilogie Der Herr der Ringe von J. R. R. Tolkien. Ich habe angefangen, es zu lesen, aber Fantasy interessiert mich einfach nicht. Ich habe auch die Filme deshalb nicht gesehen. Aber die Musik The Lord of the Rings von Johan de Meij liebe ich, wie so viele andere Blasmusiker, sehr!

Heute, am 3. Januar 2017, ist der 125. Geburtstag von Tolkien. Eine gute Gelegenheit, um im Blasmusikblog einen Beitrag über den Herrn der Ringe, wie wir ihn kennen und lieben, zu schreiben. Und wer könnte dies besser als der Komponist selbst? Lest hier, was Johan de Meij selbst zu seinem Werk schreibt:

„Viele Menschen glauben mir nicht wenn ich erzähle, dass meine Sinfonie Nr. 1 The Lord of the Rings meine allererste Komposition ist… Ich habe insgesamt vier Jahre daran gearbeitet, von 1984 bis Ende 1987, unglaublich lange also. Es war kein Auftragswerk – ich hatte also auch keinen Druck, ich war nur zu meiner eigenen Freude damit beschäftigt, pur aus Hobby.

In der gleichen Zeit kamen viele andere Werke zustande, wie etwa Phantom of the Opera, Star Wars, Dvorak’s American Suite, Les Papillons und die Bearbeitung von Prokofjev’s Romeo & Julia. Als ich 1986 zu einer Leseprobe dieses Werks beim Großen Harmonieorchester der Belgischen Gidsen zu Gast war hatte ich Teil vier, Journey in the Dark gerade fertig und fragte den damaligen Dirigenten Norbert Nozy ob sie es auch eben einmal durchspielen möchten. Das war eine Offenbarung: es ist ein fantastisches Orchester, und sie spielten es in einem Mal gerade so vom Blatt. Und, nicht unwichtig, es klang sehr gut.

Danach kam alles in eine Stromschnelle und ich stellte das Stück innerhalb eines Jahres fertig. Am 3. Dezember 1987 notierte ich die letzten Takte und fühlte eine tiefe Rührung – ich realisierte dass ich etwas Besonderes fertig gebracht habe. Am 15. März 1988 spielte das gleiche Orchester die Uraufführung der Sinfonie in Brüssel. 1988 war sowieso ein entscheidendes Jahr in meiner Karriere: Die Polizeikapelle Amsterdam, bei der ich seit 1977 spielte, wurde aufgelöst, aber ich wurde nahezu zeitgleich als Posaunist beim Orchester De Volharding angenommen. Mit diesem Ensemble habe ich bis in 2008 Vollzeit gespielt. Und 1988 startete ich auch meinen eigenen Musikverlag, hauptsächlich mit einem Werk, der Sinfonie!

Ich habe nicht sofort mit dem Komponieren begonnen: ich habe zuerst die Bücher intensiv gelesen, habe Anmerkungen gemacht und bekam so schon sehr schnell eine Idee wie ich das Werk aufbauen wollte. Eigentlich geht die Sinfonie lediglich über Kapitel aus dem ersten Teil der Trilogie. Satz 1, 3 und 5 sind musikalische Portraits, Personenbeschreibungen von den Hauptfiguren der Trilogie: Gandalf, Gollum und den Hobbits. Diese Teile sind nicht wirklich programmatisch. Satz 2 und 4 dagegen schon und folgen chronologisch der Storyline auf dem Fuß.

Ich hielt die Reihenfolge des Buchs übrigens nicht ein, aber was ich schon probiert habe ist einen Spannungsbogen über alle Teile hinweg hin zu bekommen. Im vierten Satz befindet sich sehr deutlich der goldene Schnitt. Ich habe mit diesem vierten Satz, Journey in the Dark, angefangen. Nicht wegen dem goldenen Schnitt, aber als ich die Bücher las, sprach mich dieses Kapitel als erstes an. Die mühsame Tour, das langsame Gehen durch die unterirdischen Gänge von Moria, das klaustrophobische Gefühl….

Das Leitmotiv von Gandalf aus Satz 1 habe ich in Mitten dieses Satzes erfunden. An einem bestimmten Moment bricht Gandalf auf der Brücke von Khăzad Dum nach einem Gefecht mit den Balrog zusammen, deshalb hatte ich das Motiv nötig. Das habe ich später auch in anderen Sätzen verarbeitet um eine Einheit hin zu bekommen. The Lord of the Rings ist keine klassische Sinfonie, es ist eher eine Suite von fünf sinfonischen Gedichten. Die Form ist frei, intuitiv zustande gekommen.

Das Gandalf-Thema ist das wichtigste Thema, das Leitmotiv der Sinfonie. Gollum, der dritte Satz ist der bizarrste Satz von allen. Davor kommt Lothlórien, mit einem sehr sanften Beginn und einem Spannungsbogen der nahtlos zu Gollum hinführt.

Wenn ich die Sinfonie nun selbst dirigiere führe ich den Übergang von Satz zwei zu Satz drei ohne Unterbrechung auf: nach den tiefen Flöten in Lothlórien sofort Gollum als ob er plötzlich auf die Bühne springt. Dann kommt der vierte Satz, der dramatische Höhepunkt der Sinfonie. Im fünften Satz, Hobbits, kommen viele Themen zurück. Nach den dramatischen Entwicklungen in den vorangegangenen Teilen bricht da eigentlich zum ersten Mal die Sonne durch. Die Sinfonie endet bewußt sehr sanft und introvertiert, friedlich und ruhig, wie in der Atmosphäre des letzten Kapitels „Die grauen Hafen“.

Die Premiere 1988 in Brüssel war ein unvergleichliches Erlebnis, denn es war das erste Mal, dass ich das Werk im Ganzen hörte. Bis dahin hatte ich nur die Proben von einzelnen Teilen und Fragmenten gehört. Ich saß wie auf meinem Stuhl gefesselt und mußte ein paar Tränchen bei der Hymne im letzten Satz wegblinzeln. Aber es war ein angenehmes Gefühl um mein Erstlingswerk so in seinem Ganzen zu hören. The Lord of the Rings wurde vom BRT, dem Belgischen Radio, ausgestrahlt und es wurde zu einem Hit. Jeder der es hörte fand es großartig.

Nach der Uraufführung verbreitete sich die Sinfonie sehr schnell über die ganze Welt: sie wurde 1989 erstmalig von der Koninklijke Militaire Kapel KMK auf CD aufgenommen und im selben Jahr gewann ich mit diesem Werk den prestigeträchtigen Sudler Award in Chicago. Da CDs damals noch ein relativ neues Phänomen waren hat das auch enorm zur Verbreitung und zur Popularität meines Werkes beigetragen.

Danach folgten noch viele bemerkenswerte Aufführungen, zum Beispiel die dänische Premiere mit der Danish Konzert Band im Tivoli, Kopenhagen, und die spanische Premiere mit La Artistica Buñol, dirigiert von Henrie Adams. Als der gleichnamige Film von Peter Jackson im Entstehen war habe ich im Jahr 2000 zusammen mit Henk de Vlieger eine erste Version für Sinfonieorchester gemacht. Diese ging 2001 mit dem Rotterdams Filharmonisch Orkest in Premiere und ist später in diesem Jahr vom London Symphony Orchestra unter der Leitung von David Warble aufgenommen worden. Auch die Orchesterversion ist zwischenzeitlich hunderte Male aufgeführt. Das ist viel für ein sinfonisches Orchesterwerk, viele zeitgenössische Werke verschwinden nach der Premiere.

Nun, beinahe 30 Jahre später, kann ich auf tausende Aufführungen, unzählige Aufnahmen und viele Gastauftritte und Lesungen in allen Ecken der Welt zurückblicken, alles Dank eines Stückes! Ich habe danach noch ein paar erfolgreiche Werke geschrieben, drei Sinfonien und sechs Solokonzerte, The Wind in the Willows, Extreme Makeover, und zeitnaher Echoes of San Marco. Aber ich denke nicht, dass ich den Erfolg von The Lord oft he Rings noch jemals wiederholen oder übertreffen kann. Ohne allzu melodramatisch klingen zu wollen kann ich feststellen, dass das erste Werk das ich je komponiert habe, mein Leben komplett verändert hat. Ich genieße noch stets jeden Tag davon!“

Natürlich habe ich wie viele von Euch die Sinfonie Nr. 1 The Lord of the Rings von Johan de Meij schon gespielt: ein Erlebnis! Und ich muß ehrlich sagen, es wäre mal wieder an der Zeit…

Die schönste, berührendste Aufführung habe ich vor vielen Jahren einmal in Schladming vom Vorarlberger Jugendblasorchester unter der Leitung von Thomas Ludescher gehört. Und die spannendste Aufführung in Budapest: Auf dem Konzertprogramm standen zum einen die Uraufführung von Sinfonica Hungarica von Jan Van der Roost im ersten Konzertteil und im zweiten Konzertteil die Sinfonie The Lord of the Rings von Johan de Meij. Die Besonderheit dabei: ein Schauspieler hat aus den Büchern rezitiert. (Zwar in ungarisch, aber wegen seines Vortrags sehr spannend). Beide Komponisten waren anwesend. Zwei meiner unvergesslichen Blasorchester-Erinnerungen…

Vor etwa einem Jahr habe ich auf dem Blasmusikblog gefragt, welches Eure Lieblingswerke für Sinfonisches Blasorchester sind. The Lord of the Rings von Johan de Meij teilte sich damals den ersten Platz mit den Armenischen Tänzen von Alfred Reed. Die damaligen Top Ten könnt Ihr nochmals hier nachlesen.

Von welchen Erlebnissen und Erfahrung mit Johan de Meijs Sinfonie Nr. 1 The Lord of the Rings könnt Ihr berichten? Lasst uns gerne teilhaben und schreibt Euren Kommentar zu diesem Thema weiter unten ins Kommentarfeld!

Die Werktitel in diesem Beitrag sind mit sogenannten Affiliate-Links hinterlegt, die direkt in den Online-Shop des Hebu-Musikverlags führen. Dort findet Ihr weitere Informationen zu Schwierigkeitsgrad, Lieferbedingungen und Preis und natürlich noch viele weitere Werke von Johan de Meij. Wenn Ihr Euch entschließt, eines dieser Werke dort zu bestellen fließt ein kleiner Beitrag für die Arbeit und zur Unterstützung des Blasmusikblog.com an die Autorin. Der Hebu-Musikverlag trägt somit zum Fortbestand dieser Plattform bei. Die Autorin bleibt in ihrer journalistischen Arbeit jedoch frei und selbstständig.

 

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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