Der Übergang vom Jugendorchester ins Große Blasorchester

Anfang Januar 2018 wurde ich für eine Beratung zu einem Blasorchester eingeladen. Thema des Abends: Wie schaffen wir es, die Jugendlichen zu motivieren, vom Jugendorchester ins Große Blasorchester zu wechseln?

Die Problematik, die Jugendlichen für das Große Blasorchester zu motivieren (oder von der Bläserklasse in die Jugendkapelle), haben mir schon einige Dirigenten und Vorstände geschildert. Immer wieder ist das auch Thema in meinen Workshops “Zukunftsmusik”. Vielleicht helfen die Ergebnisse des Workshops bei diesem Musikverein auch anderen, diese Probleme zu lösen.

Ausgangssituation

Die Jugendausbildung des Musikvereins liegt in den Händen der Musikschule. Von dort kommen mehr oder weniger regelmäßig junge Musikerinnen und Musiker für das vereinseigene Jugendorchester. Die Zusammenarbeit mit der Musikschule in dieser Hinsicht läuft nicht ganz optimal. Von der Größe der Musikschule her könnten im Prinzip noch viel mehr Bläser bzw. Bläserinnen und SchlagzeugerInnen im Jugendblasorchester spielen. Das ist jedoch ein anderes Thema…

Das Jugendorchester an sich läuft prima mit einem eigenen Dirigenten, der beim Großen Orchester des Vereins mitspielt. Die Leitung der Jugendkapelle läuft Hand in Hand mit dem Dirigenten es Großen Orchesters.

Das Problem liegt darin, dass die Jugendlichen aus dem Jugendblasorchester nicht ins Große Orchester wechseln möchten.

Was spricht für das Große Orchester?

An diesem Abend nun hat jeder Workshop-Teilnehmer (Vorstandschaft, Jugendleiter, der Musikschulleiter und ein paar weitere interessierte Vereinsmitglieder) zuerst einmal notiert, warum er im Musikverein spielt. Somit haben wir auch gleichzeitig die starken Seiten des Großen Orchesters aufgezeigt, die später auch als Argumente für das Spielen in selbigem verwendet werden können. Genannt wurden u. a.:

  • Spaß am gemeinsamen Musizieren
  • Freude an der Musik
  • Freundschaften / Kameradschaft / Gemeinschaft
  • Ausgleich zum Beruf
  • Literatur / Konzerte

Anschließend bildeten wir zwei Arbeitsgruppen.

Arbeitsgruppen 1. Runde

Arbeitsgruppe 1 kümmerte sich um die Frage: Was könnte Jugendliche davon abhalten, ins Große Orchester zu wechseln?

Zu folgenden Gründen ist die Arbeitsgruppe 1 gekommen:

  • Fehlender Kontakt
  • Altersunterschied
  • Angst
  • Studium / Ausbildung
  • Alkohol
  • Art der Musik
  • Image
  • Vereinsverpflichtung
  • Zu späte Integration
  • Alternativangebote
  • Schulische Belastung
  • Niveau
  • Keine Ständle spielen
  • Probezeiten
  • Häufigkeit der Auftritte / Termine

Daraus haben wir eine Ideensammlung zusammengestellt, wie der Musikverein dem begegnen könnte.

Hier ganz unkommentiert, die Ideen, die dazu aufgekommen sind:

  • Musikverein A. spielt bei Terminen der Jugendmusikmusikschule (z. B. Jubiläum mit Konzertnachmittag, …)
  • Jugendtag
  • Großes Orchester in der Jugendwerbung einsetzen
  • Offene Probe für Interessierte
  • Aktuelle Literaturauswahl (nicht Udo Jürgens, Beatles, …)
  • Gemeinsames Projekt mit Jugendmusikschule
  • Grundschulen als Kooperationspartner (z. B. Musical, Bläserklasse)
  • Prinzipien / Kodex / Leitbild auf Homepage verankern
  • Alle MusikerInnen mitnehmen (Informationspolitik!)
  • Regelmäßige Treffen (z. B. Grillen, Ausflüge)
  • Kontinuierliche gemeinsame Probenarbeit (z. B. jeden 1. Mi im Monat 19.45 – 20.30 Uhr)
  • Gemeinsame Konzerte / Stücke
  • Probentag (mit gemeinsamem Abschluss, z. B. Essen, Bowling, …)
  • Regeln Übergang Großes Orchester – Leistung D1/D2 – Alter – ! Bestehende Freundschaften beachten
  • Kontakt aufbauen / regelmäßig Kommunizieren
  • Leistungsträger gehen in Juka (regelmäßig) z. B. für Registerproben
  • Spielen in kleinen Gruppen (gemischt Großes Orchester – Juka)

Die große Frage und eigentlich auch die erste große Erkenntnis des Abends, die aus dieser Ideensammlung resultierte, war schließlich nicht „Wie kommen die Jugendlichen zu uns?“, sondern: „Wie kommen wir zu den Jugendlichen?“

Arbeitsgruppe 2 beantwortete die Fragen: Warum lohnt es sich im Musikverein A. zu spielen? Was spricht für den Musikverein A.? (Bezogen auf das Große Orchester)

Hier die Ergebnisse:

  • Tolle Dirigenten
  • Abwechslungsreiche Literatur – spannend – unterhaltsam
  • Jahres- und Kirchenkonzert
  • Ausflüge, Kameradschaft
  • Probenwochenenden
  • Unterricht Jugendmusikschule – 30% Rabatt
  • Gute öffentliche Anbindung
  • Frankreich-Austausch = Erlebnis
  • Gute Ausbildung möglich
  • Führende Stimmen erleichtern die musikalische Entwicklung Einzelner
  • Literatur darf mitentschieden werden
  • Gutes Vereinsleben
  • Sinnvolle Freizeitgestaltung
  • Kann sehr lange (jahre-, jahrzehntelang) gespielt werden = ein Hobby für‘s Leben
  • Gutes Orchester, gute Substanz

Dies ließen wir als positive Beispiele und zur Formulierung von Aspekten für das Spielen im Großen Orchester erst einmal so stehen.

Arbeitsgruppen 2. Runde

In weiteren zwei Arbeitsgruppen gingen wir dann den Fragen nach: Arbeitsgruppe 1: „Anknüpfungspunkte von Anfang an. Ideen?“ und Arbeitsgruppe 2: „Willkommenskultur: Wie integrieren wir die neuen Musikerinnen und Musiker?“

Hier die Ergebnisse der Arbeitsgruppe 1, gleich in der Rangfolge, wie sie anschließend von allen Teilnehmern des Workshops bewertet wurden:

  • Gemeinsame Proben(-tage) (einmal im Monat überschneiden sich Juka- und MV-Probe) – 13 Punkte!
  • Musiker aus dem großen Orchester sollen regelmäßig in der Juka mitproben (rollierendes System) – 13 Punkte!
  • Offene Kommunikation („Leitbild“) + Ansprechpartner je Register („Pate“) – 5 Punkte
  • Musizieren in kleinen Gruppen (gemischt), Vereinsabend – 3 Punkte
  • Ausflüge / Aktivitäten gemeinsam gestalten – 3 Punkte
  • Registerführer (o. ä.) sollte Registerproben machen – 1 Punkt
  • Bestehende Freundschaften nicht trennen – 1 Punkt
  • Eltern der Kinder in den Verein einbinden

Und hier die Ergebnisse der Arbeitsgruppe 2, auch gleich mit den Bewertungen der Workshopteilnehmer:

  • „Einsteigerpaket“ (Jahresplan, Termine, Kontakte, Leitbild, Kleidung, Orchesterdaten, Knigge, usw.), auch für Eltern! – 14 Punkte
  • Paten – Registerweise („Du“) – 10 Punkte
  • Notenmappen überreichen – Aufnahmerituale – 7 Punkte
  • Vorstellungsrunde der „Alten“ – Steckbrief der „Neuen“ – 3 Punkte
  • Ausstattung (Uniform) – 2 Punkte
  • Alle müssen Interesse zeigen
  • Versuchen Eltern mit einzubinden
  • Nach ¼ oder ½ Jahr Feedback (Pate)
  • Gemeinsam schwierige Stellen üben (innerhalb Register in Eigenregie)
  • Freiwillige Vorstellung bei Auftritten – Musikervorstände
  • Kontaktdaten (E-Mail, Whatsapp-Gruppe)

Maßnahmenfahrplan

Aus den Ergebnissen der beiden letzten Arbeitsgruppen wurde anschließend im Gremium ein Maßnahmenfahrplan entwickelt. Es wurde genau definiert, wer sich um die Umsetzung kümmert, in welcher Reihe die Punkte umgesetzt werden und bis wann. Kleiner positiver Nebeneffekt: Es konnten Personen zur Mitarbeit gewonnen werden, die bisher noch nicht in der Vorstandschaft mitgearbeitet haben.

Letzte Woche habe ich bereits die ersten Fotos aus der ersten gemeinsamen Probe von Jugendorchester und Großem Orchester erhalten. Diese gemeinsamen Proben finden nun immer zwischen den Proben des Jugendorchester und des Großen Orchesters eine halbe Stunde lang, einmal im Monat statt. Aktuell erarbeiten beide Orchester gemeinsam ein Musikstük, das beim Frühjahrskonzert aufgeführt werden soll.

Ich bin schon sehr gespannt, wie sich diese und die anderen Aktionen entwickeln, die wir mit dem Workshop ausgelöst haben.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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