Österreichisches Blasmusikforum – Musik, Austausch und Vernetzung
Über das Österreichische Blasmusikforum Ossiach vom 2. – 5. April 2023
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Ein Kärntner See, rundum Berge, ein altes Stift mit historischem Interieur in Kombination mit der Liebe zum modernen Detail… Eine Musikakademie kann idyllischer nicht liegen als die Carinthische Musikakademie Ossiach. Eine Musikakademie zum Wohlfühlen. Und der ideale Ort, um Dirigentinnen und Dirigenten aus ganz Österreich zusammen zu bringen!
Von dieser Musikakademie erzähle ich Euch später etwas mehr. Denn dieser Beitrag soll vier Tage in einem inspirierenden und geselligen Ambiente beschreiben. Vier Tage voll mit Musik, Austausch und Fachsimpeln. Expertinnen und Experten unter sich. Alle mit der gleichen Leidenschaft: die Blasmusik.
Mit dem Österreichischen Blasmusikforum in Ossiach hat der Österreichische Blasmusikverband ÖBV eine wertvolle Veranstaltung geschaffen, die zwar der Fortbildung der Dirigentinnen und Dirigenten dienen soll, aber weit mehr als das ist. „Man“ trifft sich. „Man“ kennt sich. Tagsüber und abends wird gelernt, da widmen sich alle der Fortbildung. Und danach? Nun, was im Stift Ossiach nächtens geschieht, bleibt in Ossiach 😉 Nun gut. Vielleicht erzähle ich später ein wenig davon…
Das Österreichische Blasmusikforum bestand in diesem Jahr aus den drei Säulen Praxiskurs Dirigieren, Workshops und Jurorentagung. Der Schwerpunkt lag auf dem Thema Unterhaltungsmusik für Blasorchester, dieses wurde jedoch auch mit anderen Angeboten ergänzt.
Bereits am Pfingstsonntagvormittag trafen sich die sieben ausgewählten Dirigent:innen Kathrin Weinberger (Kärnten), Daniel Steixner (Tirol), Martin Rauter (Kärnten), Erwin Probst (Tirol), Günther Binggl (Salzburg), Samuel Oberegger (Südtirol) und René Mathis (Liechtenstein) mit ihrem Dozenten Martin A. Fuchsberger zum ersten Dirigier-Unterricht mit Klavier. Seit 2011 ist Martin A. Fuchsberger Dozent für Blasorchesterleitung an der Universität Mozarteum Salzburg, wo er seit 2013 auch mit dem Lehrauftrag für Solfeggio und Rhythmustraining betraut ist. Er habilitierte sich 2018 für Blasorchesterleitung und leitet seit 2019 den neuen berufsbegleitenden Universitätslehrgang für Blasorchesterleitung. Die gewählten Kurs-Werke enthielten auch Unterhaltungsmusikwerke, gemäß dem diesjährigen Schwerpunkt:
Ralph V. Williams English Folk Song Suite
Johann Strauß, Bearb. Karl Pfortner Fantasie aus der Operette „Die Fledermaus“
Paul Huber (neu instrumentiert von Leonard Cecil) Choral, Variationen und Fuge
Percy Grainger, arr. M. Rogers Colonial Song
Guy Woolfenden Illyrian Dances
Kunze/Levay, arr. Johan de Meij The Musical “Elisabeth”
Otto M. Schwarz Funky Winds
Im Verlauf des Blasmusikforums stand für den Unterricht die Militärmusik Kärnten zur Verfügung. Höhepunkt der Veranstaltung war das Abschlusskonzert der Militärmusik Kärnten unter der Leitung der Praxisteilnehmer:innen.
Für die restlichen Teilnehmer:innen begann das Blasmusikforum Ossiach mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Moderne Unterhaltungsmusik im Blasorchester“. Stefanie Glabischnig, Moderatorin, Kulturmanagerin und Kapellmeisterin, leitete professionell und fachkundig die Diskussion mit den Experten Monika Ballwein (Sängerin, Vocalcoach, Songwriterin), Otto M. Schwarz, Oberst Dietmar Pranter (Militärkapellemeister Militärmusik Kärnten), Hans Lassnig Walder (Leiter, Arrangeur, Komponist für Jazz / Big Band) und Thomas Ludescher (Dirigent und Professor für Blasorchesterdirektion in Bozen).
Monika Ballwein, die selbst schon mit vielen Blasorchestern aufgetreten ist, plädierte in ihrem Anfangsstatement für mehr Unterhaltungsmusik mit Gesang in den Blasorchestern: „Habt keine Angst davor, mit Sängern zu arbeiten“. Die wichtigsten beiden Zutaten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit seien jedoch passgenaue Arrangements und ein guter Austausch zwischen Sängern, Kapellmeister und Orchester. Leider gibt es nicht sehr viele passgenaue Arrangements. Meist sind die Arrangements nur für das Blasorchester geschrieben und es ist nicht immer klug, Melodie-Stimmen aus dem Orchester zu streichen und diese singen zu lassen.
Otto M. Schwarz fragte sich als erstes: „Wo fängt Unterhaltungsmusik an, wo hört sie auf?“ Und was ist überhaupt „moderne Unterhaltungsmusik?“ Als Beispiel führte er seine Militärzeit an, in der er 14 Monate lang „Blume von Hawaii“ gespielt hat. Er wusste instinktiv, am Anfang seiner Karriere, dass das Blasorchesterrepertoire erneuert werden musste und machte dies zu seiner Lebensaufgabe. Er bekam für seine ersten Werke zunächst ziemlich Gegenwind aus der österreichischen Blasmusikszene. Er spürte große Widerstände. Mittlerweile ist er mit seinen unverkennbaren Stilen – einerseits originale Unterhaltungsmusik, andererseits große Werke, die Geschichten erzählen (oft mit geschichtlichem Hintergrund) – in unglaublich vielen Konzertprogrammen, nicht nur in Österreich, vertreten und nicht mehr wegzudenken. Otto M. Schwarz plädierte eindrücklich dafür, auch die Unterhaltungsmusik sehr gut und im Detail zu proben. Er bemerkte jedoch auch, dass oftmals die Kapellmeister nicht für die Unterhaltungsmusik ausgebildet sind. Was in der Diskussionsrunde Thomas Ludescher als erfahrener Dirigierlehrer auch tatsächlich bestätigte.
Oberst Dietmar Pranter, der Kapellmeister der Militärmusik Kärnten, der sich mit dieser hauptsächlich im Bereich Unterhaltungsmusik einen großen Namen gemacht hat und selbst auch als Sänger auftritt, bekräftigt, wie wichtig es ist, Proben von Unterhaltungsmusikwerken genauso ernst zu nehmen, wie für Konzertwerke. „Die korrekte Ausführung dieser Werke ist für eine gute Performance wichtig“. Er gibt den anwesenden Kapellmeister:innen den Rat, sich Hilfe und Unterstützung bei Experten zu holen.
Hans Lassnig Walder erzählte in seinem Statement, dass in seiner Jugend ein Lehrer zu ihm gesagt hat: „Wenn Du Jazz spielen willst, musst Du nur schlampig spielen, dann ist das Jazz …“ Mittlerweile weiß er es natürlich längst besser… Toll findet er, dass die verschiedenen Ensemble-Arten immer mehr Crossover spielen. Beispielsweise dass Brass Bands Big-Band-Stücke spielen, usw. Das sieht er als Horizonterweiterung an. Für ihn ist wichtig, dass die Essenz der Musik beibehalten wird und dass die jeweilige Stilistik beherrscht wird – sowohl bei den Arrangeuren als auch bei den Dirigenten.
Thomas Ludescher bestätigte in seinem Statement zum Thema Unterhaltungsmusik für Blasorchester, dass in der Ausbildung der Dirigent:innen tatsächlich die Unterhaltungsmusik zu kurz kommt. Sowohl in der Dirigenten-Grundausbildung, den Workshops bis hin zur professionellen Dirigenten-Ausbildung – von Unterhaltungsmusik steht nichts im Curriculum… „Die Vielfalt der Blasmusik ist einzigartig“, so Thomas Ludescher. Was einerseits ein Vorteil ist, ist aber gleichzeitig auch ein Nachteil, weil die Gefahr besteht, dass alle Genres bei einem Blasorchester dann im gleichen „Klangkleid“ daherkommen…
Am Montagmorgen mussten sich die Teilnehmer:innen entscheiden, welche Veranstaltung sie besuchen. So auch ich… Im Barocksaal – der seinem Namen alle Ehre macht – trafen sich einige, um von Referent Gert Kolaja etwas über das Saxophon im Blasorchester mit dem Schwerpunkt Unterhaltungsmusik zu erfahren. Danach mit Florian Klinger zum Workshop Improvisation für Solisten im Blasorchester. Gleichzeitig konnte im Konzertsaal dem Unterricht des Praxiskurses Dirigieren mit der Militärmusik Kärnten und Dozent Martin A. Fuchsberger gelauscht werden.
Am Nachmittag stellte Oberst Dietmar Pranter mit der Militärmusik Kärnten empfehlenswerte Unterhaltungsmusik für Blasorchester vor. Hier die Liste der gespielten Werke:
Sir Duke arr. Naohiro Iwai
Hymn to the Fallen aus Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan), arr. Paul Lavender (Ich selbst hätte vermutlich die Fassung von Philip Sparke empfohlen…)
Game of Thrones arr. Jay Bocook
Eye of the Tiger (Marching Band Version) arr. Victor Lopez
Harry Potter Symphonic Suite arr. Robert W. Smith
Elisabeth arr. Johan de Meij
Tico Tico arr. Naohiro Iwai
Oye como va arr. Heinz Briegel
Dabei handelt es sich um Werke, die die Militärmusik Kärnten regulär in ihrem Programm hat.
Einer meiner persönlichen Höhepunkte folgte danach: Otto M. Schwarz erklärte, wie Funk mit einem Blasorchester richtig gespielt und korrekt geprobt wird („Funk ist kein Swing!“). Bis jede 16zehntel gepasst hat war er gnadenlos: „Es gibt nur richtig oder falsch und wenn Du auf’m Punkt bist, bist Du richtig.“ Die Connection zwischen Schlagzeuger und Dirigent muss stark sein. Er probte zunächst mit der Basis Horn, Posaune, Tuba, E-Bass und Schlagzeug die richtige Stilistik, die korrekte Artikulation und das Timing. Danach mit den „Mittelstimmen“ Bariton und Fagott. Auf die Genauigkeit von Basis und Mittelstimmen baut dann die Melodie auf. „Wir brauchen im Untergrund Spannung, Intensität und volle Disziplin. Dann kann man den Groove auf zwei und vier körperlich spüren“, so Otto M. Schwarz.
Den Abend gestaltete die Polizeimusik Wien unter der Leitung von Herbert Klinger mit dem Motto „So groovt Wien“ und einigen Überraschungen… Für mich das Größte: Gert Kolaja am Alt- und Sopran-Saxophon mit SAXpack von Otto M. Schwarz. Was für ein genialer Saxophonist… Sehr witzig: Oberst Dietmar Pranter als Udo Jürgens mit Songs, die eigentlich jeder im Publikum mitsingen hätte können (einschließlich mir…). Das Konzert: Unterhaltung, Spaß und Freude an der Musik pur! Es hat niemand auf den Plätzen gehalten…
Hier das Programm:
Absolute Crossover Otto M. Schwarz
Vienna Calling Falco
Saxpack Otto M. Schwarz
Diamonds are forever John Barry, arr. Otto M. Schwarz
Charlie’s Funfair Florian Klinger
Chopin’s Radio Florian Klinger
Udo Jürgens arr. Gert Kolaja
Got a Match von Chick Corea für Saxophon und Vibraphon (ohne Orchester)
Baby you can drive my car Paul McCartney, arr. Andreas Pranzl
Annen Polka von Johann Strauß in einer speziellen Fassung des Vienna Art Orchestras
Die Polizeimusik Wien wurde bereits 1909 gegründet und ist somit eines der ältesten Polizeiorchester Europas. Dieses Alter hörte man dem Orchester nicht an. Ganz im Gegenteil: es klang jung, frisch und groovy….
Der Dienstag in Ossiach begann für die Praxisteilnehmer:innen wieder mit Unterricht bei Martin A. Fuchsberger zunächst mit Klavier, am Nachmittag wieder mit der Militärmusik Kärnten.
Die meisten der rund 80 Teilnehmer:innen fanden sich jedoch im Konzertsaal ein, in dem Otto M. Schwarz und die Polizeimusik Wien die Musik zu dem und den Film Die Jungen von der Paulstraße vorstellte. Otto M. Schwarz schrieb die Filmmusik zu diesem 90minütigen Film im Jahr 2004. Nun bereitete er die Musik so auf, dass sie von einem Blasorchester zum Film gespielt werden kann.
Die Geschichte des Films in Kurzform: Budapest 1910. Nemecsek ist der Sohn des Schneiders Nicolaus. Als Nicolaus eines Tages von der Affäre seiner Frau mit dem reichen Kaufmann Kovacs erfährt, wirft er sie kurzerhand aus dem Haus. Die Trennung von der Mutter ist für Nemecsek, aber auch für seine Mutter eine Katastrophe. Nemecsek ist kleiner als seine Klassenkameraden, aber er hat Mut wie ein Löwe. Kaum einer Rauferei geht er aus dem Weg, und sein größter Wunsch ist es, zu einer der Cliquen in seiner Schule zu gehören. Das gelingt ihm schon bald, und sein erster Auftrag ist es, einen Platz für ihre Treffen zu finden. Nemecsek findet einen passenden Platz in der Paulstrasse. Doch der Grund gehört einem alten Mann, der dort sehr zurückgezogen lebt…
Hier ist der Trailer zum Film:
Und für alle, die nicht in Ossiach sein konnten, hier der Original-Ton von Otto M. Schwarz zu diesem Werk in seinem Podcast:
Die Musik ist auch als Symphonic Suite (ca. 8 Minuten) erhältlich.
Nach der Präsentation von Die Jungen von der Paulstraße war ich mit meinem ersten aktiven Einsatz dran: Ein „Vortrag“ über Marketing im Blasorchester. Wie ihr mich kennt, mache ich nie reine Monologe… Im Austausch mit dem Publikum erarbeiteten wir gewisse Grundsätze des Marketings im Musikverein. Wir trugen zuerst Argumente, die für unsere Blasorchester sprechen, gemeinsam zusammen. Diese Argumente können wir in unseren Werbebotschaften verpacken. Zweitens war es mir wichtig darzulegen, dass wir, bevor wir ans Marketing denken, uns Gedanken zum Produkt machen sollten. „Das Produkt muss stimmen“, so mein Credo, und zwar in allen Bereichen: die Musik, die Organisation, die Jugendarbeit (insbesondere) und das soziale Miteinander. Wir müssen, bevor wir große Werbekampagnen für uns fahren, zuerst selbstkritisch mit uns ins Gericht gehen, die richtigen Schritte einleiten und alles, was wir tun, mit höchster Qualität tun. Kurz ging ich auf den Marketing-Mix ein, den wir heutzutage bedienen müssen und hob die Bedeutung der Website und wie wir sie klug in unsere Werbestrategie einbinden können, hervor.
Irgendwann zwischendurch an diesem ereignisreichen Dienstag wurde ich von Michi und Berni vom Blasmusikstudio, dem „TV-Programm“ des Österreichischen Blasmusikverbands ÖBV, im Rittersaal interviewt. Lässig, die beiden! Das Resultat könnt Ihr irgendwann sehen. Nur so viel: „Blasmusik lebt!“
Von der (Amateur-)Dirigenten-Ausbildung in Zusammenarbeit mit den Landesmusikschulen in Österreich gibt es bahnbrechendes und richtungsweisendes zu berichten. Das Blasmusikforum in Ossiach wurde auch dazu verwendet, den neu entstehenden Lehrplan des dreijährigen Lehrgangs „Ensembleleitung Blasorchester“, der demnächst österreichweit gelten wird, den anwesenden Kapellmeistern vorzustellen. Helmut Schmid, der Bundeskapellmeister, und einige Kollegen sind hier federführend zusammen mit der KOMU (=Konferenz der österreichischen Musikschulen) tätig. Nach der landesweiten Einführung wird dieses Ausbildungsmodell für Kapellmeister in Österreich das erste in Europa überhaupt sein, das einen strukturierten dreijährigen Bildungsgang mit bundesweiten Standards für diesen speziellen Bereich aufweisen kann. Ich kann hier an dieser Stelle das komplette Modell nicht vorstellen, werde das aber in ein paar Monaten, wenn alles steht, ausführlich auf dem Blasmusikblog.com tun.
Nach dieser sehr interessanten Informationsveranstaltung hieß es: „Allegro con fuoco – das musikalische Speed-Dating©“. Folgende Fragen wurden von den etwa 36 Teilnehmer:innen diskutiert und bearbeitet: „Wann ist ein Blasorchester erfolgreich?“, „Was ich meiner Vorstandschaft schon längst mal sagen wollte:“, „Was kann der ÖBV und was können die Musikkapellen für das positive Image der Blasmusik nach außen tun?“, und viele mehr. Zwei Stunden aktiver, themenbezogener fachlicher Austausch zwischen den Kapellmeistern zu den wichtigen Themen unseres Musikvereinsleben und unserer Blasorchester.
Der Tag war damit ausgefüllt, aber noch nicht zu Ende! Weitere Teilnehmer:innen waren tagsüber speziell zur österreichischen Jurorentagung angereist. Diese trafen sich im Netzwerk ÖBV-Juror:innen separat um in einzelnen Gruppen eine Art „Modell-Wertung“ durchzuführen. Dazu später mehr. Ich selbst habe mich für die gleichzeitig stattfindende Dirigentenfortbildung „Lehrprobe mit einem Blasorchester aus Kärnten“ mit dem Dozenten Thomas Ludescher entschieden.
Obwohl ich, wie Ihr, meine geschätzten Leser:innen, wisst, keine Dirigentin bin (lediglich Inhaberin eines C3-Scheins, den ich mit 18 einmal gemacht habe…;-), sind mir beim Workshop mit Thomas Ludescher einige Lichter aufgegangen. Tatsächlich habe ich zum ersten Mal einen Dirigentenworkshop erlebt, in dem es nicht darum gegangen ist, wie man ein Werk dirigiert, sondern wie der Dirigent ein Werk seinem Blasorchester beibringt und was er machen muss, um nachhaltig die Entwicklung in Klang und Zusammenspiel voranzubringen. (Anm. Ich spiele tatsächlich mehrmals im Jahr bei Dirigentenfortbildungen bei unterschiedlichen Dozenten im Orchester mit und das schon seit Jahrzehnten…)
Zuerst sprach Thomas Ludescher zur selbstverständlich gelebten Kultur im Blasorchester:
- Die Kameradschaft beginnt beim Notenständer
- Bleistift immer zur Hand!
- Umsetzen bei Stimmenwechsel
Im Weiteren erzählte und erarbeitete Thomas Ludescher mit der Trachtenkapelle St. Urban so viel Grundsätzliches, dass dies ein eigener Artikel wert wäre. Oder ich lade ihn einmal zu einem Online-Event im BlasmusikInsiderClub ein, damit er das alles selbst erzählt. Hier nur eine kleine Zusammenfassung und die – meines Erachtens nach – wichtigsten Aussagen von Thomas Ludescher:
- Das Schlimmste ist, wenn eine Probe langweilig ist. Wann ist die Probe langweilig? U. a. wenn ich als Kapellmeister vorhersehbar bzw. berechenbar bin.
- Wir als Kapellmeister müssen feinfühlig das Geschehen und die Emotionen im Orchester wahrnehmen.
- Atmen ist Energie
- Wir müssen als Kapellmeister in der Lage sein, unser Gehör zu „beherrschen“. Zum Mysterium „Gehör“ gehört: Gewohnheiten können einen falschen Höreindruck hinterlassen. Wir müssen uns selbst rausnehmen und je nach Anforderung unser Analyse-, unser Perfektions-, unser Ergebnis- oder unser Durchspiel-Ohr aktivieren.
- Die Sitzordnung ist Basis eines guten Klangs
- „Wer den Choral nicht ehrt, ist der Sinfonie nicht wert“
- Die Ansagen des/der Dirigent:in beinhalten kurz und knapp das „Wer“, das „Wo“, das „Was“ und das „Wie“ zusammen mit dem „Warum“
- Damit das Hirn bei den Musiker:innen nicht abschaltet: Artikulationstraining zwischendurch
- Wenn es leicht klingen soll, kann es nicht laut sein.
- Es gibt verschiedene Charaktere eines Staccatos.
- Wer mitsingt, hört nicht!
- Das Analyse-Ohr ordnet das Gehörte im ALOKE-System: Aufnehmen, Laden auf die Festplatte (Gehirn), Ordnen, Korrigieren und Wiederholen, Ergebnis.
- Nie mehr als 3 Korrektur-Angaben nach Abbruch eines Werkes in der Probe. (Eventuell 4, das kommt darauf an…)
Wow! Nicht wahr? So viel Grundsätzliches innerhalb von 2,5 Stunden und alles belegt mit einer brav mitspielenden und umsetzenden Trachtenkapelle St. Urban.
Im Anschluss hieß es „Meet & Greet“ mit leckerem Wein aus Kärnten und noch besserem Vesper, äh, ich meine natürlich „Jause“… Ich war mit vielen Anwesenden so vertieft im Gespräch, dass sogar der Sieg des SC Freiburg über Bayern München nur eine kleine Randnotiz für mich an diesem Abend war…
Mit dem Mittwoch gingen für mich besondere Tage in Kärnten zu Ende.
Am Vormittag mussten sich die Teilnehmer:innen wieder entscheiden. Das Netzwerk Juror:innen tagte im Seminarraum Nord im Dachgeschoss des Stifts Ossiach. Im Barocksaal gab es einen Workshop „Das Schlagwerk im Blasorchester“ mit Dozent Stefan Lichtenegger und anschließend der Workshop „Grundlagen der Tontechnik für Blasorchesterkonzerte mit Fachleuten des ORF. Und im Konzertsaal schließlich probte die Militärmusik mit den Praxisteilnehmer:innen für das Abschlusskonzert am Nachmittag.
Auch in Bezug auf Wertungsspiele, Wettbewerbe und die korrekte Bewertung ist der Österreichische Blasmusikverband mit dem Bundeskapellmeister Helmut Schmid, den beiden Stellvertretern Herbert Klinger und Thomas Ludescher von allen Ländern, in denen ich mich bewege, ganz weit vorne! Im Netzwerk Juroren wurde, wie oben schon erwähnt, zunächst in sechs Jury-Teams jeweils 2 Orchester (Video) unabhängig voneinander bewertet. Am Mittwochvormittag fand dann die Auswertung dieser Übung statt. Jedes Team erläuterte seine Herangehensweise an die Bewertung und die jeweilige Wertigkeit der einzelnen Faktoren. Beispielsweise wurde diskutiert, welche Wertigkeit die musikalische Aussage gegenüber der technischen Ausführung hat. Das Ziel der Treffen der Juror:innen ist ein Leitfaden für Jurorenteams, der momentan erarbeitet wird. Dieser soll nicht belehrend, sondern wertebasiert geschrieben sein. Die anwesenden Juror:innen wurden aktiv eingebunden. Jede der sechs Arbeitsgruppen hatte schriftlich drei Arbeitsgebiete zu erarbeiten: Einmal zur Erarbeitung des Leitfadens zur Jurytätigkeit, einmal über die weitere Gestaltung des Netzwerkes und für den Leitfaden für Jury-Vorsitzende.
Mit dem Abschlusskonzert der Militärmusik Kärnten und den bereits eingangs erwähnten Dirigent:innen des Praxiskurses wurden wir alle für vier ausgefüllte Tage belohnt! Ich habe das Abschlusskonzert eingangs schon beschrieben. Eines möchte ich jedoch noch unbedingt hinzufügen: Die sichtbare Entwicklung der sieben Dirigent:innen von Sonntag bis zum Mittwochnachmittag. Alle sieben Dirigent:innen leiteten die Militärmusik Kärnten souverän im Abschlusskonzert. Gänsehaut hatte ich beim Colonial Song, dirigiert von Kathrin Weinberger und verblüfft war ich bei Funky Winds, dirigiert vom gerade einmal 20jährigen Samuel Oberegger aus Südtirol.
Perfekt gemacht haben diese vier Tage Blasmusikforum das stilvolle Ambiente wie eingangs schon geschrieben, das richtig gute Essen, mein „Händel“-Zimmer (schöner und moderner als in manchem 4-Sterne-Hotel) und die Umsorgung durch das Team der Carinthischen Musikakademie Stift Ossiach.
Erst möglich gemacht haben das Blasmusikforum mit seinem vielfältigen Programm für Dirigent:innen der Bundeskapellmeister Helmut Schmid und seine zwei Stellvertreter Herbert Klinger und Thomas Ludescher sowie Geschäftsführerin Karin Vierbauch und ihre Damen. Euch ein besonderes Dankeschön, auch im Namen aller Teilnehmenden! Mit einschließen in den Dank möchte ich auch die drei Orchester Militärmusik Kärnten, Polizeimusik Wien und Trachtenkapelle St. Urban mit ihren jeweiligen Chefs.
Das Fazit eines sichtlich zufriedenen Helmut Schmid: „80 Kapellmeister:innen, 40 Juror:innen, drei Orchester, also insgesamt 300 Personen haben sich wiederum mehrere Tage in Ossiach getroffen um gemeinsam die Blasmusik in Österreich weiter zu entwickeln. Das Blasmusikforum ist für uns alle eine wichtige Plattform, um sich in einer guten Atmosphäre auszutauschen und über neue Möglichkeiten nachzudenken. Insofern sehen wir als ÖBV es als Auftrag an, ein bestmögliches Angebot zu schaffen und Gleichgesinnte zu vernetzen. Wir freuen uns schon auf 2024 mit einem Schwerpunkt Jugendarbeit und viel Praxis im Orchester!“