Randnotiz: Internet – alles kostenfrei, alles umsonst?

Zuerst fand ich das ja alles klasse. Zu Beginn der Corona-Zeit meldete Molenaar, dass man sich zu Solowerken (für Soloinstrument und Blasorchester) die Solostimme kostenfrei runterladen könnte, um dann zur Youtube-Orchester-Aufnahme spielen zu können. „Eine richtig klasse Marketing-Idee“, dachte ich. Dem Kunden etwas Gutes getan, nämlich Noten und eine Mitspiel-Aufnahme kostenfrei zur Verfügung stellen. Und außerdem das Solowerk beworben. Man könnte es ja schließlich beim nächsten Konzert auch mit dem heimischen Orchester spielen.

Der Musikverlag Frank und der Hebu-Musikverlag haben mit dieser Idee nachgezogen.

Der Schott-Verlag warb und wirbt mit „Kostenlosen Noten-Downloads“. Bei näherem Hinsehen sind das jeweils Probekapitel aus Instrumentalmethoden bzw. einzelne Stücke aus Alben. Sinn und Zweck ist dabei, dass Lust darauf gemacht wird, das komplette Buch zu kaufen oder kostenpflichtig runter zu laden. Also auch eine Marketingaktion.

Fast gleichzeitig haben die großen Orchester damit begonnen, ihre Aufnahmen und Konzerte kostenfrei ins Internet zu stellen. Berühmte Künstler wie zum Beispiel Igor Levit (Klavier) oder der Geiger Daniel Hope gaben ihre Wohnzimmerkonzerte. Es gab Live-Streams mit professionellen Orchester-Konzerten. (Muss eigentlich keiner mehr CDs oder Musik-Downloads über die gängigen Portale verkaufen?) Alles frei Haus!

Viele Verlage boten Gratis-Webinare an. Z. B. Helbling und der Lugert-Verlag. Verbände ebenfalls. Der BDB – Bund Deutscher Blasmusikverbände einen Tag lang einen Online-Blasmusik-Kongress mit vielen verschiedenen Webinar-Angeboten. Ebenfalls kostenfrei.

Ich selbst habe im Mai einige Online-Meetings mit Komponisten und Share-the-Repertoire-Sessions gratis angeboten. So lange diese kostenfrei waren sprudelten die Anmeldungen nur so rein.

Das alles sind nur kleine Beispiele. Ich kann hier gar nicht aufzählen, welche musikalischen Aktionen, Produkte und Events es in den letzten 3-4 Monaten alles „für umme“ gegeben hat…

Doch bei all diesen Gratis- und Kostenfrei-Angeboten im Internet frage ich mich mittlerweile ob wir uns damit nicht einen Bärendienst erwiesen haben!? Im Prinzip haben wir alle die Gratis-Mentalität im Internet gestärkt. Wo wir teilweise schon auf dem guten Weg waren, in den Menschen zu verankern, dass auch Angebote im Internet „etwas wert“ sind, haben wir mit all diesen kostenfreien Events, Konzerten, Fortbildungsangeboten, Gratis-Noten usw. diesen ein wenig ihren Wert genommen. Oder wie sollen wir rechtfertigen, dass es das nach Corona eben nicht mehr kostenlos gibt? Ich befürchte, dass wir unsere Bemühungen, dass eben auch im Internet – obwohl digital und nicht haptisch zu greifen – nicht alles gratis, kostenfrei, unentgeltlich, für Gottes Lohn zu haben ist, eben mal in 3-4 Monaten zunichte gemacht haben.

Musiker, Dirigenten, Komponisten, Verlage, kreative Köpfe, Experten – sie alle leben von dem was sie tun und müssen dementsprechend für Ihre Expertise, Ihr Wissen, Ihr Können, Ihre Arbeit entlohnt werden – offline und online. Lasst uns diese Menschen nicht wie Ehrenamtliche betrachten, nur weil wir hobbymäßig Musik machen. Wie Computer-Cracks, Designer, Heizungsmonteure und andere Berufstätige haben auch sie ein Anrecht auf Entlohnung für ihre (Dienst-)Leistungen.

Wir profitieren davon. Wie? Mit musikalischem Genuss, neuem Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen, zur Bereicherung unseres Lebens sowie unserer täglichen Arbeit und zur Bewältigung von unseren Aufgaben in den Musikvereinen bzw. Blasorchestern.

Musik hat ihren Wert. Noten haben ihren Wert. Konzerte haben ihren Wert. Fortbildung hat ihren Wert. Auch im Internet. Logisch bezahlt man dafür. Ich wünsche mir, dass das allen (wieder) bewusst(er) wird.

Deine Meinung dazu bitte unten in die Kommentare!

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    6 thoughts on “Randnotiz: Internet – alles kostenfrei, alles umsonst?

    • 10. Juli 2020 at 17:31
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      Hallo Alexandra,

      stimme dir in vollem Umfang zu! Die genannten Institutionen haben / werden genug monitär leiden.
      Ich muss allerdings zugeben, dass auch ich ich ein paar Stücke “für umme” herunter geladen habe.
      LG, Hebbi

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    • 10. Juli 2020 at 17:31
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      Schon Albert Einstein wusste: Was nichts kostet, ist nichts wert.

      Die Corona – Zeit startete (so meine Wahrnehmung) mit dem “etwas gutes tun”. Etwas der Gesellschaft mitgeben, gemeinsam etwas tun – fürs Gemüt. Als Beispiel sei angefügt die GEMA freien Noten für das Spiel um 18.00 Uhr auf dem Balkon.

      Doch dann kam das Marketing und witterte die große Chance. Unzählige kostenlose Angebote entstanden in kurzer Zeit. Es war schier endlos und undurchsichtig. Und die große Frage nach all den Aktionen bleibt bei “kostenlos” immer:
      Warum sollen sich jetzt mehr potentielle Kunden für mein Angebot interessieren, was vorher kostenlos war? Wer vorher nicht schon bereit war für Qualität und Leistung zu bezahlen, der war es auch nicht während Corona und der wird es auch nicht danach sein. “Kostenlos” hat meines Erachtens noch nie für nachhaltige neue Kundschaft gesorgt.

      Es war keine gute Aktion. Es wird einige Jahre dauern den Wert wieder zu vermitteln und entsprechende Bezahlung einzufordern.

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    • 11. Juli 2020 at 10:05
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      Liebe Alexandra,
      ich gebe Dir vollkommen recht, das war zu viel des Guten.
      Hinter allen Angeboten steckt viel Arbeit in der Organisation und der Aufbereitung der Inhalte. Das muss m. M. auch finanziell von den Konsumenten gewürdigt werden.
      Klar haben die Komponisten einen Nutzen, wenn nach Meet the Composer seine Werke stärker nachgefragt werden.
      Ich denke wir müssen schnellstmöglich wieder zurück diese Leistungen auch finanziell wertzuschätzen.
      Bei den Blasmusikverbänden kann man darüber natürlich diskutieren, da die Vereine ja Mitgliedsbeiträge zahlen.
      Ich habe in den letzten Monaten an digitalen Formaten der bayerischen Verbände teilgenommen, habe mich gefreut, dass sie kostenfrei auch für Nichtmitglieder waren, wäre aber auch bereit gewesen, dafür zu zahlen…
      Lg
      Markus

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    • 14. Juli 2020 at 11:12
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      Ich würde hier nicht alles über einen Kamm scheren. Der Verlag, der Ausschnitte aus bzw. Teile von Werken kostenlos zur Verfügung gestellt hat, macht damit Appetit auf das kostenpflichtige volle Werk. Der Musikverein, der seine Proben uns Konzerte ausfallen lassen musste, kann mit den Virtuellen Orchestern die Musiker und das Publikum gleichermaßen bei Laune halten und so in Erinnerung bleiben. In nicht wenigen Fällen war damit auch ein Aufruf zu Spenden verbunden, was in völlig legitim finde, da viele Orchester sich durch die Konzerte und Musikfeste finanzieren.
      Und den Menschen ist die Musik nicht ausgegangen, gerade in dieser schweren Krise, in der viele ziemlich allein waren.
      Wird es leicht sein, jetzt zur Normalität zurückzukehren? Sicher nicht, aber meiner Einschätzung nach sind wir da auch noch Monate von entfernt!
      Also lasst die Angebote jetzt wieder was kosten, dann wird sich zeigen, wem diese neuen Formate so gut gefallen haben, dass er es auch weiter nutzen will! Vielleicht werden wir alle positiv überrascht, wie die Menschen reagieren!

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    • 17. Juli 2020 at 8:55
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      Hallo Alexandra,
      Du sprichst mir aus dem Herzen.
      Prinzipiell sollte Qualität immer auch ihren Preis haben. Dinge, die nichts kosten, werden leider nur selten wertgeschätzt.
      Leider denken viele in unserer Gesellschaft, dass Kultur (und im Besonderen Musik) möglichst kostenlos sein sollte.
      In der Zeit des Lockdowns haben viele Musiker Onlinekonzerte gegeben, die Reaktionen darauf waren auch meist positiv. Der einzige Lohn waren aber nur aber ein paar salbungsvolle Worte seitens der Politik, wie “kreativ und einfallsreich ” unsere Künstler doch sind. Applaus ist zwar das Brot des Künstlers, aber der Mensch lebt eben bekanntlich nicht vom Brot allein…
      Ansonsten sind unsere Verantwortungsträger in erster Linie damit beschäftigt, den Kulturschaffenden Knüppel zwischen die Beine zu werfen, was bis heute im Prinzip einem Berufsverbot gleichkommt.
      Die Verordnung des KM Baden – Württemberg vom 7.7. (Verbot von Blasinstrumenten und Singen in Schulen für das komplette Schuljahr 2020/21) ist ein Schlag ins Gesicht für alle, denen Jugendarbeit im Blasmusikbereich etwas bedeutet.
      So, jetzt bin ich etwas vom Thema abgekommen, aber die ganze Thematik bringt mich immer wieder in Rage.

      Dir, liebe Alexandra, möchte ich aber ein großes Lob aussprechen, Dein Blog ist einfach klasse, Du schaffst es immer wieder, die Dinge auf den Punkt zu bringen

      Viele Grüße
      Ralph

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    • 3. August 2020 at 22:37
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      Alles hat einen, seinen Wert, leider nicht immer seinen Preis. Das Internet erweckt wie viele andere Dinge einen falschen Eindruck. Die Anbieter holen sich das Geld bei den Zulieferern (Komponisten, Arrangeuren, Druckern etc.. Sicher wird der Markt für diese härter, sicher erleben wir dadurch langfristig die Reduzierung oder zumindest Verschlankung des Angebots. Oder wir werden im Internet mit Werbung überschüttet.

      Schaut auf den Fussball, die Millionengehälter können nur mit Werbung bezahlt werden. Produkte die nicht beworben werden haben im Supermarkt keinem Wiedererkennungseffekt und werden nicht gekauft. Der Anteil der Werbung am Produktpreis nimmt immer zu.

      Irgendjemand bezahlt immer……

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