Donnerstag, November 21, 2024
SinfonischWerke

Spartenreichtum Blasorchester – Fluch oder Segen? – Teil 3

Für die Ausgabe 2/2019 der Fachzeitschrift Eurowinds habe ich in der Serie „Schrittmacher der Blasmusik“ ein Interview mit dem Dirigenten und Komponisten Dominik Wagner über das Thema „Spartenreichtum Blasorchester – Fluch oder Segen?“ geführt. Dieses Thema fand ich so spannend, dass ich es auch hier auf dem Blasmusikblog.com aufgegriffen habe. Ich habe verschiedene Dirigentinnen und Dirigenten gefragt, ob sie sich zu diesem Thema äußern möchten. 

Im diesem dritten Teil haben Stephan Niederegger aus Südtirol und Andreas Simbeni aus Österreich ihre Gedanken zum Thema aufgeschrieben.

Stephan Niederegger

Stephan Niederegger
Stephan Niederegger

Stephan Niederegger ist seit 2015 Kapellmeister der Musikkapelle Niederdorf und hat zuvor in anderen Musikkapellen in Südtirol gespielt (Klarinette) und dirigiert. Er ist Pressereferent im Verband Südtiroler Musikkapellen und freier Mitarbeiter der Tageszeitung Dolomiten. Im Hauptberuf ist er Gemeindebeamter in St. Lorenzen bei Bruneck.

Hier seine Gedanken zum Thema:

„Aus der (altösterreichischen) Tradition war es seit jeher Aufgabe der Blas- und Bläsermusik, die Werke der Kunstmusik einem breiten Publikum näher zu bringen. Konzerte und Opern waren einem elitären Publikum vorbehalten, weshalb gar einige der Alten Meister selbst Transkriptionen ihrer „Ohrwürmer“ verfassten oder verfassen ließen, damit diese auf den Straßen und Plätzen gespielt und unters Volks gebracht wurden. Demzufolge ist es auch heute noch sinnvoll und gerechtfertigt, dass Blasorchester und Musikkapellen nicht nur Originalwerke und traditionelle Blasmusik spielen, sondern auch klassische Musik in ihr Repertoire aufnehmen. Dabei sind sowohl der Arrangeur als auch der Dirigent und Kapellmeister in die Pflicht gerufen, nicht nur einen mittelmäßigen Abklatsch des Originals zu präsentieren, sondern den musikalischen Urtext in die Sprache der Blasmusik mit ihren eigenen Klangnuancen zu übertragen. Es liegt auf der Hand, dass sich nicht jedes klassische Werk dafür eignet und auch der Schwierigkeitsgrad die Spielbarkeit beeinflusst. Vorausgeschickt, dass der Arrangeur seine Hausaufgaben gemacht hat, ist es Aufgabe des Kapellmeisters, mit seinen Musikantinnen und Musikanten die Musik originalgetreu zu erarbeiten. Und darin liegt die große Herausforderung. Amateurmusiker haben dabei zwar nicht den musikalischen Bildungshintergrund eines Profimusikers, können aber mit Leidenschaft und Engagement daran wachsen. Manch einer ist erst dadurch mit der Musik von Verdi oder Rossini in Kontakt gekommen – ein Erlebnis, das vielleicht sein weiteres (musikalisches) Leben beeinflusst und geprägt hat.

Ich sehe es sowohl aus Sicht des Musikers als auch des Zuhörers wichtig und richtig, dass Blasorchester und Musikkapellen – immer im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten – ein breites musikalisches Spektrum abdecken. Nicht außer Acht dürfen dabei der Aufführungsort und der Anlass gelassen werden, damit der Auftritt auch authentisch bleibt.

Leider muss immer wieder festgestellt werden, dass sich die Musikkapellen zwar auf ihre Jahres- und Hauptkonzerte sehr intensiv vorbereiten, die alltäglichen Aufgaben im kirchlichen und weltlichen Jahreskalender aber vernachlässigen. Und gerade auch für diese so genannte „Gebrauchsmusik“ kann aus dem Spartenreichtum der Blasmusik „gefischt“ werden. Das macht sowohl die Vorbereitung für die Musikantinnen und Musikanten als auch den Auftritt für das Publikum umso interessanter und wertvoller.

„Es kommt nicht darauf an, WAS man spielt, sondern WIE man es spielt.“
(Sepp Thaler, 1. Südtiroler Landeskapellmeister)

Daher sehe ich das breitgefächerte Repertoire der Blasmusik keineswegs als Fluch, sondern als Segen. Dieser Herausforderung muss sich der Kapellmeister mit dem nötigen Fachwissen und Pflichtbewusstsein und der Musiker mit der entsprechenden Aufgeschlossenheit und dem notwendigen Engagement stellen.“

Stephan Niederegger
(VSM-Medienreferent)

Andreas Simbeni

Andreas Simbeni
Andreas Simbeni

Andreas Simbeni ist Direktor der Regionalmusikschule Sieghartskirchen in Niederösterreich, Komponist und Dirigent. Hier sein Statement:

„Ich persönlich empfinde den Spartenreichtum im Genre Blasorchester als Segen. Die Möglichkeit, sowohl die große Anzahl an Laienorchestern als auch das Publikum, welches nur selten ein Konzert besucht, mit Musik aller Sparten zu „konfrontieren“ ist doch eine Chance, diesen Menschen dadurch auch eine gewisse Form der Bildung und Horizonterweiterung mit zugeben. 

Oft ist das Publikum auch sehr dankbar und aufgeschlossen, eine möglichst große Vielfalt zu erleben. Es kann doch nichts Besseres passieren, als dass nach einem Konzert diskutiert wird!

Von den Orchestern würde ich mir oft wüschen, dass auf die Interpretation der verschiedenen Sparten mehr Wert gelegt wird. Dies mag schwierig sein, ja, aber ohne Herausforderung keine Weiterentwicklung.“

Andreas Simbeni

Ein herzliches Dankeschön an Stephan Niederegger und Andreas Simbeni für ihre Beiträge für diesen Round-Up-Post!

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    2 thoughts on “Spartenreichtum Blasorchester – Fluch oder Segen? – Teil 3

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