Wo Karrieren eigentlich beginnen
Eine Reise ins Zentrum der Musikwelt
Ein Gastbeitrag von Florian Forker, erschienen in der TPKinfo Nr. 48 | 2020
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Mal ehrlich: Haben Sie schon mal etwas von Markneukirchen gehört oder gelesen? Nein? Ich wette mit Ihnen, dass Sie mehr mit diesem Ort zu tun haben, als Sie jetzt denken – zumindest wenn Sie ein Instrument der Marke Schreiber, Keilwerth, Courtois, B&S, Besson, Buffet Crampon, Hoyer, Scherzer, Melton Meinl Weston, Parmenon, Rigoutat, Verne Q. Powell, Voigt, Schmidt, Willenberg, Mönnig, Adler, Hammig oder Lederer Ihr Eigen nennen, um nur einige zu nennen.
Denn all diese Instrumente haben eins gemeinsam: Sie wurden und werden seit über 350 Jahren von den über 100 ortsansässigen Manufakturen in eben diesem kleinen und beschaulichen Städtchen im sächsischen Vogtland entworfen und gebaut.
Markneukirchen ist Teil des sogenannten Musikwinkels von Deutschland, der mit den anderen Orten Wernitzgrün, Erlbach, Klingenthal und Schöneck das globale Zentrum des Musikinstrumentenbaus bildet. Ja, Sie haben richtig gelesen. Global! Es gibt auf der Welt keinen zweiten Ort und keine zweite Region, wo man so viele verschiedene Instrumentenbauer auf einem Fleck findet wie hier. Nicht in Japan, nicht in den U.S.A. und noch nicht mal in China. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen hat man auch gute Chancen, dort auf der Straße dem einen oder anderen Musiker von Weltrang zu begegnen, der gerade auf dem Weg zu einer dieser Werkstätten ist, in welcher er sich derzeit sein neues Instrument anfertigen lässt.
Der Musikwinkel ist weltweit so berühmt, dass man ihm mittlerweile – in Anlehnung an das kalifornische Tal der Computerentwickler – den treffenden Namen „Musicon Valley“ verpasst hat. Übrigens werden nicht nur Blasinstrumente hier gebaut. Der Musikwinkel ist auch Geburtsort vieler Geigen, Gitarren und Harmonikas. Aber das nur am Rande bemerkt.
Was verschlägt aber nun ein Nordlicht der TPK Hamburg gerade in das abgelegene Tal an die sächsisch-bayrisch-tschechische Grenze? Es folgt einer Einladung der Erlebniswelt Musikinstrumentenbau, einem Unternehmen und Verein, welcher sich zum Ziel gesetzt hat, die jahrhundertelange Kultur des Instrumentenbaus zu bewahren und vielen begeisterten und interessierten Musikern und Nicht-Musikern die Welt des Instrumentenbaus näher zu bringen. Und sie bieten ihre organisatorische Hilfe an, wenn ein Orchester mit dem Gedanken schwanger geht, einen ein- oder mehrtägigen Ausflug dorthin unternehmen zu wollen.
Wie ein Instrument eigentlich entsteht
Der Einladung gefolgt waren eine gute Hand voll Medienvertreter und Funktionäre unserer deutschen Musikverbände aus Nord und Süd, die die Chance hatten, nicht nur die deutsch-tschechische Landschaft und Küche zu erkunden, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen der größten Manufaktur Buffet Crampon zu werfen. Eben hautnah zu erleben, wie ein Holz- oder Blechblasinstrument vom ersten Schnitt an entsteht und vor allem, wieviel Mühe und Zeit die einzelnen Handwerker in jedes Instrument investieren, damit am Schluss ein Produkt höchster Güte – kunsthandwerkliches Unikat trifft es besser – entsteht.
So manches mal schoss einem da ein, dass auch die eigenen Musikschüler die ganze Arbeit eigentlich mal zu sehen bekommen müssten, wenn sie wieder mit einer Schramme mehr im Instrument zum Unterricht erscheinen.
Wer jetzt vielleicht denkt, sich im nächsten Baumarkt einfach einen Meter Holz zu kaufen und mit dem Instrumentenbau loszulegen, dem sei leider gesagt, dass zwischen Materialeinkauf und -verarbeitung schon am Anfang mindestens 7 – 10 Jahre liegen werden, denn mit der Lagerung und Trocknung des Holzes fängt erstmal jeder Instrumentenbau an. Überhaupt ist gerade bei den Holzblasinstrumenten an das richtige Material nur sehr schwer heranzukommen. Klarinetten und Oboen werden aus afrikanischem Grenadillholz hergestellt, einer von den internationalen Zollbehörden mittlerweile stark überwachten seltenen, weil nur spärlich wachsenden Holzart. Fagotte vertragen hingegen nur Ahornholz vorzugsweise aus Serbien, und dort auch nur ab einer bestimmten Höhe über Normalnull. Auch Holzblasinstrumente haben da also so ihre Ansprüche an das perfekte Holz – eben für den perfekten Klang. Klar, dass mit Baumarktkiefer da erst recht kein Blumenpott zu gewinnen ist, wenn man ernsthaft mitspielen möchte.
Bei den Blechbläsern ist es genauso eine Wissenschaft. Allein das mühselige Ziehen und in-Form-Bringen des Metalls, um aus dem Rohling einen halbwegs runden Schallbecher zu formen. Es dauert Stunden und Tage. Rohre müssen gefertigt und gebogen werden mit Präzisionen im Hundertstel Millimeter-Bereich, die Maschine – sie macht ja erst die ganzen Töne abseits der Naturtöne möglich – filigran gesägt, gefräst und zusammengesetzt werden. Blechblasintrumentenbauer stehen Uhrmachern da in nichts nach. Und über allem steht das Polieren des Werkstücks. Das ist immer wiederkehrende, Ausdauer verlangende Schwerstarbeit, bis das Ergebnis nach Tagen und Wochen tadellos im Licht erstrahlt. Das ganze Tafelsilber der englischen Queen ist da wohl schneller auf Hochglanz gebracht. Und wenn das Instrument dann schließlich fertig und vollkommen in seiner Schönheit vor einem steht: Haben darf man es trotzdem noch nicht. Denn alle Instrumente werden am Ende erst von Profimusikern auf Herz und Nieren getestet. So manches Instrument muss da nach fachkundiger Begutachtung noch mindestens einmal zur Nachbesserung auf die Werkbank zurück. Sehr gut reicht nicht, es muss eben perfekt sein.
Was man noch erleben kann
Ganz klar: Das Musikinstrumentenmuseum in Markneukirchen mit der größten Tuba und der größten Geige der Welt ist ein Muss. Und der nahe Kurort Bad Elster lädt zum Verweilen und Musizieren im Kurhaus ein. Und wer es etwas technischer mag, der besucht einfach die interessante Raumfahrt-Ausstellung von Kosmonaut Sigmund Jähn in Morgenröthe-Rautenkranz. Und was hat nun das Musicon Valley mit beginnenden Karrieren zu tun? Nun ja, wenn Sie nicht gerade Sängerin oder Sänger sind, dann liegt die Antwort in Form des Instruments aus dem Musikwinkel sprichwörtlich ja auf Ihrer Hand, nicht wahr?
Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, einen Ausflug mit Ihrem Musikverein nach Markneukirchen zu unternehmen, wenden Sie sich bitte direkt an das Büro von Musicon Valley / Erlebniswelt Musikinstrumentenbau. Nennen Sie den Rabattcode “MUSICONVALLEY” oder sagen Sie, dass Sie die Informationen auf dem Blasmusikblog.com gelesen haben. Nur dann erhält eine Person aus Ihrem Verein den Aufenthalt in Markneukirchen kostenfrei!
Ein herzliches Dankeschön an Florian Forker, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der TPK Hamburg für diesen Gastbeitrag und die Fotos. Zur kompletten TPKinfo geht es hier: https://www.tpk-hamburg.de/tpkinfo/
©alle Fotos: Florian Forker www.florianpeterforker.de
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