12 Blasorchesterwerke für den Ruhepunkt im Konzert
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Es gehört zu den schwierigsten Disziplinen der Blasorchester, ruhige und langsame Werke zu spielen. Andererseits können wir in keinen anderen Genres so viel lernen wie mit diesen Stücken. Musikalische Bögen, Spannung in der Musik, Orchesterklang, Balance und nicht zuletzt Intonation. Alles richtig und passend gespielt sind diese Werke sehr oft – obwohl ruhig und langsam – die Highlights in einem Konzert. Denn genau diese Art Musik erzeugt Gänsehaut, ruft Emotionen aus dem tiefsten Inneren hervor und lässt uns fesselnd zuhören.
In diesem Beitrag stelle ich 12 ruhige und langsame Blasorchesterwerke vor, die mir besonders gut gefallen. Es sind „Klassiker“ und „All-Time-Favourites“ dabei, ebenso wie neuere Werke. Gemeinsam haben diese Werke – neben der Tatsache, dass sie alle in die Kategorie „Ruhepunkt“ gehören – nur, dass sie zu meinen persönlichen Lieblingsstücken gehören. Die Reihenfolge ist zufällig entstanden.
Ich hoffe, dass meine Vorschläge für Euch eine kleine Inspirationsquelle sind.
Robert Sheldon: One Thousand Cranes
Die Geschichte hinter diesem Werk ist sehr berührend. Eine alte japanische Legende besagt, wer 1.000 Origami-Kraniche faltet, dem wird ein Wunsch erfüllt.
Das Mädchen Sadako Sasaki überlebte den Atombombenabwurf durch die Amerikaner in Hiroshima. Sie war damals zwei Jahre alt. Rund 10 Jahre später erkrankte sie an Leukämie. Eine Freundin erzählte ihr von der Legende. Fortan begann sie Origami-Kraniche – in Japan „Sembazuru“ – zu falten. Ihr Wunsch nach Leben ging leider nicht in Erfüllung. Die Geschichte der kleinen Sadako ging um die ganze Welt und somit wurden die Papier-Kraniche zum Symbol der Friedensbewegung und des Widerstands gegen den Atomkrieg.
Das Beitragsbild zeigt übrigens das Denkmal in Hiroshima für das Mädchen Sadako Sasaki.
Ted Huggens: Pavane in Blue
Ein Klassiker! Und gleichzeitig ein Symbol der beginnenden und fortschreitenden Verselbständigung des originalen Blasorchesterrepertoires. Ted Huggens – mit Echt-Namen Henk van Lijnschooten (*1928 †2006) – steht wie kein anderer Name für diese neue Art von Blasorchesterwerken der 70er und der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Seine Werke waren damals für mich wie eine Art „Offenbarung“.
Im Musikverein spielten wir – neben den üblichen Polkas, Märschen und Walzern – quasi fast ausschließlich irgendwelche „Potpourries“. Das war die Zeit, in der ich eine regelrechte Abneigung gegen Bearbeitungen jeglicher Art entwickelte. Logisch hat mich das in meinen Ansichten geprägt. Seither bin ich Verfechterin der originalen Blasorchesterliteratur. Ich fand es einfach stinklangweilig, diese „Potpourries“ (zu denen man heute eleganter „Medleys“ sagt) zu spielen. Und wenn ich Ted Huggens bzw. Henk van Lijnschooten als Komponist nicht entdeckt hätte, würde ich heute bestimmt keine Blasmusik mehr machen.
Pavane in Blue (erschienen 1976!) gehört für mich in die Kategorie „Immer wieder gut!“ bzw. „Ist und bleibt gut!“. Ebenso wie (fast) alle anderen Werke von Henk van Lijnschooten bzw. Ted Huggens.
Serge Lancen: Hymn à la Musique
Die Hymn à la Musique von Serge Lancen ist noch einmal ein ganzes Stück älter als die Pavane in Blue. Sie erschien bereits 1970. Die Musik von Serge Lancen (*1922 †2005) habe ich erst sehr viel später entdeckt. Sie ist sehr viel komplexer als die Musik von Henk van Lijnschooten/Ted Huggens und nicht immer sehr schnell zugänglich. Das Orchester muss vergleichsweise mehr arbeiten, damit sich die Schönheit der Musik entfalten kann. Die Musik von Serge Lancen verzeiht keine schlechte Intonation und keine unsaubere Klangqualität.
Philip Sparke: A quiet Moment
Der Meister spielerischer und technisch anspruchsvoller Musik für Blasorchester kann auch anders. Er kann auch ruhig. Dies entspricht, so wie ich Philip kenne, auch ganz seinem Naturell. Er ist einerseits einer der witzigsten Menschen, den ich kenne. Andererseits kann man ihn aber auch sehr ruhig und in sich gekehrt erleben. Er schrieb dieses „kleine“ Werk in Gedenken an einen im Jahr 2006 verstorbenen amerikanischen Dirigenten.
André Waignein: Air for Winds
André Waignein (*1942 †2015) hinterließ uns eine Fülle an Blasorchesterliteratur. Er war ein Vielschreiber. Ein hochgeschätzter Vielschreiber! Mit einigen Pseudonymen, von denen heutzutage, glaube ich, keines mehr geheim ist. Unter Rob Ares schrieb er ein weiteres ruhiges Werk, das genauso wie Air for Winds, zu seinen vielgespielten Werken gehört Cantabile for Winds. Diese Werke sind leicht zugänglich – sowohl für die MusikerInnen als auch die Zuhörer. Und eignen sich in großartiger Weise nicht nur als Ruhepunkt im Konzert, sondern auch zur Klangarbeit und für viele kirchliche Anlässe. Obwohl, das gilt bestimmt für alle langsamen Werke gleichermaßen…
(Risk) Everything for a Dream / Richard L. Saucedo
Die amerikanische Organisation UNITED SOUND setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung an den Schulen in den USA Instrumente und entsprechenden Unterricht erhalten. Im Vorwort ist zu lesen:
“Dieses Stück wurde geschrieben, um die Gründung von “United Sound” zu feiern. Eine Organisation, die von meiner guten Freundin Julie Outy gegründet wurde und dessen einziger Zweck darin besteht, jungen Menschen mit Behinderung das Musizieren zu ermöglichen. Ich glaube so an diese Initiative, dass ich mich dazu entschlossen habe, dieses Stück für Jugendblasorchester zu schreiben. Ich hoffe, dass (Risk) Everything For A Dream irgendwann eines der vielen Stücke sein wird, die verwendet werden, um Schüler mit besonderen Bedürfnissen in den Blasorchestern zu integrieren.”
James Barnes: Yorkshire Ballad
Man denkt, es wäre eine Transkription bzw. Bearbeitung eines englischen oder irischen Volksliedes. Es hört sich ein wenig nach Grainger an. Und doch ist Yorkshire Ballad original von James Barnes komponiert. Gehört habe ich es schon oft als Einspielstück bei Wertungsspielen. Irgendwo habe ich gelesen, es wäre eines der populärsten Stücke von James Barnes. Nun, das mag so sein. Aber vielleicht liegt das nicht nur daran, dass es einfach wunderbare Musik ist, sondern, weil es für viele Orchester spielbar ist. Die Meisterwerke von James Barnes sind ja meist in den oberen Schwierigkeitsgraden angesiedelt.
Frank Erickson: Air for Band
Der Klassiker schlechthin! Gibt es Blasorchester, die niemals dieses Werk gespielt haben? Oder seine Toccata for Band? Auch Frank Erickson (*1923 †1996) gehört zu den Wegbereitern der originalen Blasorchesterliteratur, die auch für Amateur-Orchester der unteren Klassen spielbar ist. Vielleicht ist er das, was Serge Lancen für Frankreich und Henk van Lijnschooten für die Niederlande war, für die USA? Obwohl – da gibt es ja auch noch Alfred Reed… Ich weiß es nicht – aber es wäre eine spannende Frage, die ich gerne mal den hier mitlesenden Musikwissenschaftlern stellen würde.
Zu Air for Band möchte ich noch sagen: Wer’s noch nie gespielt hat, sollte es unbedingt einmal programmieren bzw. tun!
Percy Grainger: Colonial Song
Okay, ich gebe es zu. Ich habe schon viel Grainger gespielt. Ich habe schon unheimlich viel Blasorchesterliteratur überhaupt in den vergangenen vier Jahrzehnten gespielt. Aber Colonial Song gehörte bis im letzten Jahr nicht dazu. Ich kannte es nicht mal – Schande über mein Haupt! Aber diese Wissens- bzw. Repertoire-Lücke in meinem Portfolio wurde im letzten Jahr geschlossen, als wir es mit dem Freiburger Blasorchester gespielt haben.
Jan Van der Roost: Adagio for Winds
Anspruchsvoll! Und das im Tempo Viertel = 48 (nach MM). Vor allem auch für den Dirigenten. So langsam zu dirigieren, dass auch die musikalischen Linien mit Spannung über viele Takte ausgeführt werden…. Stelle ich mir vor allem für Dirigenten sehr schwer vor! (Douglas Bostock würde vermutlich die Empfehlung abgeben: ‚Dirigieren, als würdest Du den Taktstock durch Honig ziehen‘. Aber das ist nur eine Vermutung, die auf vielen Jahren Erfahrung meinerseits mit dem Spielen im Meisterkurs-Orchester in Staufen an der BDB-Musikakademie gründet.).
Es gibt ein Vorbild für dieses Werk: Adagio for Strings von Samuel Barber – aber klanglich und von der Instrumentation her ist es ein echter Van der Roost!
Thierry Deleruyelle: Children’s Oak
Die französische Stadt Beauquesne liegt nahe der Somme. In beiden Weltkriegen wurde sie in schwere Mitleidenschaft gezogen. Wir können uns vielleicht nur in etwa vorstellen, was das für eine Gemeinde nach diesen Kriegen bedeutet hat. Der Wunsch des örtlichen Blasorchester an Thierry Deleruyelle war, dass die Musik an die schrecklichen Ereignisse der beiden Kriege erinnern, aber auch von Hoffnung geprägt sein soll.
Der Titel ist übrigens an die Bedeutung des Ortsnamens angelehnt. Im Dialekt der Gegend bedeutet er übersetzt “die schöne Eiche” oder “Kinder der Eiche” (Oak).
Jacob de Haan: Ammerland
Genauso könnte ich an dieser Stelle auch Yellow Mountains, Eventide (unter Verwendung des Chorals „Abide with me“), Monterosi, Adagietto (als Auskopplung aus dem beliebten Concerto d’amore) oder In Memoriam nennen. Aber Ammerland – so vermute ich – ist bestimmt das beliebteste unter den langsamen Werken von Jacob de Haan. Selbst in Amerika ist es ein absoluter Bestseller.
Das Ammerland liegt übrigens in Niedersachsen, westlich von Oldenburg. Das ist gar nicht so weit vom Wohnort des Komponisten entfernt.
Die Musik spricht für sich:
Es gibt noch viel mehr empfehlenswerte ruhige, langsame Werke für Blasorchester. Eure Favoriten dürft Ihr gerne unten in die Kommentare schreiben!
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Liebe Alexandra,
danke für die wunderbare Aufstellung.
Thomas Doss St. Florian Choral gehört da sicherlich auch dazu. Beim Repertoirewochenende von De Haske vor vielen Jahren hat mich Bert Appermonts Song for Sakiko begeistert.
Thiemo Kraas darf in meiner Liste mit Allegro Religioso auf keinen Fall fehlen.
Vor drei Jahren habe ich beim musikalischen Austausch mit unserer Partnerstadt Meslay-du-Maine All is well entdeckt, meine Musiker im Jugendorchester lieben dieses Stück.
Liebe Grüße und danke für die Inspirationen für die nächsten Konzerte.
Markus
von Allegro Religioso lässt mir immer eine Gänsehaut
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Das “Lied ohne Worte” von Rolf Rudin sollte bei so einer Aufzählung nicht fehlen.
Ganz besonders mag ich die langsamen Sätze von Eric Whitacre: “Sleep”, “Lux Aurumque”, “Seal Lullaby” und natürlich “October”.
“Tears” von Paul Kusen, “In Late November” von Randall Standridge und natürlich: “Riften Wed” von Julie Giroux
Hallo Mathias,
herzlichen Dank für Deine Favoriten!
Von Julie Giroux bin ich auch großer Fan.
Viele Grüße
Alexandra
Hallo Alexandra,
leider ist nicht nur unser Konzert, sondern auch Beethovens Jubiläum Corona zum Opfer gefallen.
Ich hoffe, dass wir dieses Jahr diesem genialen Komponisten mit “Beethoven’s Romance” etwas gedenken können. Ein wunderschönes, ruhiges und trotzdem sehr melodiöses Stück, dass meine Bläser in die Welt der Klassik eintauchen lässt.
Viele Grüße
Peter