Warum wir im Musikverein keine Führungskräfte, sondern Manager brauchen

Wie jetzt. Führungskräfte und Manager sind nicht das Gleiche? Wieso wird dann immer von Vereinsführungskräften gesprochen? Wieso legen manche Verbände Wert darauf, Führungskräfte auszubilden?

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich schon damit, wie die Vereinsorganisation so aufgestellt werden kann, dass die Aufgaben auf so vielen Schultern wie möglich verteilt wird.

Wenn wir uns die Vorstandschaften der Musikvereine ansehen, so haben schon viele auf Teamarbeit in unterschiedlichen Ausprägungen und Zusammensetzungen umgestellt. Aber die meisten arbeiten noch nach dem herkömmlichen Modell 1. Vorsitzender, 2. Vorsitzender, Kassierer, Schriftführer, x aktive Beisitzer, x passive Beisitzer. Das Ergebnis ist nahezu bei beiden Modellen aufgeblähte Vorstandschaften von bis zu 12 Mitgliedern (oder mehr). Sehr oft sitzen in den Vorstandschaften Personen, denen keine konkreten Aufgaben zugeordnet sind. Also quasi mehr oder weniger „nur mitschwätzen“. Selbst die Musikvereine, die schon teilweise teamorientiert sind, konnten sich noch nicht von gewissen „Ämtern“ verabschieden.

Die Nachteile einer großen Vorstandsriege liegen auf der Hand:

  • Terminfindungsschwierigkeiten
  • Sitzungen können ewig dauern
  • In den Sitzungen sitzen immer Personen, die für gewisse Tagungsordnungspunkte nicht notwendig sind
  • Sitzungsmüdigkeit hemmt die kreative Zusammenarbeit
  • Meist wird nicht gearbeitet, sondern lediglich Informationen ausgetauscht

Die Einwendungen gegen eine Verschlankung: „Aber wir brauchen doch Personen, die die viele Arbeit erledigen.“ Ja, aber die müssen nicht Vorstände im Sinne des BGB oder Teil der Vorstandschaft sein. Hier fordere ich ein ganz großes Umdenken.

Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass die Organisation des Vereins mit der Verteilung der anstehenden Aufgaben separat davon zu sehen ist, welche „Vorstände“ im Sinne des BGB §26, 1 und 2 als gesetzliche Vertreter gewählt sind. In diesem Paragrafen ist übrigens auch geregelt, dass ein „formaler“ im Sinne von „gesetzlicher“ Vorstand aus mehreren gleichberechtigten Personen bestehen kann.

Wenn wir weiter ins Gesetzbuch schauen, stellen wir fest, dass die „Macht“ in den Händen der Mitgliederversammlung liegt. Darauf anschließend hier die Definition von „Verein“ aus dem Gabler Wirtschaftslexikon:

„Charakterisierung: i. S. des BGB ist ein Verein eine auf gewisse Dauer berechnete Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, die als einheitliches Ganzes gedacht wird, daher einen Gesamtnamen führt und im Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine werden von Mitgliedern getragen, von denen „alle Macht ausgeht“. Sie bestimmen in Versammlungen über Satzungen und Grundsatzfragen, wählen die nachgeordneten Organe (Vorstand, Präsidium) und kontrollieren deren Aufgabenerfüllung. …“

Wenn wir dies nun in ein hierarchisches Modell hineindenken, kommen wir sehr schnell zu dem Schluß, dass an der Spitze des Vereins nicht der 1. Vorstand oder Präsident steht, sondern der Verein im Ganzen. Der Verein besteht aus der Summe seiner Mitglieder.

Besser gefällt mir diese Vorstellung: Der Musikverein an sich steht mit seinen Zielen oder – besser formuliert – mit seiner Mission, die im Zusammenspiel mit Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien definiert wurde, im Zentrum. Ihn umgibt idealerweise eine Organisationsstruktur mit verschiedenen Bereichen oder Teams, die aus Teammitgliedern bestehen, die jeweils wiederum Arbeitsgruppen bilden können. Die Bereiche funktionieren selbstorganisiert. Die Person, mit der größten Kompetenz in diesem Bereich, fungiert als Manager dieses Bereichs. Die Manager der einzelnen Bereiche bilden die „Vorstandschaft“.

Warum spreche ich von Managern und nicht von Führungskräften? Nun, das Wort „Führungskräfte“ impliziert, dass diese Personen sagen, wo es langgeht. Führungskräfte sorgen dafür, dass ihre Ziele erreicht werden – meist so, wie die Führungskraft selbst es im Sinn hat. Die Vereinsziele bzw. die Mission wird jedoch von jedem Verein selbst definiert – also von den Musikerinnen und Musikern selbst. Es braucht deshalb lediglich Personen, die dafür sorgen, dass die Aufgaben, die den einzelnen Bereichen zugeordnet wurden, erledigt werden. Manager eben. Schon in der Definition des Vereins nach Gabler wird von “… kontrollieren deren Aufgabenerfüllung”. Da steht nichts von Führung…

Wenn wir eine höhere Beteiligung an den außermusikalischen Aufgaben im Verein möchten, dürfen wir die Musiker, die sich idealerweise selbst den einzelnen Bereichen zuordnen, nicht als „Befehlsempfänger“ oder „Ausführende“ betrachten. Verantwortung abgeben, selbst gestalten lassen. Es gibt kein falsch, es gibt nur ein anders. Bzw. Fehler dürfen gemacht werden, aber nur um anschließend gleich zu analysieren, warum dieser Fehler passiert ist, um daraus zu lernen und nicht um einen Schuldigen anzuprangern.

Die Bereiche arbeiten somit selbstorganisiert. Auf den Manager können wir jedoch nicht verzichten, da, wie schon geschrieben, die Manager zusammen die Vorstandschaft bilden – das verbindende Glied aller Aufgaben im Verein. Außerdem hat jeder Manager eine ganz besondere Rolle: Er muss die Verbundenheit der Teammitglieder schaffen oder dafür sorgen, dass sie von selbst entstehen kann. Das Prinzip dahinter wird in betriebswirtschaftlichen Fachkreisen mit „Community building first, decision making second“ bezeichnet. Also aus der Summe der Personen, die in seinem Bereich mitarbeiten möchten, eine freundschaftliche Einheit schaffen. Dies ist vor allem für die Motivation und für eine reibungslose Zusammenarbeit wichtig. Welche Möglichkeiten hat er dafür? Nun, in erster Linie Kommunikation. Dann Kommunikation und wieder Kommunikation. Kontakt halten, die gleiche Sprache sprechen, Rituale einführen, Erfolge feiern.

Als „Chef“ ist der Manager jedoch trotzdem nicht zu Bezeichnen. Wer die Kompetenz bei der jeweiligen Aufgabe besitzt ist in dem Fall der Chef. Ein Beispiel: Der Zeltaufbau beim Musikfest steht an. Zunächst denkt man, die Verantwortung für den Zeltaufbau liegt beim Manager „Organisation“. In dessen Team ist jedoch eine Person, die sich besonders beim Zeltaufbau auskennt, weil er schon oft federführend dabei war. Die Verantwortung wird somit auf diese Person übertragen. Im Zeltaufbau hat diese Person die Rolle des Chefs.

Zunächst soll der Bereichsmanager also ein Team formen, das in freundschaftlicher Verbundenheit dann die Aufgaben erledigt. Diesen Gedanken finde ich besonders in unserer Musikvereinsszene sehr wichtig. Ein Musikverein ist schließlich ein „Ort“, an dem wir gemeinsam unsere Freizeit verbringen. Es muss da schön sein, Freude bereiten, Spaß machen, es muss Erfolge geben. Dies erreichen wir nur, wenn das Umfeld, die Qualität und die Ressourcen stimmen. Außerdem braucht es wie schon mehrfach geschrieben die gemeinsame Mission. All das gilt eben nicht nur für den musikalischen, sondern auch für den außermusikalischen Bereich. Einfach nur Musizieren ist in einem selbstorganisierten Verein nicht. Die Prinzipien sind:

  • Wir arbeiten gemeinsam am Verein – musikalisch und organisatorisch
  • Jeder hat eine außermusikalische Aufgabe gemäß seinen Kompetenzen und seiner Zeit, die er aufbringen kann
  • Wir erledigen die übernommenen Aufgaben selbstorganisiert
  • Es gibt keine Hierarchie

Was sind denn nun die vielzitierten „Bereiche“ im Vereinsmanagement? Im Prinzip gibt es in jedem Musikverein die gleichen 6 Bereiche. Bzw. alle anfallenden Aufgaben können in folgende 6 Bereiche eingeordnet werden:

  • Musik
  • Organisation
  • Verwaltung
  • Jugend
  • Finanzen
  • Marketing

Jeder Bereich arbeitet selbstorganisiert. Vertrauen und die Übertragung von Verantwortung müssen im freundschaftlichen Umfeld gegeben sein.

Die Vorteile dieser Betrachtungsweise bzw. dieses teambasierten Vereinsmanagements liegen auf der Hand:

  • Die Verantwortung und die Aufgaben werden auf so viele Schultern wie möglich verteilt
  • Es ist leichter, Personen für ein begrenztes Aufgabengebiet, terminiert und/oder für eine Teil-Verantwortung zu gewinnen, als für Vorstandsposten, die schon auf Grund ihrer Bezeichnung eine schwere Last auf den Schultern bedeuten (Bsp: „1. Vorstand“ oder „Präsident“)
  • Durch das Einbinden aller Musikerinnen und Musiker im Vereinsmanagement durch größere oder kleinere Aufgaben oder Aufgabengebiete wird die Bindung zum Verein gestärkt
  • Die Kommunikation innerhalb des Vereins wird automatisch verbessert, weil die Musiker eben nicht nur zu den Proben und Auftritten kommen, sondern sich vermehrt auf außermusikalischer Ebene begegnen und die Gelegenheit bekommen, sich über bestimmte Aspekte des Vereinslebens auszutauschen (zusätzlich zum wohlverdienten Feiern nach Proben und Konzerten)

Unter den geänderten Bedingungen der heutigen Zeit werden nur die Musikvereine überleben, die sich schnell und flexibel anpassen und weiterentwickeln. Und wie gelingt dies? Indem alle Musiker am Verein arbeiten und nicht nur mitspielen.

Diese teilweise abstrakten Gedanken werde ich in weiteren Blogbeiträgen sowohl vertiefen als auch in Lösungsansätzen, Werkzeugen, Grafiken und Vorgehensweisen für die praktische Umsetzung in Euren Musikvereinen aufbereiten.

Alle bisher erschienenen Beiträge zum Thema Teambasiertes Vereinsmanagement gibt es nun in einem praktischen PDF (30 Seiten) zum Download. Mit diesem PDF könnt Ihr alle Informationen zum Teambasierten Vereinsmanagement an Eure Vorstands-Kollegen weiterleiten.

Includes 19% tax

Um auf dem Laufenden zu bleiben hinterlasst hier gerne Eure Mail-Adresse:

[Werbung]

Quellen und weiterführende Literatur

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    6 thoughts on “Warum wir im Musikverein keine Führungskräfte, sondern Manager brauchen

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert