250.000 Euro für neue Kompositionen

Die Niederländer machen es uns vor: Eine mustergültige Initiative zur Erneuerung des Repertoires für Blasorchester aller Art. Sinfonisches Blasorchester (Harmonie), Fanfareorchester und Brass Band. Und das durch Bündelung aller zur Verfügung stehenden Kräfte sprich Blasmusikverbände und Nationale Wettbewerbs-Organisationen.

Doch der Reihe nach.

Eine Fähigkeit die ich mir in fast zwanzig Jahren arbeiten mit niederländischen Kollegen angeeignet habe ist, dass ich Niederländisch lesen und verstehen kann. Und da mich neben der deutschsprachigen Blasorchester-Szene auch die internationale Blasorchester-Szene und aus alter Liebe vor allem die niederländische Blasorchester-Szene mit ihrer Vielfalt an Sinfonischen Blasorchestern, Fanfareorchestern und Brass Bands interessiert, habe ich auch die wichtigste niederländisch sprachige Fachzeitschrift abonniert: Klankwijzer.

In dieser Zeitschrift bin ich im April auf einen Artikel über die Zusammenkunft der „Werkgroep Repertoirebeleid“ (Arbeitsgruppe für Repertoireangelegenheiten) gestoßen, in der ein für das Blasorchester-Repertoire der Niederlande fantastischer Plan beschlossen wurde: In einem Zeitrahmen von 5 Jahren sollen insgesamt 250.000 Euro für Kompositionsaufträge aufgebracht und zur Verfügung gestellt werden. Jedes Jahr also 50.000 Euro für Kompositionsaufträge in den Bereichen Ha, Fa und Bra in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden.

Möglich wird das durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Verbänden und Organisationen. Beteiligt sind zum einen der KNMO – der nationale Verband der Musikvereine in den Niederlanden. Dann das RIC – das Repertoire Informatie Centrum, einer weiteren gemeinsamen nationalen Initiative von unterschiedlichen Institutionen, die zum Beispiel für eine umfangreiche Bibliothek von Musiknoten, CDs und DVDs in den Niederlanden zuständig ist. Das RIC wird administrativ von Musidesk Rijnbrink unterstützt, das u. a. den Verleih von Musikalien usw. organisiert und von WMC (der Organistion für den Wereld Music Concours Kerkrade), NBK (der Organisation für die Nationalen Brass Band Meisterschaften), dem ONFK (der Organisation für die Offenen Fanfareorchester Meisterschaften) und dem VNM (der Vereinigung der Niederländischen Musikverbände) initiiert ist und getragen wird. Gemeinsam für alle Organisationen gibt es eben diese „Werkgroep Repertoirebeleid“, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Repertoire für Blasorchester (aller Art) in den Niederlanden zu erneuern und die nationale Blasmusikszene somit zu stärken. In dieser Arbeitsgruppe arbeiten Persönlichkeiten der niederländischen Blasmusikszene zusammen: Die Experten Ed de Boer, Joop Boerstoel, Rob Goorhuis und Alex Schillings, sowie die Funktionäre Bert Aalders (RIC), Johan Jansen (KNMO), Wout Ligterink (Musidesk Rijnbrink) und Toon Peerbaum (KNMO).

Noch ist es ein Plan und ein großartiges Vorhaben. Aber das Projekt kommt schon ins Rollen. Toon Peerboom schrieb mir, dass die ersten Schritte zur Realisierung schon in die Wege geleitet wurden.

Dem Plan rechne ich große Chancen ein. Zusammen bekommen das diese Fachleute und die Institutionen in den Niederlanden hin.

Der deutschen Blasmusikszene wie sie jetzt strukturiert und organisiert ist, traue ich so ein Projekt mit einem Budget von 250.000 Euro nicht zu. Jeder Verband kocht sein eigenes Süppchen, Zusammenarbeit ist nur rudimentär vorhanden. Jeder erfindet das Rad immer wieder neu – sei es in Ausbildung, Fortbildung oder Aktivitäten, die die Blasmusik nach vorne bringen sollen. Und in den Unter-Verbänden, den kleinsten Einheiten also, scheint mancherorts die wichtigste Aufgabe nur das Ehrungswesen zu sein.

Die Verbandslandschaft der Blasmusikverbände in Deutschland ist schwierig zu verstehen. Da gibt es einen Blasmusikverband Baden-Württemberg, der aber nur die Musikvereine in Württemberg unter seinem Dach vereint. Dann gibt es einen Bund Deutscher Blasmusikverbände, der aber nicht die deutschen Blasmusikverbände unter seinem Dach vereint, sondern lediglich die Blasmusikverbände in Baden und wenigen weiteren Gebieten. In Nordrhein-Westfalen gibt es einerseits den Volksmusikerbund und andererseits den Blasmusikverband Nordrhein-Westfalen der wiederum zum Bund Deutscher Blasmusikverbände gehört. Und dann gibt es einen Dachverband aller Blasmusikverbände (Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände – in dem aber nur die Blasmusikverbände organisiert sind), dessen Aufgabe es neben der Pflege der Repertoireliste ist, alle paar Jahre ein Deutsches Musikfest auszurichten, das in Tat und Wahrheit jedoch nicht ein Deutsches Musikfest, sondern ein Deutsches Blasmusikfest ist – Sinfonieorchester, Chöre, Akkordeonorchester usw. habe ich bei diesem Deutschen Musikfest noch nie gehört…

Meiner Meinung nach gehört in Deutschland die komplette Verbandsstruktur überdacht und überarbeitet. Kleine Verwaltungseinheiten von weniger als 100 Musikvereinen (teilweise noch eingeteilt in Bezirke), die dann wieder zu einem nächst größeren Verband gehören, der dann wiederrum zu einem Dachverband gehört macht heutzutage keinen Sinn mehr. Und jeder dieser kleinsten Einheiten wird wiederrum von einem Präsidium von zum Beispiel bis zu 12 Verbandsfunktionären geleitet, die erst einmal gesucht und gefunden werden müssen. Was ja auch immer schwieriger wird. Anstatt die Kräfte zu bündeln und für die Sache Blasmusik insgesamt etwas zu bewirken, finden viel zu viele Präsidiumssitzungen überall in Deutschland statt, in denen überall über das gleiche diskutiert wird, ohne dass das flächendeckend für die Blasmusikszene etwas bewirkt. Größere Vereinsverbünde entlasten Ehrenamtliche zum Beispiel durch die Einsetzung von hauptamtlichen Mitarbeitern. Und hauptamtliche Mitarbeiter lohnen sich finanziell nur, wenn die Verwaltungseinheit größer ist.

Ich plädiere für eine verstärkte Zusammenarbeit und eine umfassende Verbandsreform mit größeren Verwaltungseinheiten. Ein starker Dachverband, ein Unterverband pro Bundesland (= ein echter Landesverband) und innerhalb des Bundeslandes (politisch sinnvoll eingeteilte) Kreis- oder Bezirksverbände mit mindestens 150-200 Musikvereinen. Für die flächendeckende Durchsetzung von Maßnahmen, die die Blasmusikszene insgesamt (auch politisch gesehen) voranbringen und ein positives Image der Blasmusik transportieren, ist ein starker deutscher Dachverband von großer Notwendigkeit. Dann liegen auch Kompositionsaufträge zur Erneuerung des Repertoires oder Kompositionswettbewerbe, spartenübergreifende Großprojekte, die flächendeckende professionelle Aus- und Fortbildung von Dirigenten und Führungskräften, eine nationale Blasmusik-Präsenzbibliothek, die Bündelung der Kräfte mit den anderen musikalischen Verbänden in Deutschland zur Stärkung der Amateurmusik insgesamt (Stichwort “Deutsches Musikfest”) und – neben vielen weiteren Ideen – eine werbemäßig großangelegte Imagekampagne für die Blasmusik im Bereich des (finanziell und administrativ) Möglichen.
Wer seine Meinung und Gedanken zu diesen Themen mitteilen möchte, kann gerne einen Kommentar unter diesem Beitrag im Kommentarfeld hinterlassen. Diskutieren, eigene Erlebnisberichte und auch konträre Meinungen ausdrücklich gewünscht.

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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