Mittwoch, Oktober 9, 2024
MusiklebenWettbewerbe

10 Gründe, warum sich Wertungsspiele / Wettbewerbe für ein Blasorchester lohnen

Letzten Monat habe ich anlässlich des Musikfest Baden-Württemberg an 7 mit ihren Blasorchestern teilnehmenden Dirigenten jeweils 6 Fragen gestellt. Aus den Interview-Antworten der Dirigenten habe ich die wichtigsten Gründe die für ein Wertungsspiel bzw. einen Wettbewerb sprechen herausgeschrieben. Ich bin auf folgende 10 Gründe gestoßen, warum es sich lohnt, teilzunehmen und das eigene Blasorchester bewerten zu lassen.

Allen, die skeptisch gegenüber Wertungsspielen bzw. Wettbewerben stehen, sollen diese Gründe Mut machen, teilzunehmen.

  1. Intensiv, zielorientiert proben – der Weg ist das Ziel

Nicht die Punktzahl am Ende ist das Wichtigste. Nein, die intensiven Proben mit dem Ziel, das Werk so gut wie möglich spielen zu können.

  1. Blasorchester qualitativ weiter bringen

Das intensive Proben wird sich nachhaltig auf die Qualität des Blasorchesters auswirken.

  1. Intensive Auseinandersetzung mit zwei Werken

Auch auf die Werke für das Jahreskonzert wird intensiv geprobt. Aber für das Wertungsspiel bzw. den Wettbewerben stehen nur zwei Werke an und viel Zeit, sich auf diese beiden Werke zu konzentrieren – und nicht auch noch auf 5 andere. Für die beiden Werke bleibt viel mehr Zeit.

  1. Möglichkeit, Konzertwerke ein weiteres Mal aufzuführen

Sie kennen das: ein Konzertwerk wird oftmals nur einmal beim Jahreskonzert aufgeführt und danach nie wieder. Das Wertungsspiel ist die geeignete Gelegenheit, Konzertwerke nochmals aufzuführen.

  1. Vergleich: wie schneidet der Musikverein im Vergleich zu anderen ab?

Sind wir wirklich so gut wie wir auf Grund unseres begeisterten Publikums denken? Oder wird beim Jahreskonzert durch die vielen Sympathie-Bekundungen ein falsches Bild des wahren Könnens gezeichnet? Und wie stehen wir im Vergleich zu anderen Blasorchestern?

  1. Feststellung der Stärken und Schwächen

Beim Wertungsspiel werden die Stärken und Schwächen im Optimalfall schwarz auf weiß aufgezeigt.

  1. Fachliche Beratung von außen / Feedback von außen

Für die eigenen Schwächen ist man meistens blind. Eine neutrale Beurteilung von „außen“ hilft, Defizite zu erkennen und an den Schwächen in Zukunft gezielt zu arbeiten.

  1. Bestätigung für Orchester und Dirigent, aber auch Signal, wenn etwas nicht optimal läuft

Wertungsspiele können eine Bestätigung für Orchester und Dirigent sein. Sie können zeigen, dass man zusammen auf dem richtigen Weg ist. Aber natürlich auch das Gegenteil…. Nun wollen wir aber in der Blasmusik nicht den gleichen Weg gehen, wie im Sport und gleich an einen Trainerwechsel denken. Obwohl…

  1. Den Zusammenhalt im Musikverein stärken

Ein gemeinsames Ziel und natürlich auch der gemeinsame Erfolg stärken den Zusammenhalt im Musikverein. An gemeinsame Erfolge denkt man gerne zurück.

  1. Motivation auch in Zukunft engagiert zu musizieren.

Ein Erfolg motiviert für die Zukunft. Ein Misserfolg spornt an, besser zu werden.

Wie Helmut Hubov in seinen Antworten über das Für und Wieder von Wertungsspielen bzw. Wettbewerben bemerkt: „…dagegen spricht nichts!…“ So auch meine Meinung.

Dennoch gibt es immer wieder viel Kritik nach Wertungsspielen, die viele davon abhält, beim nächsten Mal wieder zu gehen. Oder viele Vorurteile, erst gar nicht hinzugehen.

Die Rahmenbedingungen für Wertungsspiele und Wettbewerbe sind nicht immer ganz optimal. Dies ist für die Veranstalter auch ziemlich schwierig. Es gibt nicht an allen Veranstaltungsorten Konzertsäle mit optimalen Bedingungen. Bei den Sälen müssen oft Kompromisse eingegangen werden.

Je nachdem wie viele Orchester angemeldet sind, ist die Uhrzeit auch nicht immer optimal für einen Musikverein. Wer kann schon am Samstag Morgen um halb neun Bestleistungen abrufen…

Tja und dann natürlich die Wertungsrichter bzw. besser gesagt die Juroren. Es gibt viele hochkompetente Juroren, die selbst schon mit ihren Blasorchestern sehr erfolgreich bei Wettbewerben und Wertungsspielen teilgenommen haben und bestens ausgebildet sind. Es gibt aber leider auch die Anderen….

Meiner Meinung nach sollten für Juroren folgende Maßstäbe gelten:

  1. Abgeschlossenes Kapellmeisterstudium, ein Abschluss in Blasorchesterdirektion an einer Musikhochschule / an einem Konservatorium oder mindestens den B-Schein mit der Zusatzausbildung zum Internationalen Juror der CISM.
  2. Mindestens 10 Jahre Erfahrung im Dirigieren von Blasorchestern.
  3. Wenigstens 3 Teilnahmen als Dirigent an Wettbewerben / Wertungsspielen mit hervorragendem Erfolg.

Im Rahmen der vielen Diskussionen um die Wettbewerbe beim Musikfest Baden-Württemberg in Karlsruhe, bin ich immer mehr zu der Meinung gelangt, dass Wertungsspiele im Prinzip besser sind als Wettbewerbe mit einer Reihenfolge nach Punkten. In Wertungsspielen gibt es quasi für das Orchester eine „Note“ für den momentanen Stand inklusive einer Beurteilung durch eine – hoffentlich – kompetente Person. In Wettbewerben mit unterschiedlichen Juries, verschiedenen Sälen und zu verschiedenen Tageszeiten kann es nie eine „reale“ Reihenfolge geben. Ich stelle daher diese Variante des „Messens“ untereinander sehr in Frage. Einen gewissen Reiz bietet bei Wettbewerben zwar die offene Wertung, wird diese allerdings von unterschiedlichen Juries an unterschiedlichen Tagen in der gleichen Kategorie vorgenommen, gelten die gleichen Probleme.

Die Auswahl der Pflichtwerke von Seiten der Verbände ist meiner Meinung nach – um es diplomatisch auszudrücken – oft nicht optimal. Mit den Pflichtstücken sollten meiner Meinung nach die Orchester dazu animiert werden, bei den Wertungsspielen gerne teilzunehmen. Aber ehrlich gesagt, manche Auswahl würde mich als Dirigent eher abschrecken. Natürlich soll auf die Qualität geachtet werden, aber bitte auch auf die Attraktivität des Stückes. In den Verbänden, in denen ein Gremium die Pflichtstücke aussucht (wie zum Beispiel in den Bayerischen Musikverbänden), ist die Liste meist attraktiver, als in den Verbänden, bei denen nur eine oder zwei Personen die Pflichtstücke aussuchen.

Welche Kritik habt Ihr an Wertungsspielen bzw. an Wettbewerben für Blasorchester? Wo seht Ihr Verbesserungsmöglichkeiten, die zu einer Steigerung der Attraktivität von Wertungsspielen bzw. Wettbewerben für die Blasorchester führen können? Für Eure Meinung steht das Feld „Kommentar verfassen“ zur Verfügung!

 

Hinweis zum Beitragsbild: Mit freundlicher Genehmigung Blasmusikverband Hochrhein, Ralf Eckert. Von links nach rechts: Bernhard Stopp, Heiko Schulze, Hans-Peter Schwab, Walter Ratzek.

14 thoughts on “10 Gründe, warum sich Wertungsspiele / Wettbewerbe für ein Blasorchester lohnen

  • Hallo Alexandra,
    wie immer ein sehr guter Artikel!
    Deine Auflistung der Maßstäbe zur Auswahl von Wertungsrichter gefällt mir. Allerdings (oder zum Glück?!), wären dann viele langjährige Jury-Mitglieder nicht qualifiziert für den Job. Frischer Wind mit neuen und gut ausgebildeten Juroren täte den Wettbewerben / Wertungsspielen sehr gut. Auch sollten die Juroren sich mehr mit den unteren Leistungsstufen beschäftigen müssen! Die Juroren haben einfach keine Ahnung, welche Probleme dort vorhanden sind. Das äußerte sich in meinem Dirigentengespräch z.b. darin, dass mein 40-Mann-Mittelstufen-Orchester mit dem sinfonischen Blasorchester Ulm (ein Auswahl/Projektorchester der absoluten Höchststufe!) verglichen wird. Was will er mir damit sagen?! Dass die Ulmer deutlich besser sind als wir? Wäre mir jetzt fast nicht aufgefallen (Ironie wieder aus!)
    Auch beim Punkt mit der Stückauswahl muss ich dir Recht geben. Wer sucht die Stücke aus? Allesamt Dirigenten von Ober- bis Höchststufenorchester. Warum ist nicht jemand aus dem Mittelstufenbereich dabei? Im Übrigen sollte ein Wertungsspielstück nicht nur qualitativ hochwertig und attraktiv sein. Es ist mir (und vielen meiner Dirigentenkollegen) nicht klar, warum manche Stücke nach einigen Jahren aus den Oberstufenlisten in die Mittelstufenlisten verschoben werden. Sind die Stücke leichter geworden? Wohl kaum! Sind die Musiker besser geworden? Sicherlich! Aber garantiert nicht alle. Die „älteren“ Generationen haben nicht die gute Ausbildung der heutigen Jugendlichen. Aber genau diese Musiker sind oftmals das Rückgrat der Mittelstufenvereine.
    Übrigens bin ich der Meinung, dass auch bei Wertungsspielen EINE Jury und EIN Vortragssaal pro Kategorie sein muss. Auch das ist ein Wettbewerb, bei dem verglichen und bewertet wird. Und das geht nur, wenn alle Teilnehmer die gleichen Voraussetzungen haben. So wie beim Musikfest gehandhabt, ist das nicht gerecht gewesen. 3 unterschiedliche (und absolut ungeeignete) Säle, sowie 3 verschiedene Jurys, die offensichtlich auch noch so unmotiviert sind, dass der Vorsitzende während dem Vortrag Zeitung liest. Das darf nicht sein!

    Antwort
  • Vielen Dank, Volker, für Deine Reaktion! Ich hoffe, dass sich hier noch viele Dirigentinnen und Dirigenten zu diesem Thema äußern! Es besteht zu diesem Thema extremer Diskussionsbedarf. Diese Diskussion sollte öffentlich ausgetragen werden, damit sie bei den Verantwortlichen ankommt. Wenn die Dirigenten und Musiker immer nur unter sich diskutieren und ja auch meckern und motzen werden sich keine Verbesserungen für die Zukunft ergeben!

    Antwort
  • Hallo Miteinander,

    zunächst sei gesagt, dass ich keineswegs Gegner von Orchesterwettbewerben und -Wertungsspielen bin, jedoch ganz klar auch kein eiserner Verfechter jener “musikalischer” Kompetitionen. Was mich nun an diesen großflächig angelegten Diskussionen etwas stört, ist die scheinbar hohe Bedeutung, die derartigen Veranstaltungen plötzlich zugeschrieben werden. Ich stimme sämtlichen genannten Aspekten, die *für* eine Teilnahme an Wertungsspielen sprechen zu, jedoch steht für mich das *Konzert* als solches in jeder Form weit abgeschlagen vor jedem Wettbewerb/Wertungsspiel. Das Konzert ist, zumindest aus meiner Sicht, einer der wesentlichsten Bestandteile eines jeden Musiker- beziehungsweise Orchesterdaseins und sollte daher auch im Rahmen dieser aktuellen Diskussion einen viel höheren Stellenwert einnehmen, abgesehen davon kann an der Bewertung durch die Juroren ohnehin nichts mehr geändert werden.

    Das Sprechen *über* die Musik kommt mir an dieser Stelle deutlich zu kurz. Anstattdessen zermahlen sich Viele die Köpfe über das Sprechen über die *Bewertung* von Musik, ohne diese Bewertung überhaupt nur ansatzweise zu analysieren.

    Wie schon erwähnt, kann ich als positive Aspekte für die Teilnahme an Wertungsspielen die meisten der 10 genannten Gründe unterstreichen, jedoch nicht ausnahmslos und nicht ganz unkommentiert: Ich sehe einen erheblichen Zielkonflikt zwischen der “[…] Intensiven Auseinandersetzung mit zwei Werken” und der “[…]Feststellung der Stärken und Schwächen” von teilnehmenden Orchestern. Eine noch detailliertere Vorbereitung auf ein Wertungsspiel als auf ein Konzert, deutet schon mal darauf hin, dass Konzert und Wertungsspiel aus der Aufführungsperspektive offensichtlich nicht wirklich gleichgesetzt werden. Daraus kann in vielen Fällen abgeleitet werden, dass die Vorbereitung auf sonstige Konzerte eher schlampig oder die Vorbereitungen auf Wettbewerbe übertrieben werden – beides ist zu vermeiden. Auf eine schlampige Konzertvorbereitung muss ich nicht näher eingehen, auf ein sogenanntes *Totproben* von Stücken wohl auch nicht (geübte Musiker werden gelangweilt, schwächere Musiker sind unter Umständen dennoch überfordert) – auch wenn das Resultat am Ende stimmt, ist dies nur wenig repräsentativ (zum Ziel des Ziels gehört schließlich auch der Weg). Dazu kommt die Mogelpackung der *vielen* Aushilfen (mehr als circa 25%), was das Ergebnis aus Sicht der Selbstbewertung nicht viel repräsentativer und schon gar nicht *vergleichbarer* macht – aus besetzungstechnischen Gründen ist dies oft nicht zu vermeiden, allerdings sollte man sich hier dann die Frage der Fairness anderen Orchestern gegenüber stellen. Unabhängig davon hört man viel zu oft Orchester mit außergewöhnlichen Bestleistungen an Wertungsspielen und fragwürdiger Leistung am darauffolgenden Jahreskonzert – woher das wohl kommt?

    Wertungsspiele und Wettbewerbe machen Sinn und sind dann repräsentativ zur Standortbestimmung eines Orchesters, wenn alle Mitglieder aus Überzeugung dabei sind und von den Musikern als Konzert wie jedes andere betrachtet werden (gegen ein bisschen zusätzliche Spannung durch den Wettbewerbsgedanken ist natürlich nichts einzuwenden…). Sie machen dann auch während der Ausübung Spaß, wenn es dem Orchester ermöglicht wird *Musik* zu machen. Wie soll man jedoch seinem Orchester ein Wertungsspiel schmackhaft machen, wenn ganz objektiv betrachtet das Hauptaugenmerk etlicher Jurys mehr auf den *Noten* als in der *Musik* selbst liegt? Und wie soll es der Jury ermöglicht werden von den Noten Abstand zu gewinnen, wenn sie diese erst kurz vor Aufführung in die Hand bekommen? Wie soll eine Wertung über *Musik* objektiv erfolgen, wenn trotz selbigem Wettbewerb unterschiedliche Juroren bewerten dürfen? Nebenbei bemerkt, und das ist wohl einer der größten Zielkonflikte bei Wertungsspielen im Allgemeinen: Auf der einen Seite wird von den Musikern abverlangt gute *Musik* zu liefern, auf der anderen Seite ist Musik eine *Kunst* und von Kunst weiß man, dass diese schlicht und einfach nicht objektiv bewertbar ist; Pablo Picasso und Claude Monet sind beides großartige Maler, jedoch wagt es kaum einer die eigentliche Kunst des Malens anhand ihrer Bilder miteinander zu vergleichen und in ein Ranking zu setzen. Was ich damit sagen möchte, es gibt natürlich objektiv bewertbare Kriterien in der Musik, wie Intonation, Zusammenspiel und beispielsweise Artikulation; sich bei der Bewertung auf diese Kritierien zu beschränken würden Wertungsspiele um Einiges *sachlicher* machen, jedoch geht dann der wichtigste Punkt der musikalischen Interpretation völlig verloren. Da dieser Punkt jedoch essentiell ist, um einer musikalischen Darbietung einen emotionalen Inhalt zu verleihen, wird es wohl auch zukünftig so sein, dass die wenig vermeidmaren, subjektiven Vorgehens- und Betrachtungsweisen bei Wertungsspielen viel Potenzial an kontroversen Diskussionen beherbergen.

    Diese Diskussionen, das Teilnehmen und nicht zuletzt das Besuchen als selbstkritische Zuhörer von Wertungsspielen und von Konzerten “Anderer”, bieten die beste Basis, um *über* Musik zu sprechen und sie in ihrer Entwicklung in der heutigen Zeit fördernd mitzugestalten.

    Allen Musikern/-innen weiterhin viel Vergnügen beim Diskutieren und viel Spaß bei sämtlichen musikalischen Aktivitäten!!!

    @Alexandra: Danke für’s Publizieren 😉

    Philip Steffe, Dirigent MV Ebringen und Trompeter

    Antwort
  • Herzlichen Dank, Philip, für Deinen ausführlichen Kommentar und die ergänzenden Aspekte, die Du damit in die Diskussion bringst!

    Antwort
    • einige kleine Anmerkungen zum Kommentar von Philip Steffe:

      “Und wie soll es der Jury ermöglicht werden von den Noten Abstand zu gewinnen, wenn sie diese erst kurz vor Aufführung in die Hand bekommen?”

      – Das ist ein organisatorisches Problem des Veranstalters bzw. fehlender Wille von Seiten der Jury. Die Partituren sind schon Wochen(!!) vor dem Wertungsspiel beim Veranstalter. Wenn der Juror sich mit den Stücken vertraut machen möchte, dann ist die Gelegenheit sicherlich vorhanden.

      “Das Sprechen *über* die Musik kommt mir an dieser Stelle deutlich zu kurz. Anstattdessen zermahlen sich Viele die Köpfe über das Sprechen über die *Bewertung* von Musik, ohne diese Bewertung überhaupt nur ansatzweise zu analysieren. ”

      – Woher kommt diese Erkenntnis? Ich für mein Teil habe sehr wohl die Bewertung analysiert. Diese Analyse, gepaart mit den Eindrücken von Vorbereitungszeit, Vortrag, Jurygespräch und kritischen Anmerkungen von glaubhaften Zuhörern, ergibt die tatsächliche BEWERTUNG des Wertungsspiels. Dies sollte jeder Dirigent für sich machen.

      “Was ich damit sagen möchte, es gibt natürlich objektiv bewertbare Kriterien in der Musik, wie Intonation, Zusammenspiel und beispielsweise Artikulation; sich bei der Bewertung auf diese Kritierien zu beschränken würden Wertungsspiele um Einiges *sachlicher* machen, jedoch geht dann der wichtigste Punkt der musikalischen Interpretation völlig verloren.”

      – Leider fließt die musikalische Interpretation der Vortragsstück nur zu einem sehr geringen Prozentteil in die Wertung ein. Gerade weil das nur schwer bewertbar ist.

      “Dazu kommt die Mogelpackung der *vielen* Aushilfen (mehr als circa 25%), was das Ergebnis aus Sicht der Selbstbewertung nicht viel repräsentativer und schon gar nicht *vergleichbarer* macht – aus besetzungstechnischen Gründen ist dies oft nicht zu vermeiden, allerdings sollte man sich hier dann die Frage der Fairness anderen Orchestern gegenüber stellen.”

      – Warum soll das aus besetzungstechnischen Gründen nicht vermeidbar sein? Das ist unter anderem eine Frage der Stückwahl und der Stufe, in der das Orchester (oder der Dirigent?!) antreten möchte.

      Volker Funke

      Antwort
      • Antworten zu den Anmerkungen von Volker Funke:

        PS: “Und wie soll es der Jury ermöglicht werden von den Noten Abstand zu gewinnen, wenn sie diese erst kurz vor Aufführung in die Hand bekommen?”

        VF: Das ist ein organisatorisches Problem des Veranstalters bzw. fehlender Wille von Seiten der Jury. Die Partituren sind schon Wochen(!!) vor dem Wertungsspiel beim Veranstalter. Wenn der Juror sich mit den Stücken vertraut machen möchte, dann ist die Gelegenheit sicherlich vorhanden.

        PS-Antwort: Ich stimme hier zu 100% der Aussage von Volker Funke zu, dem habe ich in meinem Kommentar im Übrigen mit keinem Wort widersprochen, da ich aufgrund fehlender Hintergrund-Informationen meinerseits die Ursachen der angesprochenen Probleme überhaupt nicht kommentieren wollte, um diese nicht vorzuverurteilen. Die Erkenntnis über diese Ursachen macht die Bewertung von Wertungsspiel-Ergebnissen dennoch nicht repräsentativer sondern zeigt viel mehr, dass hier etwas geändert werden muss, um Anreiz für „unerfahrene“ Orchester zu schaffen, zukünftig bei Wertungsspielen mitzuwirken.

        PS: “Das Sprechen *über* die Musik kommt mir an dieser Stelle deutlich zu kurz. Anstatt dessen zermahlen sich Viele die Köpfe über das Sprechen über die *Bewertung* von Musik, ohne diese Bewertung überhaupt nur ansatzweise zu analysieren. ”

        VF: – Woher kommt diese Erkenntnis? Ich für mein Teil habe sehr wohl die Bewertung analysiert. Diese Analyse, gepaart mit den Eindrücken von Vorbereitungszeit, Vortrag, Jurygespräch und kritischen Anmerkungen von glaubhaften Zuhörern, ergibt die tatsächliche BEWERTUNG des Wertungsspiels. Dies sollte jeder Dirigent für sich machen.

        PS-Antwort: Die Erkenntnis beruht wahrlich nicht allein aus der Diskussion hier im Forum – deshalb hatte ich diese als „großflächig angelegt“ betitelt – nein, vielmehr entspringt diese aus den Gesprächen, die ich in den vergangenen Tagen mit vielen Musikern und auch teilnehmenden Juroren und Dirigenten geführt habe. Da bekommt man „live“ mit, dass in vielen Gesprächen, auch zwischen Musikern untereinander, die Bewertung als solche im Vordergrund steht, und es wird nur selten (d.h. nicht „nie“) darüber gesprochen, aus welchen musikalischen Gründen etwas wie bewertet wurde. Der Aussage, dass diese eigene Analyse, gepaart mit Eindrücken der Vorbereitung, Vortrag, Jurygespräch, Zuhörermeinung etc. die tatsächliche Bewertung für das Orchester und den Dirigenten darstellen, kann ich ebenfalls meine Zustimmung kundtun.

        PS: “Was ich damit sagen möchte, es gibt natürlich objektiv bewertbare Kriterien in der Musik, wie Intonation, Zusammenspiel und beispielsweise Artikulation; sich bei der Bewertung auf diese Kritierien zu beschränken würden Wertungsspiele um Einiges *sachlicher* machen, jedoch geht dann der wichtigste Punkt der musikalischen Interpretation völlig verloren.”

        VF: – Leider fließt die musikalische Interpretation der Vortragsstück nur zu einem sehr geringen Prozentteil in die Wertung ein. Gerade weil das nur schwer bewertbar ist.

        PS-Antwort: Genau meine Rede, aber ist das nicht dramatisch hinsichtlich der musikalischen Entwicklung der Orchester? Heutzutage sind mehr denn je Blasorchester und Dirigenten dazu in der Lage wirklich „Musik“ aus dem blassen Notenbild zu holen und das wird noch immer deutlich zu wenig honoriert. Das heißt nicht, dass auf die objektiven Bestandteile der Aufführungspraxis keinen Wert mehr gelegt werden soll, sondern vielmehr, dass der Stellenwert der musikalischen Interpretation aktuell einfach zu gering ist. Exakt das ist ja das angesprochene Problem hierbei, aus welchem es auch keinen einfachen Ausweg gibt, da nun mal dieser Aspekt zu einem Großteil subjektiv ist. Die Lösung nur noch die objektiven Kriterien zu bewerten ist für mich jedenfalls nicht zufriedenstellend. In diesem Zusammenhang wäre eine weniger gute Bewertung, die daher rührt, dass die musikalische Interpretation höher gewichtet wurde, wesentlich mehr wert, sofern die Beweggründe der Jury dem Orchester und dem Dirigenten im anschließenden Gespräch erläutert werden. Das führt dann zu wirklich interessanten Diskussionen „über“ die Musik, und auch wenn dann aufgrund des hohen Subjektivitäts-Grades ebenfalls nicht alle zufrieden sein werden, so machen diese Diskussionen die Entwicklung der Musik gerade spannend und lebendig.

        PS: “Dazu kommt die Mogelpackung der *vielen* Aushilfen (mehr als circa 25%), was das Ergebnis aus Sicht der Selbstbewertung nicht viel repräsentativer und schon gar nicht *vergleichbarer* macht – aus besetzungstechnischen Gründen ist dies oft nicht zu vermeiden, allerdings sollte man sich hier dann die Frage der Fairness anderen Orchestern gegenüber stellen.”

        VF: – Warum soll das aus besetzungstechnischen Gründen nicht vermeidbar sein? Das ist unter anderem eine Frage der Stückwahl und der Stufe, in der das Orchester (oder der Dirigent?!) antreten möchte.

        PS-Antwort: Grundsätzlich absolut richtig aber auch hier war ich in meinem Beitrag nicht auf die Ursachen des Ist-Zustandes eingegangen, da diese bei jedem Orchester und jedem Dirigenten meist unterschiedlicher Natur sind. Tatsache ist, dass hier oftmals ein zu großes Ungleichgewicht zwischen den teilnehmenden Orchestern besteht und sowohl Fairness als auch wirkliche Repräsentativität der Stammbesetzung diesbezüglich etwas in Gefahr sind.

        Danke für den weiteren Diskussions-Ansatz und weiterhin viele Grüße,
        Philip Steffe

        Antwort
  • Hallo zusammen,

    es freut mich, diese sehr interessante Seite mit spannenden Diskussionen gefunden zu haben.

    Auch ich musste mir vor kurzem wieder Gedanken über die Kriterien der Bewertung bei Wertungsspielen machen und bin auch zu dem Schluss gekommen, dass die Interpretation des Stückes (die ja eigentlich das ist, worauf es beim Musizieren ankommt) leider kaum Berücksichtigung findet.
    Vor allem den Dirigenten, die regelmäßig gute Ergebnisse bei Wertungsspielen erzielen, geht es bei ihrer Probenarbeit auch fast ausschließlich um die Parameter Intonation und Gesamtklang. Dieser muss natürlich IMMER schön und weich sein. Das ist das oberste Ziel der Probenarbeit. Bei Werungsspielen wird das dann oft mit hohen Punktzahlen belohnt.
    Auf dem Konzert solch eines Blasorchesters letzte Woche, bin ich in der Pause gegangen. Es wurde alles so emotionslos und glattgebügelt dargeboten, dass ich mir das nicht länger anhören konnte.
    Leider geht der Trend aber genau in diese Richtung, in der jede Art von Spielfreude, Klangschärfung und Individualität verpönt sind.
    Ich frage mich, ob das nur mein Eindruck ist?! Die vielen jungen, gutausgebildeten Dirigenten scheinen das jedoch wohl nicht so zu sehen. Oder es geht ihnen wirklich nur um die Punktzahlen bei Wettbewerben und Wertungsspielen?

    Viele Grüße
    Patrick

    Antwort
    • Hallo Patrick,
      herzlichen Dank für Deinen Beitrag zu dieser Diskussion!
      Ich hoffe, dass sich zu Deiner interessanten Frage auch mal ein Jury-Mitglied hier auf dem Blasmusikblog.com äußert.
      Viele Grüße
      Alexandra

      Antwort
  • Hallo zusammen,

    ich verfolge diese Seite noch nicht so lange, möchte aber zu diesem Topic einige kritische Anmerkungen einbringen. Meine musikalische Herkunft liegt nicht in der Blasorchesterszene, ich komme eigentlich aus einem anderen Genre. Vielleicht sehe ich daher einige Dinge kritischer als die “Urgesteine” der Blasorchesterszene.

    @ Alexandra Link: Sie schreiben: “Es gibt viele hochkompetente Juroren, die selbst schon mit ihren Blasorchestern sehr erfolgreich bei Wettbewerben und Wertungsspielen teilgenommen haben und bestens ausgebildet sind.” Dann folgen Ihre Maßstäbe.

    Bei diesen sehe ich doch ein gewaltiges Problem. Sie sagen, dass ein Kapellmeisterstudium mit einem B-Kurs auf eine Stufe gestellt wird. Bitte?! Geht’s noch?! ein Kapellmeisterstudium (BMus) hat einen Workload von 240 ECTS. Das entspricht einer Arbeitszeit von 6.000 Stunden. Und da sprechen wir noch nicht von den Masterstudiengängen mit einem weiteren Workload von 120 ETCS, also 3000 Stunden. Sollen diese dem B-Kurs in Trossingen (oder Leipzig) gleichwertig sein? Kurse mit einer Präsenzzeit von 240 Stunden (!). Die Teilnehmer würden in aller Regel nicht die Aufnahmeprüfung in einen Studiengang im Fach Musik bestehen. Von daher verbietet sich alleine schon aus diesem Grund eine Umrechung in einen entsprechenden Workload eines Musikstudiums. Diese Argumentation ist auch auf den Juror-Lehrgang in Trossingen anzuwenden.

    Also ganz klar: es müssen die Besten der Szene werten. Einstiegsvoraussetzung dafür ist ein Master of Music. Oder zumindest ein sehr guter Bachelor of Music, mit herausragenden Erfolgen bei Wettbewerben. Da sprechen wir dann aber nicht von 90-Punkten plus bei einem Kreismusikfest in der Oberstufe.

    Fertig. Da gibt’s keine Ausnahmen. Auch nicht für die Laienwertungsrichter die in Trossingen viel Geld liegen lassen und das Gefühl der Macht erfahren möchten…

    @ Philip Steffe: Sie sprechen über Orchester die sich Ihre Leistung über die “Mogelpackung Aushilfen erkaufen”. Verstehen Sie es nicht als wörtliches Zitat, sondern inhaltlich. Die Germanisten unter uns mögen nachsichtig sein…

    Ich möchte Ihnen aus meiner langjährigen Wertungsspielerfahrung mal ein krasses Beispiel formulieren. Ein mittelmäßiges Orchester – welcher Stufe auch immer – wird mir mit dem von Ihnen beschrieben Prozentsatz – bestehend aus den Solo-Bläsern der Berliner Philharmonikern (Wenzel und Andreas lassen sich mal ausnahmsweise in die Niederungen der Blasmusik herab…) – verstärkt. Glauben Sie allen Ernstes, dass ein (guter) Wertungsrichter nicht merkt, was da abgeht?! Das hört man sofort. Jeder. Sogar die älteren inkompetenten Prof. Dr.’s die noch so rumschwirren. Natürlich promovierte Ingenieure – nicht Musiker…

    Ein weiterer provokanter Gedanke zum Schluss: Die Blasorchesterszene wird von allen anderen Musikszenen belächelt. Das liegt unter anderem an fehlendem musikalischen Output (von sehr, sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – da gehören die meisten Orchester, die jetzt spontan an sich denken aber nicht dazu!). Zum anderen liegt es an einer miserablen Außendarstellung der Szene. Ich möchte hier nur am Rande auf eine meiner Lieblingszeitschriften, die “Forte”, hinweisen. Ja, die vielen Bilder der schmucken Musikerhochzeiten werfen nicht das beste Bild auf die Szene. Und da sprechen wir dann noch nicht von den ranzigen Massenchören landauf und -ab.

    Um wieder die Kurve zur Argumentation zu bekommen: Die Blasorchesterszene würde gut daran tun, sich daran zu orientieren, was der Musik dient. Und nicht so sehr an der Fragestellung, ob in dem einen Orchester jetzt ein paar (wegen mir auch 20-30) Musiker mehr mitspielen. Es geht darum, dass wir gut Musik machen. Dafür ist auch eine ordentliche Besetzung nötig. Sie ersetzt aber in keinem Fall eine gute Probenarbeit. Wie der ein oder andere neidische Dirigent vielleicht denkt. Meistens die eher weniger begabten Kollegen in der Szene… Kein Sinfonieorchester der Welt würde eine Mahler-Sinfonie ohne Englischhorn spielen. Wenn es nicht da ist wird es eingekauft. Fertig. Die Musik steht im Vordergrund und nicht der Vergleich mit dem Nachbarverein.

    In keinem Fall findet eine Leistungsverzerrung statt. Bestes Beispiel dafür waren die Wettbewerbe in Karlsruhe. Gute Orchester mit Aushilfen waren gut, schlechte Aushilfen mit Aushilfen waren eben auch schlecht. Da hilft einfach nichts. Aushilfen ersetzen keine gute Probenarbeit…

    @ Philip Steffe, zum Zweiten (Es tut mir leid, aber Sie müssen noch einmal herhalten…); Sie schreiben, es würde zu wenig über die Musik, respektive die Interpretion, gesprochen. Das mag wohl so sein. Ich möchte Sie aber fragen bei welchen Orchestern Sie ernsthaft über diese Themen sprechen möchten?! Bei einem Kreismusikfeschd ist im Regelfall kein einziges Orchester dabei, das diesen Parameter vollumfänglich darstellen kann. Wir sprechen hier von Dorfkapellen, nicht von A- oder B-Orchestern mit internationalen Top-Dirigenten. Es mag ein paar wenige Ausnahmen geben. Die sind aber selbst in der Blasorchesterhochburg Süddeutschland ziemlich rar… Die meisten Orchester würden viel gewinnen, wenn sie einfach zur Abwechslung mal sauber spielen würden. Celibidache’s Lieblingszitat zu diesem Thema: “Es gibt zu hoch, zu tief, zu langsam, zu schnell, usw.” Wenn das alles passt, ist es schon ziemlich gut. Dann darf auch der C3-Dirigent und der B-Kurs-Wertungsrichter mit Zusatzqualifikation aus Trossingen zufrieden sein…

    Verzeihen Sie meine kritischen Anmerkungen, aber die Szene schmort auch hier schon zu sehr im eigenen Saft. Eine stete kritische selbstreflektierte Beurteilung ist unumgänglich…

    Es grüßt Sie freundlich

    Olivia Weber

    Antwort
    • Liebe Olivia,
      danke für Deinen Blick “von außen”. Ich stimme vollkommen mit Dir überein, dass die Blasmusikszene “im eigenen Saft schmort” und dass an der Außendarstellung gearbeitet werden muß.
      Das Theme “Wertungsspiele / Wettbewerbe” bleibt aktuell. Gerne darf hier auf dem Blasmusikblog weiter diskutiert werden!
      Es grüßt Euch alle
      Alexandra

      Antwort
    • Hallo zusammen,
      Liebe Olivia Weber,

      Vielen Dank für Ihre Rückmeldung, die ich sehr wissbegierig aufgenommen habe. Wenn ich öffentlich meine Meinung kundtue muss ich mit Kritik rechnen, ich denke das ist Sinn und Zweck dieser Plattform, was mir durchaus bewusst ist und keiner Entschuldigung bedarf…

      Was Ihre Argumentation betrifft, bin ich – grundsätzlich – erstmal bei den meisten Punkten bei Ihnen, was aber nicht automatisch meine Darstellung in Frage stellt, deshalb werde ich im Folgenden nochmal etwas Genauer hierauf eingehen. Ich möchte vorneweg noch kurz auf Ihren Kommentar zu Alexandra Link bezüglich der “hochkompetenten Juroren” eingehen:

      Sicherlich steht außer Frage, dass das von Ihnen betitelte Kapellmeisterstudium nicht mit einem B-Kurs gleichgesetzt werden kann, wobei Sie in Ihrer Erläuterung dennoch Birnen mit Äpfeln vergleichen zumal Sie den Workload von 240 ECTS eines soeben genannten Bachelor-Studiums mit der reinen Präsenzzeit beim B-Kurs an der Bundesakademie Trossingen oder Leipzig vergleichen, ohne das reell aufzuwendende Arbeitspensum zu berücksichten. “Jeder” weiß, dass viele Studenten hinsichtlich des Umrechnungsschlüssels von ECTS-Points in die tatsächliche Arbeitszeit eine sehr unterschiedliche Auffassungsgabe besitzen. Weiter wäre es zugegebenermaßen tatsächlich wünschenswert, wenn nur die Besten der Szene werten, jedoch garantiert ein Master of Music oder ein sehr guter Bachelor of Music dies nicht zwangsläufig, es erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit – Ausnahmen bestätigen die Regel. Es fehlt in der Szene möglicherweise ein Auswahlverfahren, was es kompetenten Musikern erlaubt, eine solche Wertungstätigkeit auszuüben – hierbei sollten jedoch nicht nur Kriterien von “Prüfungsfragen/-situationen” entscheidungsgebend sein, sondern ebenso das grundsätzliche Musikverständnis und nicht zuletzt die Fähigkeit musikalische Kritik “zielführend” formulieren und kommunizieren zu können. Damit sollten auch machtbesessene Juroren umgehend disqualifiziert werden. Dies nur aus Gründen der Vollständigkeit.

      Nun zu der Kritik an meiner Ursprungsargumentation:

      [Mogelpackung Aushilfen]:
      Wie schon in einem meiner Vorkommentare angemerkt ist nichts gegen den Einsatz von Aushilfen einzuwenden – ich tue dies ebenfalls – wenn es zum Erhalt der vorgesehenen Besetzung und Spielfähigkeit dient. Ich spreche nun auch nicht von ausschließlich professionellen Aushilfen, sondern von wirklich guten bis sehr guten Laienmusikern, welche richtig platziert in beispielsweise jedem Register den Gesamtklang des Orchesters grundlegend verändern können weil oft Führungspersonen in einzelnen Registergruppen in der Urbesetzung nur spärlich vorhanden sind. Dies wird praktiziert und kann (in der Regel) von Wertungsrichtern nicht wahrgenommen werden (das ist kein Vorwurf an jene Juroren). Der Ansatzpunkt für viele Blasorchester sollte hier vielmehr der sein, führende Musiker heranzuziehen und nicht auf sturen Altershierarchien zu beharren (Flexibilität?), was letztlich zu dem beschriebenen Bruch führt. Mein anfängliches Argument bezog sich auf die Fairness beim Thema Vergleichbarkeit von Orchestern, die bei Wertungsspielen nunmal mit im Fokus steht und eben durch die von mir beschriebene “Mogelpackung” nicht immer gegeben ist. Ein Ansatzpunkt hier wäre ein Umdenken der Musiker dahingehend, dass der “Wettbewerbsgedanke” nicht im Vordergrund steht, sondern die Bewertung der Musik des gegenwärtigen Orchesters, unabhängig davon wie hoch der prozentuale Anteil der Stammbesetzung ist – fraglich ist dann wie hoch der Motivationsfaktor während der Proben ist – dies wird in dieser Diskussion völlig außer Acht gelassen und ist ein Hauptproblem dessen, was in Bezug auf die von mir angesprochene “Mogelpackung” in Erscheinung tritt. Nicht das Ziel des Wertungsspiels oder des Konzertes sollte alleiniges Ziel sein, sondern bereits der Weg – die Proben, sind Teil des Ziels und sollten Musiker motivieren “am Ball” zu bleiben – wem macht es Spaß permanent Werke nur mit fiktiven Passagen zum Besten zu geben, bis dann kurz vor der Aufführung ein vollständiges Orchester zusammengeführt wird, unabhängig davon ob der Dirigent dürftige oder gute Probenarbeit betreibt?! Wem dies Spaß macht, dem sei eine Aushilfsquote von >50% gegönnt. Um die Sache nicht falsch zu verstehen, ich persönlich musiziere auch lieber in einer vollständigen Besetzung, aber eben nicht “nur” beim Konzert sondern dann auch in den Proben.

      Das mutmaßliche Belächeln der Blasmusikerszene durch andere Musikergruppierungen ist mir bekannt, wobei sich meines Erachtens hier in den vergangenen Jahren sehr viel seitens der Bläser getan hat. Das musikalische Niveau in der Breite der Blasmusik ist kaum zu vergleichen mit den zurückliegenden Jahrzehnten und hat bereits in der Jugendausbildung einen ansehlichen Standard erreicht (hier gibt es natürlich immer noch Abweichungen, die die Regel bestätigen – und ja, vermutlich immer noch zu viele). Dennoch ist es doch vielmehr mal an der Zeit, dass nicht immer nur die Blasmusik-Szenerie an sich arbeitet, um ihr Image gegenüber der Außenwelt aufzupolieren, sondern dass auch die “anderen” Musiker ihre Augen öffnen, um sich über das beschriebene Vorurteil ein echtes Urteil zu bilden und sich einen Einblick in die Bläser Fraktion gewähren – ich denke das würde in etlichen Fällen zu positivem Erstaunen führen.

      Der von Ihnen beschriebene “Dorffeschd-Charakter” ist in vielen Situationen tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, aber ist dies denn so schlimm, wenn sich hin und wieder dieser zugebenermaßen seichteren Literatur gewidmet wird, selbst wenn diese in den meisten Fällen nur zur Belustigung und Unterhaltung dient? Von einer ganz anderen Seite betrachtet: Gelingt es einem Orchester “beide” beschriebenen Seiten (“Dorffest” und bspw. “symphonische Darbietung”) gekonnt zu gegebener Zeit abzurufen, dann stellt das doch eine enorme musikalische Bandbreite dar, die von kaum einer anderen musikalischen Szene abverlangt wird – zugegebenermaßen: Das richtige Verhältnis zu halten, schaffen bisher nur wenige Orchester (meine subjektive Wahrnehmung).

      Zum Thema [Sprechen über Musik und Intonation] nur ein paar kurze Anmerkungen:
      Gemäß dem Fall Sie haben Recht und (fast) kein einziges Blasorchester sei dazu in der Lage das Thema der musikalischen Interpretation in die Probenarbeit und die musikalische Darbietung miteinfließen zu lassen, dann zeigt dies doch vielmehr, dass Wertungsspiele lediglich einem Abgleich der musikalischen Grundkenntnisse/-fähigkeiten dienen und nichts anderem. Des Weiteren muss ich mich fragen, ob das Tempo oder die Treffsicherheit von Einzeltönen hinsichtlich des musikalischen Stellenwertes wirklich “grundsätzlich” über der musikalischen Interpretation liegen? Sollte nicht viel früher im musikalischen Dasein über Interpretation gesprochen werden, um vielleicht auch daraus resultierend eine Eigenintiative jedes einzelnen Musikers anzuregen, was wiederum eine positive Auswirkung auf oben genannte grundmusikalischen Aspekte nach sich ziehen kann?

      Dies sind nur einige meiner Gedanken hierzu…

      Ich danke herzlich für den Anstoß hierzu und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
      Philip Steffe

      Antwort
      • Danke, Philip, für Deine Reaktion!

        Antwort
    • Ein interessanter und nach 9 Jahren immer noch aktueller Kommentar. Zusätzlich steht oft in der Blasmusik das Vitamin B über der Qualifikation. Wer nicht vernetzt oder “dazugehört”, hat wenig Chancen auf Dozententätigkeiten oder in einem Gremium sein Fachwissen zu platzieren. Dabei wäre eine andere Meinung durchaus wichtig.

      Paul Jacot
      Leiter der Schwäbischen Bläserphilharmonie.
      Stadtmusikdirektor in Wernau.

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  • Pingback: Blasmusikblog Jahresrückblick 2015 – Blasmusik

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