6 Fragen an Clemens Berger zur Teilnahme an den Wertungsspielen in Karlsruhe
Morgen beginnt in Karlsruhe das Musikfest Baden-Württemberg, bei dem neben vielen Konzerten und musikalischen Events auch verschiedene Wettbewerbe und Wertungsspiele für Blasorchester, Bläserklassen, Seniorenorchester u. v. m. stattfinden. Heute beantwortet meine Fragen zur Teilnahme an den Wertungsspielen der Dirigent der Stadtkapelle Rottweil, Clemens Berger.
1. Mit welchem Orchester trittst Du in Karlsruhe an, in welcher Leistungsstufe tretet ihr an, welche Werke hast Du ausgesucht und warum hast Du für Dein Orchester speziell diese Werke ausgesucht?
Ich nehme mit der Stadtkapelle Rottweil beim Landesmusikfest in Karlsruhe am Wertungsspiel der Leistungsstufe 4 teil.
Als Pflichtstück spielen wir „Wildenstein“ von Markus Götz. Die Kompostion beinhaltet „programmatische Musik“, verschiedene musikalische Stimmungen mit einem gut nachvollziehbaren dramatischen Ablauf aber auch technische und musikalische Herausforderungen, wo sich das Orchester sehr gut präsentieren kann. Die musikalische Sprache von Markus Götz ist dem Orchester bereits vertraut, zudem ist es mir ein Anliegen, die deutschen Komponisten zu fördern.
Als Selbstwahlstück habe ich mich für „The Hounds of Spring“ von Alfred Reed entschieden.
Mir war es wichtig, zum Pflichtstück einen Kontrast mit anderen Schwerpunkten und Herausforderungen zu haben.
Die Komposition ist im Stil einer „italienischen Ouvertüre“, also schnell – langsam – schnell, gegliedert. Die Ouvertüre ist wunderbar komponiert, sozusagen typisch „Reed“ und macht einfach sehr viel Spaß zu spielen, obwohl es einige technische Herausforderungen und weitere musikalische Finessen zu bewältigen gibt.
2. Seit wann probt das Orchester die Wettbewerbs-Werke und wie bereitest Du das Orchester für den großen Auftritt in Karlsruhe vor?
Das Pflichtstück haben wir bereits am Jahreskonzert im vergangenen November gespielt. Wir hatten hierfür ca. 2 Monate Probenzeit. Seither konnte das Stück etwas reifen, bei den letzten Proben neue Facetten entdeckt und herausgearbeitet werden.
Das Selbstwahlstück proben wir ebenfalls seit ca. 2 Monaten, davor gab es auch noch andere musikalische Aufgaben, somit auch eine gewisse Abwechslung.
Mir ist es wichtig, in einer überschaubaren Zeit die Werke vorbereiten zu können, so dass sich die Wettbewerbsvorbereitung nicht wesentlich von einer Konzertvorbereitung unterscheidet. Der einzige Unterschied liegt darin, dass nun der Fokus auf lediglich 2 Werken liegt und somit Gelegenheit, sich noch intensiver mit den Werken zu befassen.
3. Auf was legst Du bei der Probenarbeit zum Wettbewerb großen Wert/den größten Wert?
Ich könnte jetzt die ganzen musikalischen Bestandteile aufzählen, aber es ist ja selbstverständlich, dass man bestrebt ist, alle musikalischen Herausforderungen, welche die Partituren bieten bestmöglich herauszuarbeiten. Grundsätzlich unterscheidet sich meine Probenarbeit zu einem Wertungsspiel/Wettbewerb nicht von der Vorbereitung auf ein Konzert, allenfalls, dass man durch die Beschäftigung mit nur 2 Werken im Vergleich zu einem Konzert noch etwas mehr in die Tiefe gehen kann (siehe oben Antwort 2).
Ansonsten ist mir die Ausarbeitung der musikalischen Struktur, Deutlichkeit, Zusammenspiel und Charakter des jeweiligen Werkes sehr wichtig. Außerdem soll eine positive Atmosphäre und die Lust am Musizieren die Proben mit dem Ziel Wertungsspiel begleiten.
4. Die Entscheidung zur Teilnahme am Wettbewerb / an den Wertungsspielen: war große Überzeugungsarbeit beim Orchester notwendig, oder ist die Teilnahme eine Selbstverständlichkeit?
Grundsätzlich ist dies – auch in meiner langjährigen Erfahrung – bei jedem Orchester sehr unterschiedlich und da spielen natürlich die jeweils gemachten Erfahrungen eine gewisse Rolle.
Unsere Teilnahme ist jedoch keine Selbstverständlichkeit.
Zunächst wurde im Vorstand die Möglichkeit einer Teilnahme am Wertungsspiel besprochen und schließlich bejaht. Daraufhin wurde das Vorhaben dem Orchester vorgestellt, darüber diskutiert und zur freien Entscheidung in geheimer Abstimmung überlassen. Die Mehrheit hat sich für eine Teilnahme demokratisch entschieden.
Insofern: Überzeugungsarbeit ja, aber keine große, es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, die Musiker unter Druck zu setzen.
5. Welchen Stellenwert hat die Teilnahme am Wettbewerb / an den Wertungsspielen im Vereinsgeschehen?
Für die Stadtkapelle Rottweil ist die Teilnahme an einem Wertungsspiel zwar keine alltägliche Sache, sie wird aber auch nicht überbewertet. Die musikalischen Herausforderungen sind das ganze Jahr über sehr abwechslungsreich und spannen einen großen Bogen.
Insofern wird der Wert nicht alleine von einer Teilnahme an einem Wertungsspiel und dessen Ergebnis abhängig gemacht. Dennoch ist natürlich eine gewisse Erwartungshaltung vorhanden. Wenn es, wie in diesem Jahr die Rahmenbedingungen zulassen, soll die Teilnahme an einem Wertungsspiel mit konzentrierter musikalischer Arbeit die Stadtkapelle voranbringen und neue Horizonte eröffnen.
6. Was spricht Deiner Meinung nach für, was spricht gegen eine Teilnahme an Wertungsspielen generell?
Aus meiner Sicht war die Teilnahme an Wertungsspielen in der Summe immer positiv. Natürlich gibt es hin und wieder auch negative Erfahrungen und das Thema Wertungsspiele kann man sehr kontrovers diskutieren.
Ich persönlich habe die Überzeugung, dass die Wertungsspiele unser Medium Blasorchester qualitativ weiterbringen (und meiner Meinung nach dies in den letzten 20-30 Jahren hinsichtlich Qualität der Blasorchester und deren Literatur ein wichtiger Baustein war).
Der wichtigste Teil am Wertungsspiel ist für mich die Vorbereitung, der Weg als Ziel und die Werke in den Proben soweit wie möglich auszuloten bis hin zu einem erfüllten Musizieren, wie es sonst vielleicht nicht immer möglich ist. In andere Dimensionen vorzustoßen kann wiederum Motivation für die Musiker sein, auch in der Zukunft weiterhin engagiert zu musizieren.
Ob also die Teilnahme an Wertungsspielen/Wettbewerben schadet oder nützt hängt also eher von der eigenen persönlichen Einstellung bzw. des Orchesters ab, vielmehr als nur von einer Momentaufnahme.
Abschließend: Im Grunde geht es darum, sich selbst weiterzuentwickeln. Man nimmt immer etwas mit: neue Literatur, andere Orchester, man lernt neue Säle kennen, neue Leute und sammelt grundsätzlich viele Erfahrungen.
Herzlichen Dank, Clemens, für die ausführliche Beantwortung der Fragen! Viel Glück und Erfolg für Dich und die Stadtkapelle Rottweil in Karlsruhe!
Über Clemens Berger:
Clemens Berger stammt aus Freiburg (Breisgau) und wirkt seit 2012 als Leiter der Stadtkapelle Rottweil und der dazu gehörigen Bläserschule.
Zuvor war er mit dem Sinfonischen Jugendblasorchester Karlsruhe als musikalischer Leiter von 1996-2010 national und international sehr erfolgreich, sowie von 2003-2012 Musikdirektor der Stadtkapelle Albstadt-Tailfingen.
Von 1998 bis 2012 war er Lehrer für Horn und Ensemble an der Musikschule Bretten.
1999 erschien sein Buch: „Percy Grainger – Eine Kurzbiografie und Grainger´s Werke für Blasorchester“.
Von 1992 bis 1998 dirigierte Clemens Berger die Stadtmusik Brugg (Schweiz) und war gleichzeitig Lehrer für Horn an der dortigen Musikschule.
Seine überaus erfolgreiche Arbeit mit seinen Orchestern ist auf mehreren CDs, Rundfunk sowie Fernsehaufnahmen dokumentiert.
Clemens Berger engagierte sich von 2008 – 2012 als Vize-Präsident der deutschen WASBE-Sektion (WASBE: World Association for Symphonic Bands and Ensembles).
Er ist Juror im Bund Deutscher Blasmusikverbände (BDB) sowie bei Jugend musiziert.
Seine musikalische Ausbildung absolvierte Clemens Berger an der Musikhochschule Zürich in den Fächern Blasorchesterdirektion (Hans-Peter Blaser), Horn (Martin Ackermann) und Theorie (Gerald Bennett).
Er war Mitbegründer und Leiter von Brass Connection (1996 – 1998), einem professionellen Blechbläserensemble.
Meisterkurse im Fach Dirigieren bei Prof, Karl Österreicher, Jan Cober, Sylvain Cambreling und eine Einladung 2007 zur 1. Frederick Fennell Memorial-Masterclass an der Eastman School of Music, Rochester, USA, ergänzten die musikalische Ausbildung.
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