Meine Heimat und welche Blasorchesterwerke ich damit verbinde
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Vor kurzem saß ich in Freiburg auf dem Münsterplatz, aß Schäufele mit badischem Kartoffelsalat, hab die Leute beobachtet und mich ein paar Stunden mal als Touristin in der eigenen Stadt gefühlt.
Beim Essen und Gucken ist mir wieder einmal aufgefallen, wie sehr ich diese Stadt mag. Heimat, dachte ich, meine Heimat! Einfach schön hier. Überwiegend sonnig und gutes Wetter (was für mich eindeutig zu Wohlfühlmomenten gehört), die Menschen meist relaxter als anderswo und wenig hässliche Ecken. Und weil zu meinem Leben die Blasmusik gehört, habe ich mal überlegt, ob es überhaupt Blasorchesterwerke gibt, die meine Heimat repräsentieren.
Seltsamerweise ist mir als erstes das Werk Volcano von Jan Van der Roost eingefallen. Volcano schrieb Jan Van der Roost im Auftrag der Stadtmusik Endingen am Kaiserstuhl. Der Kaiserstuhl liegt westlich von Freiburg und nördlich von meinem Heimatdorf Hartheim. Er ist ein längst erloschener Vulkan und bestes Rebenanbaugebiet! Beides hat Jan in diesem Werk in Töne gefasst. Die Uraufführung fand am Samstag vor Palmsonntag im Jahr 2003 unter seiner Leitung statt. Das ist mir deshalb so im Gedächtnis eingebrannt, weil es das letzte Konzert war, das ich zusammen mit meinem Vater besuchte.
Im Jahr davor, also 2002, wurde die Trachtenkapelle Hartheim 125 Jahre alt. Mein Vater, sein Leben lang sehr eng verbunden mit diesem Musikverein, hat damals als „Mann für alle Fälle“ bei De Haske Deutschland in Eschbach gearbeitet (wie ich damals auch). Wir dachten uns bei De Haske, dass es eine schöne Geste wäre, einen Marsch von Wim Laseroms zu diesem Jubiläum schreiben zu lassen und schenkten der Trachtenkapelle Hartheim den Marsch Dolce Vita – Gruss an Hartheim, der meinem Vater Kurt Link gewidmet ist.
So, genug der traurigen, jedoch wertvollen, persönlichen Erinnerungen…
Ein hervorragendes Porträt über meine Heimat Baden ist dank dem Sinfonischen Jugendblasorchester Karlsruhe dem Komponisten Guido Rennert gelungen. Seine Badische Ouvertüre – Der Jugend gewidmet habe ich hier auf dem Blasmusikblog schon einmal ausführlich vorgestellt: Badische Ouvertüre – Eine Hommage an die badische Heimat. Großartig zusammen mit dem Film, den Andreas Bachmann von FilmAB erstellte und den ich hier gerne nochmals verlinke:
Über Komponisten aus Freiburg und Umgebung habe ich lange nachgedacht. Natürlich gab es da Emil Dörle aus Herbolzheim (nördlich von Freiburg). Berühmt bei uns im Ländle vor allem wegen seinem Marsch Hoch Badnerland, der in allen Marschbüchern von badischen Musikvereinen zu finden ist und fast bei keinem Sommerprogramm-Auftritt fehlt. Er enthält unsere Hymne, die mit den Worten beginnt „Das schönste Land in Deutschlands Gau’n, das ist das Badnerland…“ Übrigens auch in Guidos Badischer Ouvertüre zu hören… Der Verleger von Emil Dörle war Klaus Schulz vom Schulz-Verlag, ehemals in Freiburg-Tiengen. Über ihn habe ich im August 2016 anlässlich seines Todes den Beitrag Klaus Schulz: Erinnerungen an eine fast vergessene Verlegerpersönlichkeit geschrieben.
Freiburg und der Schwarzwald sind eine Einheit. Freiburg quasi die Hauptstadt des Schwarzwalds. Und über den Schwarzwald hat der Schopfheimer Komponist Markus Götz eine Komposition geschrieben: Silva Nigra – Szenen aus dem Schwarzwald. Im Verlagstext beim Rundel Musikverlag ist zu lesen:
„Der Komponist schreibt zu seinem Werk Silva Nigra: „In Form eines musikalischen Bilderbogens sollen Impressionen aus der Gegend um St. Märgen musikalisch kommentiert werden.“ Die einzelnen Teile sind mit „Der Tag erwacht“ – „Ein Morgen voller Nebel“ – „Der Nebel löst sich auf“ – „Blick ins Tal“ – „Auf zur großen Wanderung“ – „Begegnung am Kloster“ -„Besuch auf dem Rossfest“ überschrieben.
Über einem schwebend-schwirrenden Beckenwirbel erklingt zu Beginn ein süß-melancholisch anmutendes Rufmotiv im Waldhorn, das, bald von der Trompete kanonisch kommentiert, zum Hauptthema der gesamten Komposition wird. Auf diesem Schwarzwaldmotiv basiert das ganze Werk als große Variationsform. Es erfährt in mannigfacher Weise Abwandlungen und Umdeutungen. Götz nutzt Elemente des Volksliedes und des psalmodierenden gregorianischen Chorals, um die verschiedenen Szenen anschaulich zu machen. Tänzerische Teile kontrastieren mit Passagen in einem ausdrucksvollen religiösen Duktus. Es werden klanglich Naturgeräusche dargestellt, bei denen natürlich der berühmte Schwarzwaldkuckuck nicht fehlen darf. Alles bleibt jedoch einer strengen Form verhaftet, ohne ins Sentimentale oder in bloße Lautmalerei abzudriften. Über dem gesamten Werk schwebt immer die Ruhe des vielgerühmten Schwarzwaldes, der in einer kurzen Passage, in der die Musiker ihn singend loben, besondere Erwähnung findet.“
Ich habe in der Repertoire-Liste von Markus Götz einmal nachgeschaut, Silva Nigra ist das einzige Werk, das er über seine (und meine) Heimat Baden bzw. den Schwarzwald geschrieben hat. Er ist ja noch jung, es können ja noch weitere dazu kommen… Sein Heimatort Schopfheim liegt übrigens am südlichen Zipfel vom Schwarzwald.
Der aus Hüfingen im Schwarzwald-Baar-Kreis stammende Komponist Berthold Hummel schrieb das dreisätzige Blasorchesterwerk Musica Urbana op. 81. Berthold Hummel schrieb selbst zu seinem Werk Musica Urbana op. 81 anlässlich seiner Rede bei der Uraufführung:
“Als ich nun anfing zu komponieren, kamen mir viele Kindheitserinnerungen in den Sinn, die spontan einen Bezug zu Hüfingen herstellten. Da war die Erinnerung an meinen in der Hüfinger Stadtkirche orgelspielenden Vater und die erste Bekanntschaft mit Choral- und Kirchenliedmelodien. Da waren die Erinnerungen an die flotten Märsche der Stadtmusik bei der Hüfinger Fasnet und an die getragenen Weisen bei der Fronleichnamsprozession. Auch die Volksliedpflege im häuslichen Kreise – im nebenanliegenden Schellenberghaus – kam mir wieder in den Sinn. So ist ein Werk entstanden – Musica Urbana genannt – das sich wie folgt beschreiben lässt:
Der 1. Satz – Fanfare und Choral – ist der Würde und Feierlichkeit des heutigen Anlasses angepasst. Die Choralmelodie “Lobe den Herren” – drei mal ganz zitiert – wird von den verschiedensten Motiven umspielt, die aus der einleitenden Fanfare und aus dem Choral selbst gewonnen sind.
Der 2. Satz ist mit Marsch überschrieben. Hier finden Sie als Kontrasubjekt – eine Melodie, die im Hüfingen meiner Kinderzeit mit dem Text unterlegt wurde: “David wenn de Brot witt, in de Schublad liit en Aschnitt” (für die nicht Hüfinger etwa: “David, wenn du Brot begehrst, in der Schublade befindet sich ein Brotknaus”). Nach einigen turbulenten Stellen mündet der Marsch sogar in einen valse-triste – allerdings nur einige Takte. Eine auftrumpfende Schlussgeste – wischt die aufgekommene Resignation hinweg.
Im abschließenden 3. Teil des Werkes – Volkslied und Finale – wird zunächst das Volkslied “Han amenort ä Bluemli gsäh, ä Bluemli rot un wiiss” (“Ich habe an einer Stelle eine kleine Blume erspäht, eine Blume mit rot und weißer Blüte”) bearbeitet. Als Gegensatz ist der allen Hüfingern geläufige “Hans blieb do, du woascht jo nit wiäs Wetter wird” (“Hans bleib hier, du weißt ja nicht wie das Wetter wird”) in Szene gesetzt. Mit verschiedensten Variationen dieses Themas findet die Musica Urbana, die Hüfingen und seinen Bürgern gewidmet ist, einen quasi sinfonischen Abschluss.”
Kleiner Fun-Fact: Die Aufnahme in diesem Youtube-Video von Musica Urabana op. 81 wurde vom Sinfonischen Blasorchester VBO Markgräflerland unter der Leitung von Bernhard Volk eingespielt – und ich habe mitgespielt 🙂
Musica Urbana ist bei mir etwas in Vergessenheit geraten. Beim Hören dachte ich mir aber, so schade, dass man es nicht öfters hört!
Zu Baden gehört der Schwarzwald, der Kaiserstuhl und der Rhein. Aber natürlich nur ein Teilstück des 1.232,7 Km langen Flusses. Den Versuch, den kompletten Rhein in einem Blasorchesterwerk darzustellen, hat Thorsten Wollmann in seinem Werk Die Rheinreise – Journey Along the Rhine River unternommen. Die badische Seite des Rheins wurde darin aber leider nicht vertont.
Der Rhein bringt mich wieder auf mein Heimatdorf Hartheim. Hartheim ist ein altes Fischerdorf fast direkt am Rhein. Vor der Rheinbegradigung durch Johann Gottfried Tulla in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das anders. Da floss das Wasser des Rheins in einem der vielen Rheinarme bis ein paar Meter vor meinem Haus (das damals selbstverständlich noch nicht stand). Durch Hartheim geht noch ein „Raih“ wie wir sagen bzw. ein „Ries“, ein kleiner Abhang, entstanden ehemals durch das Wasser des Rheins. Und meine Straße, die direkt oberhalb dieses kleinen Abhangs liegt, heißt deshalb „An der Ries“. Die Fischerei war vermutlich bis zum zweiten Weltkrieg eine, wenn nicht gar die wichtigste Einnahmequelle der Hartheimer Einwohner. Noch heute gibt es die altehrwürdige Fischerzunft, die wie seit jeher die Angelkarten für den Rhein vergeben darf. Typische Fischerlieder der Hartheimer sind mir leider nicht bekannt, deshalb schiebe ich hier einfach mal die Songs of the East Coast Fishermen von Philip Sparke dazwischen. Hartheim liegt schließlich am Ostufer des Rheins…
Der Rhein bei uns ist bekanntlich die Grenze zum Elsaß. Das Elsaß ist reich an Volksliedern. In seiner ganz wunderbaren Petite Suite Alsacienne hat der im Elsaß lebende Miguel Etchegoncelay (u. a. Dirigent des Freiburger Blasorchesters) die Lieder Reihe reihe Rose, D’kett, D’Waschfraue, Es trajt e schwarzbrunn maidele, Herr Schmidt, und der berühmte D’r Hans im Schnockeloch verarbeitet. Das sind übrigens teilweise Lieder, die von alters her auch auf unserer Rheinseite gesungen wurden (oder ganz selten noch werden).
Baden und das Elsaß sind u. a. in der badischen Stadt Kehl durch die Europabrücke, die nach Straßburg führt, verbunden. Über diese Brücke und die Verbindung zwischen Baden und dem Elsaß (die nicht immer friedlich war) hat Otto M. Schwarz das Werk The Bridge on the Border geschrieben. Wie bei Otto üblich lässt er in The Bridge on the Border einen Film vor dem inneren Auge abspielen, in dem sich ein deutsch-französisches Liebespaar vor dem Hintergrund der Kriegshandlungen an der Brücke trifft. Das Ende dieser romantischen und spannenden Geschichte ist versöhnlich: Aus den Feinden beiderseits der Brücke sind Freunde geworden… In der Partitur ist folgender Text abgedruckt:
„Die Geschichte der süddeutschen Stadt Kehl, die im Jahre 1038 erstmals urkundlich erwähnt wurde und seit 1697 zum deutschen Reich gehört, ist geprägt durch ihre Lage am Rhein. Wichtig für die Entwicklung und das Wachstum des Ortes war immer die Brücke über den Fluss, die schon in den Kriegen im 18. und 19. Jahrhundert vernichtet und mehrfach neu aufgebaut wurde. Auch im Zweiten Weltkrieg wurde die Verbindung über den Rhein mehrfach beschädigt und zerstört. Doch auch in den turbulentesten Zeiten vereinen Brücken auch Menschen, die sich lieben… Inzwischen verbinden drei Brücken die Stadt Kehl mit dem französischen Straßburg auf der anderen Rheinseite: eine Autobrücke, eine Eisenbahnbrücke und eine anlässlich der grenzüberschreitenden Landesgartenschau 2004 eingeweihte Fußgängerbrücke. Aus Feinden sind heute Freunde geworden.“
Den Beitrag habe ich mit Volcano von Jan Van der Roost und somit dem Kaiserstuhl begonnen. Auch der Schweizer Mario Bürki hat den Kaiserstuhl vertont: Grapes of the Sun – Impressionen aus der Weinregion Kaiserstuhl.
Während sich Jan Van der Roost in seinem Werk mehr auf die Tatsache stützt, dass der Kaiserstuhl ein erloschener Vulkan ist, beschreibt Mario die alkoholische Seite dieser wundervollen Hügellandschaft. Hier der Text aus der Partitur:
„Das Badnerland, bekannt für seine von der Sonne verwöhnte Weinbauregion, erstreckt sich vom Bodensee am Rhein entlang bis nach Mannheim. Doch wie entsteht eigentlich Wein? Mein Werk «Die Trauben der Sonne» beschreibt einige Stationen der Weinherstellung:
DER WEINBERG
Es ist ein ruhiger Morgen. Einsam bläst der Wind über die Reben und lässt die Trauben sanft schaukeln. Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf die Felder und tauchen die Rebstöcke in goldenes Grün.
DIE WEINLESE
Jäh wird die Ruhe durchbrochen! Unzählige Arbeiter tauchen auf: Die Weinlese beginnt!
DIE WEINPRESSE
Mit einem Ruck werden die Weintrauben in die Spindelpresse geleert und mit Muskelkraft ausgepresst.
DIE GÄRUNG UND REIFUNG
in großen Tanks wird der Traubenmost nun vergoren. Danach darf der fertige Wein einige Monate in
Fässern ruhen und reifen.
DAS WINZERFEST
Der Wein ist trink reif! Zeit, dies mit einem Winzerfest zu feiern und den jungen Wein zu verkosten!“
Das Werk The Grapes of the Sun von Mario Bürki entstand anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des Blasmusikverbandes Kaiserstuhl-Tuniberg. Finanziell unterstützt wurde die Komposition durch die Kaiserstühler und Tuniberger Winzergenossenschaften sowie durch die Stadt Endingen am Kaiserstuhl. Denis Laile hat die Uraufführung anlässlich eines Jugendtages in diesem Verband dirigiert und der Komponist konnte sich darüber im Publikum freuen.
So, größer ist meine Ausbeute von Blasorchesterwerken über die (weitere) Umgebung von Hartheim, Freiburg, Baden, dem Schwarzwald und dem Kaiserstuhl – kurz, meiner Heimat! – nicht… Aber vielleicht fällt Euch noch ein Werk ein, das in diese Gegend passt? Dann ab damit unter diesem Beitrag in die Kommentare!
Hinweis zu den Bildern: alle selbstgemacht und das Schäufele selbst aufgegessen…
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Ich kenn (noch) nicht alle Werke – aber Silva Nigra gehört schon seit einigen Jahren zu meinen absoluten Lieblingsstücken!
Danke für das “Jung”. Liebe Grüsse aus dem Schwarzwald M.Götz
Dann gäbe es da noch: „Wildenstein“, ebenfalls von Markus Götz. Ein Tongemälde über eine alte Sage aus dem Wehratal, einer der schönsten und wild romantischen Schluchten im Süd Schwarzwald. In Auftrag gegeben und gewidmet der Stadt Musik Wehr zum 150-jährigen Jubiläum 2009. Grad 4/optionales Klavier. Lohnt sich
wie wäre es noch mit:
https://www.janssenmusic.nl/webshop/ein-winzer-spiel-printed-set/
http://www.auren-musik.de/Badische-Ouvertuere
https://www.youtube.com/watch?v=1e2bqyxVLUo
Hallo Alexandra,
ich sehe gerade, dass du die Badische Ouvertüre schon erwähnt hast…
Liebe Grüße, Siggi
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