Beispiele gelungener Jugendkapellen-Kooperationen

10 Erfahrungsberichte aus Deutschland, Österreich und Belgien

Ein Musikverein alleine ist oftmals nicht in der Lage, seinen Zukunftsmusiker:innen das leistungsgerechte Spielen in einem voll besetzten Vor- und Jugendorchester zu ermöglichen. Aber mehrere Musikvereine zusammen schaffen das! In insgesamt drei Beiträgen zum Thema Jugendkapellen-Kooperationen schreiben 10 Vereinsverantwortliche über ihre Erfahrungen.

In diesem ersten Beitrag stellen die 10 Vereinsverantwortlichen ihre Kooperationen vor. Im zweiten Beitrag erzählen sie von den Vorteilen einer Kooperation (Vorteile von Jugendkapellen-Kooperationen). Und im dritten Beitrag werden die Probleme und Herausforderungen thematisiert (Über die Herausforderungen von Jugendkapellen-Kooperationen).

Silvia Hackl

„Ich habe 7 Jahre lang ein vereinsübergreifendes Jugendorchester von zwei Musikkapellen in Österreich geleitet. Damals war ich Jugendreferentin bei einem der beiden Vereine (heute habe ich die musikalische Leitung eines anderen Musikvereins inne).

Mit meiner Bereitschaft das Jugendorchester zu leiten, wurde es damals ganz neu gegründet. Ich ging sehr motiviert, aber bestimmt auch recht blauäugig an die Sache. Was durchaus nicht schlecht ist! Ein gewisses Urvertrauen in die Energie der jungen Leute, viel Spaß bei der Arbeit und große Flexibilität zeichnet, meiner Meinung nach, die Leitung eines Jugendorchesters aus. Mut zum Ausprobieren haben – das Jugendorchester war für mich immer schon die Spielwiese bevor es “ernst” wurde im großen Verein und das haben wir auch so gelebt. Durch die Freude am gemeinsamen Spielen kam ein gewisses Maß an Professionalität von ganz alleine auf.

Durch die Zusammenarbeit von zwei Musikvereinen ergab sich von Anfang an eine sehr gute und vollständige Besetzung. Geprobt wurde wöchentlich, abwechselnd in den Probelokalen der beiden Musikvereine. Die Ausstattung mit Instrumenten übernahm jeder Verein für seine Jungmusiker:innen. Alle waren Vereinsmitglieder in der jeweiligen Heimatgemeinde. Ein Subkonto für Sonderausgaben bei Ausflügen usw. wurde bei meinem Verein eingerichtet. Neben der musikalischen Leitung kümmerte ich mich hauptverantwortlich auch um Konzertorganisation, Ausflüge usw. Organisatorische und musikalische Hilfe gab’s immer wieder natürlich aus den Vereinen und auch von den Eltern der jungen Musiker:innen.“

Michael Geiger

„Das Städtische Jugendblasorchester Wertheim ist die Anlaufstelle für alle jungen Musiker nach zwei Jahren Bläserklasse oder mit einem vergleichbaren Leistungsstand aus dem gesamten Gemeindegebiet. An vier Grundschulen haben sich in den vergangenen Jahren Bläserklassen bereits fest etabliert und weitere sind in Planung. Im Idealfall soll es mittelfristig an jeder Grundschule eine geben. In zwei Ortsteilen gibt es Musikvereine, die sich an der Bläserklasse in der ortsansässigen Grundschule beteiligen. Aufgrund personeller und auch finanzieller Überlegungen erschien es im Herbst 2021 allen Beteiligten als sinnvoll, als weiterführendes Angebot, ein gemeinsames Jugendblasorchester zu gründen. So kann auch Kindern, die zunächst keinen direkten Abschluss an einen der beiden Vereine haben, eine Perspektive geboten werden. Außerdem ist so gewährleistet, dass man eine ordentliche Besetzung hat. Für alle Beteiligten, auch die jungen Musiker selbst und die Eltern, stand nach kurzer Zeit fest, dass dies die richtige Entscheidung war. Die Finanzierung übernimmt die Stadt Wertheim. Organisation und musikalische Leitung liegen als Lehrer an der Städtischen Musikschule bei mir. Die Vereine haben die Aufgabe, Freizeitangebote zu organisieren und den Kontakt zum potentiellen Nachwuchs zu halten, damit sie später auch bei ihnen mitspielen.“

Ralf Eckert

„Unsere Kooperation ist im Grunde ein Vorstufenorchester ab ca. dem zweiten Jahr Instrumentalunterricht bis ca. Niveau Bronze. Es sind fünf Vereine der „Bläserjugend Hotzenwald“ (BJH) beteiligt. Diese gemeinsame Bläserjugend der Gemeinden Rickenbach (drei von vier Vereinen: MV Rickenbach, MV Hütten und TK Altenschwand) und Herrischried (zwei von zwei Vereinen: TK Herrischried und TK Hogschür) organisiert die Ausbildung über die Musikschule, die Schulkooperationen und dieses gemeinsame Orchester, die „BJH-Music-Kids“.

Die Leitung der Music-Kids liegt bei Musiklehrerin Fenja Kling, die gleichzeitig auch die beiden Orchesterklassen in der dritten und vierten Klasse der Grundschule beider Gemeinden leitet und verantwortliche Lehrerin für die Musikkooperationen ist.“

Mehr: https://bj-hotzenwald.de/bjh-musickids/

Petra Springer

„Seit zwei Jahren leite ich die Jugendkapelle und das Vororchester der Jugendmusikschule Bad Wurzach. Die Leitung der beiden Orchester gehört zu den Kernaufgaben der Jugendmusikschul-Leitung. Träger der JMS ist die Stadt Bad Wurzach. Zur Stadt gehören 10 umliegende Musikvereine, die ihren Nachwuchs größtenteils an der JMS ausbilden lassen. Die JMS wurde vor mehr als 50 Jahren von der Stadt gegründet, mit dem Ziel, den Vereinen den Nachwuchs zu sichern.
Bindeglied zwischen JMS und Vereine sind die Jugendleiter und die Vorstände der Musikvereine. Regelmäßiger Austausch (JMS-Leitung/Vereine-Lehrer*innen/Dirigentin- Vereine-Lehrer+innen usw) findet statt. Wichtig!
Sozusagen besteht eine Kooperation mit insgesamt 10 Musikkapellen und der JMS.

Petra Springer Abschied Illertal-Rottal
Petra Springer: Abschied von der Jugendkapelle Illertal-Rottal

Vorher:
Jugendkapelle Illertal/Rottal (fast 25 Jahre)
Die Geschichte:
Ein Dorf mit zwei Musikkapellen gründet eine gemeinsame Jugendkapelle. Sie suchen nach erfolgreichen Jahren wieder einen Dirigenten. Damals habe ich die Jugendkapelle übernommen. Parallel gab es 10km entfern noch eine Jugendkapelle, die wieder einen Dirigenten gesucht haben. Also zwei Jugendkapellen mit je 15 Kindern??? Die Idee, die Kapellen zusammenzubringen war die beste Idee, die wir je hatten. Vorstände, Jugendleiter, Eltern, Kinder – alle waren begeistert. Auch die umliegenden Kapellen haben gemerkt, dass das ein Erfolgsrezept war und nach und nach haben sich noch 3 weitere Kapellen angeschlossen und ihre Jugendlichen zur Juka Illertal/Rottal geschickt. Für die Organisation konnten wir einen damaligen Vater gewinnen, der das Orchester über lange Zeit im Ehrenamt gemanagt hat (das war super!). Eine jährliche „Sitzung“ mit allen Beteiligten wurde abgehalten. Heute sind die, die damals selbst Juka´ler waren in verantwortlichen Positionen in ihren Vereinen. Ich denke, dass wir damals alles richtig gemacht haben.
Außerdem gibt es mittlerweile einige Musiker-Familien, die es ohne den Zusammenschluss der Juka´s vielleicht nie gegeben hätte. Und: deren Kinder sind zum Teil auch schon wieder Juka´ler – so klasse!“

Michael Jung

„Seit über 20 Jahren besteht die Kooperation der Musikvereine Meckenbeuren, Brochenzell, Kehlen und (seit 2018) Ettenkirch und der hiesigen Musikschule Meckenbeuren.

Die Jungmusiker, welche an der Musikschule ausgebildet werden, spielen je nach Alter und Leistungsstand in einem Orchester:

  • Bläserspielkreis (9-10 Jahre)
  • Vororchester (10-12)
  • Jugendmusik (12-13)
  • Jugendblasorchester (13-max 18) Jahre

Bevorzugte Lösung ist immer aus Reihen der Musikschule einen Dirigenten zu finden. Für das Jugendblasorchester (JBO) hat sich die letzten Jahre ein Dirigent aus den eigenen Reihen gefunden.

Organisiert werden die Jugendarbeit bzw. die Orchester aus dem „Kleinen Gremium“ bestehend aus den Orchestersprechern, allen Jugendleitern, Jugenddirigenten der Vereine und Vertreter der Musikschule. Dieses Gremium trifft sich ca. 5 im Jahr und regelt alles Organisatorische. Das „Große Gremium“ kommt einmal im Jahr zusammen. Dies besteht aus dem kleinen Gremium + Vorstände und Dirigenten der Vereine und Gemeinde (Bürgermeister, Hauptamtsleiter).“

Andreas Ziegelbäck

„Es sind grundsätzlich drei Musikvereine aus benachbarten Gemeinden beteiligt (aus Oberösterreich: Musikverein Fischlham, Trachtenmusikkapelle Bad Wimsbach-Neydharting, Musikverein Steinerkirchen), wobei es auch hin und wieder schon Jungmusiker:innen aus anderen Gemeinden gab, die irgendjemanden kannten und auch gerne mitwirken wollten. Die Idee entstand 2015 als ich mich in der EBO-Ausbildung bei Thomas Doss befand und es einen Workshop zu Jugendorchesterliteratur von Fritz Neuböck gab. Der Jugendreferent vom MV Steinerkirchen war von der Idee einer Jugendkapelle auch begeistert und übernahm damals auch sofort die organisatorische Leitung und auch die Kommunikation mit anderen Vereinen. Die Kooperation kam zustande, da sich die drei Gemeinden in unmittelbarer Nähe befinden und keiner der drei Vereine genug JungmusikerInnen hatte, um aus eigener Kraft ein vernünftig spielfähiges Orchester aufzustellen (sogar mit dieser Kooperation ist es oft nicht einfach, da wir meistens auch nur zwischen 12 und 18 MusikerInnen haben).

Die Jugendreferenten aller Vereine haben seit 2015 also auch die Aufgabe organisatorisch bei der Jugendkapelle mitzuwirken, wobei die organisatorische Gesamtleitung dann von einem Jugendreferenten übernommen wird. Die Jugendreferententätigkeit in den einzelnen Vereinen läuft aber normal weiter, was bedeutet, dass für die Jugendreferenten durch die Jugendkapelle ein organisatorischer Mehraufwand entsteht, wobei sich dieser für mein Empfinden in Grenzen hält und sich vor allem lohnt.

Die musikalische Leitung habe ich seit 2015 inne, wobei es mir persönlich schon wichtig wäre, dass es auch weitere, auch jüngere, Ensembleleiter gibt aus den drei Vereinen, damit man vielleicht auch mal tauschen/einspringen/Registerproben organisieren kann. Dies fehlt meines Erachtens zurzeit.“

Steven Gass

„Im Jahre 2017 habe ich mich mit den 6 Musikvereinen meiner Heimatgemeinde an einen Tisch gesetzt und das Thema Jugend angesprochen. In jedem Verein war ein bisschen Jugend, doch bei keinem wurden effektive Jugendorchester seriös angeboten. Manche machten es Projektweise z. B. zu Weihnachten, andere gar nicht. 

Die meisten machten aber nichts Dauerhaftes, da in jedem Verein nur so 4-8 Jugendliche waren. Meine Idee war es nun die Arbeit zu bündeln und einen Profi mit der Leitung zu beauftragen. Die Gründe der Zusammenarbeit waren klar: effektiveres Arbeiten, mehr Spaß für die Kinder und eine insgesamt professionellere Vorgehensweise.

Nun blieb es an den 6 Vorständen, die Mittel frei zu machen und schon konnte gestartet werden. 

Die Kosten wurden geteilt und die Musiker probten in den Räumlichkeiten der Vereine. Die Logistik und Planung übernahm ich, somit waren sowohl Dirigentin als auch Organisator Profis auf ihrem Gebiet. 

Der Aufruf ging raus und es kamen 31 Teilnehmer zusammen. Die Proben starteten 2018 und das erste Konzert fand im Mai statt. Finanzen, Material, Räumlichkeiten kamen also von den 6 Vereinen. Die Jugendarbeit ist daher günstiger für jeden Verein aber auch viel sinnvoller und effektiver. 

https://www.grenzecho.net/art/region/jugendorchester-burg-reuland-vor-debuetkonzert

https://brf.be/regional/1174448/

Kurz nach diesem Projekt riefen Vereinsvertreter der benachbarten Gemeinden bei mir an, damit ich auch bei Ihnen ein solches Projekt auf die Beine stellen solle. 

Kürzlich habe ich alle Partner an einen Tisch gesetzt, um etwas Großes zu planen. Ich bat die Musikakademie der Deutschsprachigen Gemeinschaft, den Musikverband Födekam und die Vereinsvertreter an einen Tisch. Die Resonanz war klar! Das Projekt wird seit 2019 nun in der ganzen Region angeboten. (Es gab bisher nur eine Auflage wegen Corona, die 2. startetet im Oktober 2021) Die Vereine stellen das Material und können Pate des Projektes werden. Die Musikakademie stellt über ihr Stundenkapital die Dirigenten und der Verband kümmert sich um die Noten und die logistische Abwicklung. Das Projekt hat nun einen größeren Zuspruch und es proben aktuell 3 Orchester parallel in Ostbelgien. Der Name dieses Projektes ist seit 2019 „Band factory“

https://www.foedekam.be/event-detail/event/48-baf2020

Andrea Heinrichsmeyer

„Schon seit einigen Jahren spielen Kinder und Jugendliche bei uns (Musikverein Butzweiler und Musikverein Welschbillig) in gemeinsamen Orchestern. Nach etwa einem Jahr Einzelunterricht kommen die Kinder zu den „WeBu Youngsters“, wo sie das gemeinsame Musizieren mit ersten, einfachen Stücken lernen. Nach etwa einem Jahr bei den „Youngsters“ wechseln sie dann zu den „WeBu Sounders“. Hier spielen sie schon in einer größeren Gruppe und anspruchsvollere Stücke. Auch nach dem Wechsel ins „große Orchester“ spielen die Jugendlichen noch ein bis zwei Jahre bei den „Sounders“ mit. Während sie sich im großen Orchester, bei den schwierigeren Stücken noch etwas zurückhalten und zurechtfinden können, haben sie bei den „Sounders“ die Möglichkeit, die erste Stimme zu spielen und auch mal mit einem Solo zu glänzen. Von den „Sounders“ wechseln die Jugendlichen in das große Orchester des jeweiligen Heimatvereins.

Geleitet werden „WeBu Youngsters und Sounders“ von Iris Buschmann, der Dirigentin des Musikvereins Butzweiler, die in beiden Vereinen auch Trompete, Horn und Euphonium unterrichtet und an der Grundschule Welschbillig Blockflötenunterricht gibt.

Gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Bowling, Spiele- oder Filmabende und alle zwei Jahre auch eine Segelfreizeit werden von den beiden Jugendwart:innen der Vereine gemeinsam organisiert.

Ganz neu starten ab diesem Jahr auch die kompletten Anfänger gemeinsam in einer Bläserklasse, die von Anfang an neben dem Einzelunterricht stattfindet, so dass von Anfang an ein Gemeinschaftsgefühl da ist und nicht nur allein zuhause geübt werden muss.“

Katrin Fraiß

„Das Jugendblasorchester Gastein ist eine Kooperation zwischen 5 Kapellen. (Allen Kapellen im Gasteinertal) Seit 3 Jahren ist ein weiterer Kooperationspartner die hiesige Musikschule, die die Orchesterleiterin stellt. Die Jugendreferentinnen der Musikkapellen sorgen dafür, dass sich die richtigen Jungmusiker:innen anmelden und die Lehrenden der Musikschule bereiten sie auf die Proben vor.

Sowohl Musikkapellen als auch Musikschule versuchen Auftrittsmöglichkeiten für das JBO zu lukrieren und so gibt es mehrmals im Jahr Konzerte, die an verschiedenen Plätzen im Tal stattfinden.“

Pascal Severin

„Der Musikverein Hachen und der Musikverein Hövel kooperieren gemeinsam und haben vor einigen Jahren ein gemeinsames Vororchester und Jugendorchester gegründet.

Der Dirigent kommt wird vom Musikverein Hachen gestellt und organisiert die Proben, Auftritte und weiteres. Bei Planungen von Probenwocheneden/ Konzertbeiträgen wird dieser durch die Jugendwarte der beiden Vereine unterstützt. Die 1/1,5-stündige Probe findet einmal wöchentlich statt und wird in Hachen abgehalten.“

Ein herzliches Dankeschön an Silvia Hackl (AT), Michael Geiger (DE), Ralf Eckert (DE), Petra Springer (DE), Michael Jung (DE), Andreas Ziegelbäck (AT), Steven Gass (BE), Andrea Heinrichsmeyer (DE), Katrin Fraiß (AT) und Pascal Severin (DE) für ihre Beiträge!

Die Serie Jugendkapellen-Kooperationen im Überblick:

Beispiele gelungener Jugendkapellen-Kooperationen
Vorteile von Jugendkapellen-Kooperationen
Über die Herausforderungen von Jugendkapellen-Kooperationen

©Beitragsbild: Petra Springer

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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