Donnerstag, November 21, 2024
Organisation

Blasmusikaspekte: Geheimnisse der Schlagzeug-Organisation

Ein Interview mit den beiden erfahrenen Schlagzeugern und Registerleitern Johannes Schweizer und Markus Wagner

Mir als Flötistin ist es immer ein Rätsel, wie sich das Schlagzeug-Register organisiert. 6 Schlagzeuger, 10 verschiedene Stücke und 60 Instrumente… „Wie jonglieren die das, das ganze Konzert über?“ – habe ich mich nicht erstmals beim Konzert des Freiburger Blasorchesters kürzlich im Konzerthaus Freiburg gefragt…

Sowohl Johannes als auch Markus sind schon seit vielen Jahren (Jahrzehnten) meine Musikkollegen im Markgräfler Verbandsblasorchester. Markus ist auch mein Kollege im Freiburger Blasorchester und Registerleiter für die Schlagzeuger. Außerdem ist er Dirigent der Stadtmusik Staufen. Johannes ist Registerleiter im Markgräfler Verbandsblasorchester, spielt im Musikverein Ebringen und ist ständige Aushilfe im Freiburger Blasorchester. Beide sind in der Region als Aushilfen für Schlagzeug bekannt und beliebt. Es freut mich sehr, dass sie meine vielen Fragen zum Thema für Euch beantwortet haben.

6 Schlagzeuger, 10 Werke, viele Instrumente – Was ist für Euch als Schlagzeug-Registerleiter der erste Schritt?

Johannes: Grundsätzlich erfordert das „Schlagzeuger-dasein“ etwas Organisationsgeschick. Die ersten Überlegungen sollten sein: Wie viele Spieler werden benötigt, wie viele verschiedene Stimmen habe ich. Dazu gehört auch die Frage, wer kann was spielen (manche spielen nur Drumset, machen einen Bogen um die Stabspiele).

Markus: Alle Stimmen überprüfen, ob sie von einem einzelnen Schlagzeuger gespielt werden können. Festlegen der notwendigen Spieleranzahl und prüfen welche Instrumente man braucht. Besetzungsliste und Instrumentenliste erstellen.

Wie verteilt Ihr genau die Stimmen auf die verschiedenen Schlagzeuger?

Johannes: Nachdem ich weiß, was gespielt wird und wie viele Spieler benötigt werden, bzw. wie viele Spieler ich habe, erstelle ich eine Tabelle und teile den Spielern zu jedem Stück die passende Stimme zu. So weiß jeder, welche Stimme er bei welchem Stück spielt. Diese Tabelle stelle ich auch gerne dem Dirigenten zur Verfügung.

Oftmals ergibt sich die Stimmenverteilung auch von allein, je nach Fähigkeit der Spieler. Wenn im Register jemand dabei ist, der „nur Set und Percussion“ spielt, muss ich die anderen „Allrounder“ herumbauen. Manchmal hat auch jemand einen speziellen Wunsch, dass er bei einem Stück unbedingt ein bestimmtes Instrument spielen möchte. Gerade in einem Projektorchester versuche ich zu schauen, dass „jeder mal alles gespielt hat“.

Markus: Manche spielen lieber Mallets, andere Pauken oder Percussion, das versuche ich zu berücksichtigen bei der Verteilung. Aber generell versuchen wir bei den Instrumenten gleichmäßig zu tauschen, denn beispielsweise bei Großer Trommel und Becken ist immer relativ wenig zu tun, das wird für ein ganzes Konzert dann langweilig.

Wie verfahrt Ihr, wenn Ihr seht, dass in einem Werk 8 Schlagzeuger gebraucht werden, es aber nur 6 Schlagzeuger sind?

Johannes: Hier kommen die „außermusikalischen Talente“ des Schlagzeugers zum Tragen:

Improvisation und Organisation. Zunächst würde ich, wenn möglich, versuchen die fehlenden Spieler zu organisieren. Ich überlege, ob ggf. eine Stimme auf eine andere Stimme aufgeteilt werden kann. Unter Umständen kann auch ein Instrument durch ein anderes ersetzt werden. Ich frage beim Dirigenten nach, auf was er am „ehesten verzichten“ möchte. Wichtig ist, dass in der Kommunikation zwischen Schlagzeuger und Dirigent klare Ansagen gemacht werden.

Markus: Oft können wir einzelne Stellen auf die vorhandenen Schlagzeuger verteilen, so dass man insgesamt aus verschiedenen Stimmen spielt und dann doch das meiste abgedeckt wird. Ansonsten mit dem Dirigenten sprechen was man weglassen kann.

Wie verfahrt Ihr, wenn Ihr seht, dass in manchen Werken keine 6 Schlagzeuger, sondern weniger, gebraucht werden?

Johannes: Pausen zählen ist für Schlagzeuger kein Problem. Wir lesen gerne mal ein Buch. Entweder man spielt eine Stimme zu zweit, um sie zu vereinfachen oder aber doppelt eine Malletstimme, wenn das gewünscht ist. Vielleicht war auch ein Schlagzeuger nicht so oft in der Probe oder ist eine Aushilfe, dann darf dieser Spieler gerne ein Stück Pause machen.

Markus: Wer nicht gebraucht wird pausiert, meist derjenige, der am wenigsten in der Probe ist. Sachen doppelt zu spielen ist eher keine Option. Eventuell kann man einzelne Stimmen auch auf mehrere aufteilen, so dass alle was zu tun haben. Das reduziert auch die Rennerei von Instrument zu Instrument.

Aufstellung der verschiedenen Schlaginstrumente: Was gilt für das Schlagzeug generell?

Johannes: Generell gilt auch hier: Vorher ein wenig Gedanken machen. Was benötige ich wo, bzw. neben welchem anderen Instrument, um kurze Wege zu haben. Was wird vielleicht auch nur für ein oder zwei Stücke bzw. im ersten oder zweiten Konzertteil gebraucht. Habe ich genügend Platz auf der Bühne, brauche ich ggf. etwas mehrfach (Becken, Tambourin, Triangel, etc.). Wichtig wäre natürlich auch, die finale Aufstellung nicht erst am Konzert zu haben. Kurze Wege, so wenig Gerenne und Umräumen wie möglich, sind wünschenswert, aber nicht immer leicht umsetzbar.

Markus: Generell gibt es nicht, jeder Dirigent will es anders haben, danach richten wir uns. Meist richtet es sich danach, wo die Pauken stehen, in der Mitte oder rechts (vom Dirigenten aus gesehen), die Mallets meist links.

Und im Speziellen: Nach welchen Gesichtspunkten ordnet ihr die Schlaginstrumente für das Konzert an?

Johannes: Siehe oben. Was möchte der Dirigent? Ich kenne verschiedene Anordnungen:

Aus Schlagzeugersicht:
Pauken, Percussion, Drumset, Mallets
Oder:
Drumset, Percussion, Pauken, Mallets

Markus: In den meisten Fällen müssen wir in den Proben erst sehen wer wann an welchem Instrument sein muss (da jeder einzelne immer mehrere Instrumente pro Werk braucht) und ob es zum Laufen zum nächsten Instrument reicht. Danach müssen wir dann sehen, wie wir alles am besten aufstellen, oder manche Instrumente doppelt benötigt werden. Das ist bei jedem Konzert anders.

Noten und Notenständer: Die Schlagzeuger wechseln im Werk und zwischen den Werken immer ihre Positionen. Wie behaltet Ihr den Überblick über die Noten? Und wie über die Einsätze an den verschiedenen Instrumenten?

Johannes: Notenständer kann man nie zu wenig haben. Schon alleine, weil ständig Bläser welche vergessen oder Aushilfen keine dabei haben 😉 Die Frage: „Schlagzeuger, ihr habt doch so viele Notenständer, kann ich mir einen ausleihen?“ kommt gar nicht gut an. Eiserne Regel: Pro Spieler mindestens 2 Notenständer! Noten kopieren, wenn ich an verschiedenen Standorten spielen und wechseln muss. Auch hier wieder vor dem jeweiligen Stück überlegen „was brauche ich“ und alles vorab richten und während dem Stück schon „antizipieren“ was als nächstes kommt.

Wenn möglich sollten gerade die kleinen Instrumente und Schlägel immer am selben Platz liegen bleiben. Es gibt nichts Schlimmeres, wenn man „schnell wechseln“ muss und die „Triangel für den einen Schlag, der unbedingt noch gemacht werden muss“ nicht da liegt, wo sie immer lag.

Markus: An jedem Instrument muss ein Notenständer stehen, anders geht es nicht. Wir müssen hier auch wegen der Notenständer von Konzert zu Konzert schauen, was Sinn macht. Eine Möglichkeit ist, die Noten mehrfach zu haben und an jedes Instrument legen, wo sie gebraucht werden. Wenn verschiedene Schlagzeuger nacheinander an dasselbe Instrument müssen, dann nutzt es nichts, wenn da schon Noten liegen. Der nächste muss seine dann drüberlegen oder erst suchen. Dann kann es sein, dass wir die Noten von Instrument zu Instrument mitnehmen.

Den Überblick bekommen wir erst, wenn die Stücke durchgespielt werden. Es benötigt auch Übung zu wissen, wann man wo mit welchen Noten mit welchen Stöcken und notfalls mit welchen Percussion-Instrumenten sein muss.

Wie kann der/die Dirigent:in das Schlagzeug-Register optimal unterstützen? Was wünscht Ihr Euch von den Dirigent:innen?

Johannes: Der Dirigent kann dem Schlagzeugregister schon vor der Probe mitteilen, was „drankommt“, insbesondere was direkt nach dem Einspielen kommt. Dann kann hier schonmal alles vorbereitet werden. Falls nicht alle Stimmen besetzt werden können, klar sagen, was besetzt werden soll und was ggf. weggelassen werden kann.

Markus: Der Dirigent sollte mit dem Beginn der nächsten Probestelle nach einer Unterbrechung warten, bis man überhaupt am Instrument ist, das man spielen muss (gerade war ich am Marimba, dann sollen wir bei Takt XY weiterspielen, da muss man erst schauen welches Instrument man da braucht, hinlaufen, die richtigen Stöcke auswählen), bzw. die Pauken wieder umgestimmt sind für die entsprechende Stelle.

Der Dirigent sollte uns sagen können, ob wir mit ihm oder mit dem Orchester spielen sollen. Im besten Fall aber wir Schlagzeuger mit dem Dirigenten und das Orchester dann mit uns. Das ist oft aber nicht der Fall und wir müssen irgendeinen Mittelweg suchen, das ist dann wenig befriedigend.

Für uns wird es meist erst kurz vor dem Konzert spannend, wenn die Stücke durchgespielt werden. Erst dann können wir sehen, ob die Instrumente gut stehen, wie wir mit den Noten klar kommen, ob alle Stöcke immer da sind wo man sie braucht. Daher würden wir mehr Durchspiele brauchen.

Als Schlagzeuger ist man immer Solist und spielt meist auch relativ präsente Sachen. Niemand wird aber gerne als Einzelperson kritisiert. Das ist zwar nicht anders möglich, man kann es aber so und so formulieren und ansprechen.

Was für Wünsche habt Ihr aus Schlagzeuger-Sicht a) an die Komponisten, b) an die Verleger?

Johannes: Da ich nicht weiß, welche „Poblematik“ dem Komponisten oder dem Verlag zuzuschreiben sind, hoffe ich, dass meine Aufteilung stimmt und ich keinem Unrecht tue.

a) Überlegen „geht das überhaupt, was ich da will, ist das umsetzbar“?

b) keine Schlagwerkpartituren, schon gar nicht welche, die eine unterschiedliche Anzahl an Systemen pro Zeile aufweisen. Erfreulich ist, wenn bei der Stimmenbezeichnung (also bsp. Percussion 1) steht, welche Instrumente für diese Stimme benötigt werden und wie viele Spieler ggf. erforderlich sind.

Markus: Es gibt viele gute Schlagzeugstimmen, die gut organisiert sind. Aber wir stehen oft vor dem Problem, dass wir einen Takt Zeit haben, um vom Glockenspiel zum Marimbaphon zu laufen, selbst wenn wir es nebeneinander stellen müssen, wir immer noch die Stöcke wechseln. Man kann auch nicht ohne Pause von Drumsticks auf Besen wechseln, die Stimmen sollten auch organisatorisch spielbar sein.

Bezeichnung der Instrumente: einheitliche englische Bezeichnung der Instrumente und gewünschten Stöcke wäre gut. Jeder Komponist schreibt die Instrumente und Bezeichnungen der Stöcke in seiner Landessprache hin, wir müssen dann erst viele Bezeichnungen übersetzen, um herauszufinden was gemeint ist.

Schlagzeugpartituren nützen höchstens für einen Überblick, aber zum Spielen brauchen wir immer Einzelstimmen. Sonst muss zu viel geblättert werden, so viel Zeit haben wir nicht.

Schlagzeug Auf- und Abbau – welche Unterstützung erfahrt Ihr von Euren Mitmusiker:innen, was wünscht Ihr Euch? Wie kann der Auf- und Abbau effektiv organisiert werden?

Johannes: Unterstützung kommt von den Musikern im Heimatverein – da wird immer gefragt „kann man noch etwas mitnehmen“ etc. Für Auf- und Abbau eines Konzertes werden immer ein paar Freiwillige eingeteilt, die das Schlagwerkregister unterstützen.

Ich kenne auch Fälle, in denen es sogenannte Paten gibt. Also beispielsweise zwei Nichtschlagzeuger, die für ein bestimmtes Instrument zuständig sind und auch wissen wie dieses auf-, abgebaut und transportiert wird.

Markus: In manchen Vereinen ist es selbstverständlich, dass die anderen Musiker beim Tragen helfen. Das freut uns immer.

Effektiver wäre es, wenn immer die gleichen Leute helfen. Dann kann man denjenigen auch zeigen, wie verschiedene Instrumente aufgebaut werden. Daher würde es Sinn machen, wenn man nicht einmal beim Stuhlen des Saales hilft, das nächste Mal in der Küche und dann bei den Schlagzeugern, sondern bei einem bleibt.

Wenn man sich mit den Instrumenten nicht auskennt, gerade Pauken und Mallets, nicht einfach Instrumente irgendwie auf oder abbauen.

Und es hat zwar nicht mit dem Auf- und Abbau zu tun, aber auch wir sind nicht begeistert, wenn andere Musiker in den Pausen einfach auf unseren Instrumenten rumspielen. Wir pusten ja auch nicht einfach in jemandes Klarinette rein. Und mit Trompetenmundstücken auf dem Marimbaphon spielen, naja, so schlau sollte jeder schon sein…;-)

Herzlichen Dank an Johannes Schweizer und Markus Wagner für diese vielen Informationen!

Beitragsbild: Das Bild zeigt Markus (vorne) und Johannes (hinten) bei einer Masterclass mit Douglas Bostock in der BDB-Musikakademie, Staufen.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    2 thoughts on “Blasmusikaspekte: Geheimnisse der Schlagzeug-Organisation

    • Das sind sehr gute Hinweise von Johannes und Markus!

      Man könnte noch ergänzen, dass es akustisch ungünstig ist, wenn die Pauken direkt bei den Tuben stehen, da dies einen transparenten Klang im Bassregster erschwert.

      Ausserdem kann man nicht in jedem Orchester erwarten, dass die Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger die Stimmverteilung bei den Stücken selbst organisieren können. Das wäre ein hoher Anspruch, der nicht immer erfüllt werden kann. Dies ist oft Aufgabe des Dirigenten oder der Dirigentin. Hierbei ist es hilfreich vor dem Austeilen neuer Noten für jedes Stück eine Tabelle für das Konzertprogramm anzulegen mit folgenden Spalten:
      Name / Stimme (Bezeichnung auf dem Notenblatt) / benötigte Instrument(e)

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    • Pingback: Blasmusikblog Rückblick 2022 – Ausblick 2023 – Blasmusik

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