Fit für den Neustart: Blasorchester! – Teil 1

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Nach der Reihe Fit für den Neustart für verschiedene Blasinstrumente, die vor kurzem in Kooperation mit der Musikschule Bad Säckingen MUSÄCK auf dem Blasmusikblog entstanden sind, nun der erste von zwei Beiträgen Fit für den Neustart: Blasorchester!

In diesem Beitrag beantworten die Dirigent:innen Alexander Beer, Lisa Marie Bodem und Christoph Breithack die Frage:

Wie wirst Du den Neustart nach dem Lockdown in Deinem Blasorchester gestalten und welche vorbereitenden Maßnahmen unternimmst Du schon jetzt?

Alexander Beer

Alexander Beer
Alexander Beer

Alexander Beer leitet das Sinfonisches Jugendblasorchester der Stuttgarter Musikschule mit zwei Vororchestern (insgesamt 140 Musiker/innen), das Verbandsjugendblasorchester Schwarzwald-Baar, die SAP Sinfonietta Heidelberg (Sinfonieorchester)und das Ensemble Leonhard (Bläserkammerensemble).

Mit allen fünf Orchestern, die ich leite, habe ich im aktuellen Lockdown nur kurze Phasen ganz ohne Proben gehabt. Die Musikschulorchester hatten den Vorteil, noch bis Mitte Dezember wenigstens in Teilgruppen proben zu können. Meine Vereinsorchesters hatten wie alle anderen schon seit Anfang November keine Präsenzproben mehr. 

Ich habe relativ schnell auf digitale Formen umgestellt und bin daher mit allen Orchestermitgliedern in regelmäßigem Kontakt. Wir proben in Teilgruppen neue oder bereits begonnene Werke, die gleich zu Beginn des Neustartes zusammengesetzt werden sollen. Davon erhoffe ich mir, dass wir schnell spielfähig sind und keine langen Anlaufphasen benötigen. 

Im Herbst 2020 habe ich zwischen dem Neustart nach den Sommerferien und vor dem erneuten Lockdown die Erfahrung gemacht, dass alle Musikerinnen und Musiker zu Stelle waren und unbedingt wieder spielen wollten. Es war viel Motivation zu spüren und eine große Teilnahmebereitschaft vorhanden. Das macht mich zuversichtlich für den kommenden Neustart. 

Aktuell setze ich auf Literatur, die eher einen Grad leichter als die gewohnten Werke ist. Ich bin der Überzeugung, dass beim Neustart Stücke im Vordergrund stehen sollten, die von der Komposition und Instrumentation handwerklich so gut gemacht sind, dass sie schnell gut klingen und den Musizierenden entgegen kommen. Werke, die sperriger sind oder komplizierte Registerproben erfordern, plane ich erst wieder für spätere Programme ein. 

Bei Vereinsorchestern mit Werken der Ober- und Höchststufe habe ich das Konzept der Teilgruppen nicht nur bei den Proben, sondern auch bei der Programmauswahl verfolgt. Ich teile beispielsweise in die Holzbläser auf der einen und die Blechbläser mit Schlagwerk auf der anderen Seite auf. Es entstehen also zwei etwa gleich große Orchester, mit denen ich alle Mitglieder einbinden kann. Ich habe extra Noten für diese Besetzungen angeschafft. 

Ein weiterer Vorteil ist, dass ich in Proberäumen und auf Bühnen leichter die Abstandsregeln umsetzen kann. Die Anzahl der Werke und die Gesamtdauer habe ich reduziert.

Bei den Musikschulorchestern galt viele Monate als Obergrenze für Teilgruppen die Zahl 20. Bei den kommenden Öffnungen ist diese Obergrenze wieder in den Verordnungen zu finden. Daher habe ich vierstimmige Literatur gesucht und die jüngeren Orchester in drei unabhängig voneinander funktionierende Teilgruppen aufgeteilt. Ich habe also nicht die Register zusammen gelassen, sondern jedes Register gedrittelt. Unser fünfzigköpfiges Unterstufenorchester habe ich zum Beispiel in drei etwa gleich große Gruppen mit 16 oder 17 Kindern eingeteilt. Dann sind statt sechs Trompeten im Tutti eben zwei im jeweiligen Teilorchester. Bei den Bassinstrumenten spielen alle Fagotte, Posaunen, Euphonium und Tuba sowieso die gleiche 4. Stimme, so dass auch hier jedem Orchester eine zwar etwas unterschiedliche, aber gut besetzte Bassgruppe zuteilen kann. Da ich drei Schlagzeuger habe, geht auch hier die Rechnung auf. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Bei einer Öffnung bis 20 Personen kann ich kleine Auftritte oder Videoaufzeichnung mit den Teilgruppen machen kann. Aber genauso kann ich auch bei einer kompletten Öffnung alle Teilgruppen wieder zu einem großen Tutti zusammenfügen und als Gesamtorchester auftreten. 

Auch technisch haben wir aufgerüstet und nun steht eine Aufnahmestation bereit, die aus zwei professionellen Mikrophonen von Neumann (MK 183) besteht und über ein iRig mit einem iPad Pro verbunden ist. Damit kann ich unkompliziert Videoaufzeichnungen als Ersatz für Auftritte machen. Wir verwenden die parallele AB-Stereofonie. Die hochwertigen Mikrophone zeichnen mit einem erstaunlich guten, voluminösen und lebendigen Klang auf. Die Videoqualität des iPad Pro ist ebenfalls sehr gut und für die Zwecke absolut ausreichend. Außerdem hat die Stuttgarter Musikschule in eigene Streamingtechnik mit drei Kameras investiert. In dem Bereich hatten wir allerdings professionelle Unterstützung und Beratung durch die Firma OTB Medien aus Berlin (www.otbmedien.com).

Lisa Marie Bodem

Lisa Marie Bodem ©www.tw-klein.com
Lisa Marie Bodem ©www.tw-klein.com

Lisa Marie Bodem leitet das Sinfonische Blasorchester des Collegium Musicum der Goethe-Universität Frankfurt am Main, den Musikverein Brachttal e.V. und das Stammorchester des Musikvereins 1905 Ober-Wöllstadt.

In meinen Blasorchestern gestalte ich den Neustart je nach Probemöglichkeiten und Verein unterschiedlich. Generell eignen sich meiner Meinung nach Ensemblespiel als auch Tuttiproben hervorragend, um die Orchesterarbeit nach so langer Zeit wieder aufzunehmen und einen Anfang zu finden. Entscheidendes Kriterium für den Erfolg ist hierbei die Wahl der „richtigen“ Literatur. Nach einer so langen Zwangspause macht es Sinn, den Schwierigkeitsgrad zu senken und Musikstücke auszuwählen, die durchlaufen und Spielfreude bringen.

Es beginnt mit guter Einspielliteratur und Chorälen wie z.B. Acht Klankstudies (Henk van Lijnschooten), Jesu, Joy of Man’s Desiring (Arr. Alfred Reed), Sleepers Awake (Arr. Alfred Reed) oder Canterbury Chorale (Jan van der Roost). Für die Proben in der ersten Zeit lohnt sich auch ein Blick ins Orchesterrepertoire: Welche Stücke sind mit viel Spaß an der Musik und am gemeinsamen Musizieren verbunden? Für mein Orchester vom Collegium Musicum der Uni Frankfurt wären das u. a. Stille Hoffnung (Rolf Rudin), Tanz der Vampire (Arr. Wolfgang Wössner), The Blues Brothers Revue (Arr. Jay Bocook) und Berliner Luft (Arr. Stefan Schwalgin).

Im Musikverein Brachttal e.V. und Musikverein 1905 Ober-Wöllstadt e.V. haben wir einen Schwerpunkt auf die Ensemblearbeit gelegt, die neben der unmittelbaren Spielfreude viele Potenziale zur Verbesserung von Intonation, Artikulation, Kommunikation, Gehörschulung etc. birgt. Für die Ensemblearbeit eignen sich Stücke, die den jeweiligen Musiker auf seinem Stand abholen und ihn weiterentwickeln. Dies empfinde ich als ganz besonders wichtig. Wenn man flexibel bleiben möchte, kann man auch auf die Flex-Band Series zurückgreifen oder die Musiker sich selbst einordnen lassen, indem man z.B. Stücke vorschlägt, die sie sich anhören und ansehen können und für die sie sich dann melden oder entsprechend selbst eintragen.

Im Prinzip laufen bei mir die vorbereitenden Maßnahmen seit März 2020. Während der Coronakrise und dem zwanghaften Aussetzen der Probenarbeit war es mir von Anfang an sehr wichtig, die Kontinuität der wöchentlichen gemeinsamen Zeit aufrechtzuerhalten und musikalisch effizient weiterzuarbeiten. Hierzu entwickelte ich für alle Lockdowns musikalische Konzepte, deren Einheiten auf Zoom mit den Orchestern zu ihrer gewohnten Probenzeit durchgeführt wurden: 1. Betrachtung und Hören wichtiger klassischer Werke und Stücke für Sinfonisches Blasorchester, 2. Musikalische Beschäftigung mit eigenen Orchesterstücken und Ensemblestücken und 3. Musikpraktische Einheiten, die den Probenalltag betreffen (z.B. Registerarbeit, Üben mit Metronom, Intonationsfehler und instrumentenspezifische Probleme). Hierdurch lernten die Musiker wichtige Komponisten, Stücke und neue Klangwelten kennen und konnten mit ihren Ohren und Augen Woche für Woche Erfahrungen machen, indem sie Konzerte professioneller Orchester hörten und sich ansehen konnten, wie die Musiker miteinander agieren und die Musik erleben. Durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Werken konnten wichtige Aspekte wie Übergänge besprochen und die Basis für die praktische Arbeit gelegt werden. Die Zoom-Sessions für die Punkte aus dem Probenalltag wurden so gewählt, dass bekannte Schwierigkeiten wie z.B. Rhythmik anhand von Beispielen eine Beleuchtung und Erklärung finden konnten.

Ich bin froh, heute sagen zu können, dass wir die Zeit sinnvoll genutzt haben und bin stolz, Dirigentin von drei so wundervollen Orchestern sein zu dürfen.

Christoph Breithack

Christoph Breithack
Christoph Breithack

Christoph Breithack leitet die Bläserklassen an der Heimschule St. Landolin in Ettenheim und den Musikverein Freiburg-St.Georgen.

Vor der ersten Probe nach der langen Pause habe ich keine Sorgen, da das Spielen auf einem Musikinstrument ein wenig wie Fahrrad fahren ist: Wenn man das einmal kann, verlernt man es so schnell nicht mehr. Was man verliert sind hauptsächlich die (muskuläre) Kondition und die Geläufigkeit sowie Koordination von Fingern und Zunge. Diese Dinge lassen sich aber wieder trainieren.

Für die ersten Proben sehe ich mehr positive als negative Seiten: 

Die Musikerinnen und Musiker werden sehr motiviert und mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit im Orchester sitzen. Für eine gute Probenarbeit sind das optimale Voraussetzungen.

Auch stelle ich mir vor, dass es nach einer solch langen Pause im Vergleich zum laufenden Proben-Betrieb viel leichter möglich ist, musikalisch nicht so sinnvolle Gewohnheiten, die sich über lange Zeit eingeschlichen haben, gar nicht erst wieder aufkommen zu lassen. Ich kann mir auch vorstellen, dass man in der Anfangsphase individueller als sonst auf einzelne Musikerinnen und Musiker eingehen kann, da jeder noch mehr als sonst über Hilfestellungen froh sein wird, die ihm die inzwischen etwas ungewohnt gewordene Tätigkeit erleichtern.

Wir werden gleich von Beginn an intensiv und konzentriert proben und so auch schnell wieder zu guten Ergebnissen kommen. Ich glaube, für die Aufrechterhaltung der Anfangsmotivation ist das sehr wichtig. Erst mal nur bekannte Stücke aus dem Repertoire durchzuspielen halte ich nicht für den richtigen Weg. Man würde dadurch die Chancen aufgeben, die solch ein Neuanfang bietet. 

Ein sehr wichtiger Aspekt wird die Stückauswahl sein. Die Stücke dürfen keinesfalls zu schwer sein, damit genug Raum ist, auf die wesentlichen Aspekte des Ensemblespiels einzugehen. Ich plane, eine Mischung aus Stücken, die wir in den vergangenen Jahren schon einmal gerne gespielt haben und wenigen neuen Stücken aufzulegen. Auch wenn es technisch nicht zu schwer sein darf, soll die Gelegenheit gegeben sein, die oben angesprochene Aspekte Geläufigkeit und Koordination wieder aufzubauen. Deshalb wird auf jeden Fall die Bearbeitung einer Fuge von Johann Sebastian Bach ins Programm kommen. Für Mittelstufenorchester gut geeignet ist zum Beispiel Präludium und Fuge BWV 553 in der Bearbeitung von Roland L. Moehlmann.

Ein herzliches Dankeschön an Alexander Beer, Lisa Marie Bodem und Christoph Breithack für die vielen Informationen, Inputs und Aspekte!

In Teil 2 beantworten die Dirigenten Jochen Hartmann, Helmut Schmid, Dorian Wagner und Björn Weinmann die Frage:

Wie wirst Du den Neustart nach dem Lockdown in Deinem Blasorchester gestalten und welche vorbereitenden Maßnahmen unternimmst Du schon jetzt?

Fit für den Neustart: Blasorchester Teil 2

Die Titel in der Liste sind mit sogenannten Affiliate-Links hinterlegt, die direkt in den Online-Shop des Hebu-Musikverlags führen. Dort findet Ihr weitere Informationen zu Schwierigkeitsgrad, Lieferbedingungen und Preis und natürlich noch viele weitere Werke, meist mit Aufnahme. Wenn Ihr Euch entschließt, eines dieser Werke dort zu bestellen fließt ein kleiner Beitrag für die Arbeit und zur Unterstützung des Blasmusikblog.com an die Autorin. Der Hebu-Musikverlag trägt somit zum Fortbestand dieser Plattform bei. Die Autorin bleibt in ihrer journalistischen Arbeit jedoch frei, unabhängig und selbstständig.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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