Wie sieht der ideale Musikverein aus?
Zum Einstieg in meine Workshops „Zukunft der Musikvereine“ wähle ich meistens eine Teilnehmeraufgabe, die den positiven Aspekt des Musizierens im Musikverein herausstreicht. Jedem soll bewusst werden, wie toll das Musizieren in der Gemeinschaft, die Kameradschaft, die Erfolgserlebnisse bei Konzerten und Sommerprogramm-Auftritten, usw. ist. Ziel ist es auch, Argumente für das Musizieren im Blasorchester bzw. Musikverein schwarz auf weiß nach Hause zu tragen um sie dort in den Vereinen für Flyer, für die Website oder ähnliche Werbematerialien zu verwenden. Am Anfang des Workshops soll also eine positive Atmosphäre entstehen, gleichzeitig gibt es aber auch gleich zu Beginn ganz praktische Arbeitshilfen für zu Hause.
Eine wichtige Grafik, die helfen kann, die Herausforderungen in den Vereinen zu meistern und die ich grundsätzlich in diesen Workshops bespreche, ist diese:
Die Erklärung ist einfach: Unsere Mission führt uns zu unseren Zielen. Qualität ist der Schlüssel zum Erfolg. Alle Maßnahmen können nur durch entsprechende finanzielle Mittel durchgeführt werden. Geeignete Maßnahmen für unsere Mission können auch zum wirtschaftlichen Erfolg des Vereins beitragen. Dies hängt auch mit der Qualität der Maßnahmen zusammen. Einen ausführlichen Beitrag über diese Grafik findet Ihr hier.
Die Frage, welche Ziele ein Musikverein verfolgt, ist jeweils nur sehr individuell – bespielsweise in einem Klausurtag – zu beantworten. Es hilft, wenn man sich einmal Gedanken darüber macht, wie überhaupt der ideale Musikverein aussieht. Genau diese Frage habe ich deshalb erstmalig bei meinem Workshop „Zukunft der Musikvereine“ im Musikverband Untermain & Kreisverband Miltenberg am vergangenen Samstag in Klingenberg-Trennfurt den TeilnehmerInnen gestellt.
Die Ergebnisse dieser Aufgabe möchte ich in diesem Beitrag vorstellen. Die Reihenfolge stellt keine Wertigkeit dar. Die Arbeitsergebnisse aus dem Plenum habe ich in 12 Punkte geordnet, zusammengefasst und jeweils ergänzt.
Vollständige und ausgewogene Besetzung
Der Musikverein bzw. das Blasorchester hat eine vollständige und ausgewogene Besetzung. Von der Piccolo-Flöte über Oboe, Fagott, Waldhörner bis hinab zur Tuba sind alle Blasinstrumente, die eine zeitgemäße Partitur originaler Blasorchesterliteratur heutzutage fordert, vorhanden, plus zusätzlich mehrere Schlagzeuger. Die Ausgewogenheit bezieht sich in großem Maße auf die Anzahl der Klarinetten, die beispielsweise die Anzahl der Flöten um ein Vielfaches übersteigen soll. Oder auch dass das tiefe Blech nicht um eine vielfache Anzahl an Trompeten übertönt wird. Eine Ausgeglichenheit in Klang und Dynamik wird angestrebt.
Jede(r) MusikerIn hat eine außermusikalische Aufgabe
Für jede(n) MusikerIn ist es selbstverständlich, eine organisatorische, verwalterische oder kreative Aufgabe zu haben. Das kann die Bereitschaft zur Übernahme eines Vorstandsposten, die Mitwirkung in einem Team oder einer Arbeitsgruppe, das Ausführen von ständigen, temporären oder projektbezogenen Aufgaben sein.
Für jede(n) MusikerIn sind alle Termine gleich wichtig
Die Regel ist, bei allen Terminen anwesend zu sein. Beim Konzert ebenso, wie bei Sommerprogramm-Auftritten, Fronleichnamsprozessionen, Standkonzerten oder ähnlichem. Eine rechtzeitige Absage (so dass eine Aushilfe noch entspannt angefragt werden kann) ist ebenso selbstverständlich, wie für sich selbst einen Ersatz zu suchen, falls dringend nötig (Absprache DirigentIn). Alle streben eine Probenbeteiligung von 100% an. Dies gilt für Gesamtproben ebenso wie für Registerproben.
Ausgewogenes, angemessenes Repertoire & attraktive Konzerte
Sollte sich das Blasorchester nicht in eine Richtung (z. B. traditionell, unterhaltend oder sinfonisch) spezialisiert haben, wird ein ausgewogenes Repertoire gespielt, in dem sich die MusikerInnen ganz, teilweise oder überwiegend wiederfinden können.
Das ausgewählte Repertoire ist angemessen. D. h. es fordert die MusikerInnen ohne sie ständig zu unter- oder überfordern. Die Programm-Zusammenstellung entspricht dem äußeren Konzert- bzw. Auftrittsrahmen.
Highlights des Musikvereinsjahrs sind attraktive Konzerte in kreativen, abwechslungsreichen Formaten mit besonderen Motti/Themen, an besonderen Orten oder speziellen Kooperationspartnern.
Vorbildliche, engagierte und gut strukturierte Vereinsführung
Die Vorstandschaft besteht aus fachkundigen Managern bzw. Teamleitern, denen jeweils ein Team von engagierten Menschen zur Seite steht, die – ihren Stärken entsprechend – alle anfallenden außermusikalischen Aufgaben erfüllen. Das Organigramm gibt Auskunft über die Zuständigkeiten (inklusive Stellvertreterregelungen), Stellenbeschreibungen über das jeweils zugewiesene Aufgabengebiet. Registerleiter unterstützen die musikalische Leitung des Orchesters.
Gute interne und externe Kommunikation
Eine ausgeprägte Informationspolitik sorgt für ein hohes Maß an Zufriedenheit bei allen MusikerInnen. Alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle werden von allen genutzt. Die verbale Kommunikation zwischen allen Akteuren innerhalb des Vereins hat einen hohen Stellenwert.
Eine permanente positive Außendarstellung in verschiedenen Kommunikationskanälen (Website, Newsletter und Presse sowohl Print als auch Online, Social Media) ist gewährleistet. Sowohl fördernde Mitglieder als auch das regionale Umfeld wird regelmäßig über alle Aktivitäten, Besonderheiten und Anlässe informiert.
Gute Ausbilder / gute Dirigenten
Die Ausbildung der (jungen) MusikerInnen wird durch erfahrene, (semi-)professionelle Instrumentallehrer geleistet. Die Ausbildungskonzepte sind zeitgemäß. Das gemeinsame Musizieren wird von Anfang an gefördert.
Sowohl die Jugendensembles als auch das Erwachsenenorchester wird von einem gut ausgebildeten, je nach Niveau des Orchesters auch studierten, Dirigenten geleitet, der sich regelmäßig in geeigneten Kursen fortbildet und sich laufend über das (neue) Repertoire informiert.
Ausgeglichenes Sozialgefüge
Der Anteil männlicher und weiblicher MusikerInnen hält sich die Waage. Alle Generationen musizieren ohne Konflikte gemeinsam. Alle Altersklassen von Jugendlichen über junge Erwachsene, sowie Erwachsene bis ins Seniorenalter sind vertreten. Ebenso gibt es keine Unterschiede zwischen verschiedenen Berufsklassen. Der Bankkaufmann musiziert neben dem Schüler, die Hausfrau neben dem Studenten, die Selbstständige neben dem Handwerker, usw.
Kultur des gegenseitigen Respekts und der Anerkennung
Ein Konkurrenzdenken gibt es nicht. Jede(r) MusikerIn wird angenommen und respektiert wie er ist. Ein positives Denken, Sprechen und Handeln in allen Angelegenheiten ist selbstverständlich und führt zu einem hohen Grad der Motivation. Erfolge werden anerkannt und gemeinsam gefeiert. Es besteht eine gesunde Diskussionskultur. Das gemeinsame Musizieren macht allen Spaß. Jeder ist bemüht, neu hinzukommende MusikerInnen zu integrieren.
Netzwerke
Sowohl zur politischen wie zu den kirchlichen Gemeinden und zu den anderen Vereinen der Gemeinde bestehen gute Kontakte. Zu den Musikvereinen der Region werden freundschaftliche Bande, u. a. durch gegenseitige Besuche der Konzerte und Aushilfstätigkeiten, gepflegt. Termine des Blasmusikverbandes werden wahrgenommen. Das konstruktive Einbringen in die Verbandsarbeit stärkt die regionale Blasmusikszene durch den angeregten gegenseitigen Austausch.
Gute Infrastruktur und finanzielle Basis
Der Musikverein verfügt über ein ausreichend großes, gut ausgestattetes und ansprechendes Probelokal, mit Neben- und Lagerräumen sowie einer Sitzgelegenheit mit Küche für soziale Anlässe. Der Musikverein kann auf einer gesunden finanziellen Basis agieren. Der Aufwand der Mittelbeschaffung steht im Verhältnis zum Ertrag. Es wird regelmäßig in Instrumentarium, Ausstattung, Ausbildung und Noten investiert.
Außermusikalische Aktivitäten
Nicht nur das Musizieren trägt zu einer guten Kameradschaft bei, sondern auch abwechslungsreiche außermusikalische Aktivitäten. Probenwochenenden werden nicht nur zur intensiven Probenzeit genutzt. Ein- oder mehrtägige Ausflüge sind idealerweise mit Musizieren verbunden.
Utopie oder Realität? Welche Aspekte fehlen? Was ist übertrieben? Welche Wünsche habt Ihr an Euren Musikverein? Nutzt gerne unten das Kommentarfeld.
Sehr geehrte Frau Link, hallo Alexandra,
vielen Dank für den Beitrag. Diesen habe ich gestern im Rahmen unserer Sitzung des Vereinsvorstandes und der Jugendleitung präsentiert und positive Rückmeldung erhalten. Das ist eine gute Grundlage auch “zum Nachdenken” für alle Mitglieder.
Ein Gedanke ergänzend: Wichtig ist, dass es dem Musikverein gelingt, eine “Bindungswirkung” zu erzielen, d.h. eine Verbundenheit mit dem Verein durch die aktiven, fördernden Mitglieder, Sponsoren, Politik und sonstige gesellschaftliche Gruppen. Dazu ist es m.E. unabdingbar, dass der Verein ein “gutes Image” hat. Dies ist ein entscheidender Faktor für die “Bindung” an den Verein.
Lieber Gerhard, das sehe ich auch so. Viele Grüße Alexandra
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