Interview mit Johan de Meij zu seiner neuen Sinfonie “Return to Middle Earth“
Ein Gastbeitrag von Johannes Jerg, Landesblasorchester Baden-Württemberg (©Beitragsbild: Georg Schabel)
“Wie Wagner auf Steroiden”
30 Jahre hat es gedauert, bis der Niederländer Johan de Meij der Musikwelt eine Fortsetzung seiner Herr der Ringe-Sinfonie (Nr. 1) geschenkt hat: die neue Sinfonie Nr. 5, “Return to Middle Earth“. Auftraggeber der Neukomposition war die Valparaiso Universität in Indiana (USA).
Das Landesblasorchester Baden-Württemberg (Leitung: Björn Bus) präsentiert zusammen mit den jungen SängerInnen des Neuen Kammerchor Heidenheim (Leitung: Thomas Kammel) die deutsche Erstaufführung der neuen Herr der Ringe-Sinfonie. In dieser Vertonung kreiert de Meij eine überwältigende und mächtige musikalische Atmosphäre mit einem Solosopran – gesungen von der Polin Katarzyna Jagiello – und einem 8-stimmigen gemischten Chor, der in der Fantasiesprache Ilkorin singt.
Das Landesblasorchester Baden-Württemberg interviewte den niederländischen Komponisten Johan de Meij an einem – sowohl in New York als auch in Deutschland – regnerisch-grauen Samstag, um mehr über ihn und sein neues Werk zu erfahren.
Johan de Meij (Voorburg, 1953) studierte Posaune und Dirigieren am Königlichen Konservatorium Den Haag und erlangte als Komponist und Arrangeur internationale Anerkennung. Sein Werk umfasst neben originalen Kompositionen auch sinfonische Transkriptionen und Bearbeitungen von Filmmusik und Musicals.
Außer als Komponist ist Johan de Meij auch als Musiker in verschiedenen Bereichen aktiv. Als Posaunist spielte er mit verschiedenen niederländischen Ensembles und Orchestern, u.a. dem Radio Kamer Orkest, Nederlands Filharmonisch Orkest, Nederlands Blazers Ensemble, The Amsterdam Wind Orchestra und Orkest De Volharding. Darüber hinaus ist er ein gefragter Gastdirigent und Dozent, und hat bereits in fast allen europäischen Ländern, in Japan, Singapur, Brasilien und in den Vereinigten Staaten Konzerte dirigiert und Seminare geleitet.
LBO: Was war Deine Motivation damals, die 1. Sinfonie zu schreiben? Und wieso hast du Dich für Herr der Ringe entschieden?
Johan de Meij: Ich wollte ein großes substantielles Werk für Blasorchester schreiben und stieß dann auf Herr der Ringe und dachte: ja, das ist es! Es ist farbenreich, phantasiereich und es passiert etwas – die Geschichte bietet alles, was man für eine Sinfonie braucht. Und im Nachhinein betrachtet war es eine sehr gute Idee. Zudem muss ich gestehen, dass ich kein großer Tolkien-Fan bin – ich las das Buch nur, um die Musik dazu zu schreiben.
LBO: Wo ist der musikalische Zusammenhang der 1. und 5. Sinfonie? Zeitlich spielt die 5. vor der 1., aber wie hängen sie zusammen?
Johan de Meij: Das neue Werk ist etwas metaphorischer, vor allem durch den Texteinsatz. Ich gebe zwar thematische Hinweise auf die Geschichte, erzähle aber nicht das Silmarillion, die Vorgeschichte zu Tolkiens Hobbit und Herr der Ringe, nach. In der 1. Sinfonie gibt es fünf Kapitel: Gandalf, Gollum und Hobbits sind musikalische Porträts von Protagonisten, der Rest sind bestimmte Situationen oder Orte der Geschichte, die eine Handlung erzählen.
In der 5. Sinfonie wird keine konkrete Geschichte erzählt – hier habe ich mich an den fünf Gedichten orientiert. Also eher eine Beschreibung von symbolischen Geschehnissen. Das bedeutet, es wird nicht explizit aus einem Kapitel erzählt, sondern beispielsweise wird symbolisch der Krieg und die Angst beschrieben.
Außerdem gibt es in dem neuen Werk einige Zitate aus der 1. Sinfonie. [Hier ist der Moment, in dem Johan de Meij das Telefon auf Lautsprecher schaltete, um am Keyboard die verschiedenen Themen vorzuspielen]. In verschieden Situationen kommen immer wieder Zitate aus der ersten Sinfonie vor: beispielsweise der Ork-Ruf und auch das Gandalf-Signal.
LBO: Welche Hilfe hast Du genutzt, die Fantasiesprache Ilkorin zu verarbeiten – ein Wörterbuch oder Muttersprachler gibt es ja nicht?
Johan de Meij: Es gibt zwölf Elfensprachen und eine gute Freundin, Eileen Marie Moore, spricht eine davon sehr gut. Sie hat dann die Übersetzung der Gedichte gemacht und mir damit sehr geholfen. Als Gesangspädagogin konnte sie mir zusätzlich dann bei der Platzierung der Akzente und Silben helfen. Denn Ilkorin ist eine sehr phonetische Sprache – da muss man die Silben genau wählen und aufpassen, wie man sie in der Musik einsetzt.
LBO: Wie bist Du an das Projekt rangegangen und was war Deine Motivation?
Johan de Meij: Dieses Mal war es ein Auftrag – die erste Sinfonie war eher aus Spaß, als Hobby. Die Ursprungsidee war es, im November 2018 eine Tolkien-Konferenz zu veranstalten. Der Dekan der Valparaiso Universität in Indiana (USA) kontaktierte mich drei Jahre zuvor und bat mich darum, für diese Veranstaltung ein neues Werk zu schreiben, das auf Tolkiens Geschichte basiert. Leider wurde der Dekan nach einem Jahr freigestellt und die Konferenz abgesagt. Doch der Dirigent des Orchesters wollte das Werk trotzdem aufführen. Zu der Zeit hatte ich schon drei Sätze fertig und dann habe ich das Werk finalisiert.
LBO: Was waren die Schwierigkeiten, die auftraten, die Du vielleicht nicht erwartet hast?
Johan de Meij: Zwar war es nicht einfach, die 5. Sinfonie zu schreiben, aber es gab auch keine großen Probleme. Ich bin auch sehr zufrieden mit der Form. Wenn ich mir die Aufnahmen der ersten Aufführungen anhöre, finde ich, dass es klappt. Das Werk ist in sich stimmig und die Sätze und deren Länge sind gut so. Sowohl Form und Reihenfolge sind perfekt.
LBO: Warum Chor und Solistin? Wie bist Du auf diese Konstellation gekommen?
Johan de Meij: Seit der 3. Sinfonie habe ich immer Stimmen benutzt: einen Frauenchor und in der 4. einen Kinderchor mit Mezzosopran. Ich liebe es, für Stimmen zu schreiben – es ist fantastisch, mit Stimmen zu arbeiten. Ilkorin als Sprache passt auch super dazu. Und in der Geschichte kommen auch nur drei Frauen vor, denn die meisten Figuren sind Männer oder Orks. Da passt ein femininer Charakter, der durch die Solistin dargestellt wird, wunderbar.
LBO: Du hast das Werk als Dirigent bereits in den USA und erst kürzlich in Asien uraufgeführt – wir spielen am 1. Juni die deutsche Erstaufführung in Osnabrück. Wie war es für Dich, das Werk zum ersten Mal live zu hören?
Johan de Meij: Die Uraufführung war etwas enttäuschend, weil der Ort nicht der richtige war. Es fand in einer großen Kathedrale statt und man hörte kein Detail. Alle Klänge waren zu verschwommen und der Chor, bestehend aus 180 Studenten, war mit 50 Metern Abstand zu weit vom Dirigentenpult entfernt. Bei der japanischen Premiere war es ganz anders: ein wunderschöner Konzertsaal in Osaka mit einem tollen Orchester.
LBO: Welche Stelle gefällt Dir am besten?
Johan de Meij: Auf jeden Fall der Schluss des zweiten Satzes, wenn die Solistin a capella singt…aber auch der dritte Satz, der den Drachen beschreibt, ist spektakulär, da passiert so viel – das ist wie Wagner auf Steroiden. Ich dachte dabei an eine Mischung zwischen Walküre und Feuervogel: Man kann den Drachen förmlich sehen.
LBO: Wie und wo komponierst Du?
Johan de Meij: Ich komponiere nur Zuhause am Keyboard, mit Bildschirm und Computer. Auf Reisen kann ich nicht viel machen, höchstens eine Skizze mit dem Bleistift. Am Ende digitalisiere ich alles. Es gefällt mir aber auch, von Hand zu schreiben, denn Komponieren ist auch ein Handwerk.
LBO: Wurdest Du zurückversetzt in die damalige Zeit, als Du die erste Sinfonie schriebst?
Johan de Meij: Nein, das war ganz anders: die erste Sinfonie schrieb ich in 5 Jahren. Ich hatte keinen Zeitdruck und keinen Auftrag – somit habe ich zeitgleich an vielen anderen Sachen gearbeitet. Bei der 5. Sinfonie habe ich nur an diesem Werk gearbeitet und das hat etwas mehr als ein Jahr gedauert.
LBO: Warum hast Du Dich entschieden, den Drachen vom Fagott spielen zu lassen? Das Sopransaxophon war bereits in der 1. Sinfonie für Gollum im Einsatz und erinnert ein wenig daran.
Johan de Meij: Die 1. Sinfonie hat mehr solistische Passagen, in der 5. gibt es nur wenige Solisten – zum Beispiel Altflöte oder Fagott. Eigentlich ist der Drache so groß wie ein Jumbo Jet, aber in meiner Fantasie hat er im Gegensatz dazu eine alberne hohe Stimme. Und wie du sagst: tatsächlich gibt es eine gewisse Ähnlichkeit mit Gollum. Der Drache spricht zu sich selbst wie Gollum auch – bemitleidet sich und jammert.
LBO: Welche Musik hörst Du privat?
Johan de Meij: Meistens höre ich klassische Musik. Aber nicht zu viel, Zuhause höre ich kein Radio und beim Autofahren meistens eine CD. Aber wenn ich ein neues Werk schreibe, möchte ich in der Zeit lieber nichts Anderes hören.
LBO: Hast Du ein musikalisches Vorbild? Wer inspiriert Dich am meisten?
Johan de Meij: Oh ja sehr viele – ausschließlich klassische Komponisten wie Strawinsky, Prokofjew, Respighi, Bernstein, John Williams, Puccini und Carl Nielsen. Das sind alles meine Helden und das spiegelt sich auch in meiner Musik wider.
LBO: Was tust Du in deiner Freizeit, wenn Du nicht komponierst?
Johan de Meij: Ich bin natürlich viel auf Reisen zum Dirigieren, aber wenn ich Zeit habe, koche ich gerne – meistens etwas Italienisches oder Indisches…und dazu ein gutes Glas Wein.
LBO: Vielen Dank an Johan de Meij für das angenehme Gespräch!
Das Interview mit Johan de Meij führte Johannes Jerg.
Förderverein Landesblasorchester Baden-Württemberg LBO
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Freie Konzerttermine im Herbst 2019
Im Herbst 2019 haben wir noch Konzerttermine frei. Buchen Sie das Landesblasorchester für ein herausragendes Konzerterlebnis. Unsere Vorsitzende Ilka Hermann freut sich auf Ihren Anruf und gibt auch gerne Auskünfte über die freien Termine (Tel.: 07154 – 27144, E-Mail: vorsitzende@landesblasorchester.de)
Termine im ersten Halbjahr 2019
01.06.2019, 49074, Osnabrück, Deutsches Musikfest 2019, 20.00 Uhr, OsnabrückHalle
30.06.2019, 74072, Heilbronn Bundesgartenschau 2019, 19.00 Uhr, Sparkassenbühne
Programm im ersten Halbjahr 2019, Leitung: Björn Bus
Lord of the Rings
Sinfonie Nr. 1 Johan de Meij
–Pause–
Lord of the Rings: Return to Middle Earth
Sinfonie Nr. 5 Johan de Meij
Solistin: Katarzyna Jagiello
Neuer Kammerchor Heidenheim
©Beitragsbild: Georg Schabel
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