Über den Anfang und die Einspielphase einer Musikprobe – Teil 3

“Wie gestaltest Du den Anfang und die Einspielphase einer Musikprobe” ist die Frage, die ich in den vergangenen Monaten verschiedenen Dirigentinnen und Dirigenten gestellt haben. Heute veröffentliche ich auf dem Blasmusikblog.com die Antworten von Marianne Halder und Dominik M. Koch.

 

4. Marianne Halder

Marianne Halder
Marianne Halder

Marianne Halder studierte zunächst Klarinette in Stuttgart und anschließend Blasorchesterdirektion bei Prof. Felix Hauswirth in Basel (Schweiz). Zur Zeit ist sie Dirigentin der Stadtkapelle Meersburg, sowie Fachlehrerin für Klarinette an den Musikschulen in Meersburg und Albstadt.

„Anfang und Einspielphase einer Probe – meine persönliche Meinung dazu. Keinerlei Anspruch auf “das ist es”:

Ich glaube nicht, dass es ein pauschales Programm gibt welches bei allen Kapellen passt. Es liegt an uns DirigentInnen herauszufinden, was der Kapelle, aber auch dem musikalischen Programm zu welcher Zeit “gut tut”. 
Zu meiner Situation – nach dieser richtet sich im Großen und Ganzen dieser Bericht:

Ich dirigiere seit 8 Jahren die Stadtkapelle Meersburg. Proben sind so ziemlich das ganze Jahr hindurch 2x pro Woche angesetzt. Eine Probe heisst für die Stadtkapelle Meersburg “u.a. ehemalige Knabenmusiker wollen das fortsetzen, was sie in ihrer Knabenmusikzeit gemacht haben: Musik, einfach nur Musik”. Sie wollen den berühmten Spaß haben. Für mich heisst es: “Laienmusiker wollen als Ausgleich zu ihrem Berufsleben musizieren”. Die Herausforderung ist also, Routine mit Spannung zu kombinieren sprich das musikalische Engagement aufrecht zu erhalten und weiter zu führen. Für mich beginnt das mit einem herzlichen Grüß Gott alle Miteinander / Hallo zusammen / und dem ersten Ton einer Probe.

Es gibt für mich diverse Probephasen:

1. allgemeine Proben unterm Jahr zur Erarbeitung von neuem / Instandhalten des bereits aufliegenden Repertoires
2. vor einem großen Konzert
3. nach einem großen Konzert
4. speziell hier in Meersburg: während der Burgwegsaison.

Ich habe mir über die Jahre ein Repertoire an Einspielmaterial zurechtgelegt, aus welchem ich mich je nach Probephase bediene. Ich bin kein Freund von pädagogisch geprägten Einspielprogrammen welche die MusikerInnen “fördern” und “weiterbringen” sollen. Mein Motto grundsätzlich: keine Routine. Das Einspielen muss bereits Musik sein, es muss zur Probe passen, zu den dann aufgelegten Stücken, irgendwie auch zum aktuellen Jahresprogramm. Eine Probe muss stets interessant sein, also muss es das Einspielen auch. Unglückliches Einspielen für mich wäre z.B.: nach erfolgreich absolviertem Winzerfest-Frühschoppen hier in Meersburg die darauffolgende Probe mit einer Tonleiter zu beginnen. Das sind Dinge die ich tunlichst zu vermeiden versuche, denn ich glaube: das passt einfach nicht und mein Ehrgeiz eines professionellen Dirigenten sollte hier hinten anstehen.

–  ein klingendes Bb aushalten, Dynamik mf, einfach Einstimmen und sein Ohr auf den Ton lenken

–  dto mit einem bequemen F

–  „pick a note“ in bequemer Lage, in diversen dynamischen Stufen; auf diversen Tonstufen (jeder geht nun höher/tiefer usw.)

–   Tonleiter B-Dur, 
-> in Vierteln, erst mal ganz locker
-> zweitaktiges Denken mit cresc. zum jeweils 2. Takt
-> staccato
-> wir gehen 1 Ganzton höher/tiefer. Wir gehen nochmals einen Ganzton höher/tiefer

–  Tonleiter B-Dur als Grundlage: wir spielen 1. bis 3. Stufe und zurück zum Grundton

– zweitaktiges Denken im 4/4 Takt., so immer weiter 2. bis 4. Stufe usw. bis zur Oktave; am Zurück dann jeweils die Unterterz.
 Auch dies in diversen Tonarten. Diese Übung oft auch zweistimmig dahingehend, dass die Alt- u. Sopraninstrumente gleich auf der Terz beginnen.

–  Intervallübung: I – II, I – III, I – IV usw., bis zur Oktav und zurück, legato, diverse Tempi, diverse dynamische Stufen

–  Akkordaufbau: tiefe Instrumente = Grundton, Tenöre, Alt = Terz, Sopran = Quint, in verschiedenen Tonarten, Dur, Moll

–  langsamere, einfache, klanglich und musikalisch wertvolle Stücke, welche wir ganzjährig u.a. für kirchliche Auftritte im Repertoire haben dürfen ebenfalls gerne als Tonmaterial herhalten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Choralbücher der Kirchen erwähnen, welche ich für sehr gutes und übrigens alles andere als einfaches Material halte. Für uns ist es nur allzu gut, diese ganzjährig wieder und wieder aufzulegen.

–  Akkordfolgen in einem Werk aus dem Repertoire: langsames Tempo, quasi auf jedem Akkord eine Fermate, auf Zeichen weiter; mit einzelnen Registern; verschiedene dynamische Stufen; Rhythmus wieder dazu und Tempo steigern. Beispiel: es gibt einen “Galop” von Arthur Bird – dieser hat in der Coda eine lange Akkordfolge quer durch den Quintenzirkel: es tut wieder und wieder gut, diese schnelle Abfolge an Harmonie (Vorzeichenwechsel von Schlag zu Schlag!!!) gemütlich zu lesen, zu verfolgen, im Zeitlupentempo den Akkord zum Klingen zu bringen und sich den Klang eines jeden Akkordes bewusst zu machen.

–  es darf bei uns auch mal ein Marsch oder ein nicht zu anspruchsvolles Stück aus dem Repertoire sein (s.o.: Beispiel: was tun nach dem Winzerfest…); es darf eben auch mal “keine Tonleiter” sein…

Negative Erfahrung habe ich mit sogenannter Einspielliteratur gemacht: sie ist sehr bald “abgespielt” und gibt nichts mehr her, das – wie man so schön sagt – weiterbringt. Sie sind mir zu schulmeisterlich, zu steif und unflexibel. Dies mag zwar mit Tonleitern auch drohen, jedoch hat man hier den gesamten Quintenzirkel zur Verfügung; kombiniert mit all den dynamischen wie artikulatorischen Varianten sind sie ein (fast) unerschöpfliches Ressort. Aber auch hier will gut überlegt sein, inwieweit man seine MusikerInnen schon beim Einspielen der Spannung halber mit Fis-Dur konfrontiert.

Auch eine Überlegung wert: die Dauer des Einspielens. Auch diese versuche ich anzupassen und zu erspüren wann es genug ist. Wie gesagt: das Ganze muss Sinn machen.

Abschluss des Einspielens bildet grundsätzlich das Intonieren auf das klingende Bb der Oboe:

– registerweise, Spieler für Spieler, der Nachbar nimmt den Ton von seinem Nachbarn ab; ganz zum Schluss gemeinsames Intonieren von Tief nach Hoch (und ggf. nochmals Nach-korrigieren): für mich die beste und wichtigste Gehörschulung überhaupt in der Arbeit mit einem Laienorchester – einen Ton zu hören und zu vergleichen lernen, um es im Vortrag / beim Musizieren bei Bedarf eigenständig tun zu können. Hier also bin sogar ich auf der Schiene “fördern und weiterbringen”

 

…

Juni 2018, verfasst von

Marianne Halder
88709 Meersburg“

 

5. Dominik M. Koch

Dominik M. Koch
Dominik M. Koch

Dominik M. Koch studierte Blasorchesterdirektion bei Prof. Hamers in Augsburg und war 2,5 Jahre Dozent beim Team Blasorchesterleitung am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg. Er dirigiert den Musikverein Mühlhausen, den Musikverein Vaihingen/Enz, die Stadtkapelle Hockenheim, das Verbandsjugendorchester Rhein-Neckar und die Badische Brass Band.

Hier seine Gedanken zu Anfang und Einspielphase einer Musikprobe:

„Aufgrund meiner Erfahrungen als Dirigent verschiedener Blasorchester unterschiedlicher Leistungsstufen finde ich, dass ein gemeinsames Einspielen absolut sinnvoll ist. Ganz gleich bei welchem Orchester, ganz gleich welchen Niveaus.

Ich beginne deshalb gerne meine Proben auch mit einem gemeinsamen Warm-Up, das aber keinesfalls immer gleich abläuft oder an feste Standards gebunden ist. Vielmehr versuche ich Abwechslung für die Musiker zu schaffen und auch auf den jeweiligen Kontext im Jahresplan einzugehen. So dient mir z.B. in der Sommerzeit auch mal ein Marsch zum gelungenen Einstieg einer Probe mit eher unterhaltsamerer Literatur.

In der Regel verwende ich aber spezielle Übungen, die unterschiedliche, musikalische Parameter ansprechen und behandeln. Hier gibt es z. B. Binde- und Geläufigkeitsübungen, wie es die Musiker auch von ihrem Instrumentalunterricht her kennen. Oder auch einfach lange Töne und Akkorde, die einen mischfähigen Klang, eine natürliche Luftführung und ein erstes, gemeinsames „Einhören“ ermöglichen sollen. Solche und weitere, spezifische Übungen habe ich in eigenen Einspielheften zusammengefasst und meinen Musikern aller meiner Orchester zur Verfügung gestellt.

Im Anschluss daran benutze ich häufig Choräle oder auch ruhige Musik, die dann als Fortsetzung der Warm-Ups und dem musikalischem Zusammenhang dienen.

Das Ziel meiner Einspielphase ist immer, die Musiker „abzuholen“, jedem die Chance zu geben, „klanglich“ anzukommen und nicht direkt Höchstleistung bringen zu müssen. Des Weiteren kann ich als Dirigent unmittelbar den Klang und die Basics (Atmung, Luftführung, Verbindungen, Balance, Intonation usw.) elementar erarbeiten und für jeden in recht schlichtem Kontext begreiflich machen, um so auch Grundlagen für die anschließende Literatur zu legen.

Gerade bei den Projektorchestern, wie meiner Badischen Brassband, ist z.B. das gemeinsame Choralspiel ohnehin sehr wichtig, damit sich die Band findet. Vor allem dann, wenn das wöchentliche, gemeinsame Kollektiv fehlt und man sich nur punktuell übers Jahr sieht.

Von einem sinnvoll gestalteten, gemeinsamen Einspielen profitiert schließlich das Orchester die gesamte Probe über und natürlich kann ich zudem mit Hilfe dieser Übungen, grundsätzliche Aspekte in der musikalischen Arbeit weiterentwickeln und optimieren.

Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Übungen und Ideen, die Abwechslung schaffen und neue Aspekte einbringen lassen. Hierzu habe ich in den vergangenen Jahren für meine Orchester bereits zwei Einspielhefte zusammengefasst und zahlreiche Übungsblätter und Warm-Ups erstellt, die ich auch bei meinen Coachings bei fremden Orchestern mit einbringe und ergebnisorientiert nutze.

Dominik M. Koch“

Team Taktstock

www.dominikkoch.de

 

Ein herzliches Dankeschön an Marianne Halder und Dominik M. Koch für die ausführliche Beantwortung der Frage!

Teil 4 ist schon in den Startlöchern und erscheint demnächst. Darin geben Jochen Lorenz und Michael Meininger ihre Tipps für die Einspielphase einer Probe. Ihr dürft gespannt sein.

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Weiteres Notenmaterial für die Orchesterschulung, für das Warm-Up und generell für die Einspielphase einer Musikprobe:

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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