Donnerstag, November 21, 2024
Ensemble-SchulungWerke

12 Fragen an den Band Coach Hans-Peter Blaser

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Er ist der Band Coach. Zumindest ist der Schweizer Hans-Peter Blaser vielen in der Blasorchesterszene als der Band Coach bekannt. Sein Orchesterschulungs-Werk Band-Coaching ist richtungsweisend in der Klang- und Intonationsschulung von Blasorchestern und mittlerweile zum Standard-Werk geworden.

Über Band-Coaching, seine frühere Tätigkeit als Dozent für Dirigieren, seine Kompositionen und sein momentanes Leben habe ich Hans-Peter Blaser insgesamt 12 Fragen gestellt, die er kürzlich ausführlich beantwortete:

Was hat Dich bewogen, Dich intensiv mit Intonation, Einspielmethoden, Klangentwicklung usw. von Blasorchester zu beschäftigen?

Hans-Peter Blaser: “Bereits 1978 habe ich meine Diplomarbeit im Rahmen der Abschlussprüfung als Blasmusikdirigent an der Musikakademie Basel zum Thema Einspielen und Klangschulung verfasst. Das wohl deshalb, weil ich über eine hohe Klangsensibilität verfüge und einen musikalischen Vortrag erst dann richtig geniessen kann, wenn das betreffende Ensemble über eine gepflegte Klangkultur verfügt und möglichst rein intoniert. Durch forsches, virtuoses und temperamentvolles Spiel lasse ich mich kaum beeindrucken. Besonders dann, wenn ein Ensemble laut und hart klingt und/oder die Intonation mangelhaft ist, so bereitet mir dies auch physische Beschwerden indem sich meine Muskulatur verspannt.

Mich interessierte immer schon, welche akustischen Gegebenheiten die Intonation im wesentlichen bestimmen. Und da gibt es ja viele Aspekte, welche zu beachten sind: Konflikt zwischen reiner und gleichstufig temperierter Stimmung, unterschiedliches Intonationsverhalten der Instrumente, Einflüsse von Raumtemperatur, Besetzung, usw. Als Lehrer und Coach ist es mir wichtig, dieses Wissen zu vermitteln und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der Transfer in die praktische Arbeit mit einem Blasmusikverein bewerkstelligt werden kann. Das ist wesentlich, denn theoretisches Wissen alleine nützt nichts, solange es nicht angewendet wird.”

Band Coaching - All in one
Band Coaching – All in one von Hans-Peter Blaser

Wie kann Deiner Meinung nach das Band Coaching-Material optimal in die wöchentliche Probenarbeit eines Blasorchesters eingesetzt werden?

Hans-Peter Blaser: “In der Regel beginnt die Musikprobe mit dem Einspielen. Der Begriff “Band Coaching” ist bei vielen Dirigenten noch nicht bekannt. Band Coaching bedeutet Orchesterschulung, was auch als Einspielen PLUS bezeichnet werden könnte. Es werden die Basisfertigkeiten des Orchesterspiels trainiert. Dieses Training ist unumgänglich und muss regelmässig, das heisst in jeder Musikprobe stattfinden. Die Arbeit an der Klang- und Spielkultur eines Ensembles oder Orchesters muss in jeder Probe stattfinden.

Während der Einspielphase können einzelne Aspekte des Musizierens im Orchesterverband exemplarisch geübt werden. Dazu gehört in der Regel ein gemeinsames Einspielen, wie auch die Arbeit an Klang, Klangbalance und reinem Intonieren. Dazu kommen weitere wesentliche Aspekte:

  • erarbeiten eines breiten Dynamikspektrums
  • differenziertes, einheitliches und stilgerechtes Artikulieren
  • präzises Zusammenspiel
  • präzise Ausführung von rhythmischen Elementen in Verbindung mit der Gestaltung eines lebendigen und spannungsvollem Metrum
  • gemeinsames Phrasieren

Das sind einige der Aspekte, welche ein kultiviertes Orchesterspiel auszeichnen.

Während der Probe an den Repertoirestücken, gilt es, das Erlernte anzuwenden. Dabei ist es wichtig, das Verständnis für all diese Anforderungen bei den Musikerinnen und Musikern zu wecken. So ist es besonders wichtig, zu erklären, aus welchen Gründen ein und derselbe Ton einmal hoch, einmal tief und einmal zentriert intoniert werden soll. Fehlen diese Erklärungen, so denken die Musiker, die Dirigentin oder der Dirigent wüssten nicht genau, was zu tun ist.

Als Dirigent steht man vor dem Orchester an einem virtuellen Mischpult, hebt einige Stimmen hervor, und nimmt andere zurück. Auch hier sind Erklärungen unumgänglich. Die Komponisten schreiben die Gesamtdynamik in die Partitur und Einzelstimmen. Es besteht aber ein grosser Unterschied zwischen einem forte der Klarinetten oder der Trompeten. Folglich ist es die Aufgabe der Dirigenten, diese Unterschiede auszugleichen. Zudem hängt die Klangbalance auch davon ab, welche Funktion innerhalb eines Akkordes die einzelnen Instrumente und Stimmen inne haben. All das gilt es bei der Arbeit zu berücksichtigen, welche in jeder Probe stattfinden muss, um das Ensemble zum Erfolg zu führen.”

Du komponierst mehr und mehr. Was ist Dein innerer Antrieb?

Hans-Peter Blaser: “Ja, in diesem Jahr habe ich regelmässig komponiert. Die Arbeit am Band Coaching-Schulungsmaterial ist mehr oder weniger abgeschlossen. Deshalb habe ich mich wieder dem Komponieren zugewandt.

Hört man in den Medien, wie Menschen der Generation 60+ beschrieben werden, so wird oft ein recht negatives Bild gezeichnet. Man könnte glauben, diese Menschen seien müde, verbraucht und teilweise gebrechlich. Zum Glück, und dafür bin ich sehr dankbar, trifft das alles auf mich nicht zu. Ich bin immer noch neugierig und unternehmungslustig. Deshalb fühle ich auch ein inneres Bedürfnis, kreativ tätig zu sein, und dazu bietet sich das Komponieren an.”

Was ist Dir beim Komponieren besonders wichtig?

Hans-Peter Blaser: “Zu Beginn der 90er-Jahre habe ich verschiedene unterschiedliche Bücher darüber gelesen, welche Wirkung Musik auf Körper und Geist des Menschen hat. Besonders beeindruckt haben mich die Schriften von Tonius Timmermann, was dazu geführt hat, dass ich bei ihm und seiner Frau Gabriele Selbsterfahrungs-Workshops mit Musiktherapie besucht habe. Das war eine sehr intensive und bereichernde Erfahrung. Diese Erfahrung prägt auch mein Schaffen. Mir ist es wichtig einen starken Ausdruck zu gestalten und nach Möglichkeit positive Emotionen zu vermitteln. Diese sollen die Lebensenergie stärken, die Lebensfreude wecken und Wohlbefinden vermitteln.”

Welches sind deine neuesten Werke?

Hans-Peter Blaser:Hellas ist eine Suite über griechische Rembetiko-Musik. Dieses Werk für Blasorchester im Grade 4 wurde im April 2018 von der Musikkapelle Peter Mayr Pfeffersberg im Südtirol erfolgreich uraufgeführt. Die Satzbezeichnungen lauten: Syrtos – Misirlou – Trava, trava. Das Werk ist sehr farbig instrumentiert, bringt die klanglich reichhaltigen Möglichkeiten des Blasorchesters gut zur Geltung, und vermittelt viel südliche Lebensfreude.

In diesem Frühjahr entstand Swiss Folk Songs, eine Rhapsodie über alte Schweizer Volkslieder aus der Sammlung “Im Röseligarte”. Dieses Werk für Blasorchester und Brass Band ist im Grade 3. Da es als Pflichtstück in einem Wettbewerb zum Einsatz kommt, wird es erst im kommenden Frühjahr veröffentlicht werden.

Tsunagari mit dem Untertitel “Suisu to Nihon no tsunagari”, was soviel bedeutet wie japanisch – schweizerische Verbindung. Das Werk habe ich für einen langjährigen Freund und seine Frau, einer Japanerin zum Geburtstag komponiert. Es liegt in den Fassungen für Blasorchester, Brass Band und Klarinettenensemble vor. Die Uraufführung mit einem Klarinettenensemble fand dieses Jahr im Juli im Rahmen der Sommerakademie Biel statt. In dem Werk im Grade 3 werden zwei japanische Melodien in pentatonischer Tonart und ein populäres schweizer Volkslied verarbeitet. Auf diese Weise wird die Verbindung zwischen den beiden Kulturen mit musikalischen Mitteln dargestellt, was sehr reizvolle Wendungen und Farben ergibt.”

Welche Projekte – Werke oder Schulungsmaterial – möchtest Du in nächster Zeit realisieren?

Hans-Peter Blaser: “In diesem Herbst werde ich ein Werk für Blasorchester im Grad 4 komponieren. Diese Komposition wird vorwiegend aus eigenen Themen entwickelt werden.

Im Band Coaching werde ich die bestehenden Ausgaben überarbeiten. Es bestehen auch noch weitere Ideen für eine geringfügige Erweiterung des Angebotes. Zudem habe ich geplant, Anleitungen für die praktische Arbeit mit den Übungen online zu stellen. Und wahrscheinlich werde ich auch eine englische Übersetzung der Texte anfertigen lassen. So kann das Material auch von Orchestern ausserhalb des deutschsprachigen Raumes genutzt werden.”

Zurück blickend: Was waren für Dich die emotionalsten und bereicherndsten Konzerte mit Blasorchestern, die Du selbst geleitet hast?

Hans-Peter Blaser: “Dummerweise neige ich zu Perfektionismus. Das hat seine positiven Seiten indem ich engagiert, zielgerichtet und genau arbeite. Es hat aber den Nachteil, dass ich auch bei Konzerten sehr genau registriere, wenn Details nicht nach Wunsch gelingen. So gibt es leider kein Konzert, bei dem ich mit allen Vorträgen restlos zufrieden war. Zum Glück gibt es aber in jedem Konzert Momente in denen alles stimmt, in denen alle Mitwirkenden im Flow sind und intensiv musiziert werden kann. Das ist jeweils ein bereicherndes und beglückendes Erlebnis. Besonders mit dem Sinfonischen Blasorchester Markgräflerland konnte ich viele solcher Momente erleben, an welche ich gerne und mit Freude erinnere.”

Was war Dir bei der Ausbildung von Dirigenten immer besonders wichtig?

Hans-Peter Blaser: “Als Basis, um den Beruf erfolgreich ausüben zu können, habe ich eine möglichst optimale Dirigiertechnik erarbeitet. Die Dirigentinnen und Dirigenten sollen in der Lage sein, über Gestik, Mimik und Körperausdruck ein Orchester ohne viele Worte leiten zu können. So ist es möglich, auch während den Konzerten Gestaltungsimpulse vermitteln zu können. Müssen die Dirigenten während einer Probe alle fünf Minuten die Orchestermitglieder auffordern, besser nach vorne zu schauen und das Tempo abzunehmen, so stimmt in der Regel die Dirigiertechnik nicht und sollte optimiert werden. Besonders achtete ich darauf, dass die Studierenden gut verankert stehen, die Atmung frei fliesst, Schultern und Oberarme entspannt sind, und die Dirigierbewegungen organisch und fliessend ausgeführt werden. Zudem ist wichtig, dass der Impuls nicht irgendwo im Körper (Kopf, Nacken, Handrücken, usw.) stecken bleibt, sondern nach vorne zur Spitze des Taktstocks gebracht wird.

Die Dirigentinnen und Dirigenten sollen in der Lage sein, eine Partitur vollständig analysieren und verstehen zu können. Dazu gehört eine umfassende musikalische Allgemeinbildung mit vertieften Kenntnissen in Harmonie- und Formenlehre, Stil-, Repertoire- und Instrumentenkunde. Dieses Wissen kann in Verbindung mit einer ausgeprägten Musikalität und einem reichhaltigen Erfahrungsschatz dazu genutzt werden, effektiv zu proben und die Einzigartigkeit eines Musikstückes zum Ausdruck zu bringen. Und das ist ein wesentliches Ziel unserer Tätigkeit.

Blasmusikdirigentinnen und -dirigenten arbeiten vorwiegend mit Amateurmusikern zusammen. Diese widmen einen beachtlichen Teil ihrer Freizeit der Tätigkeit im Blasmusikverein. Deshalb sollten die Dirigenten sich ihrer Verantwortung stets bewusst sein. Das Ziel der Arbeit muss darin liegen, jede Probe zu einem Erlebnis werden zu lassen. Das vor allem deshalb, weil die Musikvereine wesentlich mehr Zeit im Probelokal als auf der Konzertbühne verbringen. Zudem sollte das Potenzial des Orchesters und der einzelnen Musikerinnen und Musiker optimal genutzt und gefördert werden. Wenn das gelingt, so ist der Erfolg garantiert und das gemeinsame Musizieren macht allen Spass.”

Welche Empfehlungen gibst Du Blasorchester-Dirigenten, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen?

Hans-Peter Blaser: “In erster Linie sollten sich die Absolventen von Dirigentenkursen und Studiengängen bewusst sein, dass der Abschluss keinesfalls bedeutet, jetzt alles zu wissen und zu können. In der Ausbildung wird die Basis für eine erfolgreiche Tätigkeit gelegt. Danach geht das Lernen stets weiter. Es gilt sein Wissen kontinuierlich zu erweitern und durch die praktische Tätigkeit Erfahrung zu sammeln.

Nebst dem Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen ist das Lernen am Modell sehr zu empfehlen. Es lohnt sich, regelmässig Proben von erfolgreichen Dirigentinnen und Dirigenten zu besuchen und diese zu beobachten. Im Gespräch mit diesen Persönlichkeiten kann erfahren werden, was deren Strategien sind, was ihnen wichtig ist und wo sie in ihrer Arbeit Schwerpunkte setzen. Auch im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen kann sehr viel gelernt werden. Dabei gilt es Achtsam zu sein. Oft sind es Kleinigkeiten, welche einen grossen Unterschied ausmachen können.

Zum Lernen am Modell gehört auch der Konzertbesuch bei leistungsfähigen Ensembles mit unterschiedlicher Besetzung und Stilrichtung.”

Welche drei Wörter beschreiben Deine momentane Lebenslage kurz und knapp?

Hans-Peter Blaser:

Freiraum

Als Rentner habe ich wesentlich weniger fixe Termine, als dies während meiner aktiven Zeit als Dozent und Dirigent der Fall war. Das gibt mir die Gelegenheit, meine Zeit meinen Bedürfnissen entsprechend einteilen und zu nutzen zu können. Dieses Privileg geniesse ich sehr.

Balance

Da ich auch als Rentner immer noch als Komponist, Verleger und Band Coach tätig bin, achte ich darauf, eine gute Balance zwischen Arbeitsleben und Freizeit zu gestalten. Schliesslich will ich das Rentnerleben geniessen können und nicht weiter arbeiten wie vor der Pensionierung.

Beziehungen

Der erwähnte Freiraum bietet zum Beispiel die Möglichkeit, Beziehungen zu Freunden und Familienmitgliedern zu pflegen, was vor der Pensionierung nicht immer möglich war. So konnte ich Kontakte mit Freunden, welche ich seit längerer Zeit nicht mehr getroffen hatte, wieder aufnehmen und beleben.”

Wie gelingt Dir und Deiner Frau der Spagat zwischen Arbeit und Pensioniertenleben?

Hans-Peter Blaser: “Meine Frau ist seit diesem Sommer im Rentenalter, also eine AHV[1]-Teenagerin, wie wir Schweizer diese Generation bezeichnen. Sie arbeitet weiterhin als selbständige Yogalehrerin. Deshalb haben wir uns während den Sommerferien überlegt, wie wir unseren Alltag gestalten und organisieren wollen, damit genügend Freiraum bleibt, um das (Rentner-)Leben geniessen zu können. Das ist ein Lernprozess. Uns gelingt es insgesamt recht gut, diese Balance aufrecht zu erhalten, obschon es noch etwas Optimierungspotenzial gibt.”

Was machst Du in Deiner außermusikalischen Freizeit am Liebsten?

Hans-Peter Blaser: “Wie bereits erwähnt, habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Folglich waren die Übergänge von Berufstätigkeit und Freizeit oft fliessend. Das ist auch jetzt noch so. Beim Besuch von Konzerten kann ich die Musik sehr wohl geniessen, aber es sitzt auch immer der Berufsmusiker, Lehrer und Experte mit im Konzertsaal. Da ich während meiner Unterrichts- und Dirigiertätigkeit oft am Abend arbeitete, war es mir leider kaum möglich, die Konzerte von Sinfonieorchestern zu besuchen. Deshalb geniesse ich jedes dieser Konzerte jetzt umso mehr. Leider sind bei mir keine Sport-Gene zu finden. Ich bin aber gerne draussen in der Natur. Folglich besteht meine sportliche Betätigung aus spazieren und wandern.

Mich hat schon seit meiner Jugend das Fotografieren interessiert. Jetzt kann ich diesem Hobby zum Glück mehr Zeit widmen. Die Motive dazu finde ich in der Natur. Besonders interessant finde auch ich die kreativen Möglichkeiten der Nachbearbeitung der Fotos am Computer.

Selbstverständlich mag ich gutes Essen und guten Wein, welches ich gerne in Gesellschaft mit liebenswürdigen Menschen in Verbindung mit guten Gesprächen geniesse.”

Herzlichen Dank, lieber Hans-Peter Blaser für dieses Interview!


[1] 1. Säule der Rentenversicherung in der Schweiz

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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