Das besondere Konzert: Blasorchester Havixbeck – Expedition zum Frieden
Der erste Gastartikel auf dem Blasmusikblog! Ich freue mich sehr, dafür Christian Topp gewonnen zu haben. Er berichtet hier auf dem Blasmusikblog über ein sehr besonderes und berührendes Konzert des Blasorchesters Havixbeck unter seiner Leitung, das ganz im Zeichen des Gedenkens an den schrecklichen Ersten Weltkrieg stand.
Das besondere Konzert – Expedition zum Frieden
von Christian Topp
Vor Einhundert Jahren tobte der Erste Weltkrieg in Europa und hielt blutige Ernte. Diesen Jahrestag wollte die Expedition Münsterland und das Historische Seminar, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, zum Anlass nehmen, ein an diesen Geschehnissen interessiertes Publikum an dieses Ereignis heranzuführen. Involviert waren neben den Studierenden auch Bürgerwissenschaftler und verschiedene Künstler oder Gruppen. Um das Geschehen greifbar zu machen wurden verschiedene Orte im Münsterland zu »Wissensorten« erklärt, zu und an denen Veranstaltungen aus Wissenschaft und Kunst stattfinden. Einer dieser »Wissensorte« ist die Kriegerkapelle vor dem Friedhof in Havixbeck (Beitragsfoto), in der die Namen der Gefallenen Havixbecker beider Weltkriege in Stein gemeißelt verewigt sind.
Die AFO (Arbeitsstelle Forschungstransfer der Uni Münster) nahm Kontakt zum Blasorchester Havixbeck von 1878 e.V. auf um die Möglichkeit einer Mitwirkung zu klären. Schnell wurden sich beide Seiten einig, dass das jährliche Frühjahrskonzert eine geeignete Möglichkeit ist, sich einzubringen.
Da der gesamten Expedition noch ein würdiger Rahmen für eine Abschlussveranstaltung fehlte, bot sich dieses Konzert hierfür besonders an. So begann die Planung eines Konzertes, das sich thematisch mit dem 1. Weltkrieg befassen sollte.
Die Auswahl der Literatur war nicht so einfach, denn neben dem künstlerisch-wissenschaftlichen Anspruch sollte und musste auch der Aspekt des traditionellen Jahreskonzertes gewahrt bleiben.
Das Konzert sollte an der Kriegerkapelle in Havixbeck mit einer kleinen Gedenkstunde beginnen, in der neben dem »Last Post« der Briten und der französischen »Sonnerie aux Mortes« das »Lied vom guten Kameraden« erklang. Gebete von Pfarrer Siegfried Thesing verbanden diese kleinen Musikstücke. Danach wurden die Zuhörer an großen Fotoplanen vorbei in die wenige Meter entfernte Halle geleitet, in der das eigentliche Konzert dann seinen Lauf nahm.
Im Programm fanden sich zeitgenössische Werke des 1. Weltkriegs wie Debussys »Berceuse heroique«, das er für König Albert I. von Belgien und seine Soldaten komponierte. Ein konzertantes Stück aus Deutschland zu finden, das im Idealfall die Kriegsbegeisterung und den Patriotismus wiederspiegelte war eine echte Herausforderung, die aber mit Hilfe der DGfMM (Deutsche Gesellschaft für Militärmusik) gelöst wurde: Das »Marinetongemälde über das Deutsche Flaggenlied« von Richard Thiele erklang wahrscheinlich zum ersten Mal nach dem Krieg wieder. Neben diesen Funktionsmusiken wollten wir aber auch die verharmlosende Seite des Krieges darstellen. Bekanntermaßen fand der Krieg nicht auf deutschem Boden statt, und so komponierte ein Militärkapellmeister wie Robert Stolz einfach seine Lieder und Operetten weiter, fast so, als wäre nichts geschehen.
Andere Militärkapellmeister hatten weniger Glück und waren mit ihren Orchestern an der Front. Bekanntes Beispiel ist der Bayerische Komponist Georg Fürst, der mit einem Musikkorps während des gesamten Krieges an den Fronten in Europa eingesetzt war. Von Georg Fürst sind dann auch gleich drei Märsche im Programm zu finden.
Wie haben die Komponisten nach dem Kriege das Geschehen reflektiert und bewertet? Dieser wichtigen Frage hat sich das
Blasorchester Havixbeck mit zwei Kompositionen unserer Zeit gewidmet. So erlangten nach dem Töten einige Gedichte, insbesondere im englischen Sprachraum, Berühmtheit. Zwei dieser Gedichte von gefallenen Soldaten wurden von Blasorchesterkomponisten vertont: Ein Sonnett des Engländers Charles Hamilton Sorley, das in Jan Van der Roosts »Et in Terra Pax« zitiert wird und mit den Worten »When you see millions of mouthless dead« beginnt sowie die recht neue Komposition »In Flanders Fields« von Roger Desrongé, der das gleichnamige Gedicht des Kanadieres John Alexander McCrae in Töne fasste. Dieses Gedicht wird vor dem Stück gesprochen, gleichsam als Inhaltsangabe der Komposition. Bei den Gedichten konnte das Orchester wieder auf die Unterstützung des Hörbuchsprechers René Wagner zählen, zu dem das Orchester seit dem letztjährigen Familienkonzert eine herzliche Verbindung pflegt.
Auch Hollywood hat sich mit einigen Filmen dem Ersten Weltkrieg angenommen, ein aktuelles Beispiel ist Steven Spielbergs Film »Gefährten« aus dem Jahr 2011.
John Williams komponierte die Filmmusik zu »Gefährten«, in dem es um die Freundschaft eines Jungen zu seinem Pferd geht, das in Frankreich Dienst an der Front leisten muss.
Das letzte Stück des Abends war der Sousa-Marsch »Flags of Freedom«, den er im Eindruck des gewonnenen Krieges 1918 komponierte. Sousa benutzt hierzu thematisches Material aus den Nationalhymnen der Siegermächte.
Das Programm:
Fleury Marsch – Georg Fürst
Berceuse Heroique – Claude Debussy
Marine–Tongemälde über das »Deutsche Flaggenlied« – Richard Thiele / instrumentiert: Martin Schröder
In den Dolomiten – Georg Fürst
Et in Terra pax – Jan Van der Roost
PAUSE
Isonzo Marsch – Georg Fürst
In Flanders Field – Roger Desrongé
Dartmoor 1912 aus “Gefährten” – John Williams / arr.: Jay Bocook
Robert Stolz Melodien – Robert Stolz
Flags of Freedom – John Philip Sousa
Blasorchester Havixbeck
Havixbeck ist eine Gemeinde am Nordost-Rand der Baumberge im Norden des Landes Nordrhein-Westfalen im Kreis Coesfeld, nicht weit von Münster. Das Blasorchester hat eine lange Tradition und besteht schon seit dem Jahr 1878. Im November 2012 übernahm Christian Topp die musikalische Leitung des Blasorchester Havixbeck von 1878 e.V.. 2013 und 2014 nahm das Orchester unter seiner musikalischen Leitung sehr erfolgreich am Deutschen Musikwettbewerb in Chemnitz und in der Höchststufe am Landeswettbewerb NRW in Soest teil.
Christian Topp
Christian Topp ist seit 1997 Oboist im Luftwaffenmusikkoprs Münster. Neben seinen vielfältigen musikalischen Aufgaben ist er leidenschaftlicher Fotograf. In seinem ambitionierten Projekt 365 veröffentlicht er jeden Tag ein sehr besonderes, professionelles Foto. Neben musikalischen Motiven sind das vor allem sehr anrührende Schwarz-Weiß-Fotografien, Makro-Aufnahmen von Blumen und Pflanzen, sehr kunstvoll arrangierte abstrakte Fotos und vieles mehr. Ein Blick auf seine Website Projekt 365 lohnt sich!
Mit dem Thema Krieg beschäftigt sich Christian Topp nicht nur musikalisch und fotografisch, sondern auch schriftstellerisch. In seiner Chronik „Helden wollten wir nie sein“ schreibt er über die Schicksale der Gefallenen im Zweiten Weltkrieg aus Havixbeck und Hohenholte. Für dieses Buch hat er die Hinterbliebenen der Gefallenen besucht und Feldpost, Fotos und Dokumente gesammelt und aufgearbeitet.
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