Arbeitsverein oder Musikverein?

Sehr viele Musikvereine finanzieren sich über Dorf- oder Zeltfeste oder andere Aktivitäten, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Musizieren stehen. Spätestens seit Corona denken viele Musikvereine über alternative Finanzierungsmethoden nach. Das Konzept „Wir veranstalten ein Fest, verkaufen Getränke und Speisen und decken damit die laufenden Fix-Kosten des Jahres“ funktionierte während Corona vom einen auf den anderen Tag nicht mehr.

Viele Vereinsverantwortliche berichteten mir in letzter Zeit, dass die Feste in den Gemeinden von der Anzahl der Besucher her rückläufig ist. Sie sind also nicht mehr so gut besucht wie in der Vergangenheit. Corona-Auswirkung oder Zeitgeist?

Und das größte Problem: Die Musikerinnen und Musiker sind nicht mehr unbedingt bereit, einen extrem hohen Arbeitseinsatz zu leisten, damit das Fest stattfinden kann.

Bei einem dreitägigen Fest beispielsweise ist es nicht unüblich, dass vorher fünf Tage lang aufgebaut wird, dann müssen mehrere Schichten beispielsweise an der Getränketheke, am Grill, der Friteuse, am Weinstand und mehr geleistet werden. Und schließlich braucht es noch zwei bis drei Tage bis wieder alles geputzt, aufgeräumt und verstaut ist.

Die Arbeitsstunden, die die Musiker:innen des Musikvereins in diesem Beispiel geleistet haben, hat bestimmt noch niemand zusammengerechnet. Würden wir hier einen Stundenansatz von lediglich dem Mindestlohn ansetzen, würde der erzielte Ertrag des Festes in einem dunkelroten Licht erscheinen.

Hinzu kommt, dass die Musikvereine kleiner werden. Es stehen dann auch nicht mehr so viele Arbeitskräfte zur Verfügung wie früher. Die gleiche Arbeit muss von viel weniger Personen erledigt werden, was den Arbeitsaufwand für den Einzelnen wieder erhöht.

In Zukunftswerkstätten höre ich zwar nicht immer das Problem, dass es bei diesen Festivitäten zu Streitereien kommt, weil einige weniger als andere arbeiten und manche sich klug absetzen, aber oft genug! Immer öfter wird die Frage gestellt: „Sind wir ein Arbeitsverein oder ein Musikverein?“

In nahezu jeder Zukunftswerkstatt bestätigt sich meine Erkenntnis, dass die Musikvereine keine finanziellen Probleme haben. Noch nicht. Wenn die Festivitäten, die den Musikverein finanzieren wegfallen, weil die Erträge nicht mehr hoch genug sind oder die Musiker:innen nicht mehr bereit sind, den hohen Zeitaufwand für das Fest zu leisten, dann ist es spätestens Zeit, sich über alternative Finanzierungsmethoden Gedanken zu machen.

Der Ärger, den die Festivitäten mit sich bringen, brauchen wir in einem Musikverein auch nicht. Wir verbringen da unsere Freizeit und möchten uns nicht abstressen. Schon allein die armen Personen, die für den Einsatzplan zuständig sind, die tun mir immer sehr leid. Die Kuchen-Spende-Liste bekommt man ja meistens noch voll, aber die Theken-, Küchen- und Bedienungs-Listen? Und ständig muss allen hinterhergerannt und -telefoniert werden, damit sie sich endlich eintragen oder bereit erklären, Schichten – auch mehrere – zu übernehmen.

Besinnen wir uns doch einmal darauf, was unsere Kernkompetenz ist: Das Musizieren! Ist es nicht möglich, das Geld, das wir brauchen, durch das, was wir am Liebsten tun und am besten können, zu erwirtschaften?

Warum berichten mir viele Vereinsverantwortliche, dass sie mit den Konzerten kein Geld verdienen? Ist der Eintrittspreis für das Konzert zu gering? Können wir hier wirklich nicht mehr verlangen? Oder kommt zu wenig Publikum? Wie können wir unsere musikalischen Aktivitäten so gestalten, dass sie uns einen Deckungsbeitrag zu den jährlichen Fixkosten bringen? Ich denke, hier sollten wir als Musikverein als allererstes ansetzen. Darüber, wie wir Konzerte attraktiver und erfolgreicher gestalten können, habe ich schon einmal diesen Beitrag geschrieben: Konzerte attraktiv gestalten.

Es muss nicht immer das dreitätige Wein- oder Dorffest sein. Können wir in kreativen eintägigen Events, bei der wir auch unsere musikalischen Stärken zeigen, mit sehr viel weniger Aufwand, einen Deckungsbeitrag erwirtschaften?

Warum ist ein Aktivenbeitrag, den jede:r Musiker:in bezahlen könnte, in vielen Musikvereinen noch ein No-Go? Ich bin sicher, dass die überwiegende Anzahl der Musiker:innen liebend gerne 10 Euro pro Monat bezahlen würden, damit ein Deckungsbeitrag für Dirigent, Noten und ev. Probensaal erwirtschaftet wird.

In den meisten Musikvereinen, in die ich komme, sehe ich keine Aktivitäten, die fördernden Mitglieder zu hegen und zu pflegen. Und es gibt auch keine Personen, die sich intensiv um neue fördernde Mitglieder kümmern. Die Sponsoren-Suche ist auch nicht strukturell organisiert. Meist nur punktuell, wenn ein Konzert ansteht oder ein Instrument finanziert werden soll. Was keine schlechte Vorgehensweise ist – denn für einen Spendenaufruf braucht es einen guten Anlass. Aber selbst für diese Vorgehensweise sind meist keine Personen strukturell zuständig und verantwortlich.

Crowdfunding-Aktionen und Anträge für Fördergelder sind sehr arbeitsintensiv. Wer das schon einmal durchgeführt hat, denkt sich vielleicht schon, dass man diese Zeit lieber am Grill beim Dorffest verbracht hätte. Wer weiß… Und doch können beide Varianten einen großen Batzen Geld einbringen. Unter Umständen einen Betrag, an den ein Ertrag aus einem Herbstfest nicht heranreicht.

Meine Lösungsansätze im Überblick:

  1. Wie können wir unsere Konzerte und Events attraktiver gestalten, so dass sie auch einen nennenswerten Deckungsbeitrag erwirtschaften?
  2. Können wir Veranstaltungen mit weniger Arbeitseinsatz und doch einem nennenswerten Ertrag durchführen?
  3. Aktiven-Beitrag
  4. Fördernde Mitglieder: neue finden, bestehende betreuen (Kundenbetreuung)
  5. Strukturelles Sponsoring – Anlassbezogen
  6. Ausschöpfen aller Fördergelder
  7. Crowdfunding

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    3 thoughts on “Arbeitsverein oder Musikverein?

    • 4. April 2023 at 8:21
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      Der finanzielle Aspekt von Veranstaltungen ist aber nur einer von vielen!
      Veranstaltungen von Vereinen dienen der Ortsgemeinschaft.
      Veranstaltungen präsentieren den Verein in der Öffentlichkeit, auch dort wo man mit Konzerten oder musikalischen Auftritten die Menschen nicht erreicht.
      Ein Fest kann den Verein genau so zusammenschweissen, wie ein Konzert. Das Ergebnis ist nämlich das Gleiche: Man hat in der Geminschaft etwas erreicht.
      Und es ist in Proben und bei Arbeitseinsätzen immer das gleiche: Es kommen nicht Alle!
      Auch bei Proben, muss man bitten, betteln und motivieren, dass die Leute kommen.

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    • 5. April 2023 at 19:58
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      Hallo Alexandra, sicher hast du recht, dass es nur mit dem unentgeltlichen Arbeitseinsatz vieler Menschen möglich ist ein Fest auf die Beine zu stellen.

      Ich finde aber, dass es ein großer Verlust wäre wenn es plötzlich kein Musikfest mehr gäbe. Außerdem sind Musiker recht solidarisch und besuchen die Feste der Nachbarschaft. Darum ist es auch wichtig die Beziehung zu den anderen Kapellen zu pflegen.

      Früher war es vielleicht keine Frage, dass man das Musikfest (oder das Konzert) im Ort besucht hat, heute ist das nicht mehr selbstverständlich. Darum ist nicht nur der Arbeitseinsatz, sondern auch gute Ideen gefragt.

      LG Alexander Schedlberger, Musikverein Waldneukirchen

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    • 8. April 2023 at 10:06
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      Liebe Frau Alexandra Link,

      ich bin zwar ein Gesangvereinler, aber wir haben natürlich die gleichen Probleme wie die MVler auf dem Dorf. Daher will ich gerne einen Kommentar zu deinem Beitrag loswerden:

      zu 1: Da im Internet alles jederzeit verfügbar ist, müssen die Lücken gefüllt werden, die dort nicht angeboten werden, z.B. durch bestimmte Themen-Angebote, beim Gesang gefallen mir die regionalen Lumpenlieder, die ich im Internet nicht finde.
      zu 2: Das sehe nicht durchführbar ,viel attraktiver finde ich, wenn bei Events Theken-Crews gesucht werden. Der Europapark hat schon Vereine gesucht, um Thekendienst zu leisten, gegen eigentlich ganz gute Gage, und jeder Verein hat genug erfahrene Leute, die das meistens auch gerne machen (wenn es auch immer die gleichen sind, die mithelfen)
      zu 3: Ein schwieriges Thema: die schon alles machen, sollen noch mehr dafür zahlen?… Ein Mitglied machte den Vorschlag, anstatt eines aufwändigen Festes zahlt jeder 50 €, der Erlös wäre annähernd gleich, der Vorschlag wurde nicht weiter diskutiert…
      zu 4+5: ebenfalls schwierig, bei den örtlichen Betrieben rennt jeder die Bude ein, für die Tombola und alles, und dann heißt es: wäre schön, wenn man die Vereinsmitglieder auch mal im Laden sehen würde…
      zu 6: Schön und gut, wer soll das alles wieder machen…
      zu 7: Anglizismus, muss das sein…

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