Die Stadtkapelle Memmingen in Riva: mehr als nur ein Wertungsspiel

Ein Gastbeitrag von Jennifer Seewald, Stadtkapelle Memmingen

31.03.: Freitag

Am Freitag, den 31.03. um 15 Uhr war es endlich so weit: Wir waren bereit, um nach Riva aufzubrechen und am Sonntag beim Flicorno d’Oro dabei zu sein. Wochenlang hatten wir uns akribisch auf diesen Moment vorbereitet und alles organisiert.

1. Vorbereitung

Dazu gehörten nicht nur die wöchentlichen Proben am Freitagabend und Registerproben, sondern auch ein Probenwochenende mit dem Komponisten unseres Selbstwahlstücks La Bastida de les Alcusses. David Penadés-Fasanar hat für die Kirsche auf dem Sahnehäubchen gesorgt: Das letzte Bisschen, was noch an Musikalität gefehlt hatte, hat er geschafft aus uns herauszuholen und das auf eine so leidenschaftliche, lustige und lockere Art, dass wir immer noch schmunzeln müssen, wenn wir an das tolle Wochenende mit ihm zurückdenken.

Eine Woche drauf hatten wir die Gelegenheit mit Johann Mösenbichler zu proben, der ein Coaching mit Markus und uns vornahm, um die letzten Details auszuarbeiten.

Die Vorbereitung war ausgiebig und anstrengend, aber auch äußerst erfolgreich.

2. Organisation

So eine Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb erfordert natürlich nicht nur eine musikalische Vorbereitung, sondern vor allem eins: Ganz viel Organisation.

Markus machte sich frühzeitig über den Wettbewerb schlau und wir meldeten uns an. Wir mussten viele Fragen klären: Wie viele Musiker fahren mit? Mit Partner und Kindern? Selbst fahren oder mit dem Reisebus? Ein oder zwei Busse? Brauchen wir einen Hänger? Wie ist die Akustik vor Ort? Müssen wir sonst noch was beachten?

Doch unser Team in der erweiterten Vorstandschaft funktionierte wie ein gut geöltes Zahnrad, sodass wir schnell Aufgaben delegieren konnten.

Es folgte eine langwierige Suche nach einem passenden Hotel. Eine so große Gruppe in Nähe des Kongresses unterzubringen stellte sich als nicht so einfach heraus wie gedacht. Letztlich entschieden wir uns dazu über die Agentur „onthego“ zu buchen, im Glauben es würde einfacher sein. Jedoch hatten wir erst wenige Wochen vor Anreise Infos zum Hotel bekommen und Anfragen wurden nicht oder sehr spät beantwortet. Das ganze Prozedere kostete uns einige Nerven, doch letztlich wurden wir auf zwei nebeneinanderliegende Hotels aufgeteilt, was auch gut funktioniert hat.

Auch alle anderen Fragen klärten sich nach und nach, vor allem die nach den Bussen.

3. Hinfahrt

Mit zwei Reisebussen und einer fein säuberlichen Aufteilung nach „Partybus“ und „Relaxbus“, der eventuell in manchen Kreisen den Namen „Renterbus“ trug, ging es nun endlich nach Riva. Die Fahrt bot Gelegenheit für Gespräche, Schafkopfrunden, erkundigen ob jemand ein zweites Paar schwarze Schuhe dabei hat und natürlich ausreichend (flüssige) Nahrung.

Nach unserer Ankunft und als jeder sein richtiges Gepäck gefunden hatte, ging es für manche gleich mal in den angenehm kühlen Pool bei den typischerweise hohen Märztemperaturen am Gardasee, für andere an den See, für wieder andere in eine Bar und wiederrum andere nutzten gleich die Gelegenheit eine echte italienische Pizza zu kosten. War super, nur konnte die Quattro Formaggi nicht ganz überzeugen und wird noch lange einen legendären Ruf bei unseren Musikerinnen und Musikern genießen.

Stadtkapelle Memmingen

Wir ließen den Abend an der Hotelbar in einer großen Runde (möglich nach etwas Umbau in der Hotel Lobby) und ein, zwei oder mehr Aperol ausklingen.

01.04.: Samstag

Mit strahlendem Sonnenschein wurden wir geweckt und teilten uns nach dem Frühstück in Gruppen auf, um verschiedene Aktivitäten zu unternehmen. Einige von uns wanderten zur Bastion, während andere durch die Straßen von Riva schlenderten oder auf ihrem “bicicletta” die Gegend erkundeten. Andere lauschten den Klängen anderer Orchester beim Wettbewerb.

Einige unserer Musiker zog es sogar auf den Gardasee: Beim Tretbootfahren versenkte einer seinen Geldbeutel im See. Die anderen Musiker auf See auf Angelmission hatten leider den Geldbeutel nicht zufällig mit ihrem zahlreichen Equipment aus dem See fischen können. Was anderes fischten sie aber auch nicht raus.

Am Nachmittag ging es durch die Serpentinen nach Ledro, wo uns der „Corpo Bandistico Valle di Ledro“ ihren Proberaum zur Verfügung stellte. Dort wurde fleißig geprobt, nachdem auch die letzte von uns ihre Reiseübelkeit überwand und Markus eine Palette als Podest bekam. Nach wortwörtlich wuchtigen Klängen ging es für uns wieder zurück zum Hotel zum gemeinsamen Abendessen. Dieses wurde ein wenig schneller als geplant eingenommen, da wir uns noch auf den Weg zum Wettbewerb machten. Doch unser Ziel war nicht, die Konkurrenten aus Verona und Crailsheim auszukundschaften – nein, wir waren vielmehr darauf aus, das Ambiente, die Abläufe und die Akustik zu erkunden. Dort stellten wir schnell fest, dass die im Voraus gefürchtete Akustik gar nicht so dramatisch war. „Ich fand die Akustik als Zuhörer und Musiker überraschend gut. Man hat viele Details gut gehört und der Gesamtklang des Orchesters hat sich gut gemischt. Es war aber auch nicht zu trocken, wie vorab befürchtet.“

Darüber tauschten wir uns wieder abends an der Hotelbar aus.

02.04.: Sonntag

1. Teambuilding

Am Vormittag und Mittag nutzten wir das strahlende Wetter, um Olivenöl, Balsamico und biscotti zu kaufen, uns köstliches Eis in der Stadt zu gönnen oder einfach die Sonnenstrahlen zu genießen.

Das Schöne bei all unseren Aktivitäten ist, dass es kaum Momente gab, in denen man immer nur in derselben Gruppe unterwegs gewesen wäre. Jedes Mal mischten wir uns untereinander, ob beim Pizzaessen, Bummeln, Eisessen oder beim Frühstück, und lernten uns persönlicher kennen. Für die Neumusiker unter uns war es die perfekte Gelegenheit sich mit anderen auszutauschen, sich besser bzw. überhaupt mal kennenzulernen und einen Platz in unserem Orchester zu finden. Aber auch unsere alten Hasen schätzten es sehr mit anderen zu quatschen, was vor allem wegen des gerade noch fehlenden Probelokals zu kurz kommt. Vielleicht schafft es ja bald der ein oder andere sich sogar alle Namen der anderen zu merken. „Und ganz wichtig wir haben sehr viel gelacht.“

„Ich fand’s klasse nach vielen Jahren (bei uns war das auch nicht nur Corona-bedingt der Fall) mal wieder mit der ganzen Truppe unterwegs zu sein.“

2. Ablauf Wettbewerb und Kritik

Um 15 Uhr war es dann so weit: Wir betraten den Einspielraum. Nachdem unsere Einspielzeit vorüber war und wir umso mehr Zeit in unterschiedlichsten Räumen mit variierenden Temperaturen verbracht hatten, startete unsere Spielzeit um 16:30 Uhr.

Doch kam die Jury ganz nach italienischer Manier zu spät und jedes Mitglied dieser wurde dem Publikum noch einzeln vorgestellt. Als Markus am Ende unseres Auftritts einige unserer Solistinnen und Solisten bat aufzustehen wurden wir mit einem genervten Blick und einem Winken mit der Stoppuhr von der Bühne gescheucht. Den angedrohten Punkteabzug für Zeitüberschreitung konnten wir zwar auf der Urkunde nichtfeststellen, jedoch ist so eine knappe Zeitbemessung vor allem in der Kategorie „Superiore“ nicht vertretbar.

Stadtkapelle Memmingen

So gut uns der Flicorno d’Oro gefallen hatten, darf weitere negative Kritik nicht untern Tisch fallen:

Unserer Meinung nach hat (wir können nur von unserer Kategorie sprechen) die Vergleichbarkeit unter den Orchestern gefehlt. Durch nachträgliches Googlen und Durchsicht der Instagram Seiten der drei italienischen Musikgruppen, stellten wir schnell fest, dass sich zwei fast ausschließlich aus studierten Musikern zusammensetzten und die anderen auch zu einem nicht unbeachtlichen Teil.

„Schade fand ich, dass Orchester mit so stark unterschiedlichen Voraussetzungen in ein- und derselben Kategorie gewertet wurden. Denn auch wenn natürlich alles dem Reglement entspricht, wurden hier unter dem Strich dann doch „Äpfel mit Birnen“ verglichen …“

3. Gefühle bezüglich des Wettbewerbs

Vor dem Spielen war die Atmosphäre gleichzeitig aufgeregt und nervös, voller Konzentration und absolutem Fokus. Wir ließen uns nochmal die Vorbereitung durch den Kopf gehen und unsere Motivation hinter der Teilnahme: Das musikalische Ziel der Reise war die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb, der mehr als „nur“ ein Wertungsspiel ist. Wir wollten unsere Stücke in unserer besten Form spielen, eine musikalisch ausgereifte Performance bieten, die das Publikum und die Jury überzeugt und berührt.

Hatten wir das geschafft? Definitiv. Jeder von uns hat sein Herz auf der Bühne gelassen, sein absolut Bestes gegeben und alles aus sich herausgeholt.

Bereits nach den ersten Takten unseres Pflichtstücks Sinfonietta No. 3* von Franco Cesarini (Jurypräsident) war uns klar „Das wird nicht schieflaufen. Das läuft heute“. So war es auch. Nach dem Spielen hieß es „Wow, so gut haben wir die Sinfonietta noch nie gespielt.“, „Ich war so durcheinander, dass wir am Anfang so gut zusammengespielt haben, dass ich deshalb fast rausgekommen bin.“, „Das war doch mega Leute!“, „Das war eine Topleistung“. Glücklich und erleichtert räumten wir unser Zeug zusammen, begaben uns für ein kurzes Päuschen an den Bus, um anzustoßen.

Stadtkapelle Memmingen

Kurze Zeit später mit einer Partystimmung, die man von deutschen Wettbewerben und Wertungsspielen nicht kennt, ging es in die Preisverleihung. Das Ende vom Lied? Enttäuschte und bedrückte Gesichter. Wir hatten mit 82,29 Punkten den vierten von fünf Plätzen in unserer Kategorie erreicht.

Nachdem der erste Schock überwunden war, haben einige nochmal darüber nachgedacht, warum wir überhaupt zum Wettbewerb gefahren sind.

Wir sind nicht nur für die musikalischen Ziele gefahren. Es gibt noch eine andere Seite der Medaille: Ein soziales Ziel, das Wochenende als Ausflug zu nutzen, bei dem jeder Musiker und seine Familie dabei sein konnte. Wir wollten den Zusammenhalt langfristig stärken und einfach eine großartige Zeit haben.

Wie David, der Komponist des von uns hoch geschätzten Selbstwahlstücks meinte: „Die Urkunde ist nur ein Stück Papier, was man sich an die Wand hängen kann. Viel wichtiger ist das Gefühl, was ihr nach dem Spielen hattet. Haltet daran fest.“

Wie haben wir uns nach dem Spielen gefühlt? Das konnte man bereits an den strahlenden Gesichtern und glänzenden Augen unserer Musikerinnen und Musiker ablesen. Wir waren überglücklich, erleichtert, glücklich und vor allem stolz. Stolz auf das, was wir in den letzten Wochen und Monaten gemeinsam geleistet hatten, stolz auf das, was wir auf der Bühne präsentiert haben.

4. Fazit

Wir sind nicht an unserem musikalischen Ziel vorbeigeschlittert, sondern hatten es mehr als erreicht. Platzierung hin oder her, wir hatten unsere Bestleistung dargeboten.

Am Ende dieses Wochenendes bleibt uns so vor allem eins: Ein unglaublich starkes und stolzes Team, das sich auf seine nächste musikalische Herausforderung freut, um sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.

„Ich finde es war ein rundherum sehr gelungener, lustiger, erholsamer, spannender Teambuilding- Ausflug mit witzigen Geschichten, an die man sich lange erinnern kann.“

„Die Organisation vom Veranstaltungsteam und vom Vorstandsteam war perfekt. Daher mein Fazit: Was gibt es Schöneres als mit der Stadtkapelle Memmingen in einer tollen Umgebung bei perfekten Randbedingungen zu musizieren? Am liebsten möchte ich gleich wieder losfahren.“

Herzlichen Dank an Jennifer Seewald, Vorständin der Stadtkapelle Memmingen, für diesen Erlebnisbericht über die Wettbewerbs-Reise nach Riva del Garda zum Flicorno d’oro.

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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