Mittwoch, Oktober 9, 2024
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Blasmusikaspekte: Musik in Bewegung

Ein Interview mit Markus Schiffer, Landesstabführer Stv. Tirol

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In der Reihe “Blasmusikaspekte” werden im Interview mit jeweils einer Persönlichkeit ein Teilbereich bzw. ein besonderer Aspekt der Blasmusik bzw. unseres Musikvereinswesen diskutiert. Es kommen jeweils Spezialist:innen zu Wort, die sich näher bzw. tiefer mit einem Teilbereich der Blasmusik beschäftigt haben bzw. besondere Fachleute für die jeweiligen Themen sind.

Herzlichen Dank an Markus Schiffer, der in diesem Beitrag meine vielen Fragen zum Thema Musik in Bewegung ausführlich in diesem Interview beantwortet hat.

Wie populär ist das Marschieren, beispielsweise bei Festumzügen, für Blasorchester bzw. Blasmusiker:innen heute?

Das Marschieren ist eigentlich die ureigene Bestimmung von Blasmusiken. Wenn eine Musikkapelle durch den Ort marschiert, gibt es nur ganz wenige die nicht stehenbleiben und der Musik zuhören und zusehen. Es gibt immer wieder Kapellen, denen das Marschieren nicht so am Herzen liegt, aber bei einem Festumzug mitzuwirken hat dann doch einen ganz anderen Erlebnisfaktor.

In den letzten Jahren konnte eine merkliche Steigerung bei den Kapellen in ganz Tirol hinsichtlich Musik in Bewegung festgestellt werden. Das ist, glaube ich, schon ein ganz gutes Zeichen, das die Marschmusik sehr geschätzt und gefördert wird.

Im Musikbezirk Außerfern findet z.B. jährlich ein Bezirksmusikfest statt, an dem ca. 30 bis 40 Kapellen aus dem Bezirk und dem benachbarten Ausland teilnehmen.

In vielen anderen Bezirken gehören Umzüge und Prozessionen zum Alltag dazu und sind heute noch vielfach aus dem Leben nicht mehr wegzudenken.

Warum wird in Österreich und Südtirol für das Marschieren eines Blasorchesters der Ausdruck „Musik in Bewegung“ verwendet? Gibt es Unterschiede zwischen dem reinen „Marschieren“ eines Blasorchesters mit Musik im Vergleich zu „Musik in Bewegung“?

Wenn man einen Unterschied machen will, dann ist nach meiner Ansicht das Marschieren eigentlich nur das Fortbewegen im Gleichschritt ohne besondere Vorgaben.

Für die Musik in Bewegung sind vom Österreichischen Blasmusikverband (ÖBV) Richtlinien für Ausrückungen und Marschmusikbewertungen der österreichischen Blasmusikkapellen vorgegeben.

Diese Richtlinien sind für jeden auf der Homepage des ÖBV einsehbar.

Es werden bei Marschmusikbewertungen diese Richtlinien als Bewertungskriterien herangezogen. Falls sich ausländische Kapellen an einer Marschbewertung in Österreich beteiligen wollen, gelten auch für sie die Bestimmungen des ÖBV.

Kleinere, mittlere, große Orchester: in wie vielen Reihen wird musiziert?

Es wird grundsätzlich in 5er-Reihen marschiert.  Große Blasmusiken können auch in 7er-Reihen antreten. In speziellen Anlassfällen kann diese Aufstellung jedoch variiert werden. D.h. es sind 4er oder auch 3er Reihen möglich, oder bei Zusammenschlüssen mehrerer Kapellen zu einem Block kann es auch 9er- oder 11er-Reihen geben. Das ist natürlich von den örtlichen Gegebenheiten – wie Straßenbreite usw. – abhängig.

Bei engen Straßenstellen kann die Musikkapelle bei Musik in Bewegung auch „Abfallen“ d.h. von 5er-Reihen wird auf 3er-Reihen reduziert. Die Musikkapelle wird dadurch aber länger. Wenn die Engstelle passiert ist wird wieder auf 5er-Reihen aufmarschiert.

Bei Wettbewerben greifen aber die Richtlinien des ÖBV und die Aufstellungsvarianten wie vorgegeben.

Was gilt für die Aufstellung der verschiedenen Orchester (klein, mittel, groß) bzw. der Anordnung der Instrumente generell?

Es gibt keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Orchestergrößen. Bei der Marschmusikaufstellung sind folgende Hauptgesichtspunkte zu beachten: Gleiche Instrumente neben- bzw. hintereinander. Tenorhörner 2 und 3 sind, sofern besetzt, beim Begleitregister aufzustellen. Trompeten und Posaunen bilden die letzten Glieder des Bläserblocks. Schlagzeug bildet das letzte Glied. Müssen stark besetzte Musikkapellen verkehrsbedingt in Fünferreihen marschieren, so kann das Schlagzeug auch in der Mitte des Marschblocks platziert werden.

(siehe ÖBV – Musik in Bewegung I. Allgemeine Richtlinien)

Was sind für Dich die Auswahlkriterien für einen Marsch für Musik in Bewegung?

Er muss leicht spielbar sein, d.h. er darf die Musikanten und Musikantinnen nicht übermäßig in Beschlag nehmen. Es sollte gerade so viel sein, dass noch ausreichend gedanklicher Platz für das Marschieren vorhanden ist. Wenn sich die Musiker zu sehr auf die Noten konzentrieren müssen, leidet zwangsläufig das Marschieren darunter. Im allerbesten Fall wäre der Marsch auswendig zu spielen, aber ich weiß, dass das nicht unbedingt für alle Kapellen machbar ist.  Der Marsch sollte schwungvoll sein und zum Mitmarschieren anregen. Das Marschtempo sollte zwischen 106 bis 114 Schritte in der Bewegung betragen. Wobei hier die alten k.u.k.-Märsche am unteren Ende der Skala vom Tempo liegen sollten. Ich war lange Stabführer bei einer uniformierten Kapelle und habe dort stets ein zügigeres Tempo vorgezogen, da es für mich zu einer Uniformkapelle einfach besser passt als zu einer Trachtenmusik. Märsche im 6/8 Takt haben für mich mehr Charakter, den es zum Marschieren braucht.

Welche Märsche eignen sich Deiner Meinung nach am besten für einen Festumzug?

Eigentlich wie bereits oben erwähnt leichte und schwungvolle Märsche. Es gibt eine Unzahl von Märschen für alle möglichen Anlässe. Es sollte die Zuschauer:innen mitreißen, wie bei einer Tanzkapelle sollte man die Füße nicht stillhalten wollen oder können. Wichtig ist bei solchen Festumzügen, dass sich – wenn mehrere Kapellen dabei sind – die Stabführer im Vorhinein absprechen um nicht die gleichen Märsche zu spielen. Es reicht, wenn eine Kapelle zwei Märsche in abwechselnder Reihenfolge spielt, da das Publikum ja ständig wechselt. Aber somit ist gegeben, dass die Zuschauer:innen und Zuhörer:innen nicht immer die gleiche Musik hören.

Welche Märsche sind Deine persönlichen Favoriten?

Erzherzog-Albrecht-Marsch von Karl Komzak
47er-Regimentsmarsch von J.F. Wagner
92er-Regimentsmarsch von Johann Nowotny
Parade Defiliermarsch von Anton Ambrosch
Freude zu Musik von Karl Safaric

Was sind die häufigsten „Fehler“, die Du bei marschierenden Musikkapellen siehst? Was ist in Deinen Augen der größte Faux Pas?

Es ist jetzt schwer hier eine Auflistung abzugeben. Durch meine jahrelange Tätigkeit als Bewerter bei Marschbewertungen kann ich mir eine Musikkapelle beim Vorbeimarsch nicht einfach ansehen, sondern ich „bewerte“ diese Kapelle und es fallen mir immer wieder „Fehler“ oder Gegebenheiten auf. Z.B. Aufstellung, falsche Zeichengebung der Stabführer:innen, falscher Schritt bei einzelnen Musikanten und Musikantinnen, Ausrichtung der einzelnen Glieder und auch die uneinheitliche oder schlampige Bekleidung.

Der größte Faux Pas ist immer dann gegeben, wenn die Musikkapelle nicht marschiert, sondern nur „so dahin geht“ oder wie ich es nenne „daher hatscht“.

Ich verstehe oft nicht, wenn Musikkapellen das Marschieren als notwendiges Übel betrachten und damit eigentlich einen schlechten Eindruck hinterlassen. Viele Sommerkonzerte in Tirol haben einen Einmarsch der teilnehmenden Kapelle zum Pavillon als Auftakt und mit einem ordentlichen Marschauftritt kann ich das Publikum für mich gewinnen. Wenn dieser Einmarsch irgendwie schlampig oder sogar mehr als fehlerhaft erfolgt hat man schon ein Minus für den folgenden Konzertauftritt, es zählt halt bei einer Musikkapelle leider auch der erste Eindruck.

Ein ehemaliger Landessstabführer hat einmal gesagt „Jede Marschausrückung ist eine Bewertung!“ Man braucht keine besonderen Kenntnisse um festzustellen, dass eine Musikkapelle nicht im Gleichschritt marschiert oder dass z.B. beim Halten der Kapelle nicht alle gleichzeitig stehenbleiben.

Welche Funktionen hat ein Stabführer?

Die Stabführer:innen sind bei den Musikkapellen für das Marschieren verantwortlich. Alle Bereiche, die Musik in Bewegung in Bewegung betreffen, hat die Stabführer:innen abzudecken. In gemeinsamer Arbeit sollte mit den Kapellmeistern die Auswahl der Musikstücke (Märsche) getroffen werden. Er ist alleine für das Auftreten der Kapelle – d.h. für die Marschaufstellung, für die Einheit und Sauberkeit der Trachten usw. – zuständig.

Des Weiteren sollte der/die Stabführer:innen Mitglied im Ausschuss / Vorstand einer Musikkapelle sein und dort ein Mitspracherecht bei der Planung von Auftritten, Proben usw. haben.

Bei unseren Fortbildungen ernte ich immer wieder erstaunte Blicke, dass die Stabführer:innen für die Sicherheit der Musikanten und Musikantinnen auf öffentlichen Verkehrsflächen im Sinne der Straßenverkehrsordnung verantwortlich sind, sofern es sich nicht um speziell abgesperrte Bereiche handelt. Darum widme ich diesem Teil bei meinen Schulungen immer wieder breiten Raum für Diskussionen.

Wenn bei einer Marschausrückung kein Kapellmeister zur Verfügung steht, müssen die Stabführer:innen in der Lage sein, dieses alleine zu meistern. D.h. jede:r müsste in der Lage sein einen Choral oder eine Hymne zu dirigieren, wenn dies erforderlich sein sollte. Auf diesen Aspekt wird bei der Ausbildung sehr viel Wert gelegt.

Die Stabführer:innen haben bei der Musikkapelle eine Vorbildfunktion. Wenn diese schlampig oder etwa lasch auftreten, zieht sich das durch die ganze Musikkapelle durch und es entsteht – wie bereits oben erwähnt – ein schlechter Eindruck und die Formation wird als nicht sehr gut wahrgenommen.

Warum gibt es in Musikkapellen extra Stabführer? Warum übernimmt diese Funktionen nicht der/die Dirigent:in? Welche Gründe sprechen für einen extra Stabführer?

In Tirol waren bis zum Jahr 2000 die Agenden von Musik in Bewegung bei den Landeskapellmeistern eingegliedert. Florian Pedarnig (u. a. Komponist von Dem Land Tirol die Treue, Anm. AL) war der erste Landeskapellmeister, der eigene Schulungen für Stabführer:innen und auch die ersten Lehr- bzw. Nachschlagebehelfe für Stabführer:innen angeboten hat. Erst mit der Einführung von den Landesstabführern (Stigger Siegfried und Stiller Josef) erfolgte eine Loslösung von den Kapellmeistern und es wurden diese Schulungen für die Stabführer:innen sukzessive weiter ausgebaut.

Durch die weiteren Vorgaben des ÖBV für die Musik in Bewegung wurde ersichtlich wie umfangreich dieses Genre der Musik eigentlich ist und es haben sich aber immer mehr Musikanten und Musikantinnen für das Stabführen und für die Musik in Bewegung begeistern können.

Ich begebe mich jetzt auf sehr dünnes Eis, aber aus meiner jahrelangen Erfahrung weiß ich, dass manche Kapellmeister:innen nicht sehr großes Interesse an der Marschmusik hegten, um es vorsichtig auszudrücken, und dementsprechend sind die jeweiligen Marschauftritte ausgefallen.

Mittlerweile ist es in Tirol gelungen, dass bei der Ausbildung der Kapellmeister:innen zumindest eine theoretische Schulung für den Bereich Musik in Bewegung absolviert werden muss, damit zumindest das Grundwissen und Verständnis für die Marschmusik vorhanden ist. Es sollte jede/r Kapellmeister in der Lage sein, einen Stabführer zu ersetzen, falls dieser einmal bei einer Ausrückung fehlen sollte. Wir sind in Tirol immer sehr bemüht ein sehr gutes Einvernehmen zwischen Kapellmeister:innen und Stabführer:innen herzustellen, und Verständnis für die jeweiligen Anforderungen und Probleme der jeweiligen Gruppen aufzubringen. Nur miteinander ist gute (Marsch)Musik machbar. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ein eigene:r Stabführer:in – der nur für diesen Bereich verantwortlich ist – sehr gut für die weitere Entwicklung hinsichtlich Musik in Bewegung für die jeweilige Kapelle ist.

Der Stabführer ist wie bereits erwähnt für die Belange des Marschierens verantwortlich. Und warum soll ich Personen die sich dafür begeistern und es gerne machen nicht die passende Bühne dafür bieten? Damit ist mehr oder weniger sichergestellt, dass der Marschauftritt seine volle Wirkung erzielt.

Es kommen immer wieder Musikanten und Musikantinnen zu Fortbildungen und Grundkursen, die sich bereits selbständig die ganze Materie – einfach aus Begeisterung dafür – selbst angeeignet haben, und sich nur mehr eine Bestätigung dafür abholen oder kleine Unsicherheiten auszubessern wollen.

Wie ist die Ausbildung zum Stabführer in Österreich organisiert und welche Aspekte sind Teil der Ausbildung?

Die jeweiligen Landesstabführer aus allen neun Bundesländern sind verantwortlich für die Richtlinien für Musik in Bewegung. Die jeweiligen Schulungen veranstalten die Landesverbände in Eigenregie, aber in enger Absprache mit der Landesstabführerkonferenz.

Daher kann ich nur aufzählen welche Schulungen hier in Tirol angeboten werden. Es ist natürlich jederzeit möglich Fortbildungen in anderen Bundesländern zu absolvieren.

In Tirol gibt es derzeit folgende Veranstaltungen:

  • Grundkurse online und in Präsenz für die theoretische und praktische Weiterbildung
  • Schulungen für arrivierte Stabführer, um die notwendigen Kenntnisse wiederaufzufrischen
  • Schulungen für Bewerter bei Marschmusikbewertungen
  • Schulungen für die Prüfung zum Stabführerabzeichen in Theorie und Praxis
  • Kapellencoachings für teilnehmende Musikkapellen bei Marschmusikbewertungen unter der Teilnahme von Stabführern aus dem jeweiligen Bezirk
  • Schulungen für Kapellen mit ihrem jeweiligen Stabführer vor Ort – unter Einbindung der Bezirksstabführer
  • Schulungen in Theorie und Praxis für den Aufbau und Durchführung von Marschmusikshows

Seit 2016 besteht in Tirol die Möglichkeit das Stabführerabzeichen zu erwerben, wobei die Anwärter nach der bereits o.a. Schulung und Vorbereitung, eine umfassende theoretische und praktische Prüfung (Stufe D) ablegen müssen. Aufgrund dessen konnte eine erhebliche Qualitätsverbesserung, und vor allem ein einheitliches Auftreten der Stabführer und der Musikkapellen im ganzen Land festgestellt werden. 

Formationen / Figuren laufen: Welches ist die einfachste Figur, die eine Musikkapelle, die noch nie Figuren gelaufen sind, als erstes erlernen sollte?

Vor Jahren war bei den Tiroler Musikkapellen die „Schnecke“ als Showelement sehr beliebt, wobei diese recht einfach ist, da die Musikanten und Musikantinnen nur dem Stabführer in einer Reihe nachfolgen müssen.

Blockverschiebungen sind recht leicht zu bewerkstelligen, da – jetzt sehr vereinfacht ausgedrückt – nur die jeweiligen Reihen oder Glieder in andere Richtungen marschieren, wie z.B. bei einem „Karree“.

Allerdings muss ich mir als Stabführer:in schon im Vorhinein Gedanken über die jeweiligen Showfiguren machen und ein Konzept ausarbeiten.

Im Musikbezirk Landeck gibt es zum Beispiel seit Jahren die Veranstaltungen „Bewegte Jugend“ und „die ersten Schritte – na und“, wo die Jugendlichen aller Kapellen zusammengefasst werden. Dabei werden nicht nur die notwendigen Grundkenntnisse vermittelt, sondern immer wieder Showelemente einstudiert und zum Abschluss einem Publikum präsentiert. Kinder und Jugendliche habe diesbezüglich keinerlei Berührungsängste mit Musik in Bewegung und sind immer mit Begeisterung dabei.

Im Jahr 2016 wurde eine Schulung für Stabführer angeboten, wo die Musikkapelle Grinzens unter der fachkundigen Anleitung vom eh. LSTBF Zoller Christian und dem dortigen Stabführer Manuel Oberdanner ein Showprogramm ausgearbeitet wurde. Die MK Grinzens hatte bis dorthin keine Showerfahrung, war aber eine ausgezeichnete „Marschiermusik“. Schon nach einer kurzen Präsentation konnte ein Durchlauf der gesamtem Show bei der ersten Probe durchgeführt werden.

Wichtig ist, dass sich die jeweilige Musikkapelle nicht scheuen soll hier Hilfe von bereits erfahrenen Stabführer:innen aus dem Bereich Show zu holen. Das Internet ist voll von Videos aller möglichen Showveranstaltungen und man kann sich hier viele Beispiele ansehen und vielleicht zum Anfang auch einmal nachmachen, bevor man sich an eine eigene Show wagt.

Welche Unterschiede gibt es beim Marschieren in den Disziplinen Prozessionen und Festumzug?

Also Prozession ist keine Disziplin, sondern nur ein anderer Aspekt von Marschmusik in Bewegung. Diese finden in der Regel bei kirchlichen Anlässen statt.

Der Hauptunterschied zwischen Festumzug und Prozession besteht im Marschtempo. Bei Prozessionen sollte sich das Marschtempo zwischen 72 bis 76 Schritten pro Minute bewegen, hingegen bei Festumzügen zwischen 106 bis 114 Schritten pro Minute.

Andererseits wird bei Begräbnissen noch langsamer marschiert so zwischen 60 bis 64 Schritten pro Minute.

Ansonsten gibt es im Ablauf keine großen Unterschiede, außer dass bei Begräbnissen und Prozessionen kurz eingeschlagen wird, dabei die Becken nicht mitspielen, da sie als Instrument der Freude gelten.

Parademusik als Teil eines regionalen oder nationalen Wettbewerbs war früher in der Schweiz Pflicht, jetzt frei wählbar. Welche Meinung hast Du persönlich dazu?

Ich halte gar nichts von Pflichten im musikalischen Bereich. Wenn eine Musikkapelle sich darüber traut, warum soll sie nicht in beiden Disziplinen antreten. Es sollten jedoch etwas andere Maßstäbe bei den jeweiligen Bewertungen gelten um den Mehraufwand der Musikkapellen zu berücksichtigen.

Durch die Verpflichtung von einem zusätzlichen Element läuft man schon Gefahr, dass die Wettbewerbe für Musikkapellen unattraktiv werden, da meistens der Erfolg nicht in Relation zum Aufwand steht.

Vor einer gefühlten Ewigkeit ist meine damalige Musikkapelle bei einem Triple-Wettbewerb angetreten. Konzertwertung, Marschmusikwertung und Musik in kleinen Gruppen, aber nur, weil die gesamte Musikkapelle damals dafür zu begeistern war.

Wie stehst Du überhaupt zu Wettbewerben in der Disziplin „Musik in Bewegung“?

Ich stehe dem ganzen sehr positiv gegenüber. Bei Marschmusikbewertungen – die meistens im Zuge eines Musikfestes stattfinden – habe ich immer eine Menge Zuschauer und Zuhörer. In der Vorbereitungsphase werden wieder alle notwendigen Kenntnisse der Musikkapelle und der Stabführer:innen aufgefrischt. Nicht selten tritt eine Kapelle in einer höheren Stufe an, nachdem sie beim letzten Bewerb sehr gut abgeschnitten hat. In Tirol finden im Jahresdurchschnitt zwischen fünf bis sieben Marschmusikbewertungen statt. Im Vergleich zu den letzten Jahren tritt ganz selten eine Kapelle in der Stufe A oder B an, sondern der Großteil in Stufe C und D, und immer mehr in der Stufe E. Das beweist, dass ständiges Üben und die Teilnahme an solchen Bewerben immer mit einer Leistungssteigerung verbunden ist.

Was wünschst Du Dir für die Blasorchesterszene in Österreich und was für das restliche Europa in Bezug auf Musik in Bewegung?

Ganz ehrlich – man sollte etwas den Ernst aus der Sache nehmen. Blasmusik ist ein Hobby für Personen aller Alters- und Standesgruppen, das ist eigentlich ein Alleinstellungsmerkmal unter den vielen anderen Vereinen. Alle machen das in ihrer Freizeit und zu ihrem Vergnügen und es soll Spaß machen. Blasmusik ist nicht da für irgendwelche Selbstdarsteller, die sich in den Vordergrund drängen und sich nur selbst verwirklichen wollen, sondern für alle, die bei einer Musikkapelle dabei sind, ganz egal wie gut sie sind.

Ich will jetzt nicht in die Spaßfraktion abrutschen, ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit soll schon noch gegeben sein, aber immer so, dass ich ALLE Musikanten und Musikantinnen mitnehmen kann.

Wenn ich ein gestecktes Ziel mit meiner Musikkapelle erreicht habe, dann sollte ich und jeder andere bereit sein ein neues Ziel oder eine höhere Stufe anzustreben, aber immer in Hinblick darauf die Begeisterung der Musikanten und Musikantinnen zu erhalten. Wen, es jetzt nicht sein soll, dann vielleicht etwas später.

Es sollten alle Staaten in Europa ihre eigene Musik und ihre Eigenheiten in Bezug auf Marschmusik unbedingt beibehalten. Ich will keinen Einheitsbrei von Holland bis nach Sizilien. Blasmusik in Bewegung begeistert eigentlich jeden, egal in welcher Form sie gerade stattfindet.

Sehr herzlichen Dank, lieber Markus Schiffer, für diese tiefen Einblicke in das Thema Musik in Bewegung!

Vita Markus Schiffer

Markus Schiffer
Markus Schiffer

Geboren am 5.10.1967 als zweiter Zwilling in Innsbruck und immer noch dort wohnhaft.
Ab dem Alter von 10 Jahren gemeinsam mit dem Zwillingsbruder Andreas am damaligen Konservatorium Schlagzeugunterricht bei Wolf-Dieter Köhler.
Seit 1989 bei der Polizei in Innsbruck und derzeit in der Landesleitzentrale der BPD Tirol
Mitglied und Stabführer bei der Stadtmusikkapelle Speckbacher Olympisches Dorf Neu-Arzl bis ins Jahr 2000
Seit 1984 Mitglied bei der Stadtmusikkapelle Wilten,
Von 1989 bis 2005 Stabführer (und Obmann von 1994 bis 2005) bei der Polizeimusik Innsbruck sowie von 2005 bis 2010 Stabführer bei der Polizeimusik Tirol
Seit 1992 Bezirksstabführer im Bezirksverband Innsbruck-Stadt
Seit 1996 als Bewerter bei Marschmusikbewertungen tätig
Seit 2010 Hauptverantwortlicher für Stabführerschulungen für den Bereich Tirol Mitte
Seit 2016 Landesstabführerstellvertreter im Blasmusikverband Tirol

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    3 thoughts on “Blasmusikaspekte: Musik in Bewegung

    • Wie immer wieder ein sehr interessanter Artikel mit einigen neuen Aspekten für mich.

      Zur Aufstellung und Anordnung der Instrumente möchte ich anmerken, dass die Blasorchester zumindest im Norden Deutschlands “preußisch” aufstellen. Auch die Aufstellung der Bundeswehr-Musikkorps folgt dieser Variante. Hin und wieder schaue ich mir auf Youtube Videos von Kreismusikfesten o. ä. aus Baden-Württemberg und Bayern an und sehe dann bei den dortigen Orchestern immer sowohl “preußische” Varianten als auch die österreichische und manchmal auch wilde Mischformen.
      Was ist nun die “preußische” Aufstellung? Ich versuche das hier mal schriftlich darzustellen, von oben nach unten wäre das Reihe 1 bis Reihe 12 am Beispiel eines 60-köpfigen Orchesters. Vor dem Orchester stünde ggf. der Spielmannszug (auch Trommlerkorps, Tambourkorps o. ä. genannt).

      0 – Dir
      1 – Pos-Pos-Pos-Pos-Pos
      2 – Klar-Klar-Klar-Klar-Tub
      3 – Klar-Klar-Klar-Klar-Klar
      4 – Klar-Klar-Klar-Klar-Tub

      5 – Flüg-Flüg-Flüg-Flüg-Lyra
      6 – Hrn-Hrn-Hrn-Hrn-Hrn
      7 – Sax-Sax-Sax-Sax-Sax
      8 – KlTr-KlTr-Beck-Beck-GrTr

      9 – Trp-Trp-Trp-Trp-Trp
      10 – Flöt-Flöt-Flöt-Flöt-Tub
      11 – Fag-Fag- (Reste aus anderen Registern)
      12 – Th/Bar-Th/Bar-Th/Bar-Th/Bar-Tub

      Nun hat man nicht immer 60 Leute in idealtypischer Besetzung zur Verfügung und dementsprechend kann die Verteilung abweichen. Bestimmte Positionen sind aber fest gesetzt:
      – Posaunen immer 1. Reihe
      – Tuben immer rechts laufend, damit sie in das Orchester hineinspielen
      – Schlagwerk immer am Ende des zweiten Drittels oder etwas weiter vorne, nie jedoch vor der Mitte.
      Auch stehen nicht immer 5 Musiker/Musikerinnen in einer Reihe (eigentlich: Rotte). Als Faustregel hörte ich mal, dass das Verhältnis von Länge (Rotten) zu Breite (Mus. je Rotte) nie größer als 5 zu 2 sein solle, das bedeutet,
      – bis zu 21 Mus. in 7x 3er-Rotten (3 x 5/2 = 7,5)
      – 22 – 40 Mus. in 6x bis 10x 4er-Rotten (4 x 5/2 = 10)
      – ab 41 Mus. in 9x oder mehr 5er-Rotten

      Ich hätte aber auch noch ein paar Fragen zur “preußischen” Aufstellung, vielleicht findet sich unter den geschätzten Lesern auch ein Militärmusiker oder eine Militärmusikerin, die sie beantworten kann. Und ich freue mich auch über eine Korrektur, falls die obige Aufstellung nicht ganz passen sollte.
      Meine Fragen lauten:
      Gibt es eigentlich bei der deutschen Bundeswehr eine Dienstanweisung zur Aufstellordnung der Musikkorps?
      Angeblich gab es eine “Königlich Preußische Aufstellorder für Militärmusikkorps” oder so ähnlich. Kann da jemand etwas zu sagen?
      Warum stellt man die Posaunen in Österreich nach hinten und in (großen Teilen) Deutschland(s) nach vorne? Mir sagte mal jemand, in österreichischen Märschen hätten die Posaunen hauptsächlich Nachschlag zu spielen, während sie in deutschen (Militär-)Märschen auch häufig die Haupt- oder Nebenmelodien zu spielen hätten. Wäre ein plausibler Grund, wenn es stimmte. Oder geht es nur um den Showeffekt, u. a. auch beim Einschwenken? (Anm. “Linksum” in Formation).

      Ich freue mich auf weitere Expertise.
      Gutgehen aus Gütersloh

      Antwort
      • Hallo Peter,
        vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und die deutsche Sicht. Ich werde versuchen, jemanden vom Militärmusikdienst zu finden, der Deine Fragen beantworten kann.
        Viele Grüße
        Alexandra

        Antwort
      • Hallo Peter, folgende Antwort habe ich auf Anfrage von Oberstleutnant Burkhard Zenglein erhalten:

        Sehr geehrte Frau Link,

        vielen Dank für die Weiterleitung der Anfrage bez. der Formationsgeschichte der Deutschen Militärmusik.

        Allerdings gibt es, wie zahlreiche Aspekte die Geschichte der Militärmusik betreffend, keine eindeutige und klare Antwort. Dies liegt zum einen daran, dass es in Bereichen wie die der Aufstellung/Formation des Musikkorps unterschiedliche Handhabungen zu geben schien und die Vorschriftenlage aus vergangener Zeit (“Exerzier-Reglements”) keine Auskunft erteilen. Erste eindeutige Angaben hierzu finden sich nach meinen Ermittlungen erst in den “Bestimmungen für Musik- und Trompeterkorps des Heeres” vom 01.September 1936 (ab S. 41). Hier befinden sich neben einer Tuba auch 3 Tenorposaunen in der ersten Reihe.

        Nach Aussage von Herrn Oberstleutnant a.D. Dr. Heidler scheint es in der Zeit der Weimarer Republik erste Versuche gegeben zu haben, Posaunen in die erste Reihe der Marschformation zu postieren (unter Friedrich Ahlers, Musikmeister bei Kommandantur Berlin [Wachtruppe, später Wachregiment]) – dies muss dann vermutlich zwischen 1931 und 1932 geschehen sein, da Bildmaterial aus diesen Jahren den Wechsel dokumentieren (vgl. Joachim Toeche-Mittler, Musikmeister Ahlers. Ein Zeitbild unserer Militärmusik 1891-1945, Stuttgart 1981, S. 73.).

        Allerdings scheint es die Tradition, Posaunen in die erste Reihe zu nehmen, außerhalb der Preußischen Militärmusik bereits früher gegeben zu haben. Ein Foto aus meinem Bildarchiv aus dem Zeitraum 1910/1912 zeigt das Musikkorps des 2. Grenadierregiments 101 unter Max Feiereis (s. Anhang, leider schlechte Qualität…). Dies dokumentiert einmal mehr, wie unterschiedlich die Formationspraxis gehandhabt wurde. In Bezug auf die Bundeswehr hat es im Rahmen der Aufstellung der Militärmusikintensive Diskussionen gegeben (erste Musikoffizierstagung 17.09. – 21.09.2021 in Andernach), wie die zukünftigen Musikkorps aufzustellen seien. Man entschied sich letztendlich für die nun aktuelle Formation mit Blechinstrumenten in der ersten Reihe der Paradeaufstellung (vgl. Manfred Heidler, Musik in der Bundeswehr. Musikalische Bewährung zwischen Aufgabe und künstlerischem Anspruch, Essen 2005, S.303.).

        Eine Begründung, warum Posaunen anders als in Österreich in die erste Reihe verlegt wurden, ist schriftlich nicht fixiert. Es ist anzunehmen, dass es zum einen spieltechnische Vorteile hatte (und hat – Zugposaunen erhalten dadurch mehr räumliche Freiheit – in Österreich waren eher Ventilposaunen im Einsatz) und zum anderen man in Deutschland eher auf eine organisatorische Wirkung setzte (Blech in erste Reihe bei Paradeaufstellung) als auf eine melodiebasierte Wirkung wie in Österreich (unterschiedliche Zeremonialordnungen D/Ö). Hierbei spielen natürlich die unterschiedlichen regionalen Traditionen (auch innerhalb Deutschlands) eine wichtige Rolle.

        Wie bei der Musikgeschichte als solches sind auch in Bezug auf die Formationsgeschichte der Militärmusik Entwicklungen als fließend und in Bezug auf letztere nur als spärlich dokumentiert zu bezeichnen. Weitere Studien hierzu wären nötig, wobei in erster Linie die Auswertung von Bildmaterial hilfreich sein kann.

        In der Hoffnung ein wenig weitergeholfen zu haben, verbleibe ich mit besten Grüßen,

        Burkard Zenglein
        Oberstleutnant

        Antwort

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