Das Flügelhorn im Blasorchester – Vom Aussterben bedroht?

Vor einiger Zeit erreichte mich eine Zuschrift eines besorgten Flügelhorn-Spielers, der sich in der modernen, originalen Blasorchesterliteratur nicht wiederfindet.

Das Thema „Flügelhorn im Blasorchester“ wird kontrovers diskutiert. Und es polarisiert. Da sind auf der einen Seite viele Orchester im deutschsprachigen Europa, zu deren Tradition es gehört, Flügelhörner und auch Tenorhorn und Bariton besetzt zu haben. Wo diese Instrumente zum eigenen Klang, quasi zur DNA des Orchesters gehören.

Dem gegenüber steht das restliche Europa, ja eigentlich die ganze Welt. In der die obligatorische Besetzung von Flügelhörnern, Tenorhörnern und Baritone eben nicht zum Standard gehört. Sondern standardmäßig Trompeten, Kornette und Euphonien besetzt sind.

Die unterschiedlichen klanglichen Auswirkungen sind uns allen bekannt.

Ich habe dem Flügelhorn-Spieler versprochen, das Thema auf dem Blasmusikblog.com zu thematisieren. Hierzu habe ich mir kompetente Unterstützung gesucht und in den beiden Dirigenten und Komponisten Dominik Wagner und Thorsten Reinau gefunden.

Dominik Wagner schreibt zum Thema:

„Das Flügelhorn im Blasorchester – vom Aussterben bedroht?“

Immer seltener lassen sich in Originalwerken der Blasmusik besetzte Flügelhornstimmen finden. Es vermittelt sogar den Anschein, dass das Flügelhorn, neben anderen Instrumenten wie dem Tenorhorn oder Cornet, in der Standardbesetzung des Blasorchesters keinen Platz mehr zu haben scheint. Und das obwohl in vielen Musikvereinen diese Instrumente nach wie vor fest besetzt sind und wir in der traditionellen Blasmusik auf keinen Fall ohne auskommen.

Der 3 – 4 stimmige Trompetensatz, eine Euphonium Stimme, diese Besetzung hat sich sicherlich in den letzten Jahrzehnten in der Literatur durchgesetzt. Nur noch wenige Verlage setzen auf standardbesetzte Flügelhörner oder Tenorhornstimmen. Dabei geht uns aber, meiner Meinung nach, eine wunderschöne Klangfarbe verloren. Das „weiche“ Blech als Gegenpart zum Holz findet nur noch selten und dann meist als solistische Klangfarbe einen Platz, die klangliche Rollenverteilung scheint hier festzustehen und dabei nimmt sie uns so viele klangliche Möglichkeiten. Dabei ist doch aber genau diese riesengroße Vielfalt an verschiedenen Klangfarben und gestalterischen Möglichkeiten das was unsere sinfonische Blasmusik ausmacht und bereichert. Dazu kommt das praktische Umsetzungsproblem. Sollen unsere Flügelhornisten im Verein bei sinfonischen Werken einfach die Trompeten doppeln oder beeinträchtigt das die Klangvorstellung des Komponisten? Oder dürfen wir von ihnen erwarten sich zusätzlich Trompeten anzuschaffen und je nach Stück zu tauschen? Geht das überhaupt? Nicht jeder Trompeter ist im Stande zwischen den beiden Instrumenten zu switchen und gleich überzeugend den instrumententypischen Klang zu erzeugen, ganz zu schweigen von der Grundstimmung, wenn das Instrument eine halbe Stunde unbenutzt auf der Bühne stand. Dazu kommt die Selbstidentifikation des Musikers mit dem Instrument. In meinem Verein habe ich den Luxus, dass meine Flügelhornisten den Spagat und stetigen Wechsel zwischen Trompete und Flügelhorn gut hinbekommen und auch wenn das Flügelhorn in den letzten Jahren leider weniger in Gebrauch ist, sehen sie sich selbst dennoch überzeugt als Flügelhornsatz und folgen nicht, wenn ich sie als Trompeter anspreche. 

Als Komponist versuche ich immer werkabhängig zu denken. So gibt es durchaus Stücke in denen Flügelhorn und Tenorhorn besetzt sind. Oft habe ich aber auch das Problem, dass es nur wenige Stellen im Werk sind in denen ich mir die Klangfarbe vorstellen kann und ich nicht einfach das restliche Werk über mit anderen Gruppen doppeln möchte um ihnen irgendwas zum Spielen zu geben, da sich das dann auch oft negativ auf die Balance auswirkt. Dennoch setze ich an mich als Komponist den Anspruch das Flügelhorn immer wieder bewusst und gezielt einzusetzen, sei es als Satz oder solistisch.

Als Musiker habe ich bewusst immer das Flügelhorn der Trompete vorgezogen und auch in der Brass Band oder im Fanfareorchester genieße ich diesen tollen Klang immer wieder gerne. Es wäre schade, wenn wir diese klangliche Bereicherung im Blasorchester verlieren würden.

Dominik Wagner

Und nachfolgend der Beitrag von Thorsten Reinau

Der Einsatz des Flügelhorns im heutigen Blasorchester aus meiner Sicht, als…

… Dirigent:

Hier ist es eigentlich ganz einfach: Es wird so besetzt, wie es die Partitur vorsieht. Deshalb haben meine TrompeterInnen/FlügelhornistInnen auch immer beide Instrumente zur Verfügung.

Was ich auf keinen Fall sehen und hören kann sind Register, welche, wenn nur Trompetenstimmen vorhanden sind, gemischt besetzt werden. Dies kann den klanglichen Vorstellungen des Komponisten/Arrangeurs auf keinen Fall entsprechen. Leider sieht man dies noch viel zu häufig.

Es kann vorkommen, dass man, gerade bei der modernen Unterhaltungsmusik, die eine oder andere Solostelle mit dem Flügelhorn anstatt mit der vorgesehenen Trompete besetzt, weil es klanglich mehr Sinn macht und ein guter Effekt sein kann.

Gerade bei Märschen ist die Herkunft der Komposition für mich entscheidend. Deutsche und österreichische Märsche natürlich ohne Frage mit Flügelhorn. So würde ich es auch bei den meisten französischen Märschen halten. Britische und amerikanische Märsche haben oft die Teilung in Kornett und Trompete. Hier besetze ich auch durchgehend mit Trompeten, da ich das Flügelhorn nicht als adäquaten Kornett-Ersatz sehe.

Bei volkstümlicher Blasmusik gibt es natürlich keine Alternative zum Flügelhorn.

… Komponist/Arrangeur:

Grundsätzlich versuche ich, wenn irgendwie möglich, das Flügelhorn in allen meinen Kompositionen und Arrangements zum Einsatz zu bringen.

Die Bedeutung des Flügelhorns in der Blasorchesterliteratur hat sich in den letzten 40 Jahren gewandelt. Hatte es früher die Aufgabe, auf „Teufel komm raus“ der Melodie und dem Holz zu folgen, sehe ich es heute als wichtige Bereicherung, wie z.B. in klanglichen Effekten zusammen mit der restlichen, weitmensurierten Instrumentenfamilie oder als Soloinstrument. So hat das Flügelhorn, je nach Genre, nicht mehr die Dominanz im Blasorchester, was aber dem Willen nach einem transparenten Klangbild sehr entgegen kommt.

Bei Originalkompositionen ist es im Normalfall kein Problem, das Flügelhorn sinnvoll zu integrieren.

Bei konzertanten Arrangements setze ich es, je nach Vorlage auch gezielt ein, aber nie als durchgehende Melodiestimme. Dies gilt bei mir vor allem bei Bearbeitungen der „Wiener Musik“.

Bei moderner Unterhaltungsmusik, gerade aus dem Rock- und Popbereich, verzichte ich im Normalfall auf das Flügelhorn und setze es höchstens als klanglichen Farbtupfer bei Solostellen ein.

Volkstümliche Blasmusik: siehe oben.

Bariton oder Euphonium…

… als Dirigent:

Ganz einfach. Ich besetzte nur Baritone, weil sie für mich klanglich unabdingbar sind in unseren Blasorchestern, egal welche Literatur wir spielen. Ich weiß, dass gerade hier die Meinungen auseinander gehen, aber für mich ist dies eine persönliche, klangliche Geschmacksfrage. Ohne Zweifel geht der Trend in vielen Blasorchestern zum Euphonium. Aber meiner Meinung nach sollte auch hier darauf geachtet werden, dass innerhalb des Registers nicht gemischt wird. Die beiden Instrumente kommen aus unterschiedlichen Traditionen und sind deshalb auch klanglich zu unterschiedlich um sie, gleichzeitig zu besetzen.

… Komponist/Arrangeur:

In allen meinen Kompositionen und Arrangements instrumentiere ich Tenorhorn/Bariton getrennt oder nur ein Bariton, also nie würde ich den Einsatz des Euphoniums verlangen (siehe oben „klangliche Geschmacksfrage“).

Thorsten Reinau

Ich hoffe, dass dieser Artikel dazu beiträgt, das gegenseitige Verständnis zu fördern.

Beitragsbild: ©Alexandra Link
Motiv: Flügelhornisten der Trachtenkapelle St. Ulrich

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    8 thoughts on “Das Flügelhorn im Blasorchester – Vom Aussterben bedroht?

    • 19. April 2020 at 10:21
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      Ich spiele sowohl Bigband wie auch in kleiner Besetzung Blasmusik. In der kleinen Besetzung ist das Flügelhorn (Polka) nicht wegzudenken. Allerdings habe ich das Glück, in dieser Besetzung auch mit vierstimmigen Trompetensatz zu arbeiten. Mir fällt der Wechsel von Trompete auf Flügelhorn aber nicht leicht, zu unterschiedlich sind die Instrumente. Bei den Balladen in unsere kleinen Besetzung ist das Flügelhorn meist Soloinstrument.

      In der Bigband wird es viel zu selten eingesetzt. Hier dient das Horn neben den diversen Dämpfern im Trompetensatz nur für bestimmte Klangfarben.

      In der Orchestermusik ändert sich durchaus etwas. Nehmen wir zum Beispiel die Hörner, früher häufig nur als Nachschlag notiert übernehmen sie in inzwischen viele Melodieteile.

      Ob wir in absehbarer Zeit immer mehr Flügelhorn-Einsätze im Satz verlieren, mag ich nicht beurteilen. Es ist sicher auch in der Tradition der (Blas-)Musik begründet.

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    • 20. April 2020 at 4:57
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      Das Hauptproblem sind für mich einheimische Komponisten (komme aus Österreich), die sich ihren internationalen Verlagen buckeln um möglichst einen großen Markt zu bedienen. Das sind vor allem die bekannten: Thomas Doss, Hermann Pallhuber, Otto M. Schwarz etc. Wie man so schön bei uns sagt: Die Gier is a Luder. Ich halte das für Verrat an der eigenen Identität und Orchester-Realität. Noch dümmer sind da nur unsere Blasmusikverbände, die regelmäßig ebenjene Werke auf die Pflichstück-Liste setzen. Freunderlwirtschaft lässt grüßen. Flügelhorn- und geteilte Tenorhoen/Bariton-Stimmen ließen sich bei Originalwerken problemlos konzipieren und würden zu abwechslungsreicheren Werken führen. Zum Glück gibt es eine junge Garde, die genau diese Praktik nicht durchdrückt, nicht bei internationalen Großverlagen publiziert und Flügelhornstimmen einsetzt z.B Florian Moitzi und Thomas Asanger. Meiner Meinung nach besitzen ebenjene auch weitaus bessere Kompositorische Fähigkeiten als die überschätzten obengenannten, aber das ist wieder ein anderes Kapitel…

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      • 21. April 2020 at 20:18
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        Das ist ja interessant, was man von Ihnen zu lesen bekommt. Ich wäre mit solchen Zuschreibungen und Vorurteilen sehr vorsichtig. Ich kenne von den erstgenannten Kollegen einige Werke, die mit Flügelhorn instrumentiert sind – und ich selbst habe wiederum Werke im Programm, bei denen ich ganz bewusst auf den Klang eines Flügelhorns verzichte. Komponieren heißt, bewusste Entscheidungen zu treffen. Das kann auch bedeuten, dass bestimmte Klänge ausgeklammert werden. Manchmal ist es das Flügelhorn.

        Ich erinnere mich gerne an meine eigene Zeit als Instrumentalist zurück. Ich habe Fagott in einer Musikkapelle gespielt und war es gewohnt, aus der Bariton-Stimme eine Polka zu spielen. Der Komponist hat sich eben dagegen entschieden, ein Fagott zu besetzen. Na und? Ich hätte das niemals als Verrat an der eigenen Tradition gesehen. Ganz im Gegenteil: Ich schätze Komponisten, die sich genau überlegen, welchen Klang sie möchten. Wenn sie sich bewusst – das kann man ja an der Instrumentierung erkennen – für das Flügelhorn entscheiden, kann man das als Wertschätzung für das entsprechende Instrument interpretieren. Wir kennen sie alle diese Instrumentationen, die >scheinbar< mit Flügelhörnern operieren und Trompeten- oder Klarinettenstimmen adaptiert beinhalten. In Wahrheit hat hier der Komponist oder Arrangeur nur eine beliebte Tastenkombination verwendet: Copy & Paste. Ehrlich ist diese Vorgangsweise aus meiner Sicht nicht.

        Viel lieber hab ich da einen Komponisten, der von vorne herein mit offenen Karten spielt und sagt: bei diesem Stück lieber mal ohne Fagott – oder eben ohne Flügelhorn. Wenn wir Ihren Gedanken zu Ende denken: wann kommen die beleidigten Schlagwerker oder Flötistinnen, die sich aufgrund fehlender Piccolo- oder Stabspiele-Stimme diskriminiert fühlen? Noch jedem (!) skeptischen Flügelhornisten konnte ich bisher erklären, warum eben bei einem bestimmten Stück kein Flügelhorn instrumentiert ist. Das kann soweit gehen, dass selbige dann freiwillig die Trompete in die Probe mitnehmen, weil sie den Kern der Sache verstanden haben und bereit sind, Scheuklappen abzulegen.

        Ich habe den Eindruck, bei dieser Argumentation geht’s mehr um gekränkte Eitelkeiten als um die Sache.

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        • 22. April 2020 at 20:27
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          Herr Asanger, da gebe ich Ihnen in allen Punkten recht, vor allem im Sinn einer Flügelhornstimme die auch wirklich eine eigene Stimme ist, und keine reine Trompeten/Klarinetten-Verdopplung. Was auch heißen kann, wenig zu spielen, aber das dafür mit umso mehr Gehalt. Das geht eben dann auch nicht/ nur sehr eingeschränkt mit beigeleten ad libitum Flügelhornstimmen, wie es einige praktizieren. Bin übrigends selbst weder Flügelhornist noch Tenorhornist.
          Das Problem liegt ganz einfach, wie ich schon ausführte, an der Realität, dass in Österreich (Deutschland/Tschechien/Schweiz ähnlich) in jeder Kapelle durchschnittlich 3-4 Flügelhornisten sitzen, die ein wahnsinnig vielseitiges Instrument in der Hand haben, das von einheimischen Komponisten, und da vor allem den “großen” aus finanziellen Verlags-Interessen komplett ignoriert wird, da in Amerika und Asien kein Flügelhornregister sitzt.
          Wenn ein Komponist auf ein Instrument für eine Komposition verzichtet, ist das sein gutes Recht. Vor allem im Polka-Walzer-Marsch-Bereich wir das für dortige Randinstrumente wie Fagott/Bassklarinette etc. vor allem in der Vergangenheit oft der Fall gewesen sein – da sie eben nicht der Tradition entsprachen. Solche ausgewählte Selektion, wie Sie sie (wohlgemerkt im sinfonischen Blasorchesterbereich) machen, geschieht hier aber nunmal meist nicht, sondern eben ein konsequentes Ignorieren. Es geht, wie sie schon sagen, um einen bewussten Umgang damit. Wenn eine Klangfarbe an einer Stelle der Komposition nicht erwünscht ist, ist ein tacet ja kein Problem. Habe auch schon Auftragskompositionen von Kapellen mit Flügelhornregister gesehn, die keine Flügelhorn Stimmen entielten – sorry da kann man nur den Kopf schütteln.
          Ziel sollte eben genau dieses bewusste Einsetzten sein, wie es in jüngerer Vergangenheit bereits öfter geschieht, und die Auflagen für Wertungsspiel-Stücke auch dementsprechend anzupassen.

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    • 20. April 2020 at 14:44
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      Das Flügelhorn im Blasorchester

      Das Flügelhorn gehört für mich unzertrennbar mit dem Tenorhorn/Bariton- Register in ein Blasorchester. Dazu auch die passende Sitzordnung. Ich versuche im Orchester die Tuben, Hörner, Flöten und Oboen möglichst mittig im Orchester zu positionieren. Im rechten Bereich die Posaunen, Trompete und Saxophone und im linken das Tenorhorn/Bariton – Register, die Flügelhörner und die Klarinetten. So sitzen die 1. Flügelhornisten und 1. Trompeter möglichst weit voneinander entfernt.

      Warum wird das Flügelhorn aus dem Blasorchester verbannt?
      Laut Aussagen einiger Dirigentenkollegen wurden sie klanglich enttäuscht. Das Flügelhornregister ließ sich einfach nicht in das Orchester integrieren. Bei den meisten Fällen stellte sich heraus, dass sich die Brillanz der Trompete und der weiche Flügelhornklang nicht vertragen haben. Aus praktischen Gründen werden die beiden Register nebeneinander Positioniert und spielen viele Passagen gemeinsam in der selben Lage. So konnte ich bei diversen Proben und Konzerten feststellen, dass der klare Trompetenklang vom Flügelhorn sehr stark beeinflusst wird und den Ton matt erscheinen lässt. Umgekehrt wird der runde weiche Klang des Flügelhorns von der Trompete gebrochen. Einige Flügelhornisten versuchten das Problem mit eng mensurierten Flügelhörner oder Trompetenmundstücken am Flügelhorn zu kompensieren und so wurde auch die Klangcharakteristik aggressiver. Ich könnte mir vorstellen, wenn ein Altsaxophonist neben dem 1. Klarinettisten sitzt und die selbe Stimme spielt, würde sich auch der Klarinettenklang vermutlich verändern.

      Warum sind Kompositionen für konzertante Blasorchester ohne Flügelhorn?
      Bis zu den 90iger-Jahren wurden in Österreich fast alle konzertanten Neukompositionen von einheimischen Musikverlagen mit Flügelhornregister angeboten. Es gab sogar die Überlegung, die Blasorchesterpartitur die der Symphonieorchester anzupassen und die Flügelhörner, Tenöre und Tuben in den unteren Bereich, wie bei den Streichern, zu platzieren. Auch lange zeit galt der erste Flügelhornist als Konzertmeister und genoss neben dem Obligattrompeter eine höhere Stellung im Orchester. Der Einfluss aus dem Norden brachte die österreichische Verlagswelt in Bedrängnis und verschwanden so auch immer mehr aus den Konzertprogrammen. Verlagsschließungen waren die Folge. Für Komponisten ist der Österreichische Blasmusik-Notenmarkt nur bedingt interessant. Die meisten Vereins- und Auswahlorchester ab der Stufe D haben schon längst auf die internationale Blasorchesterbesetzung umgestellt. Erfreulicher Weise komponieren unsere großen Blasorchesterkomponisten, die auch international erfolgreich sind, wie Thomas Doss immer noch in der traditionellen Form oder bieten kostenlos Flügelhorn-Zusatzstimmen an. Vielen Dank!

      Conclusio
      Für alle leidenschaftlichen Flügelhornisten empfehle ich den Weg beizubehalten, sich bei einer Neuanschaffung für ein traditionelles Flügelhorn mit weiter Mensur zu entscheiden. Auch bei der Mundstückauswahl auf die bekannten Hersteller wie JK, Tilz oder Schantl zu setzen. Ich persönlich bevorzuge ein JK 5c Unterteil mit einem S-Rand von Breslmair, damit habe ich für das Trompetenmundstück die selbe Auflagefläche.
      Als Dirigent schreibe ich für jedes Konzertwerk, wenn nicht vorhanden, eigene Flügelhorn und Tenorstimmen. Das erweitert die Orchesterklangfarbe. Als Komponist darf bei meinen konzertanten Blasmusikkompositionen das weiche Blechregister bei keinem Stück fehlen. Da ich keinen finanziellen Zwängen unterliege, nie kompositorische Verpflichtungen gegenüber Orchester, Dirigenten oder Funktionären bezüglich der Besetzung eingegangen bin, werde ich auch in Zukunft konzertante Blasorchesterwerke mit besonderer Berücksichtigung auf das Flügelhorn- Tenorhorn/Bariton- Register komponieren.

      Gerhard Hafner

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    • 21. April 2020 at 18:15
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      Liebe Alexandra, liebe Kollegen,

      danke für die Ausführungen zu diesem spannenden Thema!
      Meiner Meinung nach macht es keinen Sinn, auf Komponisten, Verlage und Verbände zu schimpfen – die „Schuld“ immer bei den anderen zu suchen, bringt uns nicht weiter!

      Vielleicht sollte man in dieser Thematik noch einige Schritte zurück gehen und sich weitere Fragen stellen, wenn sie auch noch so banal klingen mögen…
      Was ist ein Flügelhorn?
      • in Anbetracht der Bauweise (Dreh- oder Perinetventil, eng oder weit, usw.)
      • in Anbetracht der Mundstückwahl!!! (danke meinem geschätzten Kollegen Gerhard Hafner für die Ausführungen)
      • und vor allem – in Anbetracht der Klangphilosophie – wie klingt ein Flügelhorn?
      o vielleicht so? https://youtu.be/fEptZfxEGbs (übrigens, diese zwei Herren studieren meines Wissens zur Zeit an der Universität Mozarteum in Salzburg Trompete)

      Was ist ein Tenorhorn oder ein Bariton?
      • hier wird es noch viel schwieriger, weil es noch mehr Bauweisen und vor allem Philosophien gibt

      Ich möchte eine Frage einschieben: Wird irgendwo im Blasorchester noch ein „echtes“ Tenorhorn gespielt – in schlanker Bauweise mit 3 Ventilen (so wie es evtl. Ernst Hutter bei seinen Egerländern spielt)? Und wenn ja, was spielen diese Musiker, wenn keine „traditionelle Blasmusik“ am Pult liegt?

      Wo und von wem wird Flügelhorn (und Tenorhorn/Bariton) unterrichtet – und wo haben die Musiklehrer Flügelhorn bzw. Tenorhorn/Bariton gelernt?
      • wie und von wem wird die Flügelhorn- und Tenorhorntradition (sofern es diese überhaupt noch gibt) weitergegeben?
      • kann man Flügelhorn oder Tenorhorn/Bariton studieren?
      Natürlich muss man diese Instrumente nicht studieren, aber Musiklehrer durchlaufen nunmal ein Studium und haben nicht einmal theoretisch die Möglichkeit, diese Instrumente zu studieren, oder? Woher kommt also das Wissen um diese Klangkultur?

      Ich komme aus dem Salzburger Land und hier gibt es Gott sei Dank noch einige hervorragende Musiklehrer und Musikanten in den Vereinen, die „unsere“ Philosophie vom Flügelhorn- und Tenorhornspiel weitergeben. Und hier muss noch auf einen wichtigen Punkt hingewiesen werden – in Salzburg ist die Flügelhornkultur sicher eine ganz andere wie z.B. im Süddeutschen Raum oder in Tschechien/der Slowakei oder sonst wo!

      Und erst wenn ich über diese Fragen nachgedacht habe, kann ich für mich seriöserweise über Fragen der Literatur und den Einsatz von Flügelhorn und Tenorhorn im Blasorchester entscheiden.

      So ist die eingangs gestellte Frage „Das Flügelhorn im Blasorchester – Vom Aussterben bedroht?“ für mich obsolet! Ich möchte diese Klangfarben keinesfalls missen, aber für mich ist der 1. Flügelhornist nicht automatisch der 1. Geiger;) Die Musik als Ganzes zählt, darum geht es!

      Zu guter Letzt noch ein Vorschlag: Wenn wir in unseren Vereinen jedes Jahr einige hundert Euro in die Hand nehmen und Bearbeitungen mit Einsatz von Flügelhorn und Tenorhorn machen lassen, oder evtl. sogar einmal eine Auftragskomposition vergeben, dann haben wir in kurzer Zeit unglaublich viel gute Musik zur Hand und müssen nicht mehr das Material der großen Verlage spielen – wir haben es (zumindest zum Teil) selbst in der Hand;)

      Roman Gruber

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    • Pingback: Blasmusikblog Monatsrückblick April 2020 – Blasmusik

    • 26. April 2021 at 15:10
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      In unseren Amateurorchestern gibt es zum Glück noch Flügelhornisten. Ich habe Flügelhorn von einem Flügelhornisten gelernt. Später wurde es aber zur Pflicht im Orchester auch Trompete zu spielen. Leider kann ich nach wie vor den Wechsel zwischen den Instrumenten nicht optimal gestalten. Es ist eine riesige Herausforderung von Stück zu Stück das Instrument zu wechseln. Wie sich das auf die gewünschte Klangfarbe des Orchesters auswirkt kann ich eindeutig beantworten. Es entstehen Stimmungs- und Intonationsprobleme und von der gewünschten Klangfarbe kann man sich auch gleich verabschieden. Die Alternative oder die Lösung wäre bei Nichtbesetzung zu pausieren. Das würde den typischen Klang des Flügelhorns erhalten und keine Hybridklänge aus Trompete und Flügelhorn erzeugen. Vorzugsweise sollen wirklich Kompositionen mit eigenen Flügelhornstimmen zur Anwendung kommen. Das hochgepriesene Musikschulwerk hat es leider verabsäumt das Flügelhorn als eigenes Instrument zu erhalten und auszubauen. Dieser Wehrmutstropfen wird sang und klanglos hingenommen. Das finde ich sehr schade. Für mich hat der volle Flügelhornton eine wohltuende Wirkung im Orchester und untermalt bzw. füllt damit das oft hektisch klingende Gemetzel der unterschiedlichen Sätze. Mehr Harmonie und Einklang sollten wieder gefragt sein, damit auch zukünftig noch der schöne traditionelle Blasmusikklang erhalten bleibt. Die ausgebildeten Trompeter haben eine ganz andere Sichtweise, wie eine Polka oder sonstige klassische Flügelhornstimmen wiederzugeben sind. Wir verlieren hier die Identität der eigentlichen Blasmusik. Ich hoffe nur, dass es diesbezüglich ein Umdenken gibt und beide gewünschte Klangfarben und Interpretationssichtweisen möglich gemacht wird sich zu entfalten. Der Unterschied macht die Musik!

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