Das Kinderkonzert „Hex Hex“ – verzaubert von Geistern, Geschichten, Hexen und Musik
[Werbung | enthält Produktnennungen und Affiliate-Links]
Der Musikverein Langenau mit seinem Jugendblasorchester Langenauer Schwäble ist ein erfahrener Veranstalter von Kinderkonzerten. Im Februar 2023 habe wir hier auf dem Blasmusikblog schon Von Fabelwesen, Tönen und Luftpiraten | Ein Abenteuer durch Raum und Klang vorgestellt. Lest in diesem Beitrag über das Kinderkonzert Hex Hex. Herzlichen Dank für das Interview, die Einblicke und die vielen Informationen, liebe Marina Raff!
HEX HEX! Lass dich verzaubern von Geistern, Geschichten, Hexen und Musik
Das Konzept
Geister, Hexen, Drachen, Zauberer, Vampire – mystische Wesen, die in Literatur und Film immer wieder in abenteuerliche Welten eintauchen und fantastische, ja fast unvorstellbare Dinge erleben und trotzdem herrlich sympathisch normal sind. Besonders die kindlichen Figuren wie Bibi Blocksberg, Petronella Apfelmus, Preußlers kleines Gespenst oder Harry, Hermine und Ron ermöglichen es den Rezipient*innen sich leicht in das Geschehen hineinzuversetzen. Im Kampf gegen die bedrohlichen Antagonisten entstehen Wettläufe gegen die Zeit und knifflige Rätsel, die es zu lösen gilt. Hier lässt sich mitfiebern und gedanklich davon schweben. Einen Tag selbst mal Hexe, Zauberer oder Gespenst sein: Wie wäre es wohl, kurz die Hausaufgaben fertig zu zaubern, zur Geisterstunde mit den Fledermäusen auf einer Burgmauer zu tanzen oder in tiefster Vollmondnacht auf einem Drachen reitend die Welt von oben zu betrachten? Die Langenauer Schwäble wollten mit ihrer im wahrsten Sinne zauberhaften Blasmusik die kleinen und großen Besucher*innen bei diesem einmaligen und einzigartigen Konzert „HEX HEX!“ in diese Traumwelten entführen. Besonders die an die Melodien angepasste Lichtchoreografie sorgte für schaurige und magische Momente. Weiter angereichert wurde das Projekt dadurch, dass es von einem roten Faden durchzogen ist, einer mit intertextuellen Elementen geprägten Geschichte. Die Texte fütterten die Musik und beim Publikum entstanden intensive mentale Bildeinstellungen welche gleichzeitig immer noch viel Raum für eigene Fantasien offenließen. Vorgetragen wurden diese von einem Erzähler, welcher unter einer heimeligen Stehlampe in einem Ohrensessel saß. Dies erinnerte Kinder, wie auch Erwachsene an private Vorlesesituationen. Darüber hinaus unterstützten durch künstliche Intelligenz generierte Illustrationen die Imagination. Als weiteres Highlight trat ein Zauberer auf und das Publikum konnte über verschiedenste Tricks staunen und teilweise auch mitmachen.
Warum habt Ihr dieses Kinderkonzert veranstaltet, welche Ziele habt Ihr damit verfolgt?
Hauptsächlich entstand die Idee für dieses Konzert aus der Not heraus, da unser aktives Orchester eigene Wege beschreiten wollte und die Jugendkapelle nun nicht mehr die Möglichkeit hatte am traditionellen Frühjahrskonzert mitzuwirken. Rückblickend entwickelte sich für uns daraus jedoch ein wahrer Glücksfall und wir konnten zeigen, dass der Stempel Höchst- und Oberstufe längst nur nebensächliche Kriterien für ein erfolgreiches Konzert darstellen. Einen gehörigen Motivationsschub erhielt das Projekt durch die Zusage der Förderung über den Amateurmusikfonds des BMCO.
Das übergreifende Ziel des Projekts bestand in der Erschließung neuen Publikums durch eine innovative Konzertidee, welche drastisch von den regulären Musikverein-Konzerten abweicht. Andere Räume, Lichtshow, Konzertstücke passend zum Thema und ein Erzähler – das sind die Säulen, welche unser Projekt tragen. Des Weiteren strebten wir ein Konzert an, welches sich nicht auf eine einzige eingeschworene und auch aussterbende Zielgruppe – Erwachsene mit Interesse für symphonische Blasmusik – festlegte. Lapidar entwickelte sich daraus das interne Motto: „Auch wir können Netflix!“. Realisiert wurde die Ansprache verschiedener Zielgruppen über Anknüpfungspunkte zu differenzierten Erfahrungsebenen. Beispielsweise stellt die Musik zum Musical Tanz der Vampire für alle Kinder und die meisten Jugendlichen, wie in der Geschichte erzählt, den Tanz der netten Fledermäuse mit dem kleinen Gespenst dar. Erwachsene dagegen tauchen in eine Welt furchteinflößender Blutsauger ein. Aus diesem Grund heraus sprechen wir nicht mehr von einem Kinder- oder Familienkonzert, sondern von einem All-Age-Konzert. Gleichzeitig, so wurde uns erst rückblickend bewusst, konnten auch ohne gezielte Vorstellung jedes einzelnen Blasinstrumentes, mindestens genauso viel Interesse für ebendiese wecken, wie eine altbekannte Instrumentenvorstellung. Viele Kinder waren nur noch am Überlegen, welches Blasinstrument sie erlernen wollen. „Ob“ war keine Frage mehr.
Wer war am Kinderkonzert beteiligt? Mit welchen Kooperationspartnern habt Ihr zusammen gearbeitet?
Hauptakteure des Projekts waren die Musizierenden der Jugendkapelle „Langenauer Schwäble“ unter der Leitung von Achim Götz. Durch die zauberhaften Abenteuer des kleinen Gespenstes führte Erzähler Max Manßhardt, welcher darüber hinaus auch als Sänger in Erscheinung trat. Für wahrhaft magische und überraschende Momente sorgte Zauberer und Jongleur Lukas Krautsieder. Die Veranstaltung ins richtige Licht rückte FK Veranstaltungstechnik.
Wie sah das genaue Programm aus? Welche Musik wurde gespielt?
- Harry Potter and the Philosopher`s Stone (John Williams, arr. Frank Bernaerts)
- Tanz der Vampire (Jim Steinman, arr. Wolfgang Wössner)
- Ghostbusters (Ray Parker Jr., arr. Frank Bernaerts)
- Gulliver`s Travels (Bert Appermont)
- Witch`s Dance (Warren Barker)
- Grand Galop (Johnnie Vinson)
- The Time Warp (Richard O`Brien, arr. Michel Story)
Welche Besonderheiten wies das Programm des Kinderkonzerts auf?
12 Glockenschläge begleitet von 12 hellen Strahlern läuteten das Konzert und gleichzeitig auch die Geisterstunde ein. Ein Erzähler führte das Publikum entlang einer abenteuerlichen Reise eines kleinen Gespenstes durch diese Geisterstunde. Darin eingebaut war auch eine Zaubershow. Die Kinder wurden dabei aufgefordert aktiv mitzumachen. Zum Einsatz kamen hierbei die im Vorfeld verteilten Flyer in Form eines Zauberstabes. Auch wurde während den Stücken, angeleitet durch den Erzähler, mal wie Fledermäuse getanzt oder in Form einer Polonaise das Hexenhaus im Wald gesucht.
Wie habt Ihr die Kinder einbezogen a) auf der Bühne b) die Kinder aus dem Publikum?
Gerade dadurch, dass wir uns explizit gegen eine Bühne entschieden hatten, waren die Übergänge äußerst fließend. Weder das Publikum noch die Musizierenden hielten sich in klar abgegrenzten Bereichen auf. So konnten insbesondere die Kinder ganz vorne auf Kissen das Orchester hautnah betrachten und die Entstehung der Musik mitverfolgen. Auch war es dem Erzähler insbesondere durch diese Nähe gut möglich, das Publikum in die Geschichte miteinzubeziehen, genauso der Zauberer.
Wie habt Ihr das Kinderkonzert organisiert? Wer war an der Organisation beteiligt?
Organisiert wurde das Konzert in mehreren hundert Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Für die Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich zeichnete sich Lucia Hering. Eindrucksvolle KI-gestützte Illustrationen für die Begleitpräsentation erstellte Marco Haupt. Daneben waren weitere gute Seelen des Vereins involviert in Pressearbeit, Auf- und Abbau und Verpflegung. Die gesamte Idee, der Text, die Dekoration und die Organisation ist Jugendleiterin Marina Raff zuzuschreiben, die tatkräftig von ihrem Kollegen Janis Schneider-Blumberg unterstützt wurde. Insgesamt erstreckte sich die Planungszeit über fünf Monate.
Wie sahen die Proben für das Kinderkonzert aus?
In zwölf Proben und einem Probentag, die mit viel Herzblut und Motivation von Achim Götz geleitet wurden, entwickelte sich der Hauptpart des Konzertes – die Musik. Jedoch wurde in den Proben nicht nur musiziert, sondern auch kleine Sprechrollen einstudiert, gebastelt und in den letzten Wochen alle Akteure zusammengeführt.
Wie sahen die äußeren Rahmenbedingungen beim Kinderkonzert aus?
Da unsere gewohnte Konzertlocation gleichzeitig eine Sporthalle ist, fanden wir dies für HEX HEX absolut untragbar. Auf der Suche nach einer Alternative sind wir auf den Zehntstadel in Göttingen gestoßen. Dieser wunderbar gepflegte Stadel mit historischem Gebälk und originalgetreuen Spinnweben hat uns überzeugt. Wenngleich wir bezüglich der Raumgröße Abstriche machen mussten. Jedoch konnten wir den begrenzten Platz durch zwei Vorführungen wieder wettmachen. Wie bereits erwähnt haben wir auf eine Bühne für das Orchester verzichtet. Kaum eine Armlänge davon entfernt saßen in der Front Row bereits die ersten Kinder auf Kissen. Der Erzähler hatte seinen Platz in einem gemütlichen Ohrensessel nebst Stehlampe und 70er-Jahre Teppich. Die weitere Dekoration bestand aus unzähligen eindrucksvollen Hexenbesen einer befreundeten Narrenzunft. Diese einzigartigen Besen sollten die Vielfalt der Blasinstrumente widerspiegeln. Mehr Dekoration war nicht nötig, da eben der Raum bereits für sich sehr stark emotionslenkend agierte und die Lichtshow den Rest ergänzte.
Welches waren für Euch die größten Herausforderungen bei der Organisation des Kinderkonzertes?
Herausfordernd war insbesondere die Gewinnung unserer jugendlichen Musizierenden für dieses Projekt. In diesem Alter wirkt vieles schnell uncool und peinlich. Vor allem, weil die Geschichte und das Konzept auf den ersten Blick sehr kindlich erscheinen, dauerte es einige Wochen, bis die moralische Essenz des Projekts „du kannst alles erreichen, kämpfe für deine Träume“, bei den Musizierenden ankam. Ebenfalls beschwerlich war die Suche der Location, die jedoch auch ein glückliches Ende nahm.
Wie habt ihr das Kinderkonzert beworben?
„HEX HEX!“ wurde über verschiedene Kanäle beworben. Im Vordergrund standen dabei Flyer in Form eines Sterns, die zu einem Zauberstab ausgestaltet wurden. Diese wurden an alle Kindertagesstätten im gesamten Stadtgebiet und der Ortsteile ausgeteilt. Somit erhielten knapp 1000 Kinder eine persönliche Einladung. Daneben warben wir über die Social-Media-Kanäle des Musikvereins Langenau, insbesondere Instagram und Facebook. Auch wurden Plakate in der Stadt verteilt und im örtlichen Gemeindeblatt geworben.
Was hat Euch das Kinderkonzert gekostet, wie habt Ihr es finanziert und wie sah es mit dem Ertrag aus?
Dieses Projekt wurde vom Amateurmusikfonds des Bundesmusikverbands für Chor und Orchester gefördert. Mit dem Förderprogramm soll Amateurmusizierenden die Realisierung besonders innovativer Projekte ermöglicht werden. Das Konzert war für die Besucher kostenfrei.
Kleiner Spoiler: es ist auf jeden Fall auch ohne Förderung bezahlbar.
Was waren Eure besonderen Highlights während dem Konzert? Was hat Euch besonders gefallen. Was hat Euch besonders beeindruckt?
Besonders gut haben uns die vor Freude funkelnde Kinderaugen gefallen. Viele der kleinen Gäste kamen aufgrund der Konzerteinladung bereits als Geister, Zauberer, Hexen oder magische Einhörner verkleidet zum Konzert. Zusammen mit den Zauberstäben ergab sich im Konzertsaal ein fabelhaftes Bild.
Wie waren die Reaktionen des Publikums?
Die Reaktionen der insgesamt um die 500 kleinen und großen Gäste waren durchweg positiv. Gerade die ungewöhnliche Konzertlocation, welche nicht im Hauptstadtteil lag, kam bei den Bewohnern des Ortsteils gut an. Einige Gäste nutzen sogar die zweite Vorstellung am Folgetag, um sich nochmals verzaubern zu lassen.
Welche direkten Auswirkungen hatte das Kinderkonzert?
Direkte Auswirkungen lassen sich nur schwer in Form von Zahlen oder Statistiken festmachen. Aus Berichten erfuhren wir jedoch beispielsweise, dass unsere angebotenen Glitzerwaffeln bei manchen Familien nun immer mal wieder auf dem Speiseplan stehen.
Das Projekt war nicht darauf ausgelegt, im Anschluss Anmeldungen für einen Instrumentalunterricht oder eine Vereinsmitgliedschaft einzufahren. Vielmehr sollte es die Freude vermitteln, die wir mit dem Hobby Blasmusik verbinden und dies ist uns gelungen. Ebenso die Erschließung neuen Publikums.
Würdet Ihr wieder ein Kinderkonzert veranstalten? Aus welchen Gründen? Ist eventuell schon eines in Planung?
Aus Sicht der Organisatoren kann diese erste Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Auch eine Evaluation innerhalb des Jugendorchesters kam zu diesem Ergebnis. Der Hauptgrund liegt wohl darin, dass solch ein Projekt natürlich etwas ganz Besonderes ist und deshalb auch das Orchester selbst verändert und gemeinschaftlich voranbringt.
Ideen für weitere Konzerte sind vorhanden, aber konkrete Planungen noch nicht angelaufen. Hierzu gehört auch immer die Bereitschaft der Vereinsvorsitzenden, Geld in die Jugendarbeit zu investieren.
Welche speziellen Tipps habt Ihr für Musikvereine / Blasorchester, die noch nie ein Kinderkonzert veranstaltet haben, aber gerne eines veranstalten möchten?
Ganz klar: die Arbeit lohnt sich! Und es lohnt sich, Risiken einzugehen. Solche innovativen Konzerte leben von Ungewissheiten bis zum letzten Ton und dem hoffentlich einsetzenden Applaus. Diese gilt es auszuhalten, ganz gleich, ob es Kritik gibt.
Am Ende zählt nur eines: Ihr habt es gemacht. Also seid stolz auf euch!
Falls ich durch diesen Artikel euer Interesse wecken konnte und ihr „HEX HEX“ aufleben lassen wollt, dann meldet euch gerne. Dieses Projekt ist darauf ausgelegt nachgeahmt zu werden.
Hier könnt Ihr bei Interesse Kontakt mit Martina Raff aufnehmen: 2.jugendleiter@musikverein-langenau.de. Sie gibt Euch gerne Auskunft!
Pingback: Blasmusikblog Monatsrückblick Juni 2024 – Blasmusik