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Fit für den Neustart: Blasorchester! – Teil 2

Weiter geht es heute mit Teil 2 von Fit für den Neustart: Blasorchester! In diesem Beitrag beantworten die Dirigenten Jochen Hartmann, Helmut Schmid, Dorian Wagner und Björn Weinmann die Frage:

Wie wirst Du den Neustart nach dem Lockdown in Deinem Blasorchester gestalten und welche vorbereitenden Maßnahmen unternimmst Du schon jetzt?

Jochen Hartmann

Jochen Hartmann
Jochen Hartmann

Jochen Hartmann dirigiert den Musikverein Großaspach.

Es fällt mir schwer, von einem „Neustart“ zu sprechen. Im Musikverein Großaspach waren wir im Grunde genommen während des ganzen Lockdowns aktiv. Darauf bin ich sehr stolz. Das war nur möglich Dank eines starken Vorstandsteams. Im Jahr 2020 hatten wir einige Auftritte bei Gastronomen in Aspach und beim Pflegeheim. Wir spielten beim Blasmusikfrühschoppen im Backnanger Autokino. Im September veranstalteten wir auf dem Vereinsgelände ein Frühschoppenfest und im Oktober in der Gemeindehalle das eigene Jahreskonzert mit herausfordernder Blasmusik. In der letzten Probe im Oktober verabschiedeten wir uns traurig mit dem Stück „Ade, Servus, Tschüss“. Im November ging es weiter mit Online-Stammtischen via Zoom. Bei den Stammtischen besuchten uns ab und zu externe Persönlichkeiten mit Bezug zur Blasmusik. Dadurch konnten wir unseren Horizont erweitern und blieben motiviert. Online-Proben stand ich anfangs skeptisch gegenüber. Mitte Februar besuchte ich ein Webinar des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes, das mich sehr inspirierte. Mir wurde da nochmals klar, dass es schlichtweg darum geht, die Musiker ans Instrument zu bringen. Wir probierten das Ganze aus und stellten fest, dass wir an Online-Proben unseren Spaß hatten und musikalisch auch etwas bewegen konnten. Ich freute mich immer sehr, wenn am Ende der Probe zufriedene Gesichter in den Bildschirm grinsten. Dass wir beim Wettbewerb „Fit für den Start nach Corona“ des Blasmusikverbands Rems-Murr so erfolgreich abschnitten, führe ich auch darauf zurück, dass wir immer am Ball blieben und uns auch so immer neue Ziele setzten. Beim Musikverlag Rundel kauften wir uns einige neue Musikstücke aus dem Bereich der traditionellen Blasmusik, die speziell für kleine und flexible Besetzung eingerichtet sind. Wir proben aktuell die Stücke, mit denen wir nach dem Lockdown durchstarten wollen. Wir denken dabei an Auftritte bei Gastronomen und kleineren Festen. Seit Dienstag, 8. Juni 2021, proben wir wieder gemeinsam in Präsenz.  Es ist sehr schön, dass wir wieder loslegen durften. Neben den Tutti-Proben werde ich auch Registerproben anbieten.  Eine große Herausforderung dürften das Zusammenspielen und das Aufeinanderhören werden. So nach dem Motto Ohren aufmachen und selbst nicht zu laut spielen. Das alles erfordert Zeit und Muse. Wir Dirigenten werden viel Geduld aufbringen und im Zweifelsfall leichtere Stücke auflegen müssen. Im Vordergrund steht natürlich die Freude am gemeinsamen Musizieren. Und wenn dann der ein oder andere Musiker motiviert wird, zuhause mehr zu spielen und zu üben, wird das eine runde Sache. O wie wird das schön, wenn wir mit unserer Musik uns sowie anderen Menschen wieder eine Freude bereiten dürfen und sich Kinder voller Emotionen zur Musik bewegen werden. Gibt’s etwas Beglückenderes?

Helmut Schmid

Helmut Schmid
Helmut Schmid

Helmut Schmid ist Musikalischer Leiter der Stadtmusikkapelle Landeck/Tirol. Außerdem Jugendreferent des Österreichischen Blasmusikverbandes/Österreichische Blasmusikjugend und Leiter der Landesmusikdirektion Tirol.

Die Stadtmusikkapelle Landeck hat während der letzten Monate versucht den Kontakt zu den Mitgliedern zu halten gleichzeitig aber auf virtuelle Proben grundsätzlich verzichtet. Die letzte Zusammenkunft des gesamten Orchesters war im Rahmen eines Openair Konzertes am 5. September 2020 im Rahmen der Landecker Festwochen „Horizonte“.

Nun ist es in Österreich ab 19. Mai 2021 wieder möglich die musikalische Vereinsarbeit wieder aufzunehmen. Auch wenn die Rahmenbedingungen noch sehr schwierig sind – wir dürfen „Indoor“ mit 7 MusikerInnen (20 m2 pro MusikerIn) und „Outdoor“ mit max. 50 MusikerInnen unter Einhaltung strenger Sicherheitsauflagen proben. Natürlich ermöglicht das noch keinen regulären Probebetrieb und es stellt sich die Frage, wie das nun musikalisch auch Sinn machen könnte. Die MusikerInnen meines Vereines lieben die Musik und haben vermutlich auch während der letzten Monate versucht Musik zu machen. Viele besuchen die Musikschule, einige studieren Musik, sind MusiklehrerIn oder sie nehmen einfach ab und zu ihr Instrument zur Hand. Ich gehe nicht davon aus, dass jemand der noch vor ein paar Monaten auf einem ansprechenden Niveau musiziert hat, jetzt die Griffe auf seinem Instrument nicht mehr weiß. Vielmehr geht es jetzt bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebes um Motivation, Vorfreude auf das gemeinsame Musizieren, Vorfreude auf gute Literatur und um die Pflege von sozialen Kontakten.

Insofern werden wir beginnend mit 19. Mai 2021 nahezu täglich Registerproben abhalten und nach ca. drei Wochen schließlich im Tutti proben. Vielleicht sind bis dahin die Rahmenbedingungen ohnehin schon etwas besser. Die erste Tuttiprobe nach so langer Zeit muss aus meiner Sicht entsprechend und gut vorbereitet sein. Wenn es schön klingt und die MusikerInnen ihre Stimme gut spielen können, dann wird diese Probe Anfang Juni 2021 hoffentlich ein nachhaltiges Motivationsereignis und Erlebnis sein.

Unsere Ziele in den nächsten Wochen beschränken sich neben der Wiederaufnahme des Spielbetriebes, sowohl im Jugendorchester als auch im Musikverein, auf zwei kirchliche Ereignisse im Juni. Anfang Juli planen wir – sofern es die Situation zulässt – ein Openair Konzert in Landeck und ein Konzert im Rahmen der Innsbrucker Promenadenkonzerte. Das Programm soll zwar nach künstlerischen Kriterien gewählt sein, muss in erster Line jedoch auch gut umsetzbar sein. Deshalb werden wir vorwiegend auf Repertoire- (Lieblings-) stücke zurückgreifen, aber auch mindestens zwei neue Werke proben. Der Schwerpunkt liegt wie immer auf konzertant-sinfonischer Blasmusik. Wir freuen uns schon und hoffen, dass alles so kommt, wie wir es uns alle wünschen!

Dorian Wagner

Dorian Wagner
Dorian Wagner

Dorian Wagner ist Dirigent des Sinfonischen Blasorchesters Ludwigshafen.

Gleich zu Beginn vorweg: es gibt für diesen Neustart keine Blaupause. Wir alle haben keine Erfahrungswerte, was es heißt, ein Orchester zu leiten, dessen Musikerinnen und Musiker seit Monaten nicht mit anderen gemeinsam musiziert, ja zum Teil nicht einmal zu Hause ihr Instrument in den Händen gehabt haben. Das ist außergewöhnlich und mit nichts zu vergleichen. Brauchen wir also auch außergewöhnliche Methoden für diese „allererste” Probe? Nein, ich glaube nicht. Vielmehr wird schon in der ersten Probe der Grundstein für die gemeinsame musikalische Arbeit gelegt. Wir sollten nicht erst nach zwei Monaten den unpünktlichen Probenbeginn beklagen. Nicht erst nach mehreren Proben die Stimmeinteilung festlegen. Nicht ohne Stimmführer ein Register vereinheitlichen wollen. Nicht mit einer „Durchspielprobe“ beginnen und später Konzentration bei der Detailarbeit erwarten. Denn wir Dirigenten sollten uns klarmachen: es ist jetzt die beste Gelegenheit Grundlagen einzufordern. Von Anfang an.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ (Hesse)

Was haben im vergangenen Jahr die Orchester, Chöre, Bands und ihre musikalischen Leiter nicht alles unternommen, um irgendwie „am Leben zu bleiben“: Online-Probe, Übepläne, Unterricht per WhatsApp oder die beliebten „Jeder-spielt-seinen-Part-zu-Hause-Videos“. Alles beeindruckende Versuche, hinter denen, wie ich weiß, viel Arbeit und Mühe und Engagement steckt. Nur, es ist alles in allem ein kläglicher Versuch das gemeinsame Musizieren zu ersetzen. Doch das ist durch nichts zu ersetzen! Von daher ist doch klar, was jetzt in den Mittelpunkt unserer Arbeit rücken muss: das (musikalische) Miteinander.

Wir müssen uns verstärkt vor Augen führen, dass wir es mit Menschen zu tun haben. In diesem Fall mit Menschen, die alle (auf ihre Art und Weise) in den vergangen Monaten eine außergewöhnliche, mitunter sehr belastende Zeit durchlebt haben. Wir müssen in unsere Orchester reinhören; musikalisch und menschlich. Und uns als erstes Etappenziel vornehmen, wieder eine Gemeinschaft zu werden.

Wie werden wir eine musikalische Gemeinschaft? Indem wir

  • gemeinsam atmen (in den ersten Wochen wird es verstärkt Atemübungen in der Probe geben).
  • (wieder) lernen, aufeinander zu hören (mit wem habe ich gemeinsam eine Stimme? Ist meine Stimme führend oder eine Begleitung? Begleitung zu wem?…),
  • jede und jeden am Prozess beteiligen (wie wäre es, sich als Dirigent vorzunehmen, jedes Orchestermitglied in dieser ersten Probe mindestens einmal direkt anzusprechen?) und
  • unsere Musik zu einem Erlebnis werden lassen (mit Sicherheit werden wir nicht unmittelbar an die Anforderungen vor der Pandemie anknüpfen können. Es ist daher ratsam, in den ersten Proben an Werke (oder Werkausschnitte) zu gehen, die nach, sagen wir etwa 30 Minuten Probezeit, schon zu einem musikalischen Erleben führen werden. Es ist die dringende Herausforderung an die Dirigenten, hier behutsam und zielführend Literatur auszuwählen. Das muss aus meiner Sicht nicht zwangsläufig ein „fertiges“ Konzertprogramm sein)

Ich will mich von der ersten Probe an wieder voll und ganz auf die Grundlagen des Dirigierens konzentrieren: mit einer klaren Vorstellung (vom Partiturstudium entwickelt) in die Probe gehen und – zuhören! Das Hören wird jetzt wichtiger denn je sein. Sich in dieser Situation an einem Probeplan entlanghangeln zu wollen, ist nicht nur Irrsinn, sondern kann sogar bewusstes Zuhören stören! Ich muss jetzt mehr denn je zu- und reinhören – und ebendies auch von Beginn an von den Musikerinnen und Musikern einfordern. Das ist das, was uns seit vielen Monaten fehlt.

Björn Weinmann

Björn Weinmann
Björn Weinmann

Björn Weinmann dirigiert die Stadtkapelle Zweibrücken und das Blasorchester Harmonie Gersheim. Außerdem leitet er die Bläserklassen an der Mannlich Realschule in Zweibrücken und verschiedene Jugendorchester an der Herzog Christian Musikschule.

Nachdem der zweite Lockdown uns erneut in die Zwangspause geschickt hat, haben wir in beiden Orchestern einen virtuellen Stammtisch initiiert. Dieser regelmäßige Austausch half uns dabei uns nicht aus den Augen zu verlieren, das Gemeinschaftsgefühl aufrecht zu erhalten und füreinander da zu sein. Dabei kam das Gespräch – verständlicher Weise – immer wieder darauf, wie sehr alle das gemeinsame Musizieren vermissen und auch, dass viele sich alleine nicht motivieren können regelmäßig das Instrument auszupacken und alleine zu spielen. 

Dadurch wurde mir verdeutlicht, wie müssen etwas tun. Der Gedanke reifte in mir, dass wir es irgendwie hinbekommen müssen, auch virtuell gemeinsam Musik machen zu können. In unserer ländlichen Gegend ist die Internetverbindung allerdings so bescheiden, dass die Zeitverzögerung durch die Übertragung das so nicht zulässt. 

Mit meiner „Bläserklasse für Erwachsene“ habe ich gemeinsam die sogenannte Einbahnstraßenlösung ausprobiert. Zu Beginn habe ich zu einer Orchesteraufnahme die verschiedenen Stimmen auf verschiedenen Instrumenten mitgespielt und meine Musiker:innen haben zu Hause mit stummgeschalteten Mikrofonen ihre Stimme dazu gespielt. 

Dies war von Anfang an ein großer Erfolg, so dass wir das Prinzip auf die Stadtkapelle Zweibrücken und den Musikverein Gersheim ausgeweitet haben. Hier dirigiere ich meistens und spiele bei Bedarf verschiedene Stellen mit. Auch bei der Bläserklasse variiere ich mittlerweile zwischen dirigieren und spielen. 

Das gemeinsame Musizieren bereitet allen große Freude, in den Spielpausen kommt die Kameradschaft, der ein oder andere lockere Spruch wie: „Na, Björn, so fehlerfrei hast du uns noch nie gehört!“ und das ein oder andere Getränk wird auch gemeinsam getrunken. 

Für jede Woche stelle ich eine Playlist zusammen auf die sich die Musiker:innen vorbereiten können. Außerdem habe ich neue Literatur digital gekauft, die sich die Musiker:innen aus der Cloud downloaden können. Diese neue Literatur wird auch gemeinsam geprobt, bzw. gespielt in der Hoffnung diese baldmöglichst live und präsent mit wenigen Proben auftrittsreif zu haben. Zu den virtuellen Proben sind auch Nichtmitglieder herzlich eingeladen.

Das Ziel ist ein musikalisch ansprechendes Programm auf die Beine zu stellen und dieses bei einem Wiedersehenskonzert auf unserem Schlossplatz in Zweibrücken zu präsentieren.

Ein herzliches Dankeschön an Jochen Hartmann, Helmut Schmid, Dorian Wagner und Björn Weinmann für die vielen Informationen, Inputs und Aspekte!

In Teil 1 beantworten die Dirigenten Alexander Beer, Lisa Marie Bodem und Christoph Breithack die Frage:

Wie wirst Du den Neustart nach dem Lockdown in Deinem Blasorchester gestalten und welche vorbereitenden Maßnahmen unternimmst Du schon jetzt?

Fit für den Neustart: Blasorchester Teil 1

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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