Otto M. Schwarz zu Besuch in Japan
Dass es in Japan eine ausgeprägte Blasorchester-Szene gibt hat sich mittlerweile nicht zuletzt durch viele CD-Einspielungen in Europa rumgesprochen. Es gibt in Japan über 14.000 Blasorchester. Der Dachverband aller Blasorchester – vornehmlich wie in den USA Schul- und Hochschulblasorchester – ist die All-Japan Band Association, die auch jährlich Wettbewerbe durchführt. Dies nur (sehr) kurz über die japanische Blasmusikwelt.
Im September hat Otto M. Schwarz Japan besucht und konnte einige Eindrücke der dortigen Blasorchesterszene mit nach Hause bringen. Zu seiner Reise nach Japan habe ich ihn für den Blasmusikblog.com befragt:
Otto, Du warst in Japan. Was hat Dich in das Land der aufgehenden Sonne geführt?
“Die Aufnahme eines meiner längeren Werke, „The Heart and the Crown“, in Nagoya mit dem Orchester der Universität war ein willkommener Anlass. Auch fand die japanische Premiere dieses großen Werkes in der bombastischen Halle in Nagoya statt.”
Erzähle uns etwas über das Orchester (Nagoya), seinen Dirigenten Masaichi Takeuchi und Jan Van der Roost und die Musikerinnen und Musiker.
“Besonders hervorzuheben ist die Disziplin dieses Orchesters. Technische Probleme, egal wie schwer das Stück ist, gibt es einfach nicht. Es sind ca. 60 Musiker im Einsatz wobei bei jedem Stück die Musiker rotieren. (d. h. es kommt eine andere Flöten Section etc.). Über Jan Van der Roost brauch ich nichts zu sagen, jeder kennt seine Kompetenz. Der japanische Dirigent war Masaichi Takeuchi, ein hervorragender Klarinettist und Dirigent, der auch die Einspielung meines Werkes dirigierte.”
Wie lief ein Aufnahmetag ab und welche Werke wurden eingespielt?
“Aufgenommen wurde etwa zwischen sechs und acht Stunden mit einigen Pausen. Die Werke sind Neuheiten aus dem Hal Leonard Pool. (Philip Sparke, Jan Hadermann, Kevin Houben …)”
Erzähle uns bitte etwas über Dein neues Werk „The Heart and the Crown“.
“Es ist ein Auftrag des Orchesters aus Ohe en Laak (NED) und wurde im Juni uraufgeführt. Das Werk ist zweisätzig und dauert ca. 18 Minuten.
Der Fluss Maas und der Ort Ohe en Laak in der niederländischen Provinz Limburg sind untrennbar miteinander verbunden. Jahrtausende mit Kriegen und anderen einschneidenden Ereignissen sind vergangen, Menschen kamen und gingen, es gab gute und schlechte Zeiten.
Von vielen Dingen kann uns die Maas Zeugnis geben – so auch von dieser wahren Geschichte:
Es war in den 1630er-Jahren, als Josina Walburgis von Wertheim-Leeuwenstein-Rochfort von ihrem Vater gezwungen wurde, in das Stift Thorn einzutreten. Als sie aber den Grafen Herman Frederik Hendrik van den Bergh kennen lernte, war es Liebe auf den ersten Blick, und die beiden heirateten heimlich. Die Braut sollte eigentlich Äbtissin des Hochadelsstifts werden, doch als herauskam, dass sie verheiratet war, holte sie der Vater zurück nach Rochfort und sperrte sie ein. Durch eine List gelang ihr vier Jahre später mit Hilfe ihres Gemahls Herman die Flucht. Als Liebesbeweis ließ dieser ihr eine Burg erbauen, wo beide im Sommer wohnten. Im Jahr 1669 verstarb der Graf und am Weihnachtsabend 1683 folgte ihm Josina. Das Grabmal kann man noch heute in Maastricht besuchen.”
Wie unterscheidet sich die japanische Blasorchesterkultur von der europäischen?
“Die Disziplin ist jedenfalls unschlagbar in Japan. Man kann stundenlang arbeiten und es ist in den Pausen immer still. Die japanischen Orchester sind in technischen Belangen hervorragend, die Europäer wieder in emotionalen.
Ich war aber noch zu kurz dort um eine genaue Analyse geben zu können. Auf jeden Fall hat jede Region seine Stärken und Schwächen.”
Gab es neben der Arbeit auch die Möglichkeit Land, Leute und die Blasmusikszene in Japan kennen zu lernen?
“Ich habe auch einige Sehenswürdigkeiten dieses Landes gesehen. Besonders begeistert war ich von der Freundlichkeit und der Demut der Menschen – der Sauberkeit der Städte und dem ausgezeichneten Essen. Einige wichtige Leute der Blasmusikszene hab ich getroffen, vielleicht wird mehr daraus. Mal sehen 😉
Beeindruckend sind auch die Schnellzüge und die Organisation des Verkehrs – da können wir in Europa noch viel lernen.”
Wo liegt Nagoya, was sind die besonderen Sehenswürdigkeiten und welche anderen Städte in Japan hast Du gesehen?
“Nagoya ist die viertgrößte Stadt Japans mit über 2 Millionen Einwohnern. Eine riesige Stadt von der Fläche her. Natürlich war ich auch in Tokio – es war aber durch die Aufnahme und das Konzert zu wenig Zeit noch mehr zu sehen.”
Welche musikalischen Eindrücke und Erlebnisse hast Du mit nach Hause genommen?
“Ich bin von diesem Land und den Menschen begeistert. Lernbereitschaft, Leistungsbereitschaft, Freundlichkeit etc. sind einfach überwältigend.
I´ll be back ;-)”
Das Nagoya Wind Orchestra ist das Hochschulblasorchester der Nagoya University of Arts’ School of Music, also der Musikhochschule von Nagoya. Es steht unter der Leitung von Masaichi Takeuchi. Dieser studierte zunächst selbst Klarinette an dieser Hochschule. Nach seinem Abschluß in Nagoya fügte er ein Masterstudiengang am Königlich Flämischen Konservatorium in Antwerpen an.
Jan Van der Roost war schon oft als Gastdirigent in Nagoya eingeladen und hat nun zusammen mit Masaichi Takeuchi das Orchester während der CD-Aufnahmen geleitet. Das Nagoya Wind Orchestra gehört neben dem Tokyo Kosei Wind Orchestra, der Osaka Municipal Symphonic Wind Band (also der Stadtkapelle von Osaka) und dem Shobi Wind Orchestra (ein weiteres Hochschulblasorchester) zu den besten Blasorchestern in Japan.
Die Fotos hat dem Blasmusikblog freundlicherweise Victoria Schwarz zur Verfügung gestellt, die ihren Vater auf seiner Reise nach Japan begleitet hat. Herzlichen Dank Vici, für die Fotos und ein herzliches Dankeschön an Otto für die Beantwortung meiner Fragen!