Querflöte: Über die Unterschiede zwischen gezogenen und gelöteten Tonlochkaminen
Miyazawa-Kriterien-Test Teil 2
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Am gleichen Tag, an dem wir die Unterschiede zwischen Miyazawa-Flöten mit C- und H-Fuß getestet und herausgearbeitet haben (siehe Blogbeitrag Über die Unterschiede zwischen C-und H-Fuß – Miyazawa-Kriterien-Test 1), haben wir auch Flöten mit gezogenen und mit aufgelöteten Tonlochkaminen im Vergleich getestet.
Nochmals zur Erinnerung: Christian Bach von Miyazawa Flutes Europe hat mich gebeten, einen Beitrag mit einem Test-Bericht über die Unterschiede von C- und H-Fuß zu schreiben und einen Test-Bericht zum Thema „gezogene vs. gelötete Tonlochkamine“. Eine große Unterstützung beim Testen war meine liebe Freundin Kirsten Lin, die mit ihrer Selbstverständlichkeit als Ingenieurin, die täglich im Qualitäts- und Reklamationsmanagement in einer großen Firma für technisch-medizinische Schläuche arbeitet, an die Sache herangegangen ist.
Für diesen zweiten Test hat uns Christian Bach zum einen die Silberkopf-Flöten PB-202 REH mit gezogenen Tonlochkaminen und die PB-203 REH mit gelöteten Tonlochkaminen, zum anderen die PB-402 REH – Silberrohr mit gezogenen Tonlochkaminen – und die PB-403 REH – Silberrohr mit aufgelöteten Tonlochkaminen – geschickt.
Was ist der Unterschied in der Produktion: Bei gezogenen Tonlochkaminen werden die Kamine aus dem Material des Rohrs maschinell rausgezogen. Das Material dafür wurde davor schon berücksichtigt (das Tonlocher wird im Durchmesser sehr viel kleiner ausgestanzt als letztendlich das Tonloch danach ist). Bei den gelöteten Tonlochkaminen werden die Kamine vorproduziert und dann auf das Rohr aufgelötet.
Wenn wir die Tonlochkamine genau anschauen, so sehen wir, dass die Kamine der gezogenen Variante nicht so hoch sind wie die aufgelöteten. Der Rand wird bei den gezogenen Kaminen oben rund gebördelt. Die aufgelöteten Kamine sind höher. Der Abschluß ist rund eingefräst, der runde Abschluss des Kamins erscheint schärfer als der runde gebördelte Rand. Insgesamt ist bei gelöteten Kaminen also mehr Material vorhanden, die Resonanzfläche des Instruments insgesamt wird vergrößert.
Gut sieht man das auf diesem Foto:
Das Mehr an Material bei den gelöteten Tonlochkaminen kann man beim Gewicht der Flöten genau erkennen. Die 202 REH wiegt 421g, die 203 REH wiegt 458g. Also 37g mehr Neusilber (bzw. Lot). Die 402 REH wiegt 469g, die 403 REH wiegt 482g. Hier sind es 13 g mehr Silber (bzw. Lot).
Was nun kommt, hat uns in großes Erstaunen versetzt.
Schauen wir uns zuerst die Silberkopf-Flöten an. Die Ansprache der 203 REH, also die Neusilber-Silberkopf-Flöte mit den gelöteten Tonlochkaminen, ist in der Ansprache viel besser: einfacher, direkter, klarer und präziser als die 202 REH mit den gezogenen Tonlöchern. Der Klang der 203 REH hat mehr Substanz – die 202 REH ist insgesamt heller im Klang. Es gibt auch einen Unterschied in der Flexibilität: Die 203 REH geht schneller los, allerdings ist der Unterschied nicht sehr ausgeprägt. Die 203 REH stimmt besser, die Intonation ist stabiler als bei der 202 REH.
Ausgeprägter ist dieses Phänomen allerdings noch bei der Silberrohr-Flöte. Während wir beim ersten Testbericht noch festgestellt haben, dass die 402 REH (Silberrohr mit H-Fuß, gezogenen Tonlochkamine) in der dritten Oktave klanglich und in der Ansprache nicht so gut ist wie die gleiche mit C-Fuß, so kann man das bei der 403 REH (Silberrohr mit H-Fuß, gelötete Tonlochkamine) überhaupt nicht feststellen. Die 403 REH ist stabil in allen drei Oktaven, der Ton wird nicht dünner. Sie hat sehr viel mehr Volumen als alle anderen Modelle. Sie spricht am allerbesten an. Schnelle Läufe, Technik ist sehr viel einfacher umzusetzen. Also, alle Nachteile, die der H-Fuß bei den Flöten mit gezogenen Tonlochkaminen hat, fallen bei den gelöteten Tonlochkaminen vor allem in der Silberrohr-Serie weg. Die Intonation ist bei den Flöten mit gelöteten Tonlochkaminen besser (im Blindversuch mit Stimmgerät getestet – Kirsten hat verschiedenen lange Töne gespielt, Alexandra hat mit Stimmgerät überprüft). Bei der 403 ist trotz H-Fuß die Ansprache sehr leicht und genau so einfach wie bei der 402 RE (mit C-Fuß). Die 403 REH ist sehr unangestrengt zu spielen und außerdem die Flöte, mit dem größten Dynamik-Umfang.
Kirsten und ich sind gleichermaßen immer auf der Suche nach einem warmen, vollen, runden Klang. Wir bevorzugen Flöten, bei denen die Ansprache leicht und direkt ist. Die Mechanik muss leichtgängig, aber kontrollierbar sein, um präzise spielen zu können. Die gespielte Lautstärke soll den Klang nicht verändern. Für unseren Geschmack waren generell die Neusilber-Flöten trotz Silberkopf zu hell. Aber wie schon geschrieben, das ist eine Geschmacksfrage. Ohne Frage waren alle sechs getesteten Modelle von Miyazawa (in den beiden Blog-Beiträgen) im Klang sehr schön.
Die Unterschiede im Volumen, Klang, in der Ansprache sind allerdings vorhanden wie in diesem und dem ersten Beitrag geschrieben. Vieles davon ist natürlich sehr subjektiv. Die Unterschiede, die wir festgestellt haben, sind oft minimal und es ist fraglich, ob man sie so wahrnehmen würde, wenn man kein Vergleichsinstrument hat oder nicht genau auf diese Kriterien schaut. Wir haben uns auch jedes Mal gefragt, was Gewohnheit und Übung jeweils ausmacht. Außerdem haben wir darüber philosophiert, ob man den Klang beispielsweise, den man als Spielerin wirklich will, nicht aus jeder Flöte herausholen kann.
Letztendlich denken wir, dass das richtige Instrument einen findet. Praktischerweise geben wir aber die Empfehlung, dass das Mehr, was gelötete Tonlochkamine an Klang, Stabilität, Reinheit und Volumen gibt, jeden Preis wert ist.
Ein herzliches Dankeschön an Christian Bach von Miyazawa Flutes Europe für die Möglichkeit, diesen Test durchzuführen. Es hat uns sehr viel Spaß gemacht, die Unterschiede zwischen Flöten mit gezogenen und gelöteten Tonlochkaminen herauszufinden. Tausend Dank an Kirsten Lin, die mich bei diesem Auftrag großartig unterstützt hat.