Solist aus den eigenen Reihen oder ein Profi?
Round-Up zum Thema „Solowerke für Blasorchester im Konzertprogramm“ – Teil 2
Lieber dem ambitionierten jungen Trompeter die Chance auf ein Solowerk geben oder die Oboistin des Philharmonischen Orchesters engagieren? Welche Gedanken die sechs Dirigent:innen Helmut Hubov, David Krause, Pietro Sarno, Christian Steinlein, Karin Wäfler und Lukas Weiss darüber haben lest Ihr in diesem zweiten Teil des Round-Ups zum Thema „Solowerke für Blasorchester im Konzertprogramm“.
Helmut Hubov
Helmut Hubov ist Musikdirektor in Stockach und leitet in dieser Funktion die Stadtmusik Stockach, die Musikschule in Stockach sowie mehrere dazugehörige Jugendensembles. In der Schweiz dirigiert er die Stadtharmonie Wintertuhr-Töss. Im Blasmusikverband Hegau-Bodensee ist er Verbandsdirigent.
„Beides finde ich sehr gut. Aber je schwieriger das Solowerk ist, um so weniger hat man diese Solisten in den eigenen Reihen.
Es sei denn, man arbeitet mit professionellen bzw. sehr guten Auswahlorchestern.
Ein guter Orchestermusiker ist aber nicht immer ein guter Solist und umgekehrt. Haben wir MUT und probieren es aus. Was gefällt ist auch erlaubt :-)“
David Krause
David Krause ist Dirigent des Städtischen Blasorchester Tuttlingen und beim Blasorchester der Stadt Singen. Er unterrichtet Trompete bei in einer Musikschule und bei mehreren Vereinen. Im Blasmusikverband Hegau-Bodensee ist er Verbandsjugendleiter. Außerdem ist er Dozent an der BDB-Musikakademie.
„Ein professioneller Musiker kann einem Konzert seinen Stempel aufdrücken und für das Orchester wie das Publikum einen Höhepunkt im Konzert, ja im ganzen Vereinsjahr darstellen. Zudem sehe ich die Möglichkeit so ein Solo-Konzert dann mit einem Instrumentalworkshop zu verbinden, wovon das entsprechende Register im Orchester erheblich profitieren kann. Außerdem ist das Engagement eines professionellen Solisten auch eine gute Möglichkeit beispielsweise einen Lehrer der Musikschule oder eines professionellen Orchesters aus der Nähe in den Fokus zu rücken und die Zusammenarbeit zu verstärken.
Ein professioneller Solist kostet natürlich – das muss der Verein berücksichtigen. Im Idealfall sollten nicht alle Einnahmen eines Konzerts für den Solisten draufgehen; aber hier findet man sicher individuelle Lösungen zur Finanzierung. Aus meiner Sicht tun die Vereine leider oft viel zu wenig für die Vernetzung mit dem professionellen Bereich – dabei kann ein Orchester davon doch nur profitieren.
Ein Höhepunkt des Konzerts kann aber auch mit einem Musiker aus den eigenen Reihen gesetzt werden. Dadurch kann man besonders Talentierte und Ambitionierte gezielt fördern. Wichtig und zugleich schwierig finde ich dabei eine realistische Einschätzung der technischen und musikalischen Fähigkeiten des Musikers – denn diese müssen auch abgerufen werden können, wenn er / sie solistisch vor dem Orchester steht – und da besteht ein erheblicher Unterschied zwischen einer Solo-Passage in einem Stück und dem Solo-Part in einem Solo-Werk. Soll heißen: Das Stück sollte nicht zu schwer sein – sonst kann sich die Motivation schnell in Frust verwandeln. Außerdem kann es zu Spannungen im Register führen, wenn man einen Musiker ins Rampenlicht stellt und die Musikkollegen nicht. Das kann ein Problem sein – ist es zum Glück in den meisten Registern und Orchestern nicht.“
Pietro Sarno
Pietro Sarno ist Stadtmusikdirektor in Friedrichshafen und leitet in dieser Eigenschaft das Stadtorchester Friedrichshafen. Er ist außerdem Dirigent der Audi Bläserphilharmonie, der Bläserphilharmonie Ostwestfalen-Lippe, musikalischer Leiter des sinfonischen Blasorchesters der Hochschule für Musik Detmold sowie des sinfonischen Blasorchesters „Windphonics“ aus Rottweil.
„Die Vorteile, eine/n Musiker:in aus den eigenen Reihen zu wählen, habe ich bereits in Frage 1 (Teil 1) beantwortet. Bei der Auswahl eines eigenen Solisten ist es allerdings stets wichtig, im Vorfeld sehr oft und detailliert mit dem Kandidaten zu sprechen, denn es ist sehr wichtig, dass der Solist sich in der Situation wohlfühlt. Ich habe schon in den Gesprächen sehr oft gemerkt, dass sehr gute MusikerInnen nicht immer SolistInnen sein möchten. Manche haben z.B. in Vorspielsituationen schlechte Erfahrungen gemacht oder fühlen sich schlichtweg in einer Gruppe wesentlich wohler als im Rampenlicht. Hier muss man als Dirigent sehr sensibel reagieren und motivieren, damit keine zu hohe Drucksituation für den Solisten entsteht.
Ich persönlich finde die Wahl eines professionellen Musikers oder auch sogar eines sehr bekannten Solisten immer sehr spannend und wertvoll. Wir Dirigenten sollten allerdings dabei nie die Rolle des Orchesters aus den Augen lassen. Ich stelle mir immer die Frage: profitiert mein Orchester von dem Solisten? Das Orchester sollte im besten Fall von dem Solisten lernen, von seinen musikalischen Fähigkeiten fasziniert werden und von den Proben und guten Gesprächen danach auch den Menschen kennenlernen können. Es sollte nicht nur im Vordergrund stehen, einen Solisten mit herausragenden Fähigkeiten musikalisch zu präsentieren.“
Christian Steinlein
Christian Steinlein dirigiert die Schwarzwaldkapelle Münstertal. Er ist Verbandsdirigent im Blasmusikverband Hochrhrein und leitet das dem Verband zugehörige Sinfonische Blasorchester Hochrhein. Er ist außerdem Leiter der Nordbayerischen Bläserakademie und unterrichtet an der Musikschule Südschwarzwald.
„Professionelle:r Musiker:in:
Für einen Profi spricht mit Sicherheit die musikalische, künstlerische und technische Qualität:
Es werden in der Regel hochwertige Vorträge zu Stande kommen, evtl. auch durch Literatur, die mit eigenen Musiker:innen nicht umsetzbar wäre.
Auch der Vorbildcharakter für die Orchestermitglieder spielt eine wichtige Rolle: Sie hören und erleben eventuell technisch und musikalisch Dinge, von denen sie gar nicht wussten, dass sie überhaupt möglich sind und erfahren so eine Horizonterweiterung.
Der Verein hätte einen weiteren Mehrwert, wenn der Profi im Vorfeld des Konzertes z. B. auch Workshops für die Musiker:innen gibt.
Vielerorts ist man skeptisch gegenüber externen Solisten. Die eigenen Spieler:innen könnten die Sorge haben, „vorgeführt“ zu werden, der persönliche Stolz könnte verletzt sein, wenn man jemanden von außen vor die Nase gestellt bekommt, der Dirigent / die Dirigentin könnte Sorge haben, neben dem Gast in seiner/ ihrer Kompetenz in Frage gestellt zu werden, etc.
Wenn aber folgende Bedingungen erfüllt sind, kann man sicherlich viele Vorbehalte abbauen und das Solowerk wird zum Erlebnis für alle:
- Abwechslung bei den Solisten: Für ein Konzert engagiert man beispielsweise einen Profi, bei einem anderen setzt man ein Talent aus dem eigenen Orchester ein.
- Sinnvolle Literaturauswahl: Die Werke sollten gefallen und beeindruckend sein. Gleichzeitig sollten die Musiker:innen nicht das Gefühl haben, den Solopart selbst ohne Probleme bewältigen zu können, denn sonst bräuchte man ja nicht den Profi.
- Gute Kommunikation durch den Dirigenten / die Dirigentin, so dass niemand das Gefühl bekommt, vorgeführt zu werden.
- Auswahl sozial verträglicher Profis, die auf das Orchester und das Publikum sympathisch wirken.
Musiker:in aus eigenen Reihen:
Wenn man an bestimmten Instrumentengruppen starke Spieler:innen hat, warum sollte man das nicht nutzen? Der solistische Einsatz eigener Musiker:innen ist ein sinnvolles Mittel, um diese zu motivieren und zu fördern. Für andere könnte es wiederum Ansporn sein, sich mit dem eigenen Instrument intensiver auseinanderzusetzen. Der Registerkollege ist vielleicht musikalisch noch erreichbar, der Profi aber schon zu weit weg. Ob die Rechnung mit der Motivation allerdings wirklich aufgeht, hängt natürlich nicht nur mit dem Niveau des Musikers / der Musikerin zusammen, sondern zusätzlich mit der Persönlichkeit. Manch ein Talent wird man mit dem „Rampenlicht“ vielleicht auch verschrecken.“
Karin Wäfler
Karin Wäfler dirigiert in der Schweiz die Musikgesellschaften St. Urban und Suhr sowie die Feldmusik Triengen. Außerdem ist sie als zertifizierte Jurorin bei verschiedenen Wertungsspielen tätig.
„Eine:n Solisten:in aus den eigenen Reihen zu präsentieren ist ein besonderes Erlebnis. Dies kann auch Ansporn für einige Musiker:innen sein, in Zukunft selber ein Solo aufführen zu dürfen. Der:die Solist:in sollte aber mit Bedacht ausgewählt werden. Dazu kommt, dass er:sie ebenfalls einverstanden sein muss und die nötige Kapazität mitbringt, das Werk einzustudieren.
Eine:n professionelle:n Musiker:in für das Solowerk zu engagieren halte ich für alle Beteiligten als sehr inspirierend und bereichernd. Eine ganz spezielle Auswirkung hat dies auf das Orchester, wenn sich der:die Solist:in soweit als möglich auch ins Orchesterleben integrieren kann und sich Gastsolist:in und Musiker:innen persönlich kennenlernen. So kann auch der eine oder andere Tipp oder Trick weitergegeben werden. Selbstverständlich gewinnt das Konzert auch für’s Publikum an Attraktivität, wenn es sich um einen renommierte:n Gastsolisten:in handelt.“
Lukas Weiss
Lukas Weiss ist Stadtkapellmeister in Günzburg und dirigiert den Musikverein 1816 Krumbach. Er unterrichtet an der Städtischen Musikschule Günzburg und an der Musikschule Nersingen.
„Die Kurzfassung: Am besten einen professionellen Musiker aus den eigenen Reihen.
Das ist natürlich die Ausnahme, bringt es aber aus meiner Sicht auch auf den Punkt, da es die Vorteile beider Seiten vereint: Die Klasse, die ein Solist haben sollte und die Verbindung zum Orchester.
Ein professioneller und vielleicht bekannter Solist ist auch eine Kostenfrage, kann aber auch für mehr Interesse und Zuhörer sorgen.
Eventuell kann man es auch mit einem Workshop im Vorfeld – für das Register des Solisten – verbinden. So profitiert man noch mehr davon.“
Die drei Beiträge zum Thema Solowerke:
Teil 1: Aufnahme eines Solowerks im Konzertprogramm!?
Teil 2: Solist aus den eigenen Reihen oder ein Profi?
Teil 3: Favorisierte Solowerke für Blasorchester