Aufnahme eines Solowerks im Konzertprogramm!?

Round-Up zum Thema „Solowerke für Blasorchester im Konzertprogramm“ – Teil 1

Was spricht für die Aufnahme eines Solowerks im Konzertprogramm? Solist:in aus den eigenen Reihen oder Profi? Und welches sind überhaupt richtig tolle Solowerke für Blasorchester? Diese drei Fragen habe ich letztens 6 erfahrenen Dirigent:innen gestellt. Ihre Antworten in insgesamt drei Blasmusikblog-Beiträgen:

Teil 1: Aufnahme eines Solowerks im Konzertprogramm!?
Teil 2: Solist aus den eigenen Reihen oder ein Profi?
Teil 3: Favorisierte Solowerke für Blasorchester

Sehr herzlichen Dank an die Dirigent:innen Helmut Hubov, David Krause, Pietro Sarno, Christian Steinlein, Karin Wäfler und Lukas Weiss für ihre Mitarbeit!

Helmut Hubov

Helmut Hubov
Helmut Hubov

Helmut Hubov ist Musikdirektor in Stockach und leitet in dieser Funktion die Stadtmusik Stockach, die Musikschule in Stockach sowie mehrere dazugehörige Jugendensembles. In der Schweiz dirigiert er die Stadtharmonie Wintertuhr-Töss. Im Blasmusikverband Hegau-Bodensee ist er Verbandsdirigent.

„Man kann durch einen tollen Solisten sicherlich nochmals ein Highlight setzen bzw. musikalische Abwechslung ins Konzert bringen. Für die Musiker:innen ist es ein spannendes Erlebnis mit einer Solist:in – aus vielleicht ganz anderen Musikinstrumenten-Bereichen – ein Konzert zu gestalten.
Freude und Spaß, Abwechslung und Neues kennenlernen, das macht die Arbeit mit und für ein Orchester aus.
Dagegen spricht meiner Meinung nichts.“

David Krause

David Krause
David Krause

David Krause ist Dirigent des Städtischen Blasorchester Tuttlingen und beim Blasorchester der Stadt Singen. Er unterrichtet Trompete bei in einer Musikschule und bei mehreren Vereinen. Im Blasmusikverband Hegau-Bodensee ist er Verbandsjugendleiter. Außerdem ist er Dozent an der BDB-Musikakademie.

„Ein Solo-Werk kann ein Konzertprogramm ungemein bereichern – es bringt Abwechslung und kann für die Musiker wie auch das Publikum ein echter Höhepunkt des Konzerts sein. Dabei ist es mir persönlich sehr wichtig, dass ein Solo-Werk nicht im Sinne von „höher, schneller, weiter“ vom Solisten alles abverlangt und das Orchester darf ein bisschen im Hintergrund mitspielen – der musikalische Anspruch muss (auch für das Orchester) gegeben sein und im Idealfall bilden Solist und Orchester eine Einheit… das bedeutet, es gibt im Werk Stellen, an denen der Solist über dem Orchester brilliert, aber auch viele Passagen, an denen er sich ins Orchester einfügt. Für mich spricht eigentlich nichts dagegen ein Solowerk ins Konzertprogramm zu nehmen. Die Rahmenbedingungen müssen halt passen: Das Stück muss ins restliche Programm passen; wird ein professioneller Solist engagiert (siehe Beitrag 2.) müssen die Finanzen stimmen, usw.“

Pietro Sarno

Pietro Sarno
Pietro Sarno

Pietro Sarno ist Stadtmusikdirektor in Friedrichshafen und leitet in dieser Eigenschaft das Stadtorchester Friedrichshafen. Er ist außerdem Dirigent der Audi Bläserphilharmonie, der Bläserphilharmonie Ostwestfalen-Lippe, musikalischer Leiter des sinfonischen Blasorchesters der Hochschule für Musik Detmold sowie des sinfonischen Blasorchesters „Windphonics“ aus Rottweil.

„Auch, wenn es vielleicht eine mögliche Antwort auf die zweite Frage vorwegnimmt, ist ein wichtiger Grund die Präsentation einer/s Musiker:in, die/der sich durch eine hohe musikalische Qualität ausgezeichnet hat und sich eines Solowerks „verdient gemacht“ hat. Es bietet die Möglichkeit, eigene Musiker:innen mit herausragenden Leistungen zu präsentieren und dies ist im Idealfall natürlich ein enormer Motivationsschub. Meine Erfahrungen in der Hinsicht sind durchweg positiv, denn nicht nur der oder die Solist:in profitiert davon, sondern auch das Orchester strebt danach, den Solisten in das perfekte Licht zu rücken, also ihn musikalisch zu begleiten. Ein starkes, neues Gruppengefüge entsteht dadurch! 

Einen weiteren großen Vorteil sehe ich darin, dass alle Orchestermusiker:innen in der Art der musikalischen Begleitung lernen. Meine Erfahrung ist, dass die Musiker:innen immer besonders gut aufeinander hören und deshalb sensibler und feinfühliger spielen als bei normalen Orchesterwerken. Kommt man vielleicht in den Genuss, das Werk in unterschiedlichen Konzertsälen aufzuführen, wird dies meistens noch durch die akustischen Veränderungen verstärkt und das empfinde ich immer als sehr positiv.
Wir alle sind heutzutage die zu 100% perfekten Aufnahmen und Einspielungen der besten Musiker:innen der Welt gewohnt. Es ist nur ein Klick entfernt und wir können uns alles in der perfekten Klangqualität anhören. Die Realität in den Sälen sieht aber oft anders aus. Bei den Einspielungen sind die Solisten oft „räumlich nach vorn geholt“. Es klingt also so, als würde der Solist in einem Saal viele Meter vor dem Orchester stehen und die Balance wird somit besser. Im Konzert ist das natürlich nicht möglich und deswegen muss man sehr sensibel sein und man sollte sich als Dirigent auch nicht scheuen, große Retuschen in der Partitur vorzunehmen, stets in dem Bewusstsein, die Idee des Komponisten nicht zu verändern und mit dem Wissen, dass ein Live-Auftritt nie einer perfekten Einspielung entspricht!“

Christian Steinlein

Christian Steinlein
Christian Steinlein

Christian Steinlein dirigiert die Schwarzwaldkapelle Münstertal. Er ist Verbandsdirigent im Blasmusikverband Hochrhein und leitet das dem Verband zugehörige Sinfonische Blasorchester Hochrhein. Er ist außerdem Leiter der Nordbayerischen Bläserakademie und unterrichtet an der Musikschule Südschwarzwald.

„Das Begleiten eines Solisten / einer Solistin erfordert von einem Orchester ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, dynamischer Disziplin und auch Flexibilität im Tempo. Dies wird sich allgemein positiv auf die Qualität eines Ensembles auswirken.

Für den Dirigenten / die Dirigentin stellt es außerdem eine spannende Herausforderung dar: Nachdem man sonst alle Zügel in der Hand hat, muss man sich hier auch mal zurücknehmen und anpassen können und die Initiative dem Solisten überlassen (z.B. bei Tempo und Agogik). Durch das Erleben des Wechsels von Aktivität und Passivität, von Aktion und Reaktion, steigert sich die Sensibilität im Umgang mit dem Orchester auch bei Nicht-Solowerken: Wann kann ich mal los- und dem Orchester freie Hand lassen? Wann störe ich vielleicht sogar? Wann muss ich deutlich ins Geschehen eingreifen? Etc.

Vom Publikum fordert ein Solo ein ganz anderes „Hinhören“ und eine andere Aufmerksamkeit, was letztlich Monotonie im Konzert vermeidet und damit das Hörerlebnis steigert.

Das sind nur ein paar der Gründe, die aus meiner Sicht für die Aufnahme eines Solowerks in ein Programm sprechen.“

Karin Wäfler

Karin Wäfler
Karin Wäfler

Karin Wäfler dirigiert in der Schweiz die Musikgesellschaften St. Urban und Suhr sowie die Feldmusik Triengen. Außerdem ist sie als zertifizierte Jurorin bei verschiedenen Wertungsspielen tätig.

„Grundsätzlich spricht in meinen Augen nichts dagegen, ein Solowerk in ein Konzertprogramm aufzunehmen. Dies stellt für’s Publikum wie auch die Musiker eine Abwechslung und Bereicherung dar. Es sind allerdings einige Punkte zu beachten: Findet sich im Orchester ein:e geeignete Solist:in? Möchte die Person das Solo auch spielen? Fühlt sie sich dabei wohl und verfügt sie über die nötigen Fähigkeiten? Ist die Person gefordert, aber nicht überfordert? Entsprechend soll die Wahl des Werks zusammen mit dem:r Solisten:in gewählt werden.“

Lukas Weiss

Lukas Weiss
Lukas Weiss

Lukas Weiss ist Stadtkapellmeister in Günzburg und dirigiert den Musikverein 1816 Krumbach.  Er unterrichtet an der Städtischen Musikschule Günzburg und an der Musikschule Nersingen.

„Es ist eine gute Möglichkeit zum Beispiel einen hervorragenden Musiker aus den eigenen Reihen zu präsentieren oder speziell bei Jugendkapellen junge Nachwuchstalente zu fördern und fordern.

Für das Orchester ist es meistens eine ungewohnte Herausforderung einen Solisten zu begleiten, was dann durchaus auch einen Lerneffekt mit sich bringen kann, der das Orchester schult.

Grundsätzlich sollte man aus meiner Sicht darauf achten, dass es den richtigen Platz im Konzertprogramm bekommt und zum Konzertrahmen passt.

Dagegen spricht aus meiner Sicht nicht viel, ich persönlich würde nur nicht jedes Jahr ein großes Solowerk einbauen.“

Die drei Beiträge zum Thema Solowerke:

Teil 1: Aufnahme eines Solowerks im Konzertprogramm!?
Teil 2: Solist aus den eigenen Reihen oder ein Profi?
Teil 3: Favorisierte Solowerke für Blasorchester

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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