Talkrunde “Quo vadis Musikverein?” beim IBK 2020

Ergebnisse der Talkrunde beim 2. Internationalen Blasmusik Kongress in Neu-Ulm 2020, Samstag, 18.01.2020, 09:00 – 10:30 Studio München

Moderation & Zusammenfassung: Prof. Ernst Oestreicher

Prof. Ernst Oestreicher, Moderator
Prof. Ernst Oestreicher, Moderator

Im Rahmen des 2. Internationalen Blasmusik Kongresses in Neu-Ulm vom 16. bis 19. Januar 2020 diskutierten in einer Talkrunde Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Frage: „Quo vadis Musikverein“  – Wohin geht die Reise der Musikvereine?

Die allgemeine gesellschaftliche Unverbindlichkeit, der demographische Wandel, die Mobilität im beruflichen Umfeld und im Studium sowie die wachsende Individualisierung der Gesellschaft belasten die örtlichen Musikvereine. Es lösen sich Musikvereine auf, andere haben Probleme, eine ausgewogene Besetzung zu finden.

Moderator Prof. Ernst Oestreicher hatte zu diesem Zweck Vertreter aus den Bereichen Verbandsführung, Dirigenten, Vorstände und Musiker eingeladen, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu diskutieren und Lösungsansätze zu finden:

Christoph Karle, geschäftsführender Präsident des BDB – Bund Deutscher Blasmusikverbände, Leiter der Akademie in Staufen

Ralf Eckert, Blasmusikverband Hochrhein, Vizepräsident

Christian Steinlein, Dirigent Schwarzwaldkapelle Münstertal und SBO Hochrhein

Achim Denner, aktiver Musiker mit Vorstandserfahrung

Marcus Keller, Dirigent der Musikkapelle Lyra Echlishausen-Bühl, Hornist bei der Stadtkapelle Günzburg und Vorstandsmitglied ASM Bezirk 12

Peter Tausend, Vorstandsvorsitzender Musikverein Konzenberg, Vorstandsmitglied ASM Bezirk 12

Marcus Keller, Peter Tausend & Ralf Eckert
Marcus Keller, Peter Tausend & Ralf Eckert

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Talkrunde erarbeiteten zusammen einige Lösungsansätze, um Musikvereine attraktiv zu gestalten.

1. Der Musikverein braucht eine professionelle und regelmäßige Nachwuchsarbeit. Gegebenenfalls müssen sich mehrere Vereine in der Ausbildung zusammentun, um professionelle Ausbilder und Lehrkräfte zu rekrutieren. Die Zusammenarbeit zwischen Musikverein und Musikschule ist da zu intensivieren, wo dies möglich ist.

2. Der Musikverein muss seine Funktion und Aufgaben definieren:

      – innerhalb seiner Ensemble- und Musikerstruktur

      – innerhalb seiner Gemeinde oder seines Stadtteils

3. Das Produkt “Musik” ist die zentrale Botschaft eines Musikvereins, nicht die Vereinsstruktur. Sie ist an den aktiven Musizierenden auszurichten. Kinder brauchen im Rahmen ihrer musikalischen Ausbildung Anreize, die das Musizieren in der Gruppe attraktiv machen. Schon die Jüngsten werden durch öffentliche Auftritte und „Events“ motiviert und bleiben bei der Stange.

4. Die Bindung an den Musikverein im jungen Erwachsenenalter, in der Zeit der Familienplanung oder auch in der nachberuflichen Lebensphase bedarf der ständigen Überprüfung und Gestaltung.

In den kleineren Gemeinden sollten möglichst alle Vereine miteinander und nicht gegeneinander operieren.

Musikerinnen und Musiker, die wegen Studium und/oder Beruf nicht mehr regelmäßig im Heimatverein aktiv sein können, haben oft das Bedürfnis, dennoch die Bindung zum Verein aufrechtzuerhalten. Dies erfordert eine Flexibilität in der Probenarbeit bzw. bei der Gestaltung der Besetzung.

Ihnen auch in ihrer neuen Umgebung Möglichkeiten des Musizierens zu geben, verhindert häufig das völlige Aufgeben des aktiven Musizieren. Hier könnten auch die Verbände unterstützend eingreifen.

5. Im Anschluss an eine solide Grundausbildung am Instrument, die zum autonomen Musizieren führt, wünschen sich Musikerinnen und Musiker häufig eine thematische Vielfalt in der Repertoiregestaltung.

Neben der Symphonischen Blasmusik bietet der Musikverein spezialisierte Ensembles für Traditionelle Blasmusik, BigBand, Kammermusik, BrassBand oder ähnliches.

Die guten und hochmotivierten Musiker*innen wollen alles spielen, aber auf einem hohen Niveau.

Die Verbände könnten die Entsendungskultur pflegen d.h. die Unterstützung der Musiker*innen, neue Vereine und Möglichkeiten zu finden.

Aufmerksame Zuhörer Quo Vadis
Aufmerksame Zuhörer Quo Vadis

6. Die Öffentlichkeitsarbeit in den Vereinen und Verbänden gehört zu einer der wichtigsten Aufgaben heute. Der Musikverein muss immer und überall in seinem Umfeld präsent sein, nicht nur einmal im Jahr bei seinem Jahreskonzert.

Die Werbung für den Musikverein ist eine wichtige Aufgabe innerhalb der Vereinsstruktur.

Das Produkt “Musik” muss öffentlich wahrgenommen werden, damit es attraktiv bleibt.

7. Musik ist in einem Musikverein der Vereinszweck und die Hauptaufgabe. Ohne Musik wäre ein Musikverein ein Irrtum!

Dies gilt im Übrigen auch für die Verbände. Wenn es mehr um Strukturen und Ehrungsordnung als um die Pflege der Musik geht, dann hat der Verband seine Zielsetzung nicht erfüllt.

Dennoch gehören Musik und Verein zusammen. Wir haben in vielen Musikvereinen Musiker, bei denen die Musikqualität und das musikalische Niveau nicht unbedingt an erster Stelle stehen. Dennoch sind diese Musiker in vielen Fällen für eine funktionierende Vereinsstruktur und -kultur unersetzlich. Wir brauchen den Musiker, der die erste Trompete spielt genauso, wie denjenigen, der zum Vereinsfest den Strom verlegen kann.

Gerade für Jugendliche ist die soziale Komponente, die ein Musikverein bietet, ein wichtiger Kontrapunkt zur digitalen Welt. Nicht nur einseitige musikalische Professionalität, sondern nachhaltige Vereinskultur als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung!

Christoph Karle Ernst Oestreicher Stephan Ametsbichler
Christoph Karle, Ernst Oestreicher und Stephan Ametsbichler

8. Die Professionalisierung der Ausbildung und Orchestererziehung sind die zentralen Anliegen, um als Musikverein auch in der Zukunft zu überleben. Die Qualität des Musizierens hat dabei in vielen Fällen eine übergeordnete Bedeutung. Eltern und auch aktive Musikerinnen und Musiker erwarten heute, dass ein Musikverein gute Arbeit leistet und Qualität bietet:

Die Auswahl der Ausbilder und der Dirigentinnen und Dirigenten, das  Repertoire, außermusikalische Ergänzungsprogramme und eine ständige Präsenz in der Öffentlichkeit sind Garanten, damit gute Vereinsarbeit gelingt.

9. Der Musikverein der Zukunft bietet:

  • soziale Heimat für die Mitglieder – aktiv und passiv,
  • Verantwortungsvolle musikalische Grundausbildung und Bindung an den Verein durch professionell geführte Ensemble und gute außermusikalische Veranstaltungen.
  • Bindung der Öffentlichkeit an den Verein durch gute Präsentation nach außen und Nutzen der verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten einschließlich der digitalen Medien.
  • Jugendgemäße Vereinsarbeit, die attraktiv ist und jeden Einzelnen im Team einbindet.
  • Ständige Überprüfung der Vereinbarkeit von Vereinsleben und gesellschaftlichen Veränderungen.

Ein herzliches Dankeschön an die Talkrunde und an Prof. Ernst Oestreicher für die Moderation und die zur Verfügungstellung der Ergebnisse für den Blasmusikblog.com.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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