Donnerstag, November 21, 2024
SinfonischWerke

Blasorchesterrepertoire: Die Welt ist grün und blau…

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Vor einiger Zeit bin ich auf der Autobahn in Richtung Süden gefahren. Über mir ein strahlend blauer Himmel. Links und rechts grüne Hecken, Bäume und Gras. Ein Gedanke schlich sich in meinen Kopf: „Die Welt ist grün und blau.“ Angekommen im Tessin verfestigte sich dieser Gedanke: der Luganer See – der Ceresio – leuchtete in Grün- und Türkis-Tönen, rundum grüne Hügel und darüber ein wolkenloser, blauer Himmel.

Über den Dächern von Morcote
Über den Dächern von Morcote

Spätestens da entschloss ich mich einen Beitrag über Blasorchesterwerke zu schreiben, die im weitesten Sinne blau und grün in allen Schattierungen sind. Logisch, dass das erste Werk in so einem Beitrag mit dem Luganer See zu tun haben muss: Ceresio von Franco Cesarini.

https://www.youtube.com/watch?v=KHhlqbI2XCk

Ceresio reiht sich übrigens in eine ganze Serie von Märschen ein, die Franco Cesarini über und für seine Heimat geschrieben hat: Piotta, Balerna, Lugano, und Terra Ticinese für das Tessin. MGB March (Matterhorn-Gotthard-Bahn), Genève und The Brigadier für die restliche Schweiz. Doch zurück vom kleinen Ausflug in die Schweiz zum eigentlichen Thema dieses Beitrags: Blasorchesterwerke in Grün und Blau!

Die amerikanische Malerin Georgia O’Keeffe (*1887 in Sun Prairie, Dane County, Wisconsin, †1986 in Santa Fe, New Mexico) schuf zwischen 1919 und 1921 mehrere Gemälde mit dem Gedanken, „dass Musik in etwas für das Auge umgewandelt werden könnte“. Ein Werk dieser Serie: Blue and Green Music. Sie wählte eine Palette von Blau- und Grüntönen, die in Farbton und Intensität variieren, um die Variationen von Musiktönen nachzubilden und sie in den Bereich des Visuellen zu übertragen. Samuel R. Hazo dachte, als er von einer Schule im Geburtsort der Künstlerin einen Auftrag für ein Blasorchesterwerk erhielt, das Ganze geht auch andersrum. Er nahm das Bild Blue and Green Music von Georgia O’Keeffe und übersetzte es in klingende Töne. Heraus kam das wunderbare Werk Blue and Green Music, das für mich eine echte, wunderbare Entdeckung war:

Wenden wir uns der Farbe Grün zu. Allzu politisch möchte ich hier nicht werden. Aber die Farbe Grün ist die Farbe des Natur- und Umweltschutzes. Und dazu fällt mir neben der Partei Die Grünen natürlich Greenpeace ein. Die Rainbow Warrior war ein Flaggschiff der Greenpeace-Flotte. Über die Mission der Rainbow Warrior, die im Jahr 1985 durch Agenten des französischen Auslandsgeheimdienstes vor Auckland versenkt wurde, schrieb Kees Vlak ein Blasorchesterwerk. In der Partitur ist zu lesen: „Rainbow Warrior schildert in einer Komposition aus Bildern die unzähligen Kämpfe des Greenpeace-Boots, einer Umweltorganisation. Die Rainbow Warrior macht sich auf den Weg in den Arktischen Ozean, um einen Walfänger zu suchen, der sich an seine Beute heranpirscht, die als gefährdete Art auf der Liste steht und daher geschützt ist. Die See ist rau. Die Wale werden unerbittlich harpuniert, als die Rainbow Warrior sich in die Aktionen der Walfänger einmischt und ein sofortiges Ende der Jagd fordert. Eine eisige Stille senkt sich über die Szene, ein kurzer Moment des Aufatmens, bevor die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden.
Dann wurde das Harpunieren fortgesetzt. Die Greenpeace-Mitglieder machen sich mit ihren Schlauchbooten auf den Weg und umrunden in aller Eile das Boot der “Jäger”.
Die Jäger richten ihre Harpunen auf die Walverteidiger. Doch die Walfänger filmten die Szene mit einer Videokamera. Da sie nicht den Mut haben, die Mitglieder der Organisation zu erschießen, beschließen die Walfänger, sich zu trennen und zu gehen.
Und alles ist wieder ruhig. Ruhige Wellen plätschern auf dem Meer. In der Melodie des Glücks schwimmen die Wale den Gewässern der Freiheit entgegen. Lieder des Dankes, Strahlen der Freude erheben sich über den Himmel. Die Mission ist für die Rainbow Warrior erfüllt und macht sich auf dem Weg zum Heimathafen.“

https://www.youtube.com/watch?v=HJZuWD2gkHk

Die Farbe Grün habe ich in den Werken von Thomas Doss gleich drei Mal gefunden: Symphony in Green, Green Hills Fantasy und Legends of Gold in Green.

Die Symphony in Green ist die zweite Sinfonie von Thomas Doss. Gewidmet ist das Werk dem Sinfonischen Blasorchester SBO Ried mit ihrem Dirigenten Karl Geroldinger. Uraufgeführt wurde es bei der Landesgartenschau 2011 in Oberösterreich. Und zu diesem Anlass hat Thomas Doss es auch komponiert. Doch Grün ist für Thomas Doss nicht nur die Natur, sondern steht auch als Farbe des Lebens und der Hoffnung. In der Partitur ist über die einzelnen Sätze folgender Text von Thomas Doss zu lesen:

What Nature Tells Us… steht am Beginn dieses Werkes. Es geht um das Hieneinhören und das wieder “Er-hören”, was wir vergessen haben und erst wieder lernen müssen. Dies setzt ein Bewusstsein dafür voraus, dass wir alle aus demselben Stoff wie Tiere, Erde und Pflanzen sind. Es scheint, als verspotte uns die Natur ob unserer Ignoranz ihr gegenüber. Sind wir ja nur ein Teil der Schöpfung, der aus Sicht der Natur entbehrlich scheint.

In den Scenes of the Night geschehen die Dinge, die wir “Tagwesen” normalerweise nicht sehen können, die daher auch einen gewissen Zauber ausüben. Feen und Geister spuken im Nebel herum – zumindest stellen wir uns solche Szenen in unserer Fantasie vor, um unsere Angst zu vertreiben, denn die Nacht zeigt uns auch schonungslos auf, wie ausgeliefert der Mensch als Individuum ist. Kein Vorgang in der Natur lässt sich von unserer Existenz beeindrucken, ob auf diesem Planeten oder anderswo. Ein Blick ins Weltall hinaus und wir erahnen, dass alles im Kosmos auch vor und nach unserer Existenz unbeeinflusst, objektiv und scheinbar grausam seinen Lauf nimmt.
Es ist die Realität – alles passiert wie es passiert und es gibt kein Gut oder Böse. Die Natur funktioniert nach ihren eigenen Gesetzen.

Of Belief and Doubt Die Furcht lässt die Menschen in allen Kulturen auf etwas zurückgreifen, was ihnen eine Scheinsicherheit gibt – Religion und Glaube. In seiner Verzweiflung ruft der Mensch etwas scheinbar Existierendes, Höheres und erklärt seine Vergänglichkeit, in dem er sich selbst die Antwort gibt, die in fast allen Religionen zu finden ist: die Wiedergeburt. Wir werden nie erfahren, ob wir Geschöpfe eines Gottes sind oder nicht. Wir können es nur glauben oder nicht glauben.

Of Being a Child ist ein kurzer Moment des Glückes im Chaos des Lebens, wenn wir zurückblicken oder uns kindliche Gedanken ins Jetzt holen, um uns darin zu verstecken. Das ist das innere Kind, das wir aber viel zu selten zulassen und vielmehr unterdrücken, weil uns die einfachen Antworten Angst machen oder es gar keine Antworten gibt.

In Break of Dawn ist das Entstehen und die Hoffnung auf etwas neues zu spüren. Es ist der Zyklus des Tages mit seinen ersten Sonnenstrahlen, die uns durch das Licht immer wieder Schutz und Zuversicht vermittelt. Es ist aber auch unser Instinkt, der uns zum Licht führt – sei es im irdischen Sinn des Überlebens auf der Erde oder im religiösen Sinne, wo das Licht verbunden mit der göttlichen Erlösung ist.

Panta Rhei… “Wer in denselben Fluss steigt, dem fliesst anderes und wieder anderes Wasser zu” (Heraklit). Die Zeit ist für mich persönlich eine der größten Illusionen, da sie für mich genau so viel oder wenig existiert wie Gott. Sie ist unsere Hoffnung und gleichzeitig unser Gefängnis. Beides brauchen wir um dem Daseins-Prinzip von Spannung und Entspannung standzuhalten.

Wir haben Zeit, wir haben keine Zeit. Es ist unser Struggle for Life, den wir beständig gegen die Zeit führen und es scheint, als fliesse sie immer weiter in eine Richtung. Je mehr wir sie strukturieren, umso mehr entgleitet sie uns und wir uns selbst.
Am Ende unserer Zeit und jeder Vergänglichkeit steht immer eine Instanz, die uns entscheiden lässt, woran wir glauben wollen: an den Tod und das Ende oder an die Wiedergeburt und einen Neubeginn. Die Farbe Grün ist für mich die Farbe des Lebens und der Hoffnung.“

Sehr viel einfacher als die Symphony in Green hat Thomas Doss die Green Hills Fantasy (Grad 3) gehalten. Green Hills Fantasy beschreibt die grünen Hügel des oberösterreichischen Mühlviertels. Aus der Musik lernen wir, dass die Bevölkerung in ihrer Geschichte nicht nur unbeschwerte Zeiten mit Tanz und Freude, sondern auch kriegerische Auseinandersetzungen erlebte. Ich habe eine sehr gute Aufnahme unter der Leitung von Benjamin Yeo gefunden (Achtung: einzelne Themen in diesem Werk haben Ohrwurmqualität):

Greensleeves – ein altes Volkslied über ein Mädchen in grünem Kleid – hat viele Komponisten inspiriert. Alfred Reed hat die Melodie zum Beispiel sehr kunstvoll verarbeitet (Greensleeves, arr. Alfred Reed). Da die meisten von Euch jedoch die Reed-Version kennen, möchte ich Eure Aufmerksamkeit auf zwei andere Varianten lenken.

Anne McGinty (*1945) nahm sich beispielsweise der Melodie in ihrer Greensleeves Fantasy an. Ich habe eine Aufnahme gefunden, in der das Werk mit zwei Tänzern aufgeführt wurde:

Und die Version Ode to Greensleeves von Richard L. Saucedo, die mir persönlich am allerbesten gefällt:

Bei meiner Recherche habe ich leider nicht herausgefunden, warum die Melodie sehr oft in der Weihnachtszeit gespielt wird. Wer das weiß, kann es gerne in den Kommentaren ergänzen!

Aurora Borealis
Aurora Borealis

Aurora Borealis – das Naturphänomen der grün, gelb und blau schimmernden Polar- bzw. Nordlichter – haben einige Komponisten vertont. Vorstellen möchte ich Euch die Versionen von Rossano Galante und Jan Bosveld.

Aurora Borealis von Rossano Galante:

Oder Aurora Borealis von Jan Bosveld:

Mit dem heiteren Konzertmarsch Yama Midori von James Barnes möchte ich die „grünen“ Werke abschließen. Yama Midori ist japanisch und heißt übersetzt Green Mountains – Grüne Berge. Es war ein Auftragswerk einer japanischen Highschool. Eine coole Nummer, hört selbst:

Blau. Blues. Blauer Himmel. Blauer Planet. Blaue Berge. Wasser. Meer. Das sind die Schlagworte, die uns zu den blauen Blasorchesterwerken führen.

Alles blau – All Blue von Marcel Peeters möchte ich Euch zuerst vorstellen. All Blue ist eine dreiteilige Suite mit den Einzelsätzen Blue Valsetto, Blue Lamento und Blue Train. Leider gibt es nur eine Demo-Aufnahme (klick hier) und keine vollständige auf Youtube. Schade. Aber in der Demo-Aufnahme könnt Ihr schon hören, dass es um Blues und Blue Notes geht.

Genauso wie in den Variazioni in Blue von Jacob de Haan, in der Pavane in Blue von Ted Huggens (Henk van Lijnschooten, für diejenigen, die es nicht wissen), der Blue Beguine von Guy Gisborne (Pseudo von wem? Der Name ist doch eine Figur aus Robin Hood, oder nicht?) oder in Four in a Blue Way von Alain Flamme.

Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang: Blue Shades von Frank Ticheli. „So wie der Titel schon angibt, bezieht sich das Werk auf den Blues, obwohl es nicht wirklich ein Blues-Stück ist. Das Jazzgefühl ist vorherrschend. Sie finden hier nicht eine einzige 12-taktige Bluesentwicklung und ausgenommen einiger weniger isolierter Abschnitte sind die Achtelnoten nicht ver-swingt. Wie auch immer wird das Werk vom Blues beeinflusst. Blues Harmonien, Rhythmen und melodische Aussagen erfüllen das Stück, so erhalten Sie viele “Blauschattierungen” von hellblau, nach dunkelblau, nach schmutzig bis weiss-blau.“ So der Text aus der Partitur. Blue Shades ist einfach klasse. Ich bin sehr froh, dass ich es schon spielen durfte. Hört mal rein, diese Aufnahme finde ich richtig gut:

So blau kann der Himmel über dem Tessin sein:

Blau und grün... Nochmals einen Blick in den Tessiner Himmel...
Blau und grün… Nochmals einen Blick in den Tessiner Himmel…

„In den Himmel hineinfliegen“ – möchte ich auch bald wieder einmal. Zunächst begnüge ich mich mit Blasorchesterwerken. Wie zum Beispiel Voyage into the Blue von Naoya Wada. „Die Einleitung spiegelt das Aufsteigen der Maschine wider; dies wird im darauf folgenden, mit Energico überschriebenen Abschnitt, weiter ausgeschmückt. Der zweite Satz ist eine treffliche Vertonung des Fluges selbst. Der langsame Teil stellt einen sternenübersäten Nachthimmel dar. Der Schluss handelt dann von der Landung im Morgenrot: Die Flugreise ist zu Ende.“ So beschreibt der Komponist selbst (oder sein Verlag?) das Werk.

Auch Benjamin Yeo hat sich musikalisch vorgestellt, in den Himmel zu fliegen. Ihm erscheint dies in Flight – Adventure in the Sky als ein Abenteuer. Hier eine Aufnahme, bei der ich mitgespielt habe:

Vom Himmel herunter erscheint die Erde als blauer Planet. Der blaue Planet hat Kurt Gäble komponiert. Wie blau der Traunsee ist, beschreibt Fritz Neuböck in Deep Blue. Wie faszinierend und für Taucher gefährlich zugleich das Blue Hole – ein Höhlensystem vor der Küste des mittelamerikanischen Staates Belize – ist, erzählt uns Thomas Asanger. Und die Blue Ridge Mountains – ein Teil der Appalachen im Osten der USA – haben sowohl Stephan Bulla in Blue Mountain Saga als auch James Swearingen in Blue Ridge Saga vertont.

Was in der Sammlung “blau”, bezogen auf unsere Erde jetzt noch fehlt, ist das Meer.

Meiner Meinung bester Vertreter dafür: Blue Horizons von Franco Cesarini. Vertont sind das Meer mit seinen Bewohnern, inklusive den größten Säugetieren der Welt und ihrem Wal-Gesang. Eindrücklich! Hört gerne rein:

Zum Abschluss der Blasorchesterwerke, die unsere grüne und blaue Welt beschreiben, das versöhnliche Blue von Robert W. Smith. Eine wunderschöne, langsame Nummer, die einem die Gänsehaut über die Arme und den Rücken zieht:

Bestimmt gibt es noch weitere grüne und/oder blaue Blasorchesterwerke. Wer noch eines kennt, kann es gerne unten in die Kommentare schreiben!

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Alexandra Link

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